Leute, es wird Herbst!

IMG_3721Allen Hasen tropfen die Nasen,

der Rotz wirft regelrecht Blasen (und das nicht nur in Maßen).

Alle husten oder rotzen,

das Geröchel ringsum ist zum … Rasen!

 

I remember, wir haben Ende September…

(Pieschner Volksdichtung)

Planung ist alles!

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Von wegen.

„Ein Projektplan ist immer der momentane Stand des Irrtums.“, ist ein unter Projektleitern ebensoweit verbreiteter Satz wie: „Wer glaubt, dass Projektleiter Projekte leiten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten!“. Da werden in zig Tools Daten verschwurbelt, Risiken bewertet und einkalkuliert, alle (wirklich alle) erdenklichen Zustände und Umstände und gegebenen Rahmenbedingungen durchgerechnet und in Form gebracht. Und am Ende noch grafisch und schön bunt aufbereitet und ja! Also so wird ein Schuh draus! Bis, ja, bis eben wieder alles umgefummelt werden mus. Weil… weil eben! Weil es eben nie nach Plan läuft! Warum? Tja, Pläne eben. Theorie und Praxis. Der Kern des Pudels.

Ich bin auch so planungsverliebt. Wirklich. Mit Plänen und Analysen habe ich schon viele Jahre mein Geld verdient und so theoretische Praktiker wie ich, die neigen oft dazu, ihr alltagsuntaugliches Verhalten auch im Privaten einzusetzen. Mit zu erwartendem Erfolg…

Für diesen Spätsommer gab es auch einen Plan. Der wurde angepasst, modifiziert und ist Stand heute reif für die Tonne!

Im Juni sollte die Eingewöhnung des Blondinos beginnen. Am ersten September würde ich nämlich wieder in der Fabrik erwartet werden. Im Betrieb. An der Stanze, ihr wisst schon. Juni, Juli, August. Klang super! Drei Monate wurde noch nie ein Kind eingewöhnt. Selbst wenn ich alle Risiken wie Trennungsschmerzen, grippale Infekte, Meteoriteneinschläge und dergleichen mehr einkalkulierte, kam ich auf mindestens einen ganzen Monat Urlaub. Also für mich! Das war auch der Plan.

Hach, wie ich mir das ausmalte. Ich würde mich noch mal mit all meinen Freundinnen treffen, im Marché frühstücken, auf der Prager Straße bei Starbucks in der Sonne sitzen und Leute anglotzen. Ich würde endlich mal alle Museen der Stadt besuchen und allen Shoppingtempeln einen Besuch abstatten. Ich würde nähen und schreiben und die Wohnung umdekorieren. Drei mal in der Wochen laufen gehen! Menschenskinder, einen ganzen Monat Urlaub! So ein Glückspilz. Und in diesen vier Wochen würde auch irgendwann der bärtige Mann eine Woche Urlaub nehmen können und dann, ja dann hätten wir´s ganz besonders schön. Wir führen vielleicht nach Meißen, wo wir dereinst vor zehn Jahren geheiratet hatten und spazierten romantisch wie frisch Verknutschte durch die Gässchen. Wir würden bestimmt auch mal ne Radtour machen oder ein, zwei Museen gemeinsam besuchen. Vielleicht blieben wir auch einfach drei Vormittage hintereinander im Bett wie verantwortungslose Menschen gänzlich ohne irgendwelche Kinder, Jobs und Kegel. Niemand würde kochen, wir speisten auswärts in den allerfeinsten Spelunken. Schließlich ist ja Urlaub!

Soweit der (nüchterne) Plan.

Zuerst erwies sich die Kita, die das wundervolle Rotznäschen mit dem güldenen Haar besuchen sollte, als gänzlich ungeeignet! Das war ein Schock, aber nicht zu änderen. In einer hastigen Nacht-und Nebelaktion und mit viel persönlichem Einsatz meinerseits tat ich eine neue Betreuungsoption auf (und bis zur Zusage sogar noch als Plan B eine Tagesmutter plus eine Kita, die ihn dann im Anschluss 2016 nehmen würde). Meinen internen Projektplan modifizierte ich entsprechend der vorliegenden Änderungen bereits ein wenig.

Aus Gründen, die sich meinem direkten Einflussbereich entzogen, verschob sich die Eingewöhnung des Kindes immer weiter nach hinten, bis klar war: Das Kind kann von Seiten der Kita erst im September eingewöhnt werden. Also dann, wenn ich wieder zur Steigerung des Bruttosozialproduktes anderweitig verplant war. Glücklicherweise verfüge ich über eine Ansammlung an Resturlaubstagen aus vergangenen Jahren, aus Zeiten, in denen ich nur ein Kind und anscheinend weder Erholungsbedarf noch Hobbies hatte. Kurzerhand nahm ich den ganzen September Urlaub.

(Während ich das hier schreibe, bin ich also bereits pro forma eine wiedereingegliederte Vollzeit arbeitende Zweifachmutter. Ohne irgendeine Ahnung, wie sich das anfühlt!)

So. Der Bärtige und ich kratzten uns gegenseitig die Köpfe und beschlossen, die letzte Septemberwoche, also da gehts scharf! Da nimmt der Mann Urlaub und dann – endlich! – dann machen wir das, was wir mal dachten, was wir machen würden. Damals, als wir noch planten. Meine persönlichen Projektziele hatte ich schon längst über den Haufen geschmissen. Drei Tage. Drei Vormittage war die bisherige Freizeitausbeute gewesen (an einem hatte ich geputzt, an einem drei Stunden wie ein Stein geschlafen und an einem hatte ich mich tatsächlich mit einer Freundin verabredet).

Am Montag beginnt also diese Woche. Gestern schon wünschten wir uns gemeinsam einen schönen Urlaub. Heute nun kam ein Anruf. Die Kitagruppe des Wundervollen wird für nächste Woche aufgelöst, weil beide Erzieherinnen krank sind und kein Ersatz zu finden ist. Alle Kinder werden verteilt und die Eltern, die sich das einrichten können, werden gebeten, ihre Kinder zu Hause zu betreuen.

Ich kann mir das für kommende Woche einrichten, ich bin ja noch diese eine Woche offiziell beurlaubt. Und ich werde auch, zumal der Kleinste die meiste Zeit seines Kitaaufenthaltes auf dem Arm seiner Bezugserzieherin zubringt. Mit Nunni im Mund und Tröstetuch in den kleinen Händchen. Trauernd und wartend, dass ich, seine Mami, endlich wiederkomme und ihn abhole. Der Bärtige storniert seinen Urlaub.

Aber Scheiße, ja, ich hätte wirklich gern geglaubt, dass es dieses eine Mal klappt mit der Planerei. Dass es hinhaut. So wie ich ab übernächste Woche dann auch wieder an meine beruflichen Planungen glauben werde.

Und irgendwie, hm, das klingt jetzt schizophren vermutlich, ist es okay. Es wird meine letzte Woche Urlaub sein und die wird anders als geplant. Aber ich werde die genießen, mit dem Kleinsten. Versuchen, das noch einmal ganz bewusst als geschenkte Zeit zu betrachten. Nicht trauern um romantische Meißen-Spaziergänge, die wahrscheinlich sowieso nicht stattgefunden hätten, weil die Bäume im Garten zu verschneiden sind oder Ausweise neu zu beantragen oder anderer Scheiß, den Elternleute so in ihrem Urlaub machen. Nein, ich werde eine schöne Woche Urlaub haben.

Also, ruft mich nicht an und schreibt mir nicht, ob wir uns mal treffen können bei Starbucks. Ich bin schon verplant!

😉

Der Lauf

…meines Lebens war das nicht am Samstag und so ganz freiwillig erzähle ich euch auch nicht davon.

Also eigentlich überhaupt nicht freiwillig! Das ist alles Franzis Schuld. Als wir am Samstag auf den Start warteten, fiel mir ein, dass dieser Tag der zwölfte des Monats war. Und dazu noch Wochenende! Es fielen also #12von12 und #wib auf einen Tag. Und ambitioniert plapperte ich drauf los, ich müsste heute dringend noch Fotos machen! Daraufhin knuffte mich die aufgeregte Franzi in die Seite und sagte: „Du, ich bin sowas von sauer, wenn ich nicht Teil deines 12von12 oder Wochenende in Bildern bin!“. Ich versprach, sie „ganz groß rauszubringen in diesem Internet“ und wir giggelten und feixten um die Wette. Leider kam ich so auch nicht mehr aus dieser Nummer hier raus und muss also berichten. Wenngleich es zeitlich mal wieder jenseits von allem, was mit einem zwölften oder dem Wochenende entfernt zu tun hätte, liegt. Ich habe es zumindest versucht! Das sollte auch das Motto des Tages werden…

Aber wir drehen die Uhr erstmal ein bisschen zurück.

diszipliniertes Zopfgeschwader

diszipliniertes Zopfgeschwader

Mercedes Benz Frauenlauf. Zum dritten Mal in Dresden. Ich bin im letzten Jahr schon mitgelaufen und hatte mich danach begeistert direkt für 2015 wieder angemeldet. Lauf durch historische Altstadtkulisse, Lauftrainings im Vorfeld (für die, die das mögen), Shirt dazu und vorallem: nur Frauen. Ich finde das durchaus eine Erwähnung wert, denn, ganz ehrlich, die schubsen nicht! Die rennen dich nicht über den Haufen. Die fahren nicht einfach den Ellenbogen aus oder schmeißen dich in die Hecke, weil du im Weg rumläufst. Da wird ordentlich gewartet am Start und während des Laufs Rücksicht auf die Nebenfrauen genommen. Mädels unter sich halt. Und wenn du als Bummelletzte durchs Ziel taumelst, feuern sie dich noch vom Rand aus an: „Super, Henrike, weiter so! Gleich geschafft!“. Aber ich greife schon wieder vor…

Ich habe eine liebe Freundin namens Franzi (Genau, das ist die, wegen der ich jetzt diesen Text schreiben muss.). Eine ganz und gar großartige, lustige Person. Intellektuell stufenlos einstellbar, so wie es gerne mag, und seit kurzem Läufer. Also echt seit kurzem. Ein Jahr vielleicht, ich weiß es gar nicht genau. Sie ist zum Laufen gekommen, weil drei Schwangerschaftskilos runter sollten und überhaupt ist das Laufen am Abend eine Superidee, um sich an zwei Tagen pro Woche vorm familiären Spätdienst zu drücken! Mittlerweile läuft die Franzi tatsächlich zehn Kilometer, neben den geplanten drei Kilo sind locker noch zwanzig andere gegangen, geschmolzen, weg. Und Spaß macht es ihr außerdem. Also alles außer dem ersten Kilometer. Und dem letzten. Aber das kennt man ja. Franzi ist noch nie einen Lauf mitgelaufen und hatte sich nach eigenen Angaben beim Frauenlauf nur angemeldet, weil ich dort angemeldet war. Und war aufgeregt wie ein Kind an Weihnachten! Ich freute mich also auch und wir beschlossen, gemeinsam hinzufahren und dort einfach bissel im Kreis rumzurennen und Spaß zu haben…

In der letzten Woche dann meldete sich eine alte Bekannte zurück: Bursitis, die alte Schleimbeutelentzündungshobelschlunzendummesau. Rechtes Knie. Mit so´nem blöden Scheißendreck kann man sich echt den ganzen Tag versauen! Und den nächsten. Und den übernächsten. Denn, die Scheiße geht so schnell nicht weg. Schwellung, Schmerzen, Hitze. Was hilft? Ganz klar: Ruhe! Been hoch, Quark droff und Schonung. Nicht rumrennen zumindest.

Da ist es natürlich ungünstig, wenn man genau das aber vorhat! Vernünftig wäre also gewesen, sich die Bilder vom Lauf im Internet anzusehen. Mit hochgelegtem Bein.IMG_3595

Ich habe mir erwartungsgemäß am Samstag mein Knie mit Kinesiotape bandagiert und es danach nochmals vom Bärtigen einwickeln zu lassen, weil dieser der Meinung war, ich hätte es falsch gemacht und Youtube hier sagt, das gänge ganz anders! Mir war sowieso alles wurscht, plante ich doch, innerhalb der nächsten Stunden mit rotem Shirt, pinkfarbenem Kinesiotape und schwarzweißen Stützstrümpfen für alle sichtbar durch die Innenstadt zu humpeln.

Und so kommt es dann. Beim Warten auf den Start entstehen diese Fotos, die die Motivation der Beteiligten gut einfangen:

Franzi so.

Franzi so.

Ich so.

Ich so.

Es war wirklich schön. Schönes Wetter, schönes Strecke, schöne Stimmung, schön bescheuertes Schleimbeutelknie. Falls ich dachte, ich würde zumindest den Preis für die originellste Beinverkleidung bekommen, Fehlanzeige!ein Bionicle

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Wenn man sich kurz hinterm Start oder bei Kilometer 5,2 umdreht und ein Foto macht (also theoretisch), dann hat man Teile des berühmten Canaletto-Blicks drauf. Vorn rechts eine einsame Barke. Wurde kurz darauf abgebaut…

Wir laufen los unter Applaus und so. Ich auch. Der erste Kilometer ist erstaunlich super, der zweite gar nicht so übel und der dritte… also der dritte, der ziiiiieht sich! Das Knie hackt wie verrückt und ich werde immer laaaaangsamer. Links und rechts ziehen sie an mir vorüber. Alle. Dicke, dünne, große, kleine, schnaufend, keuchend, quasselnd.

Das Feld leert sich. Irgendwann bin ich das Feld. Also mein eigenes. Ich habe viel Platz und versuche, mir das schönzureden. Allerdings werde ich immer abgelenkt durch die Schmerzen in dem blöden Arschlochknie! Ich versuche, das Bein zu entlasten und humpele nun für alle Schaulustigen sichtbar. Das hat zur Folge, dass mir nach kurzer Zeit nicht nur das rechte Knie wehtut, sondern aus lauter Solidarität auch die linke Hüfte. Und so humpele ich mich in die zweite Runde, Kilometer sechs bis zehn. Knie, Hüfte, Knie, Hüfte, Knie, Hüfte. Ich höre noch, wie angesagt wird, dass sich das Zielfahrzeug vierhundert Meter vor dem Ziel befindet und ich denke: Mist, wenn ich nur ein bisschen langsamer gewesen wäre, dann könnte man mich zusammen mit der Siegerin auf deren Finisher-Clip sehen! Höhöhö. Nein, die gute Laune versaut mir so schnell nichts.

Ich humpel mich die Strecke entlang und bin dankbar, dass die Trommler noch nicht zusammengepackt haben. Ich bedanke mich auch bei jedem einzelnen. Auch bei den Ordnern, die hinter mir die Barken zusammenbauen und abräumen, bedanke ich mich und halte kurze Schwätzchen. Wann hat man denn sonst während eines Laufes schon Gelegenheit dazu? Ich überlege, ob ich die Zeit nutzen und überfällige Telefonate führen soll. Genug Puste habe ich ja aufgrund meines Antitempos. „Hallo, Tante Ingeborg! Ich bin´s! Ja, ist lange her. Du erzähl mal, wie gehts euch denn?“.

Immer noch kein Ende… Mensch, ist das weit! Wer langsamer läuft, wird länger gesehen. Unterhalb der Brühlschen Terrasse laufe ich dann beinahe alleine. Rüstige Spaziergänger haben in etwa das gleiche Tempo wie ich, und so laufe bewege ich mich irgendwie Richtung Ziel. Ich habe die Faxen ziemlich dicke und verfluche mich und das Knie und diese blöde Scheißidee. Touristen lachen mich aus. Zumindest bilde ich mir das ein. Ich grüße freundlich: „Ey, Blödmann! Lachst du mich aus?! Lachst du mich etwa aus?! Wieviele Kilometer bist du denn heute schon gelaufen, hä? Komm her, du Sack, und riech an meinem Eiterknie!“ (lautlos selbstverständlich).

Hüfte, Knie, Hüfte, Knie, Hüfte, Knie…

Etwa zu dieser Zeit stand meine Familie ziemlich ratlos in Zielnähe und war sich sicher, dass ich entweder irgendwo in die Straßenbahn gestiegen sei und auf dem Heimweg, oder aber in einem Altstadtcafé sitze müsste und Cappuchino schlürfe (In meinem Aufzug!). Oder irgendwo heulend im Gebüsch sitze. Aber das konnte ziemlich schnell ausgeschlossen werden, weil sich alle sicher waren, dass ich sofort wutschnaubend angerufen und verlangt hätte, dass jemand -irgendjemand!- mich gefälligst sofort aus diesem Gebüsch, dieser Hecke hier abholen solle! Aber zackig, wenn ich bitten dürfte.

Und siehe da, ach guck, da kommt doch noch jemand!DSCN3176

Ende. Humpelnd und leicht frierend anstatt schwitzend erreichte die Seniorin in Stützstrümpfen das Ziel…

Also, eigentlich ist das ja ein Lauf auf Zeit gewesen. Ich hatte jede Menge davon, soviel kann schon mal gesagt werden. Ja, wirklich jede Menge Zeit. Fast achtzig Minuten. Mehr Zeit als die meisten Frauen, die dort mitgelaufen sind 😉

Wenn man soviel Zeit zur Verfügung hat, sollte wenigstens eine Moral, eine Pointe, eine Parabel dabei rausspringen, oder? Hm. Weg is Ziel… Dabei is alles… Hm, ja. Wenn einem gar nichts anderes einfällt.

Oder aber, wir nehmen die Franzi hier:IMG_3617Der erste Lauf ihres Lebens. Und nun guckt sie euch an!9632472c66efa83a8fc25b148c42ed68Ein so freudestrahlender Anblick, so glücklich. Geschafft! Zehn Kilometer gelaufen! Sich überwunden und einfach losgelaufen. Glücklich und so stolz ist sie gewesen, das war echt ansteckend. Und was ist jetzt mit der Moral? Ach so, ja. Einfach mal machen. Sich selbst überwinden, dem inneren Schweinehund mit den Chips und den Schokonüssen auf der Couch einen fetten Schmatz geben und sagen: „Ich komme gleich wieder, mein Schatz, iss mir nicht alles weg!“, und dann einfach mal loslaufen! Laufen fetzt. Laufen macht glücklich. Stimmt wirklich. Kann man sogar ganz langsam machen, ich hab das  ausprobiert…

Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen, es ist nicht dort und ist nicht hier. Lern überwinden, lern entsagen, und ungeahnt erblüht es dir.

Theodor Fontane

Danke Google!

Das muss ja mal gesagt werden!

Ihr ahnt ja nicht, welchen Aufwand der Mitarbeiter Google betreibt, um mir viele neue, kluge, wissbegierige Menschen als Leser auf den Hals Blog zu schicken.

Im letzten Jahr habe ich mal aus Langeweile ein Facebook-Experiment nachgemacht und darüber geschrieben. Ganz richtig, kein tiefsinniger Text. Kein langer Text. Nichts von Gehalt und Mehrwert. Ein alberner Jux nur. Völliger Blödsinn eigentlich!

Ich ahnte es ja immer und nun ist der Beweis angetreten: Das ist, was das Volk lesen will! Wie man mittels einer Essig-Mundspülung-Mischung Hornhaut an den Füßen entfernt. Ja-ha! Da guckste. Eine hohe fünfstellige Anzahl Leute haben diesen Beitrag schon angesehen und jedesmal, wenn ich die Blogstatistik aufrufe, poppt mir dieser dämliche Text unter den ersten drei meistgeklickten entgegen. Immer noch! Die Leute googeln das. Echt jetzt. Und nein, ich weiß auch nicht, warum!

Falls ihr mal den Traffic ein wenig erhöhen wollt bei euch, einfach irgendwas mit Listerine, Essig, Hornhaut und Füßen schreiben. Oder in den Tags verstecken. Heimlich.

Hier sind die original Suchbegriffe vom Nieselpriem-Blöggel (stark gekürzt):

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Ich rede mir im übrigen ein, dass es immer die gleiche Zielgruppe ist. Einmal suchen sie eben nach Mundwasser-Essig-Experimenten, ein andermal nach… was anderem.  🙂

 

Ein Kaffee für Frau Nieselpriem

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Erntedank

Erntedank

Das Gartenjahr neigt sich dem Ende… und ich quatsche schon wie ein altes Weib!

Wer die Gartenposts vom letzten Jahr gelesen hat, konnte sich herzlich über mich und meine Versuche amüsieren, einen „Familienlandsitz“ auf diesem von Scherben übersäten, zugewuchertem Stückchen Pachtland zu schaffen. Dieses Jahr hatte ich zumindest ansatzweise das Gefühl, dass es (ganz anders zwar als erträumt) schon mal in die anvisierte Richtung ging.

Also zumindest kann ich behaupten, dass ich die Zeit von Frühjahr bis Spätsommer eigentlich komplett im Urlaubsfeeling verbracht habe. Bevor Neid entsteht, ich meine den Teil mit Ein- und Auspacken. Also Freitags sechs Ikea-Beutel voller Klamotten und vier Säcke und Kisten mit Lebensmittel in den Kombi stopfen und am Sonntag das Ganze retour. Wobei mir immer noch nicht klar ist, wieso die Menge stets stark variierte! Also entweder schleppten wir zehn Säcke in den Garten und nur sechs zurück oder umgekehrt. Das muss an der doppelten Haushaltsführung liegen. Die sorgte auch dafür, dass meine kläglichen hausfraulichen Bemühungen jede Woche erneut damit belohnt wurden, dass ich, nachdem ich eine Behausung geputzt hatte in die andere fuhr und von Spinnweben und Staub und Dreck begrüßt wurde. Irgendwie immer. Auch befanden sich regelmäßig Dinge des Alltagsgebrauchs stets in der jeweils anderen Hütte. Soll heißen, es gab überproportional hohe Leerfahrten zwischen den beiden Lokalitäten, um Ladekabel, Nuckel, Eheringe und dergleichen nachzuholen.

Wirklich schön ist allerdings das Ernten, als Belohnung für die ganze Krauterei und das im Sommer tägliche Geschleppe von vierhundert Litern Wasser in Gießkannen.

Und irgendwas gabs auch immer.IMG_2483

Kaum war der Flieder verblüht, konnten wir Rhabarber ernten. Er bildet phallische Blütenstände aus, die sich als Geburtstagsblumen nur bedingt eignen…IMG_2480

Hier in der Tarte-Version zusammen mit Nektarinen und einem Guss aus 100g geschmolzener Butter, 150g Mehl, Backpulver, 150g Zucker, einer Prise Salz und 250ml Milch. Vorm Backen mit Hagelzucker bestreuen und ca. 45Min backen (Stäbchenprobe).IMG_2669

Nach dem Rhabarber kamen die Beeren. Also die frühen wie Jostabeeren, Johannis- und Stachelbeeren.IMG_3042

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IMG_3108Dann kamen (und kommen immer noch) Tomaten, Gurken, Zucchini und Wurzelgemüse. IMG_1418 IMG_3496-1

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IMG_3493Was macht man mit dem ganzen Zucchini? Chutney zum Beispiel. Ich liebe den auch als Pastasauce mit Schalotten, Sahne und Estragon. Oder als Antipasti (Variante 1: geschmort mit Champignons und Zwiebeln, Pfeffer, Salz, Rosmarin, Thymian. 1El Zucker rein und Essig und dann erkalten lassen. Variante zwei: Mit Salz, Pfeffer und Kräuter der Provence einreiben und in der Pfanne anbraten. Eine Scheibe Parmigiano auf jede Scheibe legen, Herd aus, Deckel auf Pfanne und schmelzen lassen.).IMG_3049

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IMG_3428Der Wein ist in diesem Jahr nichts geworden und die Pflaumen sind voller Maden. Die Äpfel sauer. Aber das gibt noch ein schönes Apfelmus! Ich mag es am liebsten mit Zimt und Rosinen gekocht oder mit Cranberries und Vanille.IMG_3463Ende August stehen meine Jungs eigentlich den ganzen Tag zwischen den Himbeer- und Brombeersträuchern. Die werden direkt in den Mund geerntet.

Und dann: Die Kartoffeln. Ich liebe das! Kartoffeln ernten ist wie Überraschungseier basteln. Für mich. Ich ernte die auch immer mit den Händen, weil ich mich so freue, wenn ich die Knollen in der Erde ertaste!

Das ist auch was Hübsches für Städterkinder. Einfach im nächsten Jahr eine angetriebene Kartoffel halbieren und in einen großen Topf mit Erde setzen und ordentlich bedecken mit Erde. Beim Wachsen zusehen und wenn das Grün im August abgestorben ist, rausziehen und die Kartoffelkinder bergen.  IMG_3443

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Im September und Oktober freue ich mich auf Kürbisse. Weniger auf die kühlen, feuchten Abende und das Bäumeverschneiden, Umgraben, das Winter-fest-machen. Aber dafür auf abendliche Feuerchen und alberne Familienselfies mit Mütze und Schal.IMG_1454

Beispielbild eines albernes und unvorteilhaftes Familienselfies am Feuer (Archivbild von 2012)

Beispiel eines albernen und unvorteilhaften Familienselfies am Feuer (Archivbild von 2012)

Enthüllung

Falls sich der Eine oder Andere fragt, warum der Mann „Bärtiger“ heißt. Er ist eine Mischung aus Bär und Tiger. Deshalb. 🙂

Kommt ein Hypochonder zum Arzt…

Folgende Gesprächssituation könnte sich unter Umständen so oder so ähnlich am Montag in einer Pieschener HNO-Praxis zugetragen haben. Könnte.

„Guten Tag, sagen sie?! Na, ich weiß noch nicht, ob das ein guter Tag ist. Wir sollten vorerst beim „Hallo“ bleiben. Ich habe seit circa einer Woche Schmerzen hinterm Ohr. Also der Knochen, dieses Halbrund dahinter, tut weh. Und es hat sich ein Knubbel gebildet, das finde ich alarmierend.

Es ging erst damit los, dass ich keine Brille mehr tragen konnte, weil das drückte. Mittlerweile tut es konstant weh. Kein infernalischer Schmerz, wie er zu einer Ohrenentzündung passen würde, eher wie eine Zahnfleischentzündung. Aber am Kopf. So dumpf, wissen sie? Und permanent. Widerlich! Drehe ich mich des Nächtens versehentlich auf die linke Seite, werde ich wach von dem Schmerz.

Ich war am Wochenende beim Notarzt deshalb. Man will ja nichts verschleppen. Sinnloserweise dachte ich, da sei wenig los und ich wäre damit besser beraten als mich montags um acht zwischen fünfzig Rentner in die Allgemeinarztpraxis zu setzen. Es war auch wenig los, aber ein ungeschriebenes Gesetz in der Notaufnahme besagt, dass ein einzelner Patient mindestens zwei Stunden warten muss, um die Dramaturgie aufrechtzuhalten. Und erst dann aufgerufen werden kann, wenn wirklich jeder der diensthabenden Ärzte und Arzt-Azubis mindestens ein, besser zwei, Heißgetränke aus dem angeflanschten Automaten gezogen hat und sich danach einer von den Kollegen durchgeführten Magenspiegelung unterzogen hat um zu gucken, ob sich eventuell eine Schleimhautreizung ergeben hätte aufgrund des Automatenkaffees.

Jedenfalls diagnostizierte der Arzt dann nach zwei Stunden Rumsitzen eine Knochenhautentzündung, eine Mastoiditis quasi, wir können ja miteinander „ärztisch“ reden hier. Dazu passt ja auch der Knubbel, wenn sich da ein Abszess bildet. Als erfahrener Patient wusste ich sofort, was mir blüht! Ich habe kaum noch geschlafen und sämtliche Operationspraktiken nachgelesen. Das war ein Wochenende, ich kann ihnen sagen. Er meinte dann, ich sollte mich am Montag beim Facharzt vorstellen und sie würden wahrscheinlich eine Endoskopie durchführen um eine Tumorerkrankung auszuschließen.

Also, ich sag ihnen gleich: Dafür habe ich keine Zeit! Sie werden mir keine Sonde durch die Nase in den Schädel fädeln! Nicht am helllichten Tag und bei vollem Bewusstsein! Gut, unter Vollnarkose von mir aus, da können sie auch gleich alle anderen Körperhöhlen ausfunzeln. Unter uns gesagt, ich steh ja auf Narkosen, ich reite auf dem blauen Einhorn, bis die Wolken wieder lila sind, und sie dürfen Höhlenforschung betreiben. Nicht?!

Ach so, sie wollen mal tasten. Halt, was ist das für ein Ding? Bei ihnen sieht’s ja aus wie bei Mister Grey. Lauter so Metallzeugs! Was ist denn das… ich fass ja gar nichts an! Sie müssen nicht gleich schimpfen. Angst? Nein, ich hab keine Angst. Also vorm Zahnarzt vielleicht, da kann ich mich nicht benehmen. Ich denke immer, wenn die meinen Namen morgens im Bestellbuch lesen, kippt das komplette Praxisteam erst mal ne Literflasche Klosterfrau auf Ex. Rein prophylaktisch zur Nervenstärkung. Die tun mir wirklich leid. Also ich mir auch, keine Frage, aber die auch schon. Ich bin ja ein empathischer Mensch.

Nein, das tut nicht weh, wenn sie da drücken. Hm, eine Mastoiditis hätte ich mir mit einer Entzündung einfangen müssen, oder? Der Knubbel hinterm Ohr könnte ja auch ein Hinweis auf ein Atherom oder Cholesteatom sein, oder? Jaja, ich habe mich belesen, ich komme doch nicht unvorbereitet zu ihnen.

Wie, sie wollen in meine Nase gucken!? Wozu denn das? Aaaargh… ich weiß nicht, ob das nötig war! Ist ihnen langweilig? Der Knochen hinterm Ohr ist das Problem! Was machen sie denn jetzt… au… dang ing ungangenehng! Was sagen sie? Kiefergelenk? Trigeminusnerv? Klar weiß ich was das ist, aber mache ich auf sie den Eindruck, als hätte ich eine Gesichtslähmung?

Sie meinen also, ich brauche eine Bissschiene. Das kann nicht ihr Ernst sein! Ach, doch, ist es. Und ein orthopädisches Kissen zum Schlafen, sagen sie? Dann spare ich mir die Verhütungsmittel, soviel ist schon mal klar. Spaß beiseite, was machen wir denn jetzt mit meiner Mastoiditis? Kann man da noch mit Antibiotika gegensteuern, oder muss das operiert werden? Ich habe mich am Wochenende bereits belesen… Keine? Nicht? Nur Zahnarzt?! Den Knubbel einen harmlosen Lymphknoten zu nennen halte ich für höchtgradig fahrlässig von ihnen. Hören sie, man kann doch einen Sonnenstich haben und gleichzeitig einen Gehirntumor! Theoretisch. Beides macht Kopfschmerzen.

Nein, ich habe keinen Sonnenstich, ich rede immer so viel. Passen sie auf, ich habe es mir überlegt. Wir machen einen Termin für eine Endoskopie. Ja, sie dürfen, heute ist ihr Glückstag! Ich finde, das sollten sie sich wirklich mal genau von innen ansehen. Man übersieht doch so leicht etwas, oder nicht? Sie wollen doch nicht, dass meine Kinder mutterlos aufwachsen müssen, oder?

Wie, schon wieder wünschen sie mir einen guten Tag? Irgendwie fühle ich mich nicht richtig ernstgenommen von ihnen. Na gut, ich werde eine zweite Meinung einholen. Und einen Termin beim Zahnarzt machen. Die werden dort weinen vor Freude, wenn sie meinen Namen im Bestellbuch lesen.“

Gedanken um einen Gastbeitrag…

Séverine vom Blog Mama on the Rocks bat mich um eine Geschichte zum Thema „Die Schweiz und ich“. Und ich sagte gerne zu, dachte ich doch spontan daran, wie lustig das werden würde, wenn ich immer nur von der Sächsischen Schweiz schreiben würde! Da verbrachte ich gefühlt meine halbe Kindheit. Als Kind zweier Bergsteiger das natürliche Umfeld.

Die Abgabefrist rückte immer näher. Und ich fand keinen Anfang. Meine gewohnt spitzbübigen Gedanken wollten sich nicht einfangen lassen. Stattdessen verlor ich mich beim Betrachten der alten Fotos in ganz anderen Gefühlen.

Und da war sie auf einmal da. Sprang mich an und boxte mit gegen die Brust! Trauer. Die alte Bekannte. Die verhasste Megäre, die mir den Tag versauen würde! Uneingeladen steht sie in regelmäßigen Abständen vor der Tür. Mit unterschiedlichem Gewand bekleidet. Mal hüllt sie sich in Wut und Trotz, mal in verzweifeltes Unverständnis. Mal in einen Umhang aus Tränen. Auch noch nach so vielen Jahren.

„Das Leben geht weiter!“

Ja, wir Überlebenden leben noch. Ja, wir haben nach diesem Tag X Kindern in dieser Familie Leben geschenkt und die Alten begraben. Und dennoch ist dieses Leben keinen Tag so weitergegangen wie gedacht. Für niemanden von uns.

„Er wurde mitten aus dem Leben gerissen.“

So beschreibt man oft, wenn ein junger gesunder Mensch von einem auf den anderen Tag geht. Aber nicht nur er wurde aus dem Leben gerissen, sondern unsere gesamte Familie. Und das nicht nur für ein paar Trauerwochen. Da ist soviel Ohnmacht, soviel Nicht-begreifen, soviel Nicht-mehr-wollen. Und es hört auch nicht auf. Hört es irgendwann auf? „Das muss doch auch mal wieder aufhören!“, leicht gesagt.

Leben und Tod. Wir werden geboren und sehnsüchtig erwartet. Und wir sterben und werden betrauert und vermisst. In ganz furchtbaren Fällen sogar von denselben Personen. Ist es leichter, wenn man sich verabschieden kann, wie nach einer langen Krankheit? Ist es leichter, wenn man das Gefühl hat, einem Menschen Lebewohl zu sagen, der ein erfülltes Leben hatte und gehen möchte? Ist es leichter, die Hand eines alten Menschen loszulassen? Ich weiß es nicht.

Trauer hält sich an keine Karenz- oder Halbwertzeiten. Und jeder Mensch trauert anders. Ich habe viele Jahre gar nicht trauern können, dachte ich. Stand hilflos daneben, wenn ER von anderen beweint wurde. In mir war alles voller Wut. Ich fühlte mich so betrogen! Betrogen um die so ersehnten Erwachsenengespräche auf Augenhöhe, so betrogen um das Gefühl, seinen Arm um meiner Schulter zu spüren und Stolz in seinen Augen zu sehen, wenn er auf mich herabblickt. Wärest du jetzt stolz auf mich, könntest du sehen, was aus mir geworden ist? Betrogen um das Gefühl, meine Kinder auf seinem Schoß sitzen zu sehen. Trauer hat viele Gesichter.

Ich bin mittlerweile älter, als er werden durfte und dennoch befinde ich mich immer noch in der Rolle eines trauernden Kindes. Habe ich, wenn ich an ihn denke, die Gefühle des kleinen Mädchens, das ich einmal war.

Das Internet vergisst nicht. Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich diesen Beitrag für Mama on the rocks schreibe und ich sie fragte, was sie davon hält und wie sie zur Veröffentlichung von Fotos steht, hat sie sofort geantwortet, das sei eine wunderbare Idee! Und Bilder rausgekramt. Alle Bilder in dem Beitrag sind aus dem Album meiner Mutter.

Für uns ist er immer unsterblich. Und nun auch für das Internet, das nie vergisst.

Er war ein tollkühner Bergsteiger, ein leidenschaftlicher Sportler, ein lustiger und draufgängerischer Kerl. Und er war mein Vater.

bmp065… Dieses ❤ ist für all die starken Frauen in meiner Familie!

„Schatz, ich hatte einen Unfall!“

Leute, ich sag euch. Ich erlebe Sachen! Gestern zum Beispiel.

Ein riesiger, leerer Dehner-Parkplatz, wie das so üblich ist dreißig Minuten nach Feierabend. Doch halt! Es gibt Leute, die wider besseren Wissens versuchen, nach neunzehn Uhr Nutzpflanzen zu erwerben.

Ich stelle also das KFZ auf dem menschenleeren Parkplatz ab und versuche danach, durch rhythmisches Vor- und Zurücklaufen der automatischen Tür des Gartenmarktes begreiflich zu machen, dass ich um Einlass bitte. Ein asiatisches Couple nähert sich und scheint zu überlegen, ob es sich lohnt, die Nikon rauszuholen („Das ist ein Pflanzengeschäft und hier vorn seht ihr eine Eingeborene bei der Aufführung eines Regentanzes!“).

Ich verziehe mich, starte den Stadtpanzer, setze elegant zurück in Richtung untergehender Sonne und RUMMMMMS! Es knallt. Auf dem leeren Parkplatz.

Ich war dann doch lieber mal nachsehen. Irgendjemand (die Asiaten kamen bleichgesichtig vor Schreck angerannt) hatte mit mutwilliger Absicht einen winzigen, nahezu unsichtbaren Audi A4 in der Farbe von gleißendem Sonnenlicht direkt in die Parkbuchse hinter mich gestellt. Der war einfach nicht zu verfehlen…

Die Asiaten mussten erst mal alles fotografieren, während ich mich souverän der Klärung des unsäglichen Sachverhalts widmete: „Do you know what to do in a case like this?“, piepste ich unsicher.

(Alles muss man selber machen! Dabei habe ich ja überhaupt keine Erfahrung mit Verkehrsunfällen. Also, ich bin schon als Täter aktenkundig, aber ich beschädige eigentlich nur parkende Autos. Oder ich öffne seelenruhig die Fahrertür um auszusteigen und eine beigegewandete Omi mit völlig überladenem Rad kann nicht ausweichen und fährt mir in die Tür. Und ich bin dann schuld! Sowas eben. Da kommt dann die Polizei und macht Theater. Ach, ja… die Polizei!)

„I think, we should call the police. Do you have an insurance paper like this?”, erkläre ich und wedel mit dem grünen Zettel, den ich zwischen drei Dutzend Handbüchern zum Thema Auto aus dem Handschuhfach gezogen habe.

„ No! No police. Follow! Follow!“. Und – Schwupps!- ist mein insurance paper auf einmal in asiatischer Hand, die springen in ihren winzigen Audi A4. „Follow! Follow!“. Ich followe also einem Auto mit zwei Anderssprachigen, die im Besitz meines Versicherungsscheines sind zu einem unbekannten Ziel. Was hätte ich auch anderes tun sollen!

Unterwegs ruft dann der Bärtige zurück und ich kläre ihn darüber auf, dass ich einen Unfall gehabt hätte. „Sage mir nicht, dass das schon wieder deine Schuld war!“, erbost er sich, und ich sage es ihm nicht. Ich frage mich (und ihn) lediglich, was so schwierig daran ist, den Satz: „Schatz, ich hatte einen Unfall!“, von dem Satz: „Schatz, so ein blöder Arsch ist mir in die Karre geknallt!“, zu unterscheiden. Die Asiaten versuchen inzwischen, die Einfahrt vom Audi-Zentrum zu entern. Während ich noch aussteige, besprechen mich die Asiaten fuchtelnd. Ich kann nicht verstehen was sie sagen und hoffe nur, dass es nicht kultureller Brauch ist, dass ich ihnen jetzt einen Neuwagen spendiere. „Excuse me, wait a minute. There is my raging husband on the cellular Dingsbums. Nein, Schatz, ich bin nicht irre! Die hatten das insurance paper. Was weiß denn ich, warum die no police wollten! Vielleicht schmuggeln die Frühlingsrollen im großen Stil. Was bitte hätte ich denn machen sollen?! Ja, Schatz, ich bin jetzt bei Audi. Keine Ahnung, warum. Nein, Schatz, bitte komm nicht her. Bitte! Ja, Schatz, ich kaufe den Rest des Jahres die Schlübbor für die Kinder bei Primark. Wie, keine Dekokäufe mehr? Du, ich muss Schluss machen, da kommt der Herr Audi.“.

Die Leute bei Audi freuten sich auch sehr. Zehn vor acht träumen die doch von so einer spannenden Abwechslung wie der Aufnahme eines Unfallberichts. Vollkommen entgeistert starrten die mich an und fragten, was zur Hölle sie jetzt hier machen sollten?! Ich konnte nur wahrheitsgemäß erwidern, dass mir nach Entwendung des Versicherungsscheines gar nichts anderes übrig blieb, als der Spur des Scheines und den Asiaten hierher zu folgen. Der Audi-Mann fragte die Asiaten, warum sie nicht die Polizei gerufen hätten. „It´s because she looked so honest.“ (zeigt auf mich). Ist das zu fassen? Da hat man einmal im Leben einen schwachen Tag und guckt ein kleines bisschen honest und schon steckt man mittendrin in einer „Follow“ Follow!“- Verfollowungsjagd.

Die bei Audi haben dann den Unfallbericht ausgefüllt und den Schaden begutachtet („Ist nichts weiter! Nur der Schweller/ Stoßfänger/ irgendwas. Kostet circa…“, und nennt eine vierstellige Zahl, die mich spontan der Tränenblindheit anheimfallen lässt.).

Unfallbericht: Deutsche Frau plus asiatischer Kleinwagen und zwei Asiaten plus deutscher Kleinstwagen – peng!

Warum ich das jetzt erzähle ist sonnenklar. Ich will die Filmrechte vermarkten, weil ich Geld brauche. Jürgen Vogel sollte mich spielen. Oder vielleicht doch lieber Moritz Bleibtreu, der guckt schon von Haus aus so honest. Dann kann Jürgen Vogel mein Auto spielen oder den Audi-Mann. Und die beiden Asiaten. Ich sehe eine witzig-spritzige Komödie vor mir. Eine Leiche im Kofferraum (gespielt von Jürgen Vogel) kann man ja noch einbauen!

 

Ein Kaffee für Frau Nieselpriem

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Mauerreste

Mauerreste

Im vergangenen Sommer hat der Beste unter enormem körperlichen Einsatz und mit Zuhilfenahme des seinerseits besten Freundes und allerlei isotonischer Getränkeunterstützung das Hochbeet von Oma und Opa abgetragen. Wir waren uns sicher, es gibt nichts Hässlicheres als so ein olles Hochbeet!

Die blöden Steine, die wir nun nicht mehr benötigten, hatten wir faulerweise als Mahnmal an die innerdeutsche Mauer entlang unseres Zaunes aufgeschichtet. Vorbeilaufende Passanten befanden wohl, die „Mauer müsse weg!“, und taten das ihrige dazu bei (ebenfalls unter beachtenswertem körperlichen Einsatz, galt es doch, erst den Zaun zu bezwingen).

Mit dem Rest der Wackersteine haben der Mann mit Bart und ich gestern im schwindenden Tageslicht ein gemeinsames Projekt begonnen (Nein, das ist kein Hochbeet! Hochbeete sind doch hässlich. Das ist eine Kräuterspirale, das sieht man doch!).

Gut, die Erde war dann alle. So sieht es jetzt also aus.

Dinge, die andere Leute über unser gartenarchitektonisches Projekt sagen werden, sind möglicherweise:

„Das ist aber keine Spirale!“

„Wer von euch hatte diese interessante Idee?“

„Ich kann den expressionistischen Gedanken sehen…“

„Ist das mit der Form so gewollt?“

„Hat man jetzt wieder Hochbeete?“

„Ist das schon fertig?“

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Garten- #wib

Garten- #wib

Ich #wib-be heute mal durch den Garten.

Ich war am Samstag das erste mal wirklich alleine dort! Ich saß inmitten Blätterrauschen und Vögelpiepen und vergaß beinahe, dass ich mich noch in der Stadt befinde. Die Bemme hat auch gleich viel besser geschmeckt.IMG_2735

Es sieht schon aus, als wäre es meins: Überall steht und hängt Zeugs rum. Fertig ist hier nichts, aber voll! Voll Krims vor allem…IMG_2739

IMG_2741…Wenn ich Nägel finden würde. Oder die Bohrmaschine! Und mich entscheiden könnte, was an die Wand soll!

Dieses Schmuckstück habe ich beim Trödel gefunden und der Mann war fuchsig und hat gesagt, es könne nur einer bleiben! Er oder der Tisch! Ich habe selbstverständlich höflich gefragt, ob er Hilfe bräuchte beim Packen. Der Mann (Sie sind erwartungsgemäß beide noch da und ignorieren sich gegenseitig.).IMG_2766

IMG_2738Küche (Ausschnitt, also der Ausschnitt mit der höchsten Krimskramsdichte)

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Sieht abenteuerlich aus, ist es auch: Der Treppenaufgang unters Dach. Der Bärtige hat am vergangenen Wochenende die zweite Seite ausgebaut und unter gigantischen Flüchen (beispielsweise: „Diese Furzkrampe soll der Blitz beim Scheißen treffen!“) folgendes Ergebnis erzielt:

IMG_2743Da kann jetzt eine Hamsterfamilie übernachten. Oder zwei von uns Leuten. Mit herunterhängenden Beinen. Wir werden mal sehen…

Die andere Seite der Treppe sieht so aus:IMG_2744Ich glaube, wir haben bald einen Familienschlafbereich, wenn auch einen mit halsbrecherischen Auf- und Abgang.

Draußen siehts vergleichsweise langweilig aus:IMG_2736

IMG_2737Es wächst alles, niemand ist überraschter als ich! Ich muss jetzt mal ein bisschen mit Pflanzencontent um mich schmeißen…IMG_2759

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IMG_2750Bilder meiner spektakulären Brennessel-Zucht:

IMG_2752Das hier ist kein Unkraut, das muss so! Wird noch was… hoffe ich.

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IMG_2748Ich habe alle Fässer und Außensteckdosen mit „Kindersicherungen“ verrammelt. Bis zur Unbenutzbarkeit 🙂IMG_2756

IMG_2767Am schönsten finde ich die olle Tür vom Schuppen (inklusive Spinnweben):IMG_2763… und das Außenwaschbecken, das sich der Wein unter den Nagel gerissen haben wird am Ende des Sommers:IMG_2762

IMG_2747Am Sonntag waren wir wieder alle vier dort. War dann nix mit Ruhe und die Vögel haben sich auch ängstlich verzogen, aber das ist mein liebstes Gartenpflänzchen (von hinten):IMG_2782Das war mein Wochenende in Bildern (#wib) mit der Sondersendung „Du und Dein Garten“. Hier kommt noch ein Selfie der spießigen Gärtnerin im Spiegel vor oberspießigen Petunien in -ja wirklich- einem Plastebalkonkasten. Ach, dann lacht doch! IMG_2761

Mehr Wochenendenbilder gibts bei Susanne von geborgen wachsen.

Das war die Blogparade „Der Tag meiner Geburt“

Ganz egal, welche Haltung jeder Einzelne von uns zu diesem bestimmten Sonntag im Mai hat, so kommt doch keiner daran vorbei, gerade an diesem Tag an den einen Menschen zu denken, mit dem unser eigenes Leben unweigerlich verknüpft ist. Und zwar vom ersten Tag an. Vom #TagmeinerGeburt.

Anlässlich des diesjährigen Muttertages wollte ich eure Geburtsgeschichten lesen und es sind spannende Berichte zusammengekommen. Ich danke euch allen, dass ihr mitgemacht habt und eure Geschichte mit uns teilt!

Sehr berührt hat mich der Bericht von needless to say. Eine Geschichte über ein Wunder, ein Kind, dass eigentlich nicht hätte kommen sollen und doch freudig erwartet wurde. Über mutige Eltern, die schon damals mehr ihren eigenen Instinkten als den Ärzten Glauben schenkten. Einem Kind, das schlussendlich in einer Einkaufstasche nach Hause getragen wurde. In sein neues Leben.

Bei essential unfairness brachte eine tapfere Mutter ihr Kind in einer Teeküche des Krankenhauses zur Welt, weil nebenan renoviert wurde. Inklusive Besuche der Handwerker. Exklusive des Vaters, der sich von den Strapazen daheim vor dem Fernseher ausruhen musste.

Bei Wunschkind² hat eine etwas störrische und bockige junge Mutter, die eigentlich keine Kinder bekommen konnte, eine langwierige Nierenbeckenentzündung nach vierzig Wochen entbunden und als dieses Überraschungskind dann noch nicht mal ein Junge war, weigerte sie sich anfangs vehement, das Kind auch nur anzusehen. Bei einem Bierchen und einer Zigarette mit dem Arzt konnte die Frischentbundene doch noch überredet werden, wenigstens mal einen Blick auf das Töchterchen zu werfen (vermutlich war es dann Liebe auf den ersten Blick). Im Übrigen bekam die Unfruchtbare noch drei weitere Kinder… Ich mochte diese Mutter sehr beim Lesen!

Bei parentsdont brachte eine junge Schwesternschülerin ihr erstes Kind im Krankenhaus zur Welt, in dem sie auch arbeitete. Das wirklich Ergreifende an dieser Geschichte ist aber eher die Tatsache, dass sie sich von allen anderen abhebt durch den Umstand, dass der Vater schon damals eine größere Rolle spielte als bei anderen Familien, wo die werdende und Mutter oft mit der Kinderkriegerei und auch dem Versorgen allein beschäftigt war. Sehr lesenswert mit Schmunzelgarantie!

Miriam von TheMama schreibt einen sehr warmherzigen und dankbaren Text und in diesem ist auch ein Schriftwechsel zwischen ihr und ihrer Mutter abgebildet, der zeigt, dass sie ein sehr herzliches Verhältnis haben. Und es spiegelt wider, dass selbst unter den damaligen Bedingungen (alle vier Stunden bekam man das Baby zum Stillen, nachts nie, strikte Besuchszeiten) die Mutter der Ansicht ist, früher sei alles noch schlimmer gewesen! Und hauptsache, die Kinder waren gesund!

Dass Ultraschall, CTG und engmaschige Geburtsüberwachung ein Segen der Neuzeit sind und durch die dadurch gegebene Möglichkeit frühzeitig eingreifen und helfen zu können vermutlich viel Kummer erspart werden kann, ist in der Geschichte um die überraschende und traurige Zwillingsgeburt von Nadine P. nachzulesen.

Kinder werden immer geboren. Selbst unter widrigsten Umständen. Das liegt in der Natur der Sache. Und ist das Normalste und Natürlichste der Welt. Und trotzdem immer wieder ein kleines Wunder. Und dieser Moment, in dem beide geboren werden, das Kind und die Mutter, die vorher diese Rolle möglicherweise noch gar nicht innehatte, werden beide verbunden bis an das Ende ihrer Tage. Die Nabelschnur wird nur physisch zerschnitten. Sie bleibt ein Leben lang fühlbar bestehen.

Karl-Haende

Mein erstes Fotobuch (sponsored post)

Als der Jüngling in unserem Haus vor ein paar Wochen Jugendweihe feierte, hatte ich mich entschlossen, außer einer die Familienkasse ruinierenden Feier ein Fotobuch anfertigen zu lassen. Nur für ihn. Als fotografischen Rückblick auf sein bisheriges Leben.

Mir gefiel die Idee sehr!

Da ergab es sich, dass mich just zu ebendieser Zeit die Firma Prentu anschrieb und fragte, ob ich nicht Lust hätte, deren Fotoservice zu testen. Und dann darüber zu berichten? Ich ließ mich nicht lang betteln. Wenn die Gestirne günstig stehen und der eine sich wünscht, was der andere will, dann ist das ein Zeichen! Oder so ähnlich.

Das Gute an ersten Mal-en ist: Man geht unvoreingenommen heran. „Open minded“ quasi, wie wir hier so schön auf neudeutsch sagen (Denglisch ist das neue Neudeutsch. Ich muss bald mal einen Artikel darüber schreiben. Am besten auch gleich auf denglisch… Aber darum gehts ja hier jetzt nicht.  Es geht um ein Fotobuch. Weiterlesen!).

Ich habe absolut keinen Vergleich zu anderen Fotoportalen hinsichtlich Layout und Benutzerfreundlichkeit, da ich bislang meine Fotoprodukte am Kiosk beim Drogisten erstellte. Aber ich hatte auch noch nie ein Jugendweihekind, dem ich eine doch exklusivere Freude bereiten wollte als die neun mal dreizehn matten Abzüge, die ich mir sonst zwischen Waschmittel und Hundefutter aus dem Fotodrucker ziehe.

Via www.prentu.de gelangt man zum Fotoservice. Das Portal erschien mir angenehm unüberladen und die Navigation selbsterklärend. Neben klassischer Fotoentwicklung auf Papier kann man Leinwände, Acryl, Holz bedrucken und diverse Artikel mit dem Foto seiner Wahl versehen. Ich hielt mich da nicht lange auf, ich wollte ein Fotobuch!

Erstaunt war ich über die Auswahlmöglichkeiten (Das toppt den Drogeriekiosk um Längen!). Allein bei den Fotobüchern kann man aus zehn Varianten wählen, drei Sorten Fotopapier stehen zur Auswahl und auch drei verschiedene Cover.

Für das Layout des Fotobuches hat man eine Vielzahl an Hintergründen und Motiven zur Auswahl,  die man sogar auf den Einband des Buches übertragen kann. Außerdem stehen Bildbearbeitungsmöglichkeiten im Portal zur Verfügung und grafische Finessen zur individuellen Verschönerung. Ein feines Spielzeug!

Die Erstellung an sich ist simpel: Die Fotos werden vom Rechner hochgeladen und einer Seite im Fotobuch zugeordnet. Das Layout der Einzelseiten ist beliebig änderbar. Ebenso können problemlos Seiten hinzugefügt oder gelöscht werden.

Ich fand die Erstellung wirklich einfach und leicht verständlich!

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Fünf Tage Produktionszeit sind auf der Homepage angegeben, dazu kommt dann noch die Lieferzeit. Ich fand das moderat für ein personalisiertes Produkt. Aber wisst ihr was? Drei Tage nach Aufgeben der Bestellung lag es hier, das Fotobuch. Das Kind Nummer eins gebunden auf zwanzig Doppelseiten. Vom ersten Schrei bis zum letzten Geburtstag… Ich war sehr gerührt beim Durchblättern.

Die Qualität hat mich beeindruckt, sowohl von Papier und Einband als auch von der technischen Bearbeitung des Fotomaterials. Einziger Makel: Auf dem hinteren Einband hatte ich ein Textfeld mit einer Widmung eingefügt. Das wurde leider überdruckt durch den CR-Code des Buches. Diesbezüglich hätte ich mir einen Hinweis während der Erstellung gewünscht.

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Aber das Wichtigste: Der Jüngling hat sich sehr gefreut darüber!

Erwähnenswert sind sicher auch die wechselnden Rabattaktionen von Prentu. Aktuell bekommt man bei Neuanmeldung zum Beispiel fünfzig Fotos gratis und auf Fotobücher gibt es im Moment fünfzehn Prozent Rabatt.

Vorbeisurfen lohnt sich also!

5 Bücher für 2015

5 Bücher für 2015

„Nenne fünf Bücher, die du im Jahr 2015 noch lesen möchtest!“

Anna vom Blog „Berlin-Mitte-Mom“ hat mich zu dieser Aktion aufgefordert. Und nicht nur mich! Eine ansehnliche Leseempfehlungssammlung ist mittlerweile zusammengekommen. Klickt euch doch mal durch. Damit euch nicht langweilig wird während des Sommerurlaubes. Oder Sonntagmorgen im Bett. Samstagabend auf der Couch. In der Bahn oder beim Anstehen am Bäckerladen.

So, genug gelacht…

Es geht den Menschen wie den Leuten und den Eltern wie allen anderen Eltern! Wunsch und Wirklichkeit korrelieren nicht unbedingt. Man bräuchte zwei Leben, um all die Dinge zu tun, die man gern tun wöllte. Oder am besten gleich drei Leben.

Eins davon würde ich mir tatsächlich fürs Bücherlesen reservieren. Ich liebe Bücher, ich habe hier schon mal darüber geschrieben. Auf meinem Nachttisch (Sagt man das noch? Nachttisch?) liegen auch immer ein paar. Darauf kann ich mein Handy ablegen abends. Oder den Stift vom Sudokurätseln. Richtig, der größte Stapel auf meinem Nachtschränkchen (auch nicht besser: Nachtschränkchen…) sind Sudokubücher. Selbst wenn ich nicht glaube, dass die als Bücher durchgehen.IMG_2486

Ich komme einfach nicht zum Lesen! Wobei selbst das nicht stimmt. Ich lese fast vier Stunden täglich. Ich lerne aktuell das Internet auswendig. Es gibt so viele Blogs, die ich gern täglich lesen würde, das schafft kein Mensch. Ich versuche es trotzdem. Nicht nur Elternblogs, ich hege außerdem noch eine tiefe Leidenschaft für Bastel- und Nähblogs (die in keinem Verhältnis zu meinem Talent in diesen Dingen steht). Und für Food- und Interiorblogs. Und Architekturblogs (da muss man Gott sei Dank nicht viel lesen).

Außerdem sammle ich alte Kochbücher. In denen muss ich auch rumblättern. Und alte Kinderbücher. Hauptsächlich wegen der Illustrationen. Und ja, selbstverständlich auch alte Kinderkochbücher! Es ist eine Krux. Ich habe nicht nur keine Zeit für die Romane, auch keine Zeit um die Rezepte in den Rezeptbüchern nachzukochen (Und kein Talent, aber die Sicherheitshinweise in den Kinderkochbüchern finde ich sehr wertvoll. Auch für mich. Oder gerade.). IMG_2487

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Ach, und Gedichtbändchen sammle ich auch. Weil da so schöne Sachen drinstehen, die ich dann aber nie finde, wenn ich mich mal erinnere, dass ich doch irgendwann mal sowas Schönes gelesen hatte… Wo denn noch gleich?!IMG_2491 IMG_2492

Was macht man also, wenn man aufgefordert wird, fünf Bücher auszuwählen, die man in diesem Jahr noch lesen will? Ich habe mich dazu entschieden, fünf Bücher auszusuchen, die ich bereits in einem anderen Jahr gelesen habe und diese einfach frech weiterzuempfehlen!

Hier kommt meine Leseempfehlung:

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Kathrin Aehnlich –  „Alle sterben, auch die Löffelstöre“

Julia Franck –  „Die Mittagsfrau“

Edward St. Aubyn –  „Schöne Verhältnisse“

Marieke van der Pol –  „Brautflug“

J.R.Moehringer –  „Tender Bar“

Jedes dieser Bücher hat mich berührt. So sehr, dass mir trotz meines desolaten Gedächtnisses die Geschichten noch präsent sind. Und diese Auswahl hat alle Bücher von Frank Mc Court und Jo Nesbo (mit Strich durchs O) gestochen, obwohl das schwierig war. Und alle Dieter-Nuhr-Bücher.

Also: Viel Spaß beim Lesen, wenn ihr mögt. Und verratet mir doch, welche Bücher noch auf euch warten!

Epilog:

Ich werde jetzt diesen kleinen Bücherstapel verpacken. Der geht mit mir am Mittwoch auf die Reise nach Berlin. Es gibt doch tatsächlich einen Menschen, der behauptet hat, die von mir empfohlenen Bücher wirklich alle lesen zu wollen! Ihr könnt euch also auf eine ausführliche Rezension freuen. Demnächst bei Andrea Harmonika. Und, Andrea, du hast noch Glück! Sehr gut fand ich auch die Abhandlung über den Baader-Meinhof-Komplex von Stefan Aust. Ich sag nur: Knapp tausend Seiten… 🙂

Einseitig deformiert

Großer Schreck.

Beim Duschen bemerkte ich eine gruselige Verhärtung am rechten Oberarm. So groß wie ein Hühnerei. Einem ersten (logischen) Reflex folgend habe ich „Oberarmtumor“ gegoogelt.

Offensichtlich ist es kein Tumor, sondern etwas muskuläres. Vom Schleppen. Vom Kind-Rumwuchten. Ich bin ja nicht nur Rechtshänder, sondern auch Rechtsärmler.

Ein Bizeps. Einer! Himmel, hilf, ich bin entstellt. Ich hoffe, er geht wieder weg. Bis dahin nur Langarmshirts…

pseudophilosphische Gartenbetrachtungen (von unten, aus der Hocke)

Es geht wieder los.

Das Kraut ruft. Das Unkraut. Eigentlich gings ihm ja ganz gut und besonders laut ruft es auch nicht nach meiner fortpflanzungsregulierenden Hand. Ich bin trotzdem da. Und hocke mal wieder in der Furche. Das dritte Jahr nun schon begebe ich mich in die Hocke. Hocke im Dreck, dessen Ursprung mir zwar geläufig ist, mich aber zu keiner städtertypischen Igitt-Reaktion mehr hinreißt.

Gemüsebeet. Gierschfeld. Was ihr wollt.

Gemüsebeet. Gierschfeld. Was ihr wollt.

(Exkurs. Letztes Jahr gab es folgendes Telefonat zwischen dem Bärtigen und dem Vorgartenbesitzer: „Du, Vati, alle wieviel Jahre muss eigentlich die Klärgrube geleert werden? Und welchen Anbieter haste da immer gerufen?“. „Äh, nee, da kam nie jemand. Du nimmst einfach mal ein Holz aus dem Schuppen und rührst kräftig um. Wenn viel Dickes oben schwimmt, machste einen Strick an eenen Eimer und schöpfst das ab. Das ist Superdünger! Ich hab das vierzig Jahre auf die Beete geschüttet. Im Gewächshaus brauchte ich nie Erde nachfüllen und die Tomaten werden dadurch einfach klasse!“.)

So knie ich also das dritte Jahr in der kompostierten Scheiße meiner Schwiegerleute und verteile im Sommer großzügig Kackgemüse aus meinen eigenen Beeten und langsam finde ich das großartig! Alles. Auf eine ganz andere Art, als ich mir das vorgestellt habe. Damals, als wir anfingen, dieses Stückchen Erde zu unserem zu machen. Ich bin Lichtjahre entfernt von allem, was ich mir in den letzten Jahren so ersponnen habe über mein Leben als Vorstadtgärtner mit Strohhut und Sommerkleidchen, das mit dem Lavendel im Takt zur zarten Brise mitschwingt…

(Hier, hier und hier sind die alten Posts verlinkt, die „frühen Beginne“ quasi.)

Und irgendwie ist es auch gut so. Das alles ganz anders gekommen ist. Was hatte ich für hochtrabende Pläne! Und wen wollte ich eigentlich damit vom Hocker hauen? Rückblickend kommt es mir vor, als sei das vergleichbar mit dem seltsamem Gebahren, die Wohnung grundzureinigen, bevor die Putzfrau kommt (Was soll die denn sagen!) oder wie blöde die Fenster zu wienern und die Böden, wenn sich Besuch mit Kindern ankündigt (Was sollen die denn sonst denken!). Als ob es danach nicht sinnvoller wäre! Was für ein Scheiß. Ich schüttele den Kopf, während ich am Giersch rumzuppele.

Was am Ende eines Nachmittags mit Kind im Garten so geschafft wurde... unglaublich, oder?

Was am Ende eines Nachmittags mit Kind im Garten so geschafft wurde… unglaublich, oder?

Über mir tschilpt es. Und tschiept. Und summt. Irgendwo röhrt ein Rasenmäher. Es riecht nach… hm… Erde. Und Grünzeug. Gut irgendwie. Mir brennen die Schultern und die Sonne bitzelt in meinem Gesicht. Das Gartenkind isst Fliegen und wühlt im Dreck. Ich wühle im Dreck.

Tonne mit Kindersicherung

Tonne mit Kindersicherung

Richtig voran komme ich nicht. Ich werde auch nie wirklich fertig. Ich hab mich damit abgefunden. Hier kommt keiner vorbei, um mich für „Mein schöner Garten“ zu interviewen. Die Regentonnen des Todes sind nach wie vor mit einem lächerlichen Stein gesichert, das Gewächshaus habe ich mit Schwiegervaters todsicherer alltime-favourite-Klebeband-Methode repariert, weil der Baby-Fliegenfresser schon versucht hat, die maroden Scheiben auszubauen. Jetzt glitzert mein Gewächshaus im Sonnenschein. Kann man so lassen. Hält.

glitzerndes Gewäschshaus

glitzerndes Gewäschshaus, sieht auch innen super aus

Ich zupfe weiter am Giersch. Vielleicht ist es auch Akelei oder ganz was anderes. Ich nenne alles Giersch. Ist praktischer. Außerdem habe ich gar keine Ahnung. Manchmal, wenn man gefühlvoll vorgeht, bekommt man die Pflanze ohne Spateneinsatz aus der Erde gezogen. Dann ist das wie Gebären. Irgendwie. Es ruckelt und geräuscht und dann -Schwupps!- ist die Pflanze draußen! Alles dran. Die Wurzel ist vollständig. Herzlichen Glückwunsch!

Es gibt in der Tat zwischen dem Gärtnern und der Kinderkriegerei sichtbare Parallelen.

Als wir anfingen – mit hochtrabenden Plänen und Abrissbirne und dem allen- da standen die erfahrenen Gärtner am Zaun, schüttelten die weißen Haare und regten sich tierisch auf, was wir da treiben. Das macht man aber nicht so! Das geht ganz anders! Wir dachten, so schwer kann das nicht sein. Können alle anderen ja auch. Und wir hatten ganz genaue Vorstellungen, wie das so werden würde.

Pah!

Das erste Jahr hat uns demütig gemacht. So viel Arbeit. So viel Plackerei. Ein Schund. Das hat uns niemand gesagt, dass das so viel Arbeit ist! Das erste mal mit nackten Händen in lebendes Schneckenfleisch fassen ist vom Ekelfaktor vergleichbar mit dem ersten schwallartigen Erbrechen eines Kindes im Auto. In die Stereoanlage. Die Gurte, Ritzen, Fugen. Alles. Beim zweiten Mal ist es dann schon nicht mehr so wild.

Und dann hat dieser Garten ja auch eine ganz eigene Dynamik: Pflanzen vermehren sich an Stellen, wo man die überhaupt nicht haben will. Und nie wieder wegkriegt (vergleichbar mit seltsamen Charakterzügen beim Nachwuchs: „Das hat er von deiner Familie! Bei uns sind wir nicht so!“.). Gras wächst prinzipiell am grünsten und dichtesten auf Beeten. Nicht auf dem Rasen! Dort will es nicht. Da bockt es wie ein Zweijähriger. Im ersten Jahr habe ich versucht, meinen Willen durchzusetzen, dem Garten meine Wünsche aufzudiktieren. Es wurde nichts. Jetzt sehe ich manchmal diese akkuraten ordentlichen Gärten, die nach dem Gartenkatalog geformt wurden und ich mag nicht mehr haben, was ich dort sehe.

Eine Sandsteinmauer als Mahnmal für nichtrealiserte hochtrabende Bauträume. Irgendwer hat aber Mileid und steigt wohl bei uns über´n Zaun. Im letzten Jahr war der Haufen noch deutlich höher ;)

Eine Sandsteinmauer als Mahnmal für nichtrealiserte hochtrabende Bauträume. Irgendwer hat aber Mitleid und steigt wohl bei uns über´n Zaun. Im letzten Jahr war der Haufen noch deutlich höher 😉

Und manchmal freue ich mich diebisch, wenn ich mit meiner hemdsärmeligen quick´n dirty-Taktik erfolgreicher bin als die Weißkappen mit ihrem achtzigjährigen Erfahrungsschatz und ihren gestutzten Buchsbaumhecken. Im letzten Jahr habe ich versäumt, Saatkartoffeln zu kaufen. Sie waren dann alle. Die Weißkappen belehrten mich, dass ich eh viel zu spät dran sei und laberlaberlaber. Ich habe einen Sack Kartoffeln beim blauweißen Discounter gekauft und weil das dann zu wenig für den Acker war, die Knollen einfach halbiert. Ab damit ins Feld. Ohne Dünger, ohne Vorkeimen, ohne Ahnung. Einfach so. Monate später klagten alle reihum über die versaute Kartoffelernte. Fäulnis, Viecher, was weiß ich. Bei uns standen die Pflanzen wie ne Eins und im Herbst habe ich eine fette Ernte eingefahren 🙂 Die dümmsten Bauern haben wirklich die größten Kartoffeln!

Gleich wird das Gartenkind wach und wir fahren raus. Vielleicht kommt Familie Igel wieder vorbei oder wir sehen ein Mäuschen. Oder die Katze, die sich abends bei uns auf der Terasse eingerichtet hat. Wir haben die noch nie zu Gesicht bekommen, aber stets ist ein runder Fellfleck auf einer der Auflagen zu sehen, wenn wir kommen.

Und wir kommen! Wir kommen gleich.

Unkraut oder Glückskleeteppich? Alles eine Frage der Einstellung!

Unkraut oder Glückskleeteppich? Alles eine Frage der Einstellung!

Wochenende in Bildern

Wochenende in Bildern

Ich habe mal mit einem vietnamesischen Kollegen zusammengearbeitet, der uns stets „Flöhliche Östeln!“ an Ostern wünschte. Ob er nicht anders konnte oder sich einen Witz draus machte, weil wir Langnasen annehmen, Asiaten könnten kein „R“ aussprechen, weiß ich nicht. Jedenfalls hoffe ich, ihr hatte flöhliche Östeln.

Ich zeig euch ein paar Bilder von meinem langen Osterwochenende.

Ostern ist das Fest des Suchens, auch in der tschechischen Pension, weshalb wir erst einmal eine leihweise Dachbox fürs Auto im Freundeskreis suchen mussten, um die obligaten Schokoladen- und Chipsmassen für vier Kinder über die Grenze transportieren zu können. Und so suchten wir dann alle nach irgendetwas. Ich nach Ruhe, die anderen nach… irgendwas anderem.

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Auf der Suche nach Süßem…

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Auf der Suche nach dem Trick, wie das Gartentor aufgeht…

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Diese Urlauberin sucht eigentlich nur ihre Ruhe, muss sich aber für ein total natürliches ungestelltes Foto neben einen Blecheimer stellen! Zum Beispiel.

Osterwanderung ist Pflicht. Und zwar auch immer diesselbe Tour (Kindern soll man Traditionen vermitteln, oder?). Durchs beschauliche Örtchen geht rauf auf den Jeschken. Sieben Kilometer, fünfhundert Höhenmeter, ein kleines feines Spaziergängchen, auch für kurze Beinchen zu erlaufen. Im übrigen: Solange sie noch motzen, können sie immer noch weiter laufen…

Motzendes, fußlahmes, halbstarkes Pubertätervolk. Distanz: Ca. 150m vom Start entfernt

Motzendes, fußlahmes, halbstarkes Pubertätervolk. Distanz: Ca. 150m vom Start entfernt

Um den Kindern auch mal etwas Abwechslung zu bieten, haben wir nicht nur Schnee in Hülle und Fülle organisiert, sondern auch dafür gesorgt, dass sie mal zuschauen können, wie ein Film gedreht wird (Das ist im übrigen ziemlich langweilig.). Im Örtchen gastierte eine tschechische Filmcrew und die drehten irgendsowas wie „CSI Tschechei“, denn wir sahen einen als Gerichtsmediziner verkleideten Mann ständig rein- und rauslaufen und ein Sarg wurde auch mehrmals rein- und rausgetragen, ehe die Szene im Kasten war. Alles sehr langweilig. Vor allem für mich, weil ich nicht als Statist mitspielen durfte!

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„Mord vorort“ oder „CSI Tschechei“; the making of

Das geliebte Örtchen ist wunderschön und in jedem Jahr mache ich zahllose Fotos. Ich denke, ich besitze mittlerweile von jedem Haus in Christofsgrund mehrere Fotos (falls jemand von Google Interesse hat). Ich kann nicht anders, jetzt kommen welche:

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die ehemalige Dorfschule; jetzt das schönste Rathaus auf der Welt

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Haus. Schön. Am Waldesrand. Und unbewohnt!

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Brücke über die Rokytka mit Blick auf die Kirche (Ja, ich weiß, es ist nicht der Stephansdom, aber ich mag das doch so dolle dort! Ihr müsst jetzt da durch. So viele Bilder sind´s auch nicht mehr.)

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Haus. Noch schöner. Leider bewohnt.

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Österliche Dekoration. Auch sehr schön.

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„Errichtet von Stefan Schwanz“. Steht dort. Wanderer, halte inne und sei dankbar. Dem Herrn. Und dem Herrn Schwanz.

Wenn man aus dem Örtchen rauskommt, ist man von Wald umgeben und von Ruhe. Die Kinder motzen dann auch nicht mehr, die sind mit Keuchen beschäftigt.

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Erstbegehung im „Tiefschnee“

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Das Ziel. In Sichtnähe.

Das Wichtigste nach jeder Wanderung ist das Biertrinken im „Hot Tub“, also diesem Holzfass im Garten der Pension, wo der Wirt jedem ordentlich Feuer unterm Hintern macht. Da die Pension vollausgebucht war, gabs keine Leihbademäntel mehr und die Männer durften die privaten Negligés der Wirtsleute tragen. Ein Augenfest!

Heiße Typen in Brokatseide

Heiße Typen in Brokatseide

Es wurde gekniffelt. Und ja, auf dem Zettel steht vierhunderteinundachtzig. Und dafür brauchte ich weder den Viererpasch, noch die große Straße. Tja, wenns läuft!

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Kniffelgöttin forever: me

Zu Hause angekommen finde ich eine knuffige Karte im Briefkasten, die mich mit den lieben, warmen Worten meiner Freundin willkommen heißt.

schönster Osterfund

schönster Osterfund

Schnell noch irgendwelche gekauften Eier breithängen, wir bekommen Besuch…

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Eier am Ast vor Eier auf Bild. Eier halt.

So, das wars fast. Wochenende vorbei! Und weil Bilder vom Essen bei keinem Wochenendrückblick überhaupt fehlen dürfen, habe ich heute noch schnell das Essen fotografiert…

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Genau: Tetrapackmilch und Sprühsahne. Und Bier. Wir wissen zu leben!

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Du hast den Voyeur in dir entdeckt und willst mehr Bilder von den Wochenenden anderer Leute? Dann hier entlang. Viel Spaß!

#Geschichten vom Scheitern

Liebe Alu,

Du hast mit Deiner eigenen Geschichte zu einer Blogparade aufgerufen und geschrieben, dass du dich unter anderem ganz besonders auf meine Geschichte zu diesem Thema freust. Seit Tagen gehe ich mit qualmendem Kopf umher und hinter jeder Ecke springt dieses Thema hervor und schreit „Möp!“ (wie du sagen würdest). Ich tu mich schwer. Ich muss dir das jetzt mal schreiben!

Eigentlich ist es ja einfach. Dreiviertel aller meiner Vorhaben funktionieren nicht nach Plan. Scheitern, könnte man sagen.

Ich wäre gern eine Bree van de Kamp mit tollen Haaren und einem perfekten Haushalt. Wenn du die Geschichten über meinen Haushalt und meine vielen Unfälle gelesen hast, weißt du ja, dass ich von Glück reden kann, abends mal wieder einen Tag überlebt zu haben, ohne die Bude abgefackelt oder mir drei Finger abgesägt zu haben. Verbranntes und versalzenes Essen gehören neben Kuchenexperimenten, bei denen im Nachgang festgestellt wird, dass der Zucker vergessen wurde (oder die Eier) zu meinen Spezialitäten. Man kann also sagen, dass ich täglich an meinem Hausfrauenideal scheitere. Ich mache trotzdem weiter.

Beziehungen. Ich glaube schon immer, dass jede Beziehung auf Verständnis für den anderen basieren sollte. Irgendwie hänge ich da in einer „trial and error“-Schleife. Meiner Umwelt gegenüber bin ich nie „Nein! Auf gar keinen Fall!“, sondern stets „Ja. Vielleicht. Ich versuchs.“. Man könnte zusammenfassend sagen, dass ich regelmäßig beim Versuch scheitere, meine eigenen Interessen durchzusetzen (Ich bin auch nicht sturmtauglich. Sobald der Wind rauher weht, fühle ich mich unwohl und verteile an alle Anwesenden Decken. Und Handwärmer in Herzform.).

Es gab eine Zeit, in der meine Ehe als gescheitert galt. Heute weiß ich mit schmerzendem Herzen, dass das, was wir zwei haben, einfach besonders ist und niemals zu ersetzen. Und trotzdem gibt es Tage, an denen ich mich frage, ob es sein kann, dass manchmal Liebe allein einfach nicht reicht. Klingt das nach Scheitern?

Und die Kinder. Beziehung statt Erziehung. Bedürfnisse akzeptieren. Annehmen. Ich gehe immer mit ausgestreckten Händen auf meine Kinder zu, beide Handflächen nach oben. Mit offenen Augen und weitem Herz. Und doch. Der eine bricht mir das Kreuz und der andere das Herz. Ich sollte den Kleinen nicht mehr tragen, aber da steht der knopfäugig vor mir und reckt die Ärmchen hoch. Und ich bin dem wehrlos ausgeliefert (Ich werde bis zum Ende meiner Tage chronisch Rücken haben.). Der andere will kämpfen, sich reiben, messen, diskutieren. Ich biete so viel Angriffsfläche wie eine junge Birke im Frühlingswind. Und muss mir zur Belohnung anhören, dass er Respekt nur vor dem Papa hat. Ich sei ja immer nur… lieb. Man kann sagen, dass ich täglich daran scheitere, den Kindern meine Grenzen zu aufzuzeigen und diese zu verteidigen.

„Scheitern geht auf Scheiter, eine Pluralform zu Scheit zurück. Im 16. Jahrhundert existierten zunächst die Verben zuscheitern und zerscheitern, deren Bedeutung noch ‚in Stücke brechen‘ lautete. Die verkürzte Form entstand vermutlich in Anlehnung an Wendungen wie zu Scheitern gehen ‚in Trümmer zerbrechen‘.“

(Wiktionary)

Ich hatte so viele Träume. Ich wollte Dolmetscher werden. Später dann auch mal Friseur. Ich habe es immer versucht. Immer gekämpft. Aber auch da kann man konstatieren, ich bin wohl gescheitert (Denn ich bin ja weder Friseur noch Dolmetscher worden. Auch nicht Maler, trotz ansatzweisem Talent.). Das Leben kam mir in die Quere. Immer wieder.

Als ich mit diesem Blog anfing und der Schreiberei, war es ganz schnell so, als stellte mich das Leben vor ein buntes, glitzerndes Schaufenster. Und sagte zu mir: „Siehst du, mal kurz mache ich die Tür auf für dich, darfst mal reinlunschen. Aber nichts anfassen!“. Ich fühle mich mit der Tastatur unter den Fingern so wohl wie nirgends sonst und wirklich oft habe ich im letzten Jahr gehört, dass ich da etwas gefunden hätte, was „besonders“ sei. Besonders. So fühlt es sich auch an. Aber ich habe auch ein Leben drumrum. Und wenn im September meine Erziehungszeit endet und mit ihr diese unglaublich intensive Zeit wie ein endloses Kinderferienlager, mit Zeit zum Nähen und Spaziergängen und Mittagschlaf und Frei-Zeit für meine Gedanken und deren Niederschriften, ja, dann werde ich wohl auch auf diese Traumkiste den Deckel drauftun. Manchmal kommen mir so trotzige Gedanken und ich stampfe innerlich auf und will mich dem Unabwendbaren widersetzen! Es gibt doch Leute, die davon leben. Die nur schreiben. Als Arbeit. Ich will das auch! Der erwachsene, vernüftige Teil, meine Ratio, streichelt mir dann über den Kopf und sagt, dass mein zum Familieneinkommen beizutragender monetärer Teil leider nicht optional ist. Und so wird das Schreiben ein Hobby bleiben. Eines mit knapp bemessener Zeit. Ich hoffe, ich finde die Zeit. Diese Kiste zu deckeln wird mir sehr schwerfallen. Man kann also sagen, dass ich stets daran gescheitert bin, meine Träume in die Realität zu retten. Ihnen ein Fundament zu geben. Mein Drumherum ist mir immer wichtiger gewesen.

Aber ich bin nicht „man“. Mir ist egal, was „man“ übers Scheitern sagt! Und im Drehbuch meines Lebens steht auch nichts von Scheitern. Ich glaube, es gibt nicht mal ein Drehbuch! Das ist ein verdammtes Improtheater, bei dem ich nicht weiß, ob im nächsten Augenblick das Bühnenbild zusammenkracht, der Strom ausfällt oder ein Dinosaurier erscheint! Ich glaube aber, es ist eine Komödie.

Das ist das Leben! Und es ist schön 🙂 Scheitern unmöglich. Es geht immer weiter. Und es kommt immer das, was dran ist (Vielleicht gibts ja doch ein Drehbuch…).

In diesem Sinne: Immer weitermachen! Deine Rike

Auf eine Tasse Tee mit Frau Jott

Kinder und Erwachsene unterscheiden sich darin, dass Erwachsene in der Lage sind, die Konsequenzen ihres Handelns im Vorfeld einzuschätzen.

„Kommse, Frau Jott, nehmense noch ein Tässchen Nerventee. Das können wir beide jetzt gut gebrauchen. Hach, es sind harte Zeiten! Wir zwei, sie und ich, wissen ja, dass leider nichts so sehr stimmt wie der blöde Satz: „Kleine Kinder, kleine Sorgen. Große Kinder, große Sorgen.“. Und man hört ja nicht auf, Mutter zu sein, nur weil dem Blag irgendwann Haare zwischen den Beinen wachsen. Da sitzen diese Jungmütter selbstgefällig da mit ihren harmlosen Kleinkindern auf dem Schoß und denken, sie hätten für alles eine Lösung! Und immer dieses Geschwafel von wegen gewaltfreier Erziehung! Also, ich für meinen Teil, hab manchmal arge Lust, jemanden übers Knie zu legen. Ihm den Allerwertesten zu versohlen. Sie nicht? Doch, ich schon. Besonders die verhaltensauffälligen Kinder andere Leute. Nichts für ungut, ich verstehe das schon. Da zieht man das Kind groß unter Entbehrungen, schleppt ihn durchs Abitur und ermöglicht ihm das Studium. Dann bricht er´s ab. Neuer Versuch. Er muss sich eben erst finden! Den Nachbarn erzählt man stolz, der Sohn wäre nun angehender Anwalt (Irgendwie muss man sich ja selbst die Sache schönreden. Ich bin da ganz bei ihnen.). Aber, wieder nichts. Naja, er wird schon seinen Weg machen. Das dauert eben bei manchen. Und dann hacken die anderen alle auf dem rum!

die Instagram-Veröffentlichung eines erwachsenen Mannes und Journalisten - ich habe da meine Zweifel (c) wzonline.de

die Instagram-Veröffentlichung eines erwachsenen Mannes und Journalisten – ich habe da allerdings meine Zweifel (bei beidem)
(c) wzonline.de

Ja, das stimmt, er hat sich entschuldigt, öffentlich. Sie haben recht. Es tut ihm leid, sagt er. Und das jedesmal sogar! Der guter Jung-e. Weiß, was sich gehört. Ich finde, wenn man sich entschuldigt, isses dann auch mal wieder gut. Also bei meinem Anderthalbjährigen sehe ich das zumindest so. Bei dem Fünfzehnjährigen erwarte ich allerdings bereits, dass seine Lernkurve größer als die eines Einzellers ist. Nun gut, ich bin da vielleicht etwas strenger als andere. Hach, plagen sie sich nicht mit Selbstzweifeln! Immer dieses „Was habe ich bloß falschgemacht?“. Wissense, der Michi Mittermeier hat ja mal gesagt, es gibt diese Arschlochkinder. Ja, ich weiß, da war er selbst noch nicht Vater. Aber möglicherweise ist da was dran. Einmal Arschloch, immer Arschloch. Das finden sie nicht tröstlich? Hm. Aber ich hab da auch keine andere Erklärung! Man sollte doch meinen, dass irgendwann die emotionale Entwicklung der physischen nachfolgt. Dass es spätestens nach Beendigung der Grundschule nicht mehr lustig ist, den Mädels den Schlüpper runterzuziehen oder was anderes Dämliches. Es lacht ja auch keiner! Nein, wirklich, es lacht keiner mehr. Hoffen sie eigentlich auf Enkel? Das wird sicher noch dauern, befürchte ich. Also ehrlich, ich kann mir nicht vorstellen, das sich momentan eine anständige junge Frau zu Paarungszwecken findet für ihren Jung-en. Er wird wohl eher regelmäßig den Rat bekommen, seine Beinbeuge zu penetrieren. Was kann man da machen? Nun, was würde Jesper Juul raten? Vielleicht würde er sagen, man sollte die Kinder immer auf dem Entwicklungsstand abholen, auf dem sie sich befinden. Zumindest, wenn es um Erziehungsmaßnahmen geht. Also wenn das meiner wäre, dürfte er eine Woche nicht in der Superman-Bettwäsche schlafen. Und Handyverbot. Zu alt? Ich bitte sie! Immerhin benimmt er sich ja auch wie ein ungezogener Grundschüler! Naja, nichts für ungut. Nehmense doch noch nach, hier bitte. Ach, und wo wir gerade so schön zusammensitzen… wo sagten sie, ist er im Moment? Am Strand? Wissen sie, vielleicht red ich mal mit dem. Reiche ihm die Hand. Oder geb ihm einen Tritt in den Arsch. Soll ja manchmal Wunder wirken.“

Die Freuden des Alters oder: Fummeln als Kassenleistung

Die Freuden des Alters oder: Fummeln als Kassenleistung

Hinweis: Nachfolgender Text ist unter Einfluss starker Schmerzmittel entstanden und sowohl in Inhalt und Ausdruck grenzwertig. Wer also zufällig auf der Suche nach einem hochgeistigen Wort zum Sonntag versehentlich hier gelandet ist, wird dringend zur Umkehr aufgefordert! Bitte lesen sie die Apothekenrundschau. Oder schauen sie sich wenigstens die schönen Bilder an. Danke.

Essen sei der Sex des Alters, behauptet meine Mutter gern und hat damit natürlich unrecht.

Es sind die vermehrten Arztbesuche!

Und ich behaupte, an der Zielgruppe für Arztserien belegen zu können, dass das auch so stimmt. Meine Mutter konnte man früher nie mittwochs nach acht anrufen, da ging sie nicht ans Telefon. Sie schaute „Ämmergännsi Rom“.

Bis vor kurzem war mir derartiges Telekonsumverhalten vollkommen schleierhaft, aber da war ich ja auch noch jung und gesund.

Jetzt sehe ich manchmal in meinen Träumen Patrick Dempsey mit wehendem Kittel auf mich zueilen, das Wort an den über mich gebeugten Dr. Cox gerichtet: „Und, was haben wir hier?“. „Fünfundvierzigjährige mit fortgeschrittener Faltenbildung, depigmentiertem Haar und erschlafftem Bindegewebe!“. „Hoffnungslos. Herr Kollege, lassen sie uns wenigstens die postpartale Beckenblockade behandeln und dann kommt sie in ein Seniorenpflegeheim.“.

Seit einer Woche bin ich mal wieder offiziell im Medizinwesen tätig. Als Patient. Seit ich täglich „fifty shades of grey“ sehe (auf meinem Kopf), beschäftige ich einen Chiropraktiker, Orthopäden, Ostheopathen und eine ganze Physiotherapiepraxis. Regemäßig. In Vollzeit.

Bei soviel Körperkontakt mit unterschiedlichen Leuten in Medizinerkleidung ersetzt der tägliche Konsum von Artzserien den Gang zur Erwachsenenabteilung der Videothek. Zumal man sich als Rückenpatient wirklich dreimal überlegt, ob man beim herkömmlichen Rumgefummle einen weiteren Bandscheibenvorfall riskieren will!

Dann doch lieber gleich die „fifty shades of grey“- Nummer.

Ganz recht. Als erfahrene Patientin im orthopädischen Sektor habe ich nur ein müdes Gähnen übrig für die stümperhaften Ausführungen der Trilogie (Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich nur 1,5 Bücher gelesen habe, mir bluteten bereits danach die Augen aufgrund des Schreibstils der Autorin.).

Ich erlebe tagtäglich weitaus Skurilleres!

Und hoffe nach wie  vor wider besseren Wissens, dass irgendwann ein athletischer Mittdreißiger mit vollem Haar und Augen wie Milka-Zartbitterschokolade den handelsüblichen Knochenbrecher in der Orthopädie ersetzt hat über Nacht (In meinen Tagträumen gern auch in der aktuellen Besetzung meines Zahnarztes; diesen ersetze ich dann durch einen Menschen, der die Vollnarkose schon im Wartezimmer standardmäßig legt.).

Aber stattdessen jemand namens Siggi, sechzig Jahre alt, Barfußläufer und mit einem prägnanten Körpergeruch nach drei Tage altem Eintopf.

Siggi schwafelt nicht lang und umarmt mich ungefragt mit seinen Knochenbrecherarmen, bis wir zwei in einem tantrischen Knoten verschmelzen. Und ich meine Wirbel knacken höre. Das „Öh, normalerweise gibts vorher einen Kuß und ein Sektchen!“ bleibt mir wie immer im Halse stecken. Stattdessen quetscht er als nächstes meinen Brustkorb zusammen, so dass mit dem letzten Atemrest Laute wie „Pffffffiiieeeeh!“ meiner erschlaffenden Lunge entweichen. Er presst meine angestellten Beine auseinander und wirft sich ungefragt mit seinem ganzen Körpergewicht dazwischen (R.L.James, da kannste noch was lernen! Vom Chiro-Siggi.), bis sich meine Beckenknochen ergeben und einfach abfallen.

Damit bin ich aber noch nicht fertig. Oh nein!

Als Anschlussbehandlung wird man weiterüberwiesen: Physiotherapie. Wieder kein Patrick Dempsey (Und auch mein Zahnarzt hat noch immer nicht umgeschult.). Ein Jüngling mit dem Sexappeal einer Clearasiltube hängt meinen alten, desolaten Körper in ein  Konstrukt, das die Freunde von R.L.James als Liebesschaukel kennen. Bei den Physios heisst das Ding „Perlsche Schaukel“ und soll Blockaden lösen.

Tuts nicht. Es schafft neue.

Da hänge ich also mit Oberkörper und Kniegelenken in Seilen von der Decke. Warum ich die Hose ausziehen soll, verstehe ich nicht. Glaube aber sofort, dass hier die Meinung vorherrscht, Bloßstellung diene der Gesundung! Ich hänge also mit leicht gespreizten Beinen (ich vermute, aus orthopädischen Gründen) und soll entspannen. Währenddessen sitzt der Physioknecht irgendwo hinter meinen Beinen und versucht sich in Smalltalk. Mit Blick auf meinen Schlüppi. Und selbst wenn ich mir einrede, dass der sowas andaudernd sieht, ist an Entspannung nicht zu denken.

Es gibt auch Bondage im orthopädischen Bereich. Alles auf Krankenkassenkarte, versteht sich! Da wird man in Schlingen gewickelt und dann gehoben, gezogen. Irgendsowas. Ist gut für den Rücken. Aber schlecht für die Libido.

Wie eigentlich alles an dieser Art der Ersatzfummelei.

Wenigstens durfte ich bislang die Proktologie aussparen. Himmel, Arsch und Zwirn! Ich frage mich, welche Synapsenverhedderung im Kopf eines jungen, aufstrebenden Medizinstudenten vorliegen  muss, damit sich der Berufswunsch „Proktologe“ ausbildet. Und die armen Eltern erst! “ Kind, da haben der Vati und ich uns also zehn Jahre dein Medizinstudium vom Munde abgespart und dann wirst du sowas?! Arsch-Arzt? Was soll ich meinem Bridge-Kränzchen erzählen? ´Um die Weihnachtszeit hat mein Junge immer am meisten zu tun. Es passieren ja so schrecklich viele rektale Unfälle mit Weihnachtsbäumen?!`“.

Es könnte also immer noch schlimmer kommen.

In diesem Sinne: Geriatrische Grüße vom Heizkissen!

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Happy Birthday!

Happy Birthday!

Das Nieselpriemchen ist jetzt ein Jahr alt. Heute kommen die Leser und Freunde zu Wort. Herzlichen Dank euch allen! Es ist mir eine Freude, für euch zu schreiben! Und ich werde weitermachen, bis es keine Sau mehr lesen will. Im Ernst. Ich bin ja schliesslich nicht zum Spaß hier!

Liebe Rike,
ich gratuliere Dir ganz herzlich zum Blog-Jubiläum! Es ist eine Freude, bei Dir zu lesen, ich liebe Deine leichte Art zu schreiben, mach weiter so. Überhaupt finde ich Dich einen herzensguten Menschen, der das Herz am rechten Fleck hat. Ich mag Deine Art zu denken und schätze Dich sehr <3!
Alles Liebe, Séverine alias Mama on the Rocks

 

Sehr geehrte Mama von Nieselpriem,

herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Ihres kleinen Blöggchens. Anbei übersenden wir Ihnen die Zusammenfassung der U6 Untersuchung bei Ihrem Blogkinderarzt. Insgesamt können für einjährige Blogs folgende entwicklungsdiagnostische Meilensteine genannt werden, bei welchen Sie in Summe wirklich ganz hervorragend abgeschnitten haben:

Um Entwicklungsfortschritte beurteilen zu können, beobachteten wir Ihr Kleines zunächst beim Spielen. Mit seinen Lieblingsspielsachen, einem Laptop und einer Tasse Kaffee, kann es schon ganz hervorragend umgehen und beherrscht die Spielwiese des www deutlich besser, als etwa die Mutter der Unterzeichnerin. Und das mit eins! Sensationell. Es beherrscht nicht nur den Pinzettengriff (Greifen mit Daumen und Zeigefinger) sondern untersucht auch Gegenstände und Lebensereignisse, indem es sie schüttelt, abtastet, hinterfragt, auf den Arm nimmt, ins rechte Licht rückt und klarstellt. Eine wirklich bemerkenswerte Leistung! Auch die Sprachentwicklung wurde schon während der U6 Untersuchung geprüft und wir schlagen vor, Ihr Blöggchen zumindest etwas früher einzuschulen. Nicht nur nutzt es Silbenverdoppelungen wie Dada, sondern auch Bubu und Ada. Wir konnten, nach eingehender Betrachtung, ein wahres Feuerwerk an Lauten vernehmen, die uns auf das Köstlichste unterhalten haben. Selten sind einjährige Blogs zu solchen Transferleistungen in der Lage, herzlichen Glückwunsch. Viel Aufmerksamkeit richteten wir auch auf die neuen Fähigkeiten Ihres Kleinsten, etwa auf das Krabbeln, freie Sitzen in Erzählen und Hochziehen an Gegenständen oder Geschichten, um zu stehen oder erste Gehversuche oder wunderbare Anekdoten daraus zu machen. Auch hier kann es nur Lob geben, das macht es auch schon ganz ganz fein. Es gibt 12-Jährige, die zu weniger in der Lage sind und gänzlich unordentlich daherkommen. Liebe Nieselpriem-Mama. Ich hoffe das kleine Blöggchen entwickelt sich weiterhin so prächtig und bin gespannt, auf was wir uns bis zur U7 gefasst machen können. Holen Sie schon mal das Laufrad aus dem Keller und setzen Sie ihm einen Helm auf. So ein aufgeschlossenes, freundliches, schlaues Blöggchen, es lebe hoch!

Herzlichst Ihre Juramama

 

Liebe Rike!

Zum Blog-Geburtstag herzliche Glückwunsche. Dafür, dass Du unter die Blogger gegangen bist, obwohl Du anfangs gezweifelt hast, dass Du NIESELPRIEM mit soviel Liebe betreibst und so tolle und ehrliche Texte verfasst. Du hast in diesem Jahr schon sehr viel geschafft und bist sehr gut in der Blogger-Community vernetzt und angekommen. Ich freue mich für Dich und wünsche Dir weiterhin viele tolle Erlebnisse mit dem Blog.

Ganz liebe Grüße nach Dresden, Nina alias Frau Mutter

 

Liebes Nieselpriem,

als ich das erste Mal von dir las, war ich überrascht, erstaunt und musste sehr oft dolle schmunzeln, ob der witzigen Geschichten, die sich von nun an in mein Leben einschlichen, und die sind ganz und gar nicht langweilig. „Soll ich´s wirklich machen oder lass ich´s lieber sein…“ Das war der erste Blogbeitrag. Der sprach mir aus dem Herzen – genau das sind die Gedanken, die man sich macht, wenn man ein neues Unterfangen starten will und sich leider viel zu oft dagegen entscheidet, weil es ja alles irgendwie immer schon alles gibt. Zu unser aller Glück und Freude war das hier nicht so und jetzt kannst du weiter wachsen, gedeihen und ganz viele Menschen zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregen. Also lass dich im neuen Lebensjahr nicht unterkriegen und wachse über dich hinaus, auch wenn der Wind manchmal eine ziemlich steife Brise hervorbringt. Also liebes Nieselpriem, lass uns die Gläser mit Gin&Tonic füllen und gehörig auf deinen Geburtstag anstoßen, denn du bist schon jetzt einer von den ganz Großen für mich! Gerne auch persönlich!

Herzliche Geburtstagsgrüße von Bea vom Reiselustmacher-Blog Cool places to stay

 

2015-02-17 11.02.48

Schneeglöckchen mit Marmeladenbrot von Perry

Liebe Henrike,
ich war fix im Garten und habe dir Blumen geholt, dann habe ich dir einen Kaffee gekocht und ein Marmeladentoast geschmiert…
…und jetzt, lass dich umarmen und nimm die ♡-lichsten Glückwünsche entgegen. Hab Dank für so viele schöne Texte, für das Schmunzeln und das laute Lachen und auch für das, was nachdenklich stimmt. Ich schicke dir gaaanz dolle Geburtstagsgrüße irgendwo nach Pieschen ♡☆♡☆♡ Perry Schroeder

 

Liebes Nieselpriemchen,

zu Deinem ersten Blog-Jubiläum möchten wir, Mr. und Mrs. Essential vom zufällig gleichnamigen Blog vor allem eines sagen: Danke! Danke für Deine lustigen, sensiblen, ehrlichen, sympathischen und auch tiefsinnigen Beiträge. Danke für den Einblick in Dein Leben und Deine Gedanken. Natürlich sagen wir nicht nur Danke, sondern gratulieren zusammen mit Nummer 1,2,3 und 4 sowie K1 und K2 von ganzen Herzen und freuen uns gleich auf das nächste Jahr mit Dir in der Blogospäre.

Alles Liebe von Deinen Lesern von Essential Unfairness

 

Liebste Rike,
Schon ein Jahr Nieselpriem. Schon ein Jahr Party on. Schon ein Jahr Goldstaub im Bloggerkosmos. Ich lese sehr gern deinen Blog und ich muss oft dabei kichern und nachdenken über deine Zeilen. Mach weiter so. Ich freue mich auf weitere tolle Jahre mit Nieselpriem.

Deine ALU  von Große Köpfe

 

Liebe Rike,
der erste Geburtstag ist immer was Besonderes. Nicht nur für die Kinder, auch für die Eltern. Man lässt das vergangene Jahr Revue passieren, klopft dem Kind und sich auf die Schulter was man alles geschafft und vor einem Jahr noch nicht für möglich gehalten hat.
Nun ist dein Blog kein Kind. Aber auch er verhält sich ein bisschen so. Er möchte gehegt und gepflegt werden, mit Neuigkeiten gefüttert und ja, auch gelobt werden.
Ich kannte Nieselpriem schon länger als ich dich kenne. Und hatte immer das Gefühl, dass da jemand mit viel Herz und Hirn schreibt. Dann lernten wir uns zufällig kennen und ich sah all das bestätigt. Du bist toll, dein Blog ist großartig und ich freue mich schon aufs Zehnjährige. Und auf die Hochzeit zwischen Nieselpriems jüngstem „Mitarbeiter“ und dem Runzelfüßchen. Das können Geschichten werden!

Alles Gute und lass es krachen Liebste, Andrea von Runzelfüßchen

 

Liebe Rike,

ein Jahr ist er nun alt, dein ‚Nieselpriem‘-Blog. Das heißt, ein Jahr lang hast du uns mit deinen Blog-Posts erfreut: mal lustig über Furz- und Rülpskassen, über den Pieschener Konzept-Supermarkt oder über das Kochen von Sanddorngelee, mal furios mit einer Konzertkritik zur Tim Herzberger Show und mal nachdenklich mit Artikeln zu deinem ältesten Sohn oder über das Wunder, viel später noch ein zweites Kind zu bekommen. Dein großes Herz zeigst du immer wieder mit deiner Reihe „Meine Blumen für …“, in der du in elaborierten Elogen (welch hübsche Alliteration!) Bloggerinnen und Blogger würdigst. Es erfüllt mich mit großer Freude, selbst auch einmal einen der Nieselpriemschen Blumensträuße erhalten zu haben – verbunden mit einer geradezu beschämend löblichen Lobpreisung des Familienbetriebes. Noch viel mehr freut es mich jedoch, dass ich durch deine Blumen-Laudatio den Blog der großartigen Andrea Harmonika entdecken durfte. Aber du hältst dich nicht nur auf deinem Blog auf. Nein, du belebst die Blogosphäre, indem du eifrig und regelmäßig andere Blogs besuchst, wo du genauso fleißig und herzlich kommentierst wie auf Facebook. Dafür von ganzem Herzen ein großes Dankeschön! Zum ersten Geburtstag deines Blogs habe ich es dann auch geschafft, endlich nachzuschlagen, was ‚Nieselpriem‘ eigentlich bedeutet. Die Wort-Bild-Schere könnte nicht größer sein, handelt es sich doch um einen „langweiligen, mürrischen Menschen“. Obwohl wir uns gar nicht persönlich kennen, wage ich mit dem Brustton der Überzeugung zu sagen: Das bist du sicherlich nicht! Denn durch deinen Blog habe ich dich, liebe Rike, als charmant, selbstironisch, leidenschaftlich und warmherzig kennengelernt. Daher kannst Du dir gar nicht vorstellen, wie sehr es mich grämt, dass mich die Arbeit davon abhielt, dich bei deinem Berlin-Trip vor ein paar Wochen zu treffen. Wir holen das nach. Versprochen! Bis dahin wünsche ich dir und deinem ‚Nieselpriem‘-Blog alles Gute und freue mich auf zukünftig zu erwartende Blog-Beiträge von Erika Mannscher Qualität aus deiner Feder.

Mit den besten und herzlichsten Blogger-Grüßen von Christian vom Familienbetrieb

 

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“Ein Grundrecht auf Wissen”

Ich habe heute einen Artikel von Ulrike Baureithel beim Freitag gelesen, der in einer Passage einen Wissensträger zitierte mit dem Ausspruch, Paare hätten ein Grundrecht auf Wissen. Und zwar im Zusammenhang mit immer spezifischeren Tests in der Pränataldiagnostik. Es ging in diesem in seiner Vollumfänglichkeit wirklich lesenswerten Artikel nur absatzweise um die Pränataldiagnostik, aber mich beschäftigt gerade dieser Aspekt besonders.

Vorweg: Ich möchte den Fortschritt der Wissenschaft nicht schmähen oder gar verpönen, und doch frage ich mich: Sollte nicht bei aller Forschung und bei allem Bestreben nach Klarheit, Begreifen und Wissen die Frage im Fokus stehen: Wem nützt es? Und welche Tests auf welche erblich bedingten Krankheiten brauchen wir denn wirklich? Wenn es bald vorgeburtlich nachweisbar wäre, dass eine erhöhte Eintrittswahrscheinlichkeit für Mukoviszidose besteht oder Leukämie, sollte das transparent gemacht werden? Und dann? Dem Kind das Leben verwehren um ihm eine möglicherweise eintretende Krankheit zu ersparen?

Und ich frage mich zusätzlich: Was kann denn wirklich zweifelsfrei bewiesen werden? Bei diesen Testverfahren werden Parameter ausgelesen und mit allen dem heutigen Stand der Wissenschaft zur Verfügung stehenden Erkenntnissen abgeglichen. Und daraus dann ein Befund ausgelesen.

Sollte im Rahmen einer vorgeburtlichen Untersuchung ein positiver Befund auf eine tiefgreifende Erkrankung nachgewiesen werden, haben die werdenden Eltern schlussendlich die Entscheidung zu treffen, wie sie mit dieser Nachricht umgehen. Wer einmal in diesen Schuhen steckte, wird das nie wieder vergessen. Die Ohnmacht, die Hilflosigkeit und auch das Alleingelassenwerden. Denn:

„Die heute übliche humangenetische Beratung klammert Aspekte wie die Ausprägung einer Behinderung oder die Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung ohnehin aus, das ist noch immer nicht Teil der medizinischen Ausbildung.“

Ich würde mir wünschen, dass daran gearbeitet wird. Dass das Wissen um genetische Veränderungen und deren Nachweis nur die eine Seite einer Medaille ist. Solange die Medinzin als einzige Option, die das „Wissen“ mit sich bringt, den Schwangerschaftsabbruch anzubieten hat, bezweifle ich, dass dieser Forschungsschwerpunkt einen humanitären Nutzen hat.

„Denn im Falle eines Befundes kann sich an den Test keine Therapie anschließen, die Schwangerschaft wird meist mit einem Abbruch beendet.“

Die Situation, vor der die Eltern dann stehen, ist in ihrer Schrecklichkeit kaum zu überbieten. Reden wir ja in den allermeisten Fällen von einer fortgeschrittenen Schwangerschaft mit Kindsbewegungen, einer Wiege daheim im Wohnzimmer, Hoffnungen und Plänen. Die Option, die die Ärzte anbieten, wird „medizinisch indizierter Spätabort“ genannt. Etwas anderes kann die Medizin nicht leisten. Nachweisen, dass das Kind möglicherweise eine schwerwiegende Behinderung hat und anbieten, die Schwangerschaft zu unterbrechen. Zu beenden. Entscheiden müssen das die Eltern. Und sie sind es auch, die mit dieser Entscheidung leben müssen. Für den Rest ihres Lebens.

Möglicherweise. Das ist das Schlüsselwort. Denn kein Mediziner wird sich dazu hinreißen lassen, eine „garantierte“ Diagnose zu stellen. Es sind nur Tests. Und die haben eine Fehlerquote.

Ich kenne ein Paar, das nach einem unauffälligen Screening ein Mädchen mit einer Trisomie 21 bekam.

Und ich kenne eine Frau, bei der im sechsten Schwangerschaftsmonat eine frisch durchlaufene Rötelninfektion festgestellt wurde. Der jungen Frau wurde dringend zu einem Abbruch geraten. Das Kind sei im günstigsten Fall blind oder taubstumm, im ungünstigsten Fall blind, taubstumm und geistig behindert. Sie konnte sich nicht durchringen und forderte weitere Tests. Es wurde durch die Bauchdecke der Mutter vom Kind Blut abgenommen und auch beim Fötus der erhöhte Rötelntiter festgestellt. Dieser invasive Eingriff setzte schlussendlich Wehen in Gang. Mariechen, so nannte die junge Frau ihr Kind, kam in der achtundzwanzigsten Woche tot zur Welt. Die Autopsie ergab „Keine Anzeichen auf Röteln-Embryopathie oder Röteln-Fetopathie“. Keine.

Als ich mit dreiundvierzig schwanger wurde, war mir persönlich klar, ich kann so eine Entscheidung niemals treffen. Ich will nicht nur nicht, ich kann es nicht. Keine Tests! Beim Ultraschall war das Stupsnäschen und ein verkürzter Oberschenkel Thema. Manchmal ist ein Stupsnäschen aber einfach nur ein Stupsnäschen und ein kurzes Bein ein kurzes Bein… Wir haben zwei gesunde Kinder.

Mariechen wäre im März diesen Jahres dreiundzwanzig Jahre alt. Ihre Mutter hat nie aufgehört, an sie zu denken.

 

Alle Zitate sind dem Artikel von Ulrike Baureithel „Sicherheit ist längst nicht alles“, erschienen am 23.02.2015 bei „Der Freitag“, entnommen.

Liebeserklärung

… an einen bestimmten Ort auf der Welt, wo man „ditte“ sagt und damit keine Frauenbrust meint.

Die Sachsen und die Preußen haben ein schwieriges Verhältnis zueinander. Warum, wieso, weshalb, die Geschichtsbücher sind voll und beim Deutschlandradiokultur kann man dazu auch noch nachlesen, wenn man möchte.

Ich allerdings bin seit Kindheitstagen einer schwärmerischen Verliebtheit gegenüber Berlin aufgesessen. So von weitem zumindest.

„Sind wir schon in Berlin?“, lautet meine Frage bei jeder Autofahrt in Richtung Ostsee. Also ab circa fünf Kilometer hinter Radeberg. „Aber jetzt sind wir in Berlin, oder?“, bin ich spätestens am Senftenberger See sicher.

Berlin, Berlin. Schon zu DDR-Zeiten war dort alles viel wunderbarer als bei uns. Die hatten sogar Kakao im Tetrapack. Das muss man sich mal vorstellen! Und der VEB Jugendmode schickte stets die besten Klamotten ins Centrum-Warenhaus auf den Alexanderplatz. Ich fand alles ganz toll! Die Tiere im Berliner Zoo waren toller als die in Dresden und später, während meiner Sturm-und-Drang-und-keine-Macht-für-niemanden-Zeit in den Achtzigern, wo fanden wohl die besten, coolsten Punkkonzerte der Republik statt? Rüschtüsch.

Meine Cousine hatte sogar eine Cousine in Berlin. Ihr Vater und meine Mutter sind Geschwister und ihre Mutter kam aus Berlin, hatte eine Schwester dort und diese eine Tochter, die dann aufgrund der soeben beschriebenen Umstände zur Berliner Cousine meiner Dresdner Cousine wurde (Es war schwierig für mich zu verstehen, dass das nicht auch meine Verwandte war und ich bedauerte dies sehr.). Durch diese Berliner Cousine kamen Kassetten mit Musik in die sächsische Provinz, von der hier noch niemand was gehört hatte. Oder erst viel später, wie zum Beispiel die NDW. Alles, was aus Berlin kam, war irgendwie cooler. Lässiger. Eben knorke.

Und die Leute sind auch viel cooler, wa?

Vor ein paar Jahren hatte ich im Rahmen eines Projektes mit Berliner Kollegen zu tun. Am Anfang war das anstrengend. Die waren viel kommunikativer als ich. Auch viel jünger (Wahrscheinlich war das der eigentliche Grund und nicht die Verortung in der Hauptstadt.). Ständig poppte irgendein Fenster von Sync, Skype oder WhatsApp auf mit: „Na? Allet schick?“, oder das Telefon piepte, weil sich jemand aus Berlin unterhalten wollte. Ich kam kaum zum Arbeiten! Das war sehr gewöhnungsbedürftig. Die Berliner waren auch ständig in irgendeinem „Call“. Ich hatte ab und zu eine Telefonkonferenz oder kurz: TelKo, aber „Calls“ hatte ich keine. Telefonkonferenz versus Call, man merkt schon an der Begrifflichkeit, dass die wirklich hipper waren.

Aber ich liebte die Tage Vorort in Berlin! Wenn ich auf dem Hauptbahnhof ankam, betrat ich eine andere Welt. Lauter, voller, größer. Dann die Taxifahrt zum Office (Die Berliner arbeiteten in keinem Büro, die hatten ein Office.), ich zitternd auf der Rückbank, beide Hände am Angstgriff, „Ohgottohgottohgott!“-flehend, sicher, die Autofahrt nicht zu überleben. In Berlin Taxi zu fahren ist für mich, als hätte mich einer in ein Computerspiel reingedingst (Ich kenne mich leider gar nicht aus mit sowas, „ The race“ wäre ein passender Name.). Aber von vorn kam ganz bestimmt ein tröstendes: „Keene Angst, kleenet Frollein!“. Taxifahrer müssen in Berlin wahrscheinlich einen speziellen Kurs absolvieren, so kann ganz sicher nicht jeder Auto fahren! Ich könnte mir vorstellen, dass es einen Witz unter Berliner Taxifahrern gibt, der in etwa so gehen könnte: „Du, der Didi, der hat sich zur Ruhe gesetzt. Ick gloobe, der fährt jetzt in Dresden!“.

Ich bin immer gut angekommen. Nur angstschweißtriefend.

Im Berliner Office war auch immer alles viel cooler als im Dresdner Büro. Und die Leute so lässig entspannt! Null gehetzt. Chillig. Mach ma locker, ey. Ich fand das toll. Gut, so richtig zum Arbeiten bin ich da dann auch nicht gekommen, aber zum Staunen. Kaum biste da, geht’s ja auch gleich wieder zum Lunch. Ich geh in Dresden zum Mittagessen, in Berlin gehste eben lunchen. „Wo gehn wa hin? Koreaner, Inder? Magst du Tajine? Lieber thailändisch oder Pizza?“.

Also, ich hab noch nie Tajine gegessen. Ich musste jetzt auch erst mal bei Google nachgucken, wie das geschrieben wird. Berlin macht mich auch kulinarisch zur Provinzschnepfe. Und dann gehen wir los. Nur so die engsten fünfzehn, zwanzig Kollegen. Also nicht direkt gehen, schnurstracks mit Zeitdruck verbunden. Mehr so lässig, schlendernd. Und es ist immer schönes Wetter! Stets Frühling oder angenehm temperierter Sommer. Ich war noch nie bei Scheißwetter in Berlin (Wahrscheinlich ham die gar kein Scheißwetter, wa?! Nur wir! Das ist mal wieder typisch!). Egal, wir schlendern und flanieren durch hippe Gegenden mit hippen Leuten, die große Mützen und Sonnenbrillen und Chinos mit Pofreiheit tragen (oder was eben grad so angesagt ist bei Hauptstädtern unter vierzig) und allet schick. Und wenn in den zwei, drei Stunden, die der Lunch-Spaziergang so dauert, ein „Call“ ansteht, dann wird der eben im Gehen mit den Knöbbeln im Ohr (Weiß nicht, wie das auf preußisch heißt. Kopfhörer?) absolviert. Entspannt. Hände in den Taschen.

Das ist alles so… so arschcool! Ich will das auch. Ich will auch ein bisschen Berlin sein! Tausche sächsische Gemietlischkeet gegen Berliner Coolness. Wa?!

Kommste dann heeme aus der großen Stadt und stapfst in Dresden aus dem Hauptbahnhof, dann ist alles irgendwie slomo. Und keiner auf der Straße! Also nur so ganz wenige Leute. Das Auge ist an die gemietlische Kleenstadt nicht mehr gewöhnt. Und das Beste ist dann immer die Taxifahrt vom Bahnhof nach Hause. Gefühlt fährt der Dresdner Taxifahrer dreißig Km/h und stets rechts (Also, wenn man gerade aus Berlin kommt.). Und wehe, du sagst, du hättest es eilig! „Immer mit dor Ruhe! Isch lasse misch dor hier ni hetzen! Dann gönnse glei loofn!“. Ja, cool können wir auch…

Alles was aus Berlin kommt, ist wunderbar. Auch die Berliner Blogs sind cool. Und die Blogger alle lässig. Machen Bloggertreffen und Events. Da kiekste als Dresdner in die Röhre, wa?! Sowas gibt’s hier nicht.

Also noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht im Sommer 2015? Mit Dresdner Eierschecke und Tajine? Gemietlischkeet meets Coolness?! Das wäre doch nett, oder? Arschcool wäre das!

#Familienalbum

Hach, Kinders, da hat die Nina von Frau Mutter ja was losgetreten. Nun sitze ich seit gestern zwischen alten Fotos und zwischen vier Jahrzehnten. Wollt ihr mal gucken?

b7…mit Strickkleid und Spangenschuhen.

b6… mit Familienangehörigen. Ich bin das ganz rechts im modischen Jumpsuit mit Fuchs (Ihr seht, es war echt alles schon mal da!). Wer die anderen beiden sind, darf ich euch aus Datenschutzgründen nicht verraten. Nur so viel: Das große Mädchen mit den Zöpfen war gar nicht so lieb und unschuldig, wie es auf dem Foto scheint. Ja! In der Tat soll sie Kleinere gekniffen haben (mehrmals).

b2… mit todschicker Handtasche und Oma Else.

b5… mit Buch und offensichtlich mitten im Zahnwechsel.

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Das mach ich jetzt lieber nicht so groß, das Foto.

… mit Bauchansatz und Dedoronblouson (das war ein absolut gängiges Wort im DDR-Mode-Jargon).

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… mit John-Lennon-Brille und meinem neuen Freund.

Ach ❤ das mag ich, das Bild! Auch wenn es gar nicht mehr zählt, weil das schon die Neunzigerjahre waren. Ich weiß noch, dass meine einzige Angst war, der Typ in dem anderen Boot könnte einfach so mit unserem Fotoapparat abhauen! Man siehts auch ein bisschen, ich sitze auf dem Sprung, bereit, mich kopfüber hechtend in das andere Boot zu werfen. Der neue Freund hat dann fünfzehn Kilo zugenommen und sich einen Vollbart und einen Sehfehler wachsen lassen (der das Tragen einer Brille erforderlich machte.). Ob das alles geschah, um nicht in Zusammenhang mit ollen Fotos gebracht zu werden, ist nicht bekannt. Ich habe ihn geheiratet. Aber nicht mit dieser Frisur (also meiner). Aber das waren dann sogar schon die Zweitausenderjahre.

Also: Album zu für heute!b1

Ein Hotel am Meer

Der Bärtige wollte seiner ihm Angetrauten, die auch als „die Meersüchtige“ bekannt ist, eine große Freude bereiten und hatte die kleine Familie über den Jahreswechsel in ein Hotel an der Ostsee eingebucht.

Und die Freude war groß!

Jetzt ist alles vorbei, die Waschmaschine röhrt bereits seit Stunden verzweifelt und ich sitze hier mit frischen Erinnerungen zwischen unausgepackten Tüten…

Gemeinsamer Urlaub ist ja bei uns immer etwas… nun ja, spannend. Da wir so vollkommen verschiedene Urlaubs- und Reisetypen sind, ist alles eine Challenge. Von der Planung über die Anreise, das Verhalten vor Ort, die Liste ist beliebig erweiterbar. Eines ist es jedenfalls nie: Langweilig!

In der Pack-Phase beäugte der Allerbeste bereits ängstlich und argwöhnisch die größer werdenden Haufen auf unserem gemeinsamen Bett. Er selbst war schon tagelang fertig mit der Packerei: Zwei Shirts, ein Hemd, Socken, Boxerdingsbumse. Dreißig Kubikzentimeter. Er hätte also problemlos mit einem Kulturbeutel reisen können.

Ich brauche stets den kompletten Platz unseres Kofferraumes. Und alle Fußräume im Auto!

Normalerweise steuern wir zur familiären Erholung Ferienhäuser an, beladen mit quasi allem. Und da das so drin steckt in mir, ging ich vor nach Schema F: F… ielleicht brauch ich das. Alles musste mit. Ich rechne bei der Packerei immer praktischerweise in Ikea-Beuteln: Ein Sack pro Person, ein Sack zusätzlich für Kosmetikartikel, ein Sack für Spiele, Zeitschriften, Bücher, und zwei Sack als Reserve für das Gedöns von mir, das dann doch nicht in die anderen Beutel passte (Meine ausgeprägte Vorliebe zu blaugelben Plastiksäcken ist bekanntermaßen grenzenlos und das Auto lässt sich damit prima nach dem Tetris-Prinzip beladen.).

Der Bärtige meinte allerdings, in ein Hotel könnten wir so nicht anreisen, wie sähe das denn aus?! Und er überraschte mich mit der Aussage, er habe die Koffer aus dem Keller nach oben geholt. Ich war neugierig. Denn, Koffer als Plural? Soweit ich mich erinnere, besitze ich ein kleines silbernes Hartschalen-Dienstreise-Köfferchen und er einen achtzig Liter- Rucksack. Das wars.

Koffer? Welche Koffer?

Ich weiß nicht, aus welchen Kellerecken er die Schmuckstücke geborgen hatte, mit denen wir dann später stilecht verreisten, aber ich bedaure jetzt gerade sehr, euch kein Foto präsentieren zu können! Er hatte eine ramponierte schwarze Reisetasche gefunden, die ich noch nie gesehen hatte. Eine weitere Reisetasche bestach mich mit ihrer grellblauen Farbe, die meine Augen bluten liess und weil das noch nicht gereicht hätte, prangte riesengroß ein Aufdruck vorn drauf: TECHNO (Ich datierte aufgrund des Prints das Herstellungsdatum in die frühen Neunziger). Der absolute Knaller aber war ein großer Koffer mit Camouflagedruck. Ein wunderschönes Stück! Vielleicht aus dem Armeefundus? Ich weiß ehrlich nicht, wie wir in den Besitz dieses Teils gekommen sind, aber damit stand also die Reisegarderobe fest. Und wahrlich: Wesentlich spektakulärer als Ikea-Beutel!

Unser Familienhotel am Meer erwies sich als eine Appartmentanlage irgendwo auf einer riesengroßen Wiese. Das Meer war drei Kilometer entfernt, aber nur Luftlinie und auch nur dann, wenn man nur jeden zweiten Meter zählt. In Wahrheit musste man lange mit dem Auto fahren, um Wasser zu sehen. Das war etwas betrüblich. Aber ansonsten hatten wir sehr viel zu lachen. Und fühlten uns auch ab dem ersten Tag wie zu Hause: Der Beste reparierte erstmal die Außenjalousien und ich organisierte feuchte Reinigungstücher und putzte den Dreck mehrerer Vorgangsbelegungen aus dem Appartment. So kann man sich die Zeit vertreiben. Was soll man auch machen, wenn es draußen wie aus Eimern schüttet, stürmt, dass die Balkonmöbel in der Gegend rumfliegen und man sich Steine in die Taschen stecken muss, damit man nicht davonfliegt. Weit aufs Meer.

An die Appartmentanlage angeflanscht war ein Schwimmbad, welches wir selbstverständlich täglich frequentierten. Auch weil in Ermangelung eines funktionierenden WLANs keinerlei anderweitige sinnvolle Freizeitgestaltung („Scheiße! Ich wollte hier bloggen! Jetzt kann ich nicht mal einen Beitrag bei Facebook öffnen!“. „Papa, ich will sofort nach Hause! Was soll ich hier bloß eine Woche lang ohne Internet machen?!“) möglich gewesen wäre.

Ich hasse Schwimmbäder!

Wenn ich in dem lauwarmen Babybecken saß, wurde mir ständig klar, dass Schwimmwindeln eigentlich nur Makulatur sind und schon zwei Hosenscheißer ausreichen, um das Wasser vollständig zu kontaminieren. Weil alles Wasserlösliche ausgeschwemmt wird. Irgendwann. Und dann diese Leute! Überall diese Leute! Ständig wollte ich schreien: „Mensch, verhülle dich!“. Faltiges oder wucherndes fahles Fleisch, notdürftig behangen mit unzureichend Stoff. Rudimentärer Fellbesatz. Ich will das nicht sehen! Am widerlichsten sind die, die nah an einem vorbeiwaten, während man im Babybecken sitzt und notgedrungen fluchtunfähig nur seufzend die Augen verschliessen kann und leise bitten: „Geh vorbei. Geh schnell an mir vorbei!“. Und diese Bademäntel! XXL, selbstverständlich. Wenn ich die Treppe ins Bad herunterwandelte, sah ich aus wie eine Braut, die eine drei Meter lange Schleppe hinter sich herzieht. Oder eben wie eine hutzelige Zwergenfrau, die vier Kilo Stoff die Stufen herunterwuchtet, ein Kleinkind auf der Hüfte sitzen hat und verzweifelt versucht, sich im Frottee nicht zu verheddern. Wenn ich einmal um das Becken geschlurft bin, brauchte der Bademeister nicht mehr wischen. Ich putzte mit meinem Bademantel.

Beim Essen hatten wir auch unseren Spaß. Ich eigentlich weniger, weil mich derartige Menschenansammlungen doch sehr erdrücken und ich mich ungern in eine Schlange stelle, um mir meinen Teller befüllen zu können. Diese „all you can eat“-Mentalität versaut mir den Appetit. Drei Teller vollbeladen („Ham wir schliesslich alles bezahlt!“) und dann die Hälfte wegschmeissen… Aber ich konnte doch gelegentlich schmunzeln über die Mitanwesenden (Sachsen in der Überzahl) oder das Personal, das uns stets freundlich begrüßte, aber ganz egal, ob man ein Wasser wollte, einen Hochstuhl ordern oder einfach nur eine erotische Fußmassage bestellen, stets antwortete: „Bitte warrrrten sie meine Kollega!“. Und zwar alle! Und so organisierten wir uns den Hochstuhl selber, tranken nichts zum Essen und das dritte hab ich sowieso erfunden.

Selbstverständlich verfuhren wir uns wie immer bei jeder sich bietenden Gelegenheit und ebenso selbstverständlich verweigerte der Beste die Benutzung des (zu unserem Besitz gehörenden, während der Fahrt stets in greifbarer Nähe befindlichen) Navigationsgerätes: „Ich brauche das Scheißnavi nicht! Ich WEIß, dass ich falsch abgebogen bin!“, und fährt dann noch zweimal falsch in irgendeine Straße. Sehr amüsant. Außer, wenn man Hunger hat und in der Pampa einen Burgerladen sucht. Oder eine Pizzaria. Oder eine Tankstelle, die Brötchen verkauft…

Schön war auch, als ich für unseren letzten Tag etwas ganz besonderes rausgesucht hatte. Ein Einheimischer hatte mir einen Tipp gegeben. Es sollte da irgendwo ein romantisches Fischerdorf sein, total versteckt, noch nicht mal die Russen hatten das nach dem Krieg gefunden (Im Nachhinein bin ich sicher, die hatten gar nicht gesucht!). Das romantische Dörfchen war überrannt von vornehmlich sächsischen Touristen, behangen mit teuren Kameras, die der Weihnachtsmann eine Woche vorher gebracht hatte. Man sah das Meer kaum vor lauter Leuten, die posend auf umgestülpten Booten standen und sich fotografieren ließen. Überall roch es nach öffentlicher Toilette. Ich nehme an, der Einheimische hatte sich einen derben friesischen Witz erlaubt mit mir. Und dabei hatte ich meinen ultimativen Ausflugstipp derart beworben und wollte Romantikbonuspunkte sammeln!

Aber wir haben ein wundervolles Stückchen Welt am Strand gefunden. Am Neujahrsmorgen in Lohme. Keine Sau da. Nur wir. Und das Meer. Hach, war das schön ❤

Aber ihr braucht da gar nicht mehr hin, jetzt wissens ja alle!

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Oh du fröhliche… letzter Teil

Draußen stürmt und regnet es bei apriligen acht Grad, aber das botanische Weihnachtsorakel lügt nicht: Es ist soweit.IMG_1924Der „Geist der vergangenen Weihnacht“ war in den letzten Tagen bei mir zu Besuch.

Ich habe mich an die Familienfeiern früher erinnert. Ich musste immer Mittagschlaf halten und durfte die „Stube“ nicht betreten, bis mich jemand holte! Ewig habe ich gewartet und die Kerzen am Baum schon durch die Butzenscheiben unserer Wohnzimmertür glitzern sehen. Kartoffelsalat und Würstchen, an den Feiertagen dann Gans und Pute. Mit Rotkohl.

Ich erinnerte mich an ein Weihnachtsfest auf den Malediven mit Sonnenbrand, pinkfarbenen Desserts und Palmen voller Christbaumkugeln. Und daran, dass ich danach behauptete, das sei die allerblödeste Idee von allen gewesen! Weihnachten im Warmen. Tss.

Ich erinnerte mich an das allererste Weihnachten mit dem Bärtigen. Siebzehn Jahre ist das nun her. Da wir uns im Januar gefunden hatten, war unsere junge Beziehung im darauffolgenen Dezember schon stabil und wir beschlossen, für uns und die Ewigkeit unsere eigenen Weihnachtstraditionen zusammenzuzimmern. Der Weihnachtsbaum kommt bei uns am ersten Advent und fliegt am siebenundzwanzigsten Dezember raus! Ja, Schatz, super Idee. Wir machen keine Ente, wir machen… äh… Fisch?! Klasse, Schatz! Oder griechisch? Auch super! An unserem ersten gemeinsamen Heiligabend saßen wir zwei alleine in unserem Stübchen mit unserem Bäumchen und um mich herum lag einfach alles, worauf in den vergangenen elf Monaten mein Blick länger geweilt hatte. Eine Honigdose aus Holz zum Beispiel, daran erinnere ich mich genau… alles hatte er gekauft aus lauter Liebe und dem Wunsch, mich glücklich zu machen. Dabei war er damals noch Lehrling und hatte gar kein Geld! Am Ende schleppte er eine Waschmaschinenkiste an und ich dachte mir, oh mein Gott, wieso schenkt der mir jetzt eine neue Waschmaschine! Aber nein, irgendwo zwischen Knüllpapier lag ein Silberkettchen in einer Schachtel. Und wie er da stand mit glänzenden Augen. Ich bekomme gleich Schnupfen…

Wir haben in all den Jahren unsere Zweisamkeit an diesen Tagen versucht vehement zu verteidigen. Das hat nicht immer geklappt. Eigentlich war das spätestens dann zum Scheitern verurteilt, als wir Eltern wurden. Auch den heiligen Heiligabend ließ man uns nicht. Aber ich erinnere mich, dass ich in jedem Jahr nur dem Besten in die Augen sehen brauchte und las: Warts ab, irgendwann sind wir allein und dann ist unser Heiligabend! Wir haben auch nach jedem Fress- und Feiermarathon geschworen, wir würden das im neuen Jahr anders machen…

Es wurde irgendwann von alleine anders. Und unsere Traditionen auch. Die sind mittlerweile etabliert. Wir haben immer am ersten Advent bereits den Baum und Tante Baum fliegt nach wie vor am siebenundzwanzigsten aus dem Fenster. Wir sind am Heiligabend bei uns daheim. Punkt. Es gibt Wunschessen, egal, was das nun gerade ist. Wir gehen zum Krippenspiel, spazieren durch den Abend und freuen uns an den Lichtern und erleuchteten Fenstern. Die Geschenke werden erwürfelt: Wer eine Sechs wirft, darf ein Geschenk mit seinem Namen unter dem Baum vorziehen. Wir spielen immer ein Brett- oder Strategiespiel. Und wir schauen „Schöne Bescherung“ mit Chevy Chase. Immer! Obwohl wir alle Dialoge mitsprechen können („Das gibt keinen Abrass, Drucki!“), gehört dieser Film zu unserem Weihnachten.

In diesem Jahr erfüllt mich das mit Wehmut und ich fühle mit Clark Griswold, der sich so sehr bemüht, seiner Familie ein unvergessliches Weihnachtsfest zu bescheren und von einer Katastrophe in die nächste schlittert. Denn, ganz ehrlich, so entspannt, wie wir das uns in jedem Jahr vornehmen, wird es natürlich nicht. Denn ich bin ja auch noch da! Und drehe durch, egal, was ich mir selbst für Vorsätze aufdiktiert habe. Ich bin der Clarky dieser Familie, der zwei Kilo Butterschmalz verbäckt, notfalls morgens zwischen vier und sechs. Der Weihnachtskarten selber bastelt und dann keine Zeit mehr findet, die rechtzeitig zu verschicken. So einer bin ich. Ich liebe diese Familie so sehr und will einfach, dass jedes Weihnachten unvergesslich wird und dass meine Kinder ihren Kindern irgendwann erzählen, wie schön das damals zuhause war (Ich rede auch schon wie Clark Griswold). Mit den unausweichlichen Folgen. Ich liebe Weihnachten! „Sie war stets bemüht, wenn auch übereifrig.“, steht bestimmt auch in diesem Jahr auf meinem Weihnachtszeugnis.

Die Kinder regulieren mich. Am letzten Heiligabend bin ich allein abends mit einem schreienden Baby in der kalten Dunkelheit rumspaziert, die beiden anderen Jungs lagen krank in ihren Betten. „Weißt du noch? Am ersten Weihnachten mit dem Großen warst du auch so lange krank.“, erinnert sich der Bärtige, als ich mich neulich beschwerte, ich käme vor lauter Grippewellen gar nicht mehr auf die Füße. Bin ich gesund, kränkeln die Kinder. Sie bremsen mich ab. Sie lenken meinen Blick auf das Wichtige. Gut so!

Dabei bin auch ich vom Geist der Weihnacht beseelt. Ich muss den Glauben nicht teilen, um der christlichen Weihnachtsgeschichte mein Herz zu öffnen und sie zu verstehen und danach zu handeln. Und wenn wir in der Adventszeit durch die Straßen spazieren und ich mich so an den geschmückten Fenstern erfreue und manchmal einen Hauch Vanillekipferlduft aus einem Küchenfenster schwappt, dann denke ich an meine liebste Weihnachtsgeschichte: „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ von H.C.Andersen. Und ich weiß genau, dass ich diejenige bin, die hinter dem Fenster sitzt. Die mit dem Baum, dem leckeren Braten und dem warmen Ofen. Und dass dieses kleine Mädchen mit den Zündhölzern genau wie die heilige Familie in der anderen Weihnachtsgeschichte eine Botschaft ist. Dass es Menschen gibt, die vor dem Fenster stehen. Und ich weiß das auch im Sommer. Im Frühling und im Herbst. Nicht nur an Weihnachten.

Ich wünsche euch allen besinnliche Feiertage! Ein Fest in Frieden und Gesundheit, ohne Hunger und Angst. Ein großes Glück. Das wünsche ich euch. Und uns.

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 Ende.

 

kleines Intermezzo

Weihnachten hin, Erkältungswelle her, wir haben auch noch ein Familienleben und das gilt es zu pflegen!

Besonders die frühkindliche Spracherziehung liegt mir ja sehr am Herzen. Heute habe ich mich mit dem Jüngsten auf seinen Spielteppich begeben und mich dessen motorischer und linguistischer Talententwicklung gewidmet. „Drachenfutter“ heißt das Spiel, das dazu zum Einsatz kam. Zuerst las ich dem Kinde die Spielanleitung auf spanisch vor. Dann auf italienisch. Das Kind zeigte sich nicht nur wenig interessiert, nein, das Anarcho-Baby missachtete auch gänzlich alle Regeln. Es schmiss die Spielsteine einfach in der Gegend rum und verteilte sie ohne erkennbares Muster in verschiedenen Schiebern, Kisten und Gefäßen. Jede versuchte Intervention meinerseits wurde mit Knurren seinerseits quittiert.

Da der Jüngste ganz offensichtlich nicht daran interessiert war, mit mir gemeinsam zu spielen, habe ich mich dem Studium der Anleitung hingegeben. Wenn der schon nichts lernen will, kann es auf gar keinen Fall schaden, mich selbst fremdsprachlich weiterzubilden. Den Spielnamen auf italienisch kann ich bereits. So freue ich mich mitteilen zu dürfen, dass ich zum Heiligabend meiner lieben Schwiegermutter das Essen hinsetzen kann mit den Worten: „Das ist extra für dich. Das nennt sich ´Vinciamo insieme`!“. Auch den ersten Satz der Spielanleitung werde ich auf italienisch auswendig lernen und wenn mir beim nächsten Pizzariabesuch der Piccolo die Karte aus den Fingern reißt und wissen will, was ich zu speisen wünsche, werde ich weltfraulich die Hand heben und verlauten lassen: „Tutti i contenitori vengono esposti su un tavolo!“ (Alle Töpfe auf den Tisch stellen; steht zumindest an der entsprechenden Textstelle der deutschen Spielanleitung).

Bei der holländischen Übersetzung fängt bereits der Name des Spiels meine volle Aufmerksamkeit: Drakenvoedsel.

Interessant!

Ich beschließe, dass ich ab jetzt genug Anglizismen im Sprachgebrauch habe und dass es Zeit wird, besonders dem Holländischen eine Chance zu geben, mein Alltagsdeutsch zu unterwandern. Und ihr könnt das auch! Wenn ihr beispielsweise Dinnergäste über die Feiertage habt, könnt ihr mit euerm neuerworbenen Wissen glänzen und die Besucher nach dem Essen fragen, wie ihnen denn das Voedsel geschmeckt hat.

Ich jedenfalls werde den Bärtigen jetzt zum Essen rufen: „Schatz, komm in die Küche! Dein Voedsel wartet.“. Na, der wird Augen machen…

 

Oh du fröhliche… Teil 4

Was bisher geschah…

Türchen eins

Die erwiesenermaßen erfolgversprechendste Maßnahme, um sich in liebestrunkene Adventsstimmung zu bringen, ist das Schmusen mit Kleinkindern. Dazu stellen sie sich mit einem Baby auf dem Arm unter einen Mistelzweig und wiegen sich schnüffelnd und küssend einige Male hin und her.

Mistelzweig, zum Drunterstellen (Beispiel)

Mistelzweig, zum Drunterstellen (Beispiel)

Wenn sie selbst nicht im direkten Besitz eines Kleinkindes sind, fragen sie kinderreiche Freunde, ob sie bei denen als Aushilfsschmuser tätig werden können. Sollten ihnen ihre egoistischen Freunde kein Baby überlassen wollen, so wickeln sie sich ein altes Schaffell um den linken Unterarm (Linkshänder nehmen den rechten Arm. Unterlassen sie dabei die Versuche, sich selbst fotografieren zu wollen, das wird nüscht.)

Lammfellunterarmschmuseatrappe

Lammfellunterarmschmuseatrappe

Wiegen sie die Schmuseattrappe in ihrem unbefellten Arm, bis die gewünschte Intensität des Weihnachtsgefühls eingetreten ist.

Viel Erfolg!

So oder so ähnlich hatte ich mir das möglicherweise vorgestellt, als ich vor tausend Wochen anfing, mich auf den Advent zu freuen und plante, Euch mit einem Adventskalender der anderen Art zu erfreuen. Und was kriegt ihr stattdessen? Jammernde, larmoyante, ningelnde Wochenberichte über das defizitäre Gesundheitsbefinden der Nieselpriemfamilie. Und ich krieg die Erkältungswelle nicht aus dem Haus. Tja, so ist das mit dem Wünschen.

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Weihnachtsstimmung am Küchentisch (Ideal)

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Weihnachtsstimmung am Küchentisch (Realität)

Zwischen Gehetze von Kinderarzt eins (mit Kind eins) zu Kinderarzt zwei (mit Kind zwei) und Zwischenstopp beim Erwachsenenarzt versuchen wir Erwachsenen schlapp und krankheitsgebeutelt an der familiären Weihnachtsstimmung zu arbeiten. Ich moser wirklich bemüht an dem Besten rum und der reagiert sich an wehrlosen Haushaltsgegenständen ab. „Was hast du jetzt hier wieder für eine Scheißlampe in die Küche gehängt! Die Birnen sind alle kaputt!“, „Warte doch mal, das sind Halogen-Lampen!“, „Ja, hallo-gehn-die-auch-irgendwann-an-Lampen!“, „Du Idiot! Hör auf, dagegen zu kloppen! Das ist eine italienische Design-Lampe!“, „Eine italienische die-sein-Scheiße-Lampe ist das!“. Und später heute: „Komm, mach hinne! Los, alle Mann ins Wohnzimmer! Wir müssen die dritte Kerze anmachen! So, schönen Advent euch allen und ich muss jetzt los. Hopp hopp, Kerze auspusten! Du spinnst wohl, Kerzen an im Haus, wenn ich nicht da bin?! Das geht ja leider nicht mit dir!“.

offene Flammen (unter Aufsicht eines Erwachsenen)

offene Flammen (unter Aufsicht eines Erwachsenen)

So, weil der dritte Advent ist, singen wir jetzt alle zusammen noch ein Weihnachtslied! Und ich pfeife dazu. Auf dem letzten Loch 😉

Fortsetzung folgt…

Oh du fröhliche… Teil 3

Was bisher geschah…

Unser Advent riecht nach wie vor nach Eukalytusbonbons. Das Baby ist krank und bringt sich und seine Eltern um den Schlaf, das Großkind hat gefühlt jeden Tag zwei Klausuren in der Schule und drei Vorträge, die vorbereitet werden wollen. Die Nerven aller liegen blank. Das einzige das bei uns läuft, sind die Nasen. Die Gänsekeulendichte liegt bei… Null. Ebenso die Anzahl der gebackenen Plätzchen und der besuchten Weihnachtsmärkte. Ach, und geschriebene Weihnachtskarten ebenfalls Null. Facebook kann ich als Grinch wider Willen gar nicht mehr aufmachen, es weihnachtet von allen Profilen. Guck, schaut her! Wir haben gebacken, die zwölfte Sorte! Da, unser Baum! Hier, ein Adventsgewinnspiel! Das bin ich auf dem Weihnachtsmarkt! Und hier am Nordpol bei den Elfen! Kling, Glöckchen, klingelingeling…

Zeit, abzuhauen!

Zum Mädelsabend an der Eisbahn auf dem Weißen Hirsch. Warmes Lächeln, heiße Getränke. Und während die eine Hälfte der Truppe übers Eis flitzte, saß ich mit Beatrix und Apfelpunsch am Feuer und freute mich, dass sich die Umlaufbahnen unserer Leben mal wieder für ein paar Stunden gekreuzt haben. Hach, dieser Abend hatte so alles, was ich mir unter Adventsstimmung vorstellte.

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Später am Abend zu hause habe ich dann den Ofen angefeuert und mich mit einer dicken Decke und meinem Strickzeug auf der Couch zusammengerollt. Mir war ganz weihnachtlich. Im Fernsehen kämpfte Tom Hanks ums Überleben auf einer einsamen Insel. Ich sah dem von der warmen Couch aus zu. Wie er schweißtriefend versuchte, Feuer zu machen. Nun, da war ich bereits einen Schritt weiter, bei mir prasselte ein loderndes Feuerchen und wärmte meine Eis (-bahn)- kalten Füße.

Aber aus irgendeinem Grund bekam ich einen fiesen Reizhusten. Das nervte. Und dieses eklige Krabbeln im Hals! Und stank es nicht erbärmlich?

Etwa gegen zehn Uhr führte Tom Hanks eine fachmännische Wurzelspitzen-Resektion mittels eines Schlittschuhs bei sich durch, da passierte es: Der Rauchmelder im Wohnzimmer ging über meinem Kopf los! Tom Hanks schrie. Ich schrie! Tom Hanks fiel in Ohnmacht. Ich sah durch einen gräulichen Schleier (Wieso war der mir nicht vorher aufgefallen?) meinen hauseigenen Feuerwehmann mir zur Hilfe eilen. Versiert sprang er auf einen Hocker, klatschte den Rauchmelder aus, sprang herunter, riss die Balkontür auf, sprang zum Ofen und balancierte die Kerzen und das Dekogedöns, das ich auf dem Öfchen drapiert hatte, auf ein Tablett.

Ach ja, die Kerzen… und ein bronzenes Krönchen. Und Kaminhölzer. Viele. Alles lag auf dem prasselnden Ofen! Oh Gott, was hab ich schon wieder angestellt…

Die Kerzen hatten sich der Wärme hingegeben und deren Wachs ist konsequent und in rauhen Mengen in die Lüftungsschlitze des Ofens gelaufen, wo er verdunstete und vor sich hinqualmte!

Ich stand zitternd und stocksteif wie Loth´s Weib mit meinem Strickzeug in den Händen inmitten der qualmenden Bude, die Augen aufgerissen. Der Mann sagte gar nichts. Kein: „Wie blöd muss man sein, Kaminhölzer auf dem Ofen liegen zu lassen?! Und überhaupt: Stumpenkerzen auf dem Ofen! Die ganze Deko fliegt jetzt achtkantig direkt in den Ofen!“. Er handelte einfach nur und beseitigte mein Chaos (In diesem Moment liebte ich ihn sehr. Sehr sehr. Viel mehr konnte ich auch nicht machen, ich war mit Zittern vollends beschäftigt.).

Advent, Advent, die Bude brennt. Beinahe hab ich´s geschafft. Mal wieder. Der geneigte Leser wird vielleicht noch folgende Geschichten vor Augen haben: „Der Haushalt hasst mich!“ und „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“.

Am Sonntag zündet ihr die zweite Kerze an im Kreise eurer Lieben. Ich werde ein Bild von zwei Kerzen basteln… oder mir ein Ausmalbild ausdrucken. Ich will hier nur noch unbeschadet raus! Und kann vielleicht jemand meine Kinder vor mir in Sicherheit bringen?

Fortsetzung folgt…

 

Oh du fröhliche… Teil 2

Was bisher geschah…

Die Vorbereitungen

Um nochmal kurz Luft zu holen, waren wir Drachen steigen an der Elbe. Unserer ist kaputt. Also alle beide. Das haben wir dann beim Auspacken festgestellt. Wir haben sie eingepackt und erneut in unseren Keller getragen. Damit wir nächstes Jahr im Herbst wieder zum Drachensteigen gehen können…

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Mit der Dampfente die komplette Behausung porentief gereinigt. Wenn ich schon alles schmücke, dann soll es doch bitte nicht in den Ecken aussehen wie bei der Familie Hempel mit dem berühmten Sofa. Zwischendrin habe ich festgestellt, dass wir auf zu großem Fuße leben. Hinter jeder Türe verbarg sich ein weiteres staubiges Zimmer. Habe errechnet, dass pro Person fünf Quadratmeter zum Leben reichen sollten. Zuzüglich zehn Quadratmetern zur allgemeinen Verfügbarkeit. Mache mich ab Januar auf die Suche nach einer neuen, dreißig Quadratmeter großen Wohnung für uns.

Ich orderte beim Kellerbeauftragten die Weihnachtskisten. Der Mann sagte, später. Verlangte fünf Minuten später erneut nach den Kisten, er behauptete, später wäre deutlich später. Erwäge nun, eine Umzugsfirma zu beauftragen, die fünf Umzugskisten aus dem Keller zu holen. Dann könnten sie gleich die kleine Sporttasche mit den paar Habseligkeiten des Bärtigen auf dem Rückweg wieder mit nach unten nehmen und vors Haus stellen…

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botanisches Weihnachtsorakel

Vom Entkalker brennen meine Atemwege, vom Putzmittel sind die Hände aufgesprungen. Der Blick auf das botanische Weihnachtsorakel bestätigt: Nö. Weihnachten ist noch weit. Nirgendwo ist etwas von Adventsstimmung zu verspüren. Weine mich leise in den Schlaf.

Die Weihnachtskisten wurden doch noch geliefert. Bei der Androhung, dem faulen Mann eigenhändisch mittels der noch im Weg rumstehenden Dampfente eine Darmreinigung zu verpassen, konnte er es irgendwie zeitlich einrichten.

Erkläre der Familie einige Tage später, in diesem Jahr würde das anders laufen mit dem Advent. Wir bräuchten einen Projektplan! Und dass ich beabsichtige, Scrum als Projektsteuerungsmethode bei uns einzuführen. Ich würde jetzt auch im Flur für alle sichtbar eine Scrumwand herrichten. Vierzehn Weihnachtskarten, acht Kilo Plätzchen, zwölf Weihnachtsmärkte, vier Weihnachtsfeiern, der ganze Verwandtenbesuch, das will doch alles organisiert werden! Niemand hört mir zu.

Hänge stattdessen Veranstaltungsplakate vom „Advent in Pieschen“ in der Nachbarschaft aus.1510861_896179510407321_6579175014689289317_nVon allen Facebookseiten und vom Haus gegenüber funzeln mich adventische Devotionalien an. Ich hänge dem Zeitplan hinterher!

Anstatt Plätzchen zu backen und Kaninchen zu schmoren, koche ich mal wieder ein Genesungshuhn aus. Anstatt „Kling, Glöckchen, klingelingeling“ hustets und schnodderts, rotzts und röchelts aus den Öffnungen der Jungen.

Habe mich der Forstpflege gewidmet. Aus diesem Grund war ich im Wald. Ich habe emsig alles aufgelesen, was liederlich so rum lag: Zapfen, Äste, Baumpilze und Zweige. Der Wald sieht jetzt wieder ordentlich aus. Der ganze Unrat liegt jetzt bei Nieselpriems rum. Und heißt jetzt nicht mehr Unrat, sondern Deko!

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Die Deko

Ich habe den Kleinsten mit dem Größten zusammen für zwei Stunden weggeschickt um mich der Verteilung der adventischen Schmuckelemente widmen zu können. Erst mal Räucherkerzen anzünden, Duftkerzen und Nat King Cole… Dann packe ich die ganzen Kisten aus und schleppe die Gegenstände von Zimmer zu Zimmer. Der erste Schock: Da, wo ich eigentlich was hinstellen könnte, steht schon was! Die Schränke sind auch alle voll mit Kram, da passt der notgedrungen weichende Dekoprassel nicht mehr mit rein. Ich schiebe alles elegant unter das Bett und beschließe, dem Besten zu erklären, wir bräuchten mehr Schränke. Und mehr Räume mit Schränken. Und vor allem: mehr Stellfläche für Deko!

Ich habe mir selbstverständlich im Vorfeld schon Gedanken über das Farbkonzept gemacht, aber während ich so das Gelumpe von Raum zu Raum trage, passt das alles nicht. Natur mit Kupfer, Gold mit Grün, Silber mit… irgendwas, es sieht bescheuert aus! Dabei habe ich doch wieder kiloweise die angesagten Zeitschriften mit „Land“ im Namen und „Deko“ gelesen. Sogar die von den letzten zwanzig Jahren! Ich war mir sicher, es würde spitze aussehen. Aber nee. Also schleppe ich Stunde um Stunde das ganze Zeug von Zimmer zu Zimmer, und wieder zurück. Von der ganzen Rumrennerei bekomme ich Durchfall. Kann auch von dem übermäßigen Räuchermännelschwaden in der Wohnung sein. Nach zwei Stunden kommen die Jungs zurück, der Beste schaut sich um und sagt: „Ich dachte, du wölltest dekorieren?“.

Einen Baum haben wir noch nicht. Da bin ich erstaunlich entspannt in diesem Jahr. Außerdem riecht´s aufgrund des täglich benutzten Erkältungsbadezusatzes andauernd nach Kiefernnadeln. Und Eukalyptus. Darauf schnell noch mit einem Sandelholz-Räucherkerzchen und einer Vanillekerze kontern. Gestern wurde mir mitgeteilt, dass wir noch nie, nie, niemals einen ersten Advent ohne selbstgebackene Plätzchen hatten. Nur keinen Druck! Ich hab ja noch heute. Den ganzen Tag. Deshalb kann ich jetzt hier auch nicht weiterschreiben, ich muss zu Eier und Schmalz, Zucker und Salz, Milch und Mehl…

Morgen wird die erste Kerze angezündet. Bei uns die ersten drei Kerzen: Im Wohnzimmer, auf´m Balkon und im Hausflur. Mehr ist eindeutig mehr.

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Adventsdings auf dem Balkon. Der heißt auf sächsisch Ballkong. Und der Plural Ballkongs.

Einen wunderschönen ersten Advent euch allen! Mit Plätzchen und Weihnachtsmarkt und Glühwein und Küssen und Musik und Kerzen und kandierten Äpfeln und Wildschweinbraten und Elchsteak und heißer Schokolade und gebrannten Mandeln und Stollen.

Wäre es nicht schön, wenn jetzt hier Schneeflocken über den Blog rieseln würden? Hach, wäre das schön! Ich muss jetzt den Informatiker wecken. Das ist doch nicht zuviel verlangt, dass der sich in den WordPress-Code hackt und es schneien lässt!

Fortsetzung folgt…

Oh du fröhliche… Teil 1

ES GEHT LOS!

Es ist morgens kurz vor acht. Der Kinderwagen ist vollgetankt, Weihnachtsstern, Grabgesteck und Marzipanbrot eingesackt. Jetzt warte ich nur noch darauf, dass diese Kinder endlich wach werden!

(Das Marzipanbrot ist nicht etwa sowas wie die Weihnachtsgurke dieses Artikels, sondern eine ernste innerfamiliäre Angelegenheit!) 

Heute ist nämlich Totensonntag. Vermutlich seid ihr etwas indigniert darüber, dass dieser Tag offenbar zu meinen hohen Feiertagen zählt. Das ist ganz einfach zu erklären: Meine Nachbarin hat gesagt, nach dem Totensonntag könne man anfangen. Könne man anfangen! Dämmerts jetzt? Das bedeutet, wenn ich heute Mittag von der Friedhofstour heimkomme, kann ich die Weihnachtskisten aus dem Keller holen! Die Weihnachtskisten! Endlich! Und wer sich jetzt fragt, ob das mit den Wiederholungen im Text so weiter geht, ja! Ja!

Ich hibbel ja schon seit Wochen, ach was, Monaten!

Heimlich schleppte ich schon Äste und Gedöns heran, an das ich noch heimlicher weiteres Gedöns gehängt habe, um mich schon mal an rumstehende vertrocknete Baumteile mit Rumhängern dran einzuschwingen. Oder vielmehr den Mann, der jetzt schon mit wedelnden Armen durch die Wohnung trabt und behauptet, er würde überall mit seinem Rauschebart an Ästen mit Dekoobjekten hängenbleiben („Diese Scheiße kommt hier weg! So eine Drecksscheiße! Diese vermaledeite Drecksdeko! Ich schmeiß das alles in den Ofen! Brennen wird das! Lichterloh!“). Ja, der Mann ist merkwürdig. Aber er macht schöne Kinder.

Die nächsten Wochen werde ich eine Zuckerguss-Rike sein. Eine, die ihrem wehrlosen Baby ein rotes Elchgeweih aufs Mützchen setzt. Eine, die im Weihnachtsstrickpullover mit rüschenverzierter Küchenschürze Backblech um Backblech voller duftender Plätzchen aus dem Ofen holt. Eine, die im Schein funkelnder Vanillekerzen dampfende Töpfe voller Krautwickel, Rouladen, Kaninchen, Hirschgulasch, Knödel, Klöße, sahniges Kartoffelgratin und Rotkraut, Rotkraut, Rotkraut, Rotkraut oder auch mal Rosenkohl mit Butterbröseln zubereitet. Eine, die vier Tannenbäume kleinteilig zerhackt um alle Türen in der Behausung damit zu drapieren und sogar schon mal mit Schneespray in Fensternähe gesichtet wurde. So eine, die überall und  jeden Stuhl/ Fensterbrett/ Tischkante/ Klodeckel weihnachtlich dekoriert. Eine, die mit rotglänzenden Bäckchen Abends den in liebervoller Erwartung herbeigesehnten Mann mit Aktentasche an der Tür begrüßt, der aufgrund der olfaktorischen Reizüberflutung schon an der Wohnungstür in Tränen ausbricht. So eine werde ich!

Das kann niemand durchhalten. Ich weiß das, aber in jedem Jahr versuch ich es aufs Neue…

Die Adventszeit ist wie Kinderkriegen. Bei mir zumindest. Schon Wochen vorm errechneten Termin würde ich am liebsten loslegen! Diese Warterei macht mich mürbe. Ich mal mir aus, wie das alles wird, mache Pläne. Wenns dann losgeht, bin ich auch noch euphorisch. Also mit kleinem Anflug von „Darauf hab ich mich also wochenlang gefreut, ja?!“. Wenn die Party dann richtig im Gange ist, bin ich dann die, welche sich lautstark beschwert, dass das hier ja überhaupt nicht nach Plan laufen würde! Um dann kurz vorm Showdown die Schnauze richtig voll zu haben und nur noch AUFHÖREN ENDLICH AUFHÖREN zu brüllen. So um den dritten Advent rum…

So ist das mit mir und Weihnachten. Und in diesem Jahr werde ich das Spektakel festhalten. Als eine Art Adventskalender der besonderen Art. Ein Blogbeitragadventskalendertagebuch.

Es geht los! ES GEHT LOS! Ich wünsche uns allen eine fröhliche, besinnliche und, hach, duftende, glöckchenklingende, leckere, liebevolle, knisternde, raschelnde, nach Zimtsternen und Glühwein riechende Weihnachtszeit. Freut ihr euch auch so? Ich freu mich wie blöde!

Fortsetzung folgt…

Freiheit

Ich habe seit gestern Nachmittag verordnete Bettruhe. So liege ich faul und hustend ausgesperrt vom Wochenendtrubel der Familie in meinem Bett und lese.

Die Nachttischbibliothek war schon etwas angestaubt, ich nahm mir das Buch mit dem hübschesten Einband: „Caravan“ von Marina Lewycka.

Es dauerte ein wenig, bis ich mich auf die Schreibweise der Autorin einschwingen konnte, aber schon bald zog mich das Buch in seinen Bann und ich fieberte mit Irina und Andrij und den anderen jungen Menschen mit, die auf der Suche nach Freiheit aus ihren Städten und Dörfern im Osten der Ukraine auf abenteuerliche Weise in den goldenen Westen gereist waren. In das Land, wo Milch und Honig fließen. Und von einem Missgeschick ins nächste stolperten.

Ich schmunzelte. Und dachte an ein anderes Mädchen…

…vor fünfundzwanzig Jahren.

Eines Tages standen sie im Geschäft, in dem das Mädchen arbeitete. Die Jungs, die sie aus der Plattenbausiedlung kannte, aus dem Jugendklub. Die Jungs, die im Sommer über Ungarn getürmt waren. Da standen sie, sagten Hallo, wir sind´s! Heute Abend schon fahren wir zurück. Schau, da draußen, das ist unser Auto! Wir haben einfach nach der Flucht behauptet, wir hätten einen Führerschein besessen. Da wurde uns einer ausgestellt im Westen. Ist das nicht lustig? Dabei haben wir erst in Ungarn auf dem Campingplatz fahren gelernt. Willst du mitkommen? Wir arbeiten bei einem Bauunternehmer aus dem Osten, der schon vor Jahren abgehauen ist. Dort gibt’s auch Arbeit für dich!

Das Mädchen sieht in die fröhlich lächelnden Gesichter der Freunde und auf ihren langweiligen Schreibtisch. Dann verabschiedet sie sich von ihrer Mutti. Es ist ihr vierzigster Geburtstag. Die Mutti aber sagt, geh ruhig Kind. Schreib mir. Pass auf dich auf.

Sie packt eine kleine Tasche, viel braucht sie nicht. Da, wo sie hin will, ist alles viel schöner. Sie wird sich schönere Sachen kaufen! Sie fahren die ganze Nacht. Auf einer Raststätte staunt das Mädchen über die schöne Einrichtung. Wie im Interhotel. Die Toiletten sind sauber und haben einen Folienbezug. Sie kann sich nicht sattsehen.

In der schönen neuen Welt wohnen sie in einer kleinen Zweizimmerwohnung. Ein Raum ist voller Baumaterial. Das müssen wir jeden Tag mitnehmen, das klauen sonst die Polen, erklären die Freunde. In dem anderen Raum schlafen sie zu fünft, auf Matratzen. Das Mädchen und ihre Freunde aus dem Jugendklub von früher.

Am nächsten Morgen lernt sie den Bauherren kennen. Er sagt, sie könne als Sekretärin bei ihm arbeiten. Aber erst müsse das Haus fertiggestellt werden. Siehst du, Mädchen, hier kommt mal das Büro rein. Hier wirst du dann sitzen, sagt der Bauherr.

Das Mädchen fährt Schubkarren mit Schutt, sie lernt eine Maurerkelle zu benutzen, trägt Steine. Sie ist das einzige Mädchen auf der Baustelle. Die Polen lernt sie auch kennen. Die sind lustig. Das Mädchen spricht russisch und tschechisch, nach einer Woche auch polnisch.

Mittags kocht die Frau des Bauherren ein warmes Essen. Freitags bekommt sie ein paar Schachteln Zigaretten. Abends fährt sie mit den Freunden von früher in das Matratzenlager und träumt von einem Job als Sekretärin. Wenn erst das Haus fertig ist.

Sie schreibt fröhlich klingende Briefe an die Eltern daheim.

Nach einem Monat fragt sie nach einem Lohn. Der Bauherr vertröstet sie, das Büro sei bald fertig, dann könne sie bei ihm arbeiten. Und sorge er nicht gut für sie alle?

Sie schleppt weiter Steine und Mörteleimer und kehrt Baudreck aus dem halbfertigen Haus. Nach einem weiteren Monat sollen sie auf einer anderen Baustelle arbeiten gehen. Vom Büro ist keine Rede mehr.Sie überwirft sich mit dem Bauherren, der schmeißt sie raus. Bei uns kannst du jetzt nicht mehr wohnen, sagen die Freunde. Die Wohnung bezahlt schließlich der Bauherr.

Sie geht zu den Polen. Der eine junge Mann war doch immer sehr freundlich zu ihr. Er sagt, sie könne bei ihm bleiben. Sie arrangieren sich. Er wohnt in einem Hotel. Nur Aus- und Umsiedler wohnen dort. Er hat einen winzigen ehemaligen Keller bezogen. „Souterrain“ nennt der Hotelbesitzer das. Wenn das Mädchen das Kellerfenster öffnet, weht der Wind die alten Blätter vom Herbst herunter in den Keller.

Sie hat Heimweh. Nach der kleinen Wohnung mit den Vorhängen, die die Mutti genäht hat. Den beiden Bücherregalen, die der Vati für sie gebaut hat. Den beiden Stühlen von den Urgroßeltern.

Lass uns heiraten, sagt der Pole. Das ist hier nur eine Formsache und ich bekomme dadurch eine Aufenthaltserlaubnis. Dann können wir aus dem Keller ziehen. Was soll ich meinen Eltern erzählen? Nichts. Das ist nur Papier. Hier im Westen. Wir müssen zum Rathaus. Aufgebot bestellen. Was ist das? Das ist hier so. In ein paar Wochen sind wir verheiratet und ziehen aus dem Keller. Das ist nur formal. Wirst schon sehen.

Sie steht am Kellerfenster und schaut auf die Schuhe der vorbeieilenden Passanten, während der Pole auf der Baustelle arbeitet.

Eines Tages klopft eine wunderschöne Frau und sucht den Polen. Sie ist verwundert über das Mädchen. Das Mädchen staunt die schöne Frau an. Sie sei die Freundin des Polen. Ja, seit vielen Jahren schon. Er habe erzählt, er wolle eine Deutsche heiraten, damit sie beide in Deutschland bleiben könnten. Die schöne Frau und er. Wieso das Mädchen hier aber wohnen würde, das wöllte sie wissen?

Das Mädchen packt ihre Sachen und läuft durch die Stadt. Nach Hause kann sie nicht. Sie hat kein Geld. Sie kann nicht anrufen, jemand möge sie holen. Wen denn? So ist sie nicht erzogen.

Sie bleibt vor einem schönen Friseursalon stehen und erinnert sich, irgendwann mal gehört zu haben, dass Friseure immer gesucht würden. Dort im goldenen Land. Sie geht hinein und sagt, sie würde gern hier arbeiten. Sind sie Friseurin?, fragt eine nette Frau. Nein, aber ich würde das gern lernen, sagt das Mädchen. Dann erzählt sie alles. Die nette Frau bietet ihr einen Aushilfsjob an im Laden und ein Zimmer. Möbliert unter dem Dach.

Das Mädchen fegt jetzt die Haare im Frisiersalon und legt die Handtücher zusammen. Manchmal darf sie auch einem Kunden die Haare waschen. Der Pole steht tagelang wutschnaubend vor der Tür und verlangt sie zu sprechen. Die nette Frau verjagt ihn jedes Mal.

Abends sitzt das Mädchen in dem kleinen Zimmer und träumt davon, Friseurin zu sein und eine eigene Wohnung zu haben. Nicht dieses Zimmer neben der Afghanin, die jeden Abend laut weint und sich stundenlang im gemeinsamen Bad einschließt und ihre Hände schrubbt. Anfangs hat das Mädchen immer geklopft und Hilfe angeboten, Tee. Die Afghanin will sich nicht unterhalten. Tagsüber frisiert sie freundlich lächelnd die Köpfe der Kunden und abends weint sie laut und scheuert ihre Hände. Das Mädchen weiß nichts über Afghanistan. Die Sowjetunion ist unser Freund und Gorbatschow hat uns die Freiheit geschenkt.

Sie schreibt immer noch fröhliche Briefe nach Hause.

Einmal kommt die Mutti zu Besuch. Die nette Frau bietet an, der Mutti die Haare schön zu machen im Frisiersalon. Die Mutti schämt sich, hat sie sich doch zu Hause die Haare so schön gemacht mit Lockenwicklern.

Als das Mädchen die Mutti das nächste Mal wiedersieht, ist nichts mehr, wie es einmal war. Ähnlich wie Irina im Buch musste sie auch lernen, dass Freiheit kein Versprechen ist. Vielmehr eine Chance und eine große Verantwortung. Und es würde noch sehr viele Jahre dauern, bis sie die Früchte dieser Verantwortung und Chance ernten würde. Sie wurde nie Sekretärin. Auch nie Friseurin. Der Prinz mit dem weißen Schimmel ist auch niemals gekommen. Also nicht mit dem Schimmel. Mit einem hellblauen Trabi kam er gereist. Und mit diesem Zweitakter sind sie in die hoffnungsvolle Zukunft getuckert und haben sich ihr Bullerbü aufgebaut.

Menschenskinder, so spät schon! In einer ganz anderen Zeit lege ich das Buch beiseite und denke mir: ´Mist, die Jungs kommen gleich aus dem Zoo! Und ich hab noch nichts gekocht! Zwei Tage Bettruhe reichen vollkommen! `.Foto-2

Draußen strahlt die Sonne in bunt gefärbten Bäumen. Heute ist ein schöner Tag! Und ein besonderer.

 

 

 

 

 

Ein Kaffee für Frau Nieselpriem

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Alte Bekannte und neue Freunde

Auftritt einer alten Bekannten. Nicht schon wieder! Doch. Der dritte Infekt in sechs Wochen. Pünktlich zur Verdienstreisung des Besten (der aus offensichtlichen Gründen immer noch „der Bärtige“ heißt) schlurfe ich hier mit der Erkältung im Schlepptau rum. Den Blondino hat sie sich auch geschnappt.

Zu Inhalator und Rotztücherverpackungen in Gastronomie- oder Krankenhausgrößen gesellt sich sowas hier auf dem Frühstückstisch:

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Sehr zur Belustigung des Mannes, der der Meinung ist, dann könnte ich auch alte Socken anzünden und damit die Wohnung ausräuchern, es hätte denselben Effekt. Der nimmt nur Sachen mit Totenkopf drauf oder einer langen Liste mit Nebenwirkungen. Sonst wirkts ja nicht! Bei mir wirkt nur Pflanzliches, bei dem anderen Zeug bekomme ich SOFORT alle Nebenwirkungen! Prophylaktisch.

Und dann kommt der Postbote und bringt mir ein Päckchen. Voller wunderbarer Pflanzensachen! Ich bin geheilt! Die ganze Zeit beim Auspacken und Anschauen fühlte ich weder Halsschmerz noch Kopfweh!

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Carola vom Blog „Frische Brise“ war in Kühlungsborn und hat beim Anblick der ganzen Sanddornprodukte an meine bittersüße Liebe zum Sanddorn denken müssen. Und hat mir das hier geschickt. Ist das zu fassen? Ich bin sprachlos, was eher selten passiert. Aber über die Maßen erfreut! Vielen Dank Carola! Auch für die Karte 🙂

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Fototermin

Die besten Kollegen der Welt hatten uns zur Geburt des Babys einen Gutschein für ein Shooting geschenkt. Das war sehr nett! Und irgendwie haben wir es heute geschafft, vollständig dort aufzuschlagen. Um uns in Szene setzen zu lassen. Für die Nachwelt.

(Vorab: Bitte keine Fotoshooting-Geschenke mehr für uns!)

Drei Stunden vor dem verabredeten Termin lief ich heiß: Klamotten rauslegen für die Jungs („Ihr tragt Schwarz mit Jeans! Rollkragenpulli, jawohl! Der Babynator Hemd und Pullunder. Weil ich es SAGE! Darum. Nein, du kommst nicht mit aufs Foto in dem verwaschenen Shirt von der Java-Messe!“). Dem Kind die Haare gelen. Noch mal neu machen. Die Frisierversuche des Mannes überwachen. Das Ozonloch vergrößern durch übermäßigen Gebrauch von Haarspray auf allen Köpfen. Mich im Bad einschliessen und den zentnerschweren Korb mit den abgelaufenen Foundations und Concealern, Eyeshadows, Linern, Pinseln, Quasten… herunterwuchten. Staub abpusten. Loslegen.

Als ich dreißig Minuten später das Bad verließ, lungerte der Baby-Boy im Flur herum und überlegte bei meinem Anblick kurz, ob er losheulen sollte. Vermutlich glaubte er, mir sei etwas zugestoßen.

Die verkleidete Familie zog los.

Die motivierte Fotografin begrüßte uns überschwenglich und ich dachte das erste mal: Was für ein Scheißjob! Sie würde mir im Laufe der nächsten neunzig Minuten noch mehrmals leid tun. Konnte ich aber noch nicht ahnen. „Darf ich „Du“ sagen?“, wollte sie wissen. Wir bejahten. Dann tat sie mir bereits wieder leid. Denn sie konnte sich unsere Namen nicht merken. Ich wurde Enrike. Macht nichts. (Kleiner Exkurs: Mein Vorname ist offensichtlich selten vertreten und bietet viel Spielraum für künstlerische Namensgestaltung. So hieß ich schon Henriette, Hendrikje, Enrico und Henrik. Besonders bei behördlichem Schriftverkehr braucht es oft gehörig Überzeugungskraft, klarzustellen, dass ich nicht „Herr“ sondern „Frau“ bin. Auch habe ich mir angewöhnt, auf einfach alles zu hören, was so ähnlich wie mein Vorname klingt. Eigentlich ist es sogar so schlimm, dass ich mich immer angesprochen fühle, wenn sich wirklich niemand sonst angesprochen fühlt. Meine Therapeutin arbeitet mit mir daran.).

„Ich möchte, dass ihr eure Schuhe und Socken auszieht! Das wirkt kuschliger auf den Fotos.“. „Waaas?! Nee! ich geh hier nicht barfuß!“ vermeldete der Beste. Ich beschwichtigte ihn flüsternd. „Hast du das etwa gewusst? Das fängt ja heiter an!“ maulte er weiter, während er sich kopfschüttelnd und knurrend aus seinen Fußschützern schälte.

Wir schlurften mit Fusseln zwischen den Zehen in den präparierten Nebenraum. Flötend tanzte die Fotografin um uns herum und schleppte allerlei Gerätschaften von links nach rechts und hin und her. Wir lungerten mit unseren nackschen Füßen so rum einstweilen.

Dann begann sie mit der Choreografie, oder wie man das so nennt.

Erstes Familienbild. „Hast du Rückenprobleme?“, wurde der mitgebrachte Mann gefragt, was er entrüstet verneinte. „Gut, dann leg dich hier hin. Auf den Bauch bitte. Nein, die Beine dortlang. Weiter links bitte.“. Ächzend und knurrend wälzte sich der Beste zu unseren Füßen in die geforderte Position. Ich grinste schon nach innen, konnte ich mir doch lebhaft vorstellen, wie scheiß-bescheuert er das alles jetzt schon fand. „So, Enrike, du legst dich jetzt bäuchlings auf deinen Mann! Genau, richtig abstützen auf ihm! Kind, du legst dich jetzt auf deine Mutter! Mann, du nimmst das Baby und hältst es so in deinem Arm. geht das auch ein bischen unverkrampfter? Ja, genau. So ist es schön.“.

Also für uns war gar nichts schön. Von unten hieß es: „Hilfe, mir ist heiß. Meine Brille ist beschlagen! Mach dich doch nicht so schwer! Scheiße, mir läuft der Schweiß in die Augen! Wie lange soll ich denn hier noch so liegen!“. Von oben bohrte mir das Kind seine spitzen Ellenbogen in die Schulterblätter und hampelte auf mir herum. Das Baby wollte partout nicht unverkrampft im Arm der Bremer Stadtmusikanten sitzen. Wir ächzten und lächelten total unentspannt  vor uns hin, während die arme Fotografin versuchte, mittels Handpuppen ein Lächeln auf des Babys Gesicht zu zaubern. Vergeblich. Dann reichte es! Wir lösten selbständig die Formation auf. Offener Mund des Erstaunens bei der Fachfrau. „Wir sind nicht so die Stapel-Familie.“, versuchte ich mich in einer Erklärung, „Eher so die lässigen Rumlungerer. Einer hier, einer dort und der dritte im Nachbarraum.“. Sie lachte nicht. Arme Frau, was für ein Scheißjob zum Samstag.

Als nächstes waren die Kinder ohne uns dran. Der Große verwechselte Lächeln mit Zähne zeigen und der Kleine guckte völlig entgeistert auf die vor ihm mit Handpuppen rumhampelnde Fotografin. Die mir schon wieder leid tat! Also machte ich mit beim Animationsballett. Ich schwenkte Plüschtiere und rief mit viel zu hoher Stimme alberne Koseworte. Lustig für die Akteure wurde es erst, als eine verrostete Mülltonne zum Einsatz kam. Ich nölte zwar erst nach innen („Och nö, voll das Anne Geddes-Klischee!“), aber das Baby rockte die Tonne und hatte Spaß! Er lächelte sogar, falls er denn mal sein Köpfchen aus der Tonne reckte. Und es wurden Fotos gemacht. Na, Gott sei Dank!

Dann wir Alten. Aus einem mir nicht bekannten Grund wollte der Beste ein Foto mit mir alleine. Das fehlinterpretierte die Fotografin und arrangierte uns zu einem romantisch verschlungenen Liebespaar. Er haucht ihr zärtlich einen Kuss auf die faltige Stirn, während sie versonnen träumerisch zu Boden blickt. Total authentisch!

Dann alle zusammen im Stehen. Wir schlurften zur Wand und wurden in Position gestellt. „Enrike, den Kopf mehr zur Seite. Das Kinn nach vorn. Die Schulter runter! Das linke Auge nach rechts. Das rechte Auge nach links bitte! Entspannt lächeln. Nein! Das Baby bitte höher halten! Und die Schulter runter! Kopf neigen, Kinn nach vorn unten! So ist es schön!“. Meine Bandscheiben vibrierten, während ich das Baby zwanzig Zentimeter in die Höhe hob, meinen Kopf um hundertachtzig Grad drehte, nach links und rechts lächelte, die Schultern hängen ließ, die Brust hob und lässig verkrampft posierte.

Wir durften uns dann auch wieder die Strümpfe anziehen.

In einer Woche sehen wir uns wieder zur Präsentation der Fotos und Auswahl. Ich denke, das wird sehr lustig.

 

Erkenntnisgewinn: Die härtesten Jobs der Welt haben Fotograf und Fotomodell.

 

 

Es war einmal ein Möbelhaus…

…da gingen die Rentner ein und aus.

An der Peripherie der gemütlichen Elbestadt steht ein ganz bestimmtes Möbelhaus. Ein Gruselhaus!

Namentlich war mir die Bude schon seit Jahren geläufig, ist es doch so, dass es sich als quasi unmöglich gestaltet, mit meiner Mutter „einfach mal so“ ein Treffen auszumachen. Was die Rentner heutzutage für einen Stress haben, da machste dir kein Bild von! Und wenn ich so mit ihr am Telefon den Terminkalender durchforste, kommt ganz sicher: „Nein, an dem Tag kann ich nicht. Da gehen wir mit Rettichs zu Möbel-Dings. Und an diesem bin ich bei der Kosmetik. Nein nein, da geht es auch nicht, da sind wir mit Haubenreissers bei Möbel-Dings.“. Immer dieses Möbel-Dings! Und wenn man sich doch mal trifft, wird kurz nach der Begrüßung erzählt, dass man bei Möbel-Dings war Schweinshaxe essen. Für zwei fuffzig! Mit Klößen!

Irgendwann besprach mich die beste Schwester von allen, ich müsste dort unbedingt mal hin. Die hätten einen Depot-Shop eröffnet und werben mit Schnäppchen für Neukunden. Da die weitverbreitete Dekosucht und der damit einhergehende zwanghafte Hamsterkauf von Stehrums und Rumhängern mich in ihren Fängen haben musste ich dort also wirklich hin. Außerdem will das Wohnambiente auch andauernd entsprechend umdekoriert werden: Frühling allgemein, Ostern, Sommer, Erntedank, Herbst allgemein, Halloween, Advent, Neujahr. Um wirklich nur die absolut nötigsten Termine zu nennen. Und auch wenn ich quasi im Eingangsbereich des Schwedenshops wohne, kann man mich durchaus mit dem Begriff „Schnäppchen“ auch mal zwanzig Kilometer an die gegenüberliegende Seite der Stadt locken.

Schon auf dem Parkplatz kriegte ich Blutdruck. Weißkappen, die im ersten Gang mit röhrendem Motor die vierte Parklücke erfolglos testen. Ist auch schwierig, so einen Zwergen-Koreaner mittig in einer winzigen, zwanzig Quadratmeter kleinen Parkbuchse zu platzieren!

Mit hochroter Rübe und geschwollener Halsader enterte ich irgendwann das Möbel-Dings. Volksmusik bereits im Eingangsbereich. Augen zu und durch. Ab zum Counter, Neukunde werden. Es dauerte. Das Personal hat sich der Geschwindigkeit der Zielgruppe angepasst. Zu zweit schafften sie es innerhalb einer Zeitspanne, in der ich einen Bügelkorb Wäsche bezwungen hätte, meine Daten in das System zu übertragen. Atmen.

Ab in den Depot-Shop und mir den Wagen zugeknallt. Immer um die Weißkappen drumrum, die dort schon schnatternd die Gänge verstopften, ohne wirklich Kaufinteresse an dem Dekokram zu zeigen.

Mich überkam ein Hüngerchen und zugegebenermaßen auch die morbide Neugier auf das von meinen alten Leuten so regelmäßig frequentierte Restaurant. Auf dem Weg dorthin konnte ich einen Blick auf das Sortiment der Möbelbude werfen. Gelsenkirchener Barock meets Pflegeheimfeatures. Eine Couch, an Hässlichkeit kaum zu überbieten, für schlappe 8.999,00€. Es fehlte nur noch das Schild: „Das Beste für ihre letzten zehn, zwölf Nickerchen!“. Und überall fröhliche Senioren ins Gespräch mit dem Personal vertieft. Wahrscheinlich kennen die Stammrentner auch die Dienstpläne aller Angestellten. Mich schauderte.

Im Restaurant sah es aus wie auf einer Seniorenkreuzfahrt. Beim Eintreten hob ich den Altersdurchschnitt um mindestens zwanzig Jahre. Fröhlich schnatternde Weißkappen in Einheitskluft und die Damen auch in identischer Frisur mit gewohnt schaurigem Parfum. Das Essen sah ansprechend aus, aber die alten Leutchens jenseits jedes Effizienzgedankens und –bestrebens ließen mich kaum an die Theke ran! Es war zum Schubsen! „Na na, junges Frollein! Nicht so schieben!“. Ich hätte das Coregatabs-Model am liebsten an seinem faltigen Hals gepackt und zwischen den Schweinshaxen zum Schweigen gebracht. Aber das „junge Frollein“ stimmte mich wohl milde. Und dann an der Kasse fummelten sie alle zig Coupons aus den Handtaschen, was den Andrang im Restaurant erklärte: Gratissaft, Umsonstkaffee, Haxe für zwei fuffzig und so weiter. Das erklärte so ziemlich alles.

Nach dem Lunch im Seniorenheim ich wieder runter zum Counter. Wie ich denn an so Coupons käme? Also, die bekommen sie, wenn sie als Kunde bei uns registriert sind. Bin ich. Na, dann schicken wir ihnen die auch zu. Ich bin aber jetzt und heute hier! Da kann ich leider nichts machen.

Aha.

Nun gut, ich hatte sowieso nicht vor, noch mal wieder zu kommen. Nicht mal für´ne Gratishaxe!

Aber es erstaunte mich dennoch, dass ich auch in den folgenden Monaten keine Einladung zum Umsonstkaffee bekam. Keinen Gratiscoupon. Kein nichts.

Und da ich über Tagesfreizeit verfügte und das Baby damals noch ein in Vollzeit rumliegendes Baby war, schrieb ich einen Brief an das Möbel-Dings. Mit der Bitte, das Marketingkonzept zu überdenken. Auch Mütter mit Kleinkindern und generell Leute, die nach 1940 geboren wurden, sind doch als Käuferzielgruppe auch nicht zu verachten. Und würden auch nach 18:00 Uhr noch einkaufen und Haxe essen kommen, wenn die Rentner bereits mit hochgelegten Beinen auf der Seniorencouch sitzen und die Hitparade der Volksmusik im Fernsehen anschauen. Und wieso schicken sie mir eigentlich keine Coupons zu?! Werden „junge Frolleins“ bei ihnen nur in Begleitung ihrer greisen Erziehungsberechtigten als Kunden wahrgenommen?

Ich bekam keine Antwort. Was auch daran liegen könnte, dass ich diesen Brief nie abgeschickt habe. Der Beste hatte sich nämlich königlich amüsiert auf meine Kosten und mir zu verstehen gegeben: Die anderen Frolleins und du, ihr habt Blaugelb. Lass doch den Inkontinenzschlübber tragenden Alten das Möbel-Dings und die Haxen!

Monate zogen ins Land.

Ihr ahnt nicht, was ich heute in der Post fand!

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Es gibt zwei denkbare Möglichkeiten: Möbel-Dings hat sein Marketingkonzept überdacht oder ich bin jetzt amtlich alt und es wird Zeit für die seniorentaugliche Kurzhaarfrisur und Mode aus dem Schwab-Katalog.

Wochenende

Wochenende

Wer sich schon immer fragte, was ich so an einem gewöhnlichen Wochenende erlebe, dem sei gesagt: Spektakuläres!

Gestern war ich mit Gretel und den vielen Kindern, die zu uns gehören, in Moritzburg. Warum man dort unbedingt mal hinfahren sollte, könnt ihr bei Gretel nachlesen. Die heißen Waffeln, Gummitiere und den Wildschweinschinken, den man neben dem zauberhaften Leuchtturm zum Sofortverzehr käuflich erwerben kann hat sie unterschlagen, deshalb halte ich diesen zusätzlichen Hinweis für hier erwähnenswert.

War das jetzt ein Bloggertreffen? Nein, ein Freundinnenausflug. Zwei Freundinnen, die sich durchs Bloggen gefunden haben. Viel besser.

Und wo ist jetzt die Geschichte? Ach so, die Geschichte. Aschenputtel hat ihren Schuh verloren auf der Teppe des Schlosses in Moritzburg. Ja, ehrlich! Soll ich jetzt noch die Geschichte vom Aschenputtel erzählen?! Nein? Okay. Dann bleibts einfach bei dem Ausflugstipp.

Einmal…

…mache ich jetzt mit. Mit der Verweigerung, an Blogger-Awards teilzunehmen, kommt man nicht weit. Musste ich feststellen. Und je öfter ich eine Absage schreibe, umso spielverderberisch fühle ich mich. Deshalb, und weil ich mittlerweile von vier ganz reizenden Kollegen auf eine wirklich liebenswürdige Art eingeladen wurde, will ich einmal mitmachen. index Ich wurde nominiert von: Christian, http://www.familienbetrieb.info/, Vivi, http://hexhex.blogspot.de/, A-Lu, http://grossekoepfe.blogspot.de/ und Minusch von http://minulinu.wordpress.com/

Ich danke Euch Vieren recht herzlich und gemäß der Aufgabenstellung soll ich nun sieben Fakten über mich verraten. Da ich mich aber hier auf´s Geschichtenerzählen beschränke, werde ich versuchen, eine Geschichte zu basteln aus sieben Fakten. Ich hoffe, Euch damit nicht zu enttäuschen.

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Fakt 1) Ich wollte Slawistik studieren. Galt als Sprachtalent. Etwas anderes konnte ich nicht.

Fakt 2) Ich durfte kein Abitur machen, was 1986 hieß, ich wurde nicht auf die „Erweiterte Oberschule (EOS)“ deligiert (offiziell wegen der Mathe-drei, inoffiziell galt meine Familie als nicht besonders linientreu, aber das behaupteten ja hinterher viele…).

Fakt 3) Ich erlernte einen technischen Beruf (Elektronikfacharbeiter). Von Elektronik habe ich soviel Ahnung wie von Teilchenmaterie. Deshalb lernte ich auch später noch Informatikkauffrau. Denn von Informatik habe ich genauso viel Ahnung.

Fakt 4) Am 9.11.1989 fiel die Mauer.

Fakt 5) Ich hätte nun das Abitur nachholen können und studieren. Theoretisch. Leider hatte das Leben andere Pläne mit mir.

Fakt 6) Ich habe viele Jahre unter dem angeblichen „Makel“ gelitten, kein Abiturzeignis als Intelligenznachweis vorlegen zu können.

Fakt 7) Jetzt nicht mehr. Aus mir ist trotzdem was geworden 🙂

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Ich müsste nun auch noch jemanden nominieren, aber ich denke, jeder durfte schon, jeder hatte schon. Wenn irgendwer vergessen wurde, dann bitte schön! Du bist dran!

Es nervt!

Wenn ich dieser Tage in den Blogs, die ich so gerne lese, umherstöbere oder das Facebook öffne, werde ich bombardiert mit Buzzwords wie „Vereinbarkeit“. Oder „Pink Stinks“. Große Sache!

Das ist jetzt in Mode, jede (sorry, ich lasse das „r“ da mal raus und hoffe, es wird mir nicht gleich Sexismus unterstellt) die was auf sich hält, springt auf den Zug auf und hat zum Thema eine Blogparade, eine Umfrage oder dergleichen laufen.

Es gibt ja immer mal wieder Themen, die als Trend eine Weile das bloggende Volk umtreiben, und nun diese „Vereinbarkeit“. Und „Pink stinks“. Zum Beispiel.

Ich bin gelangweilt, mit Hang zum Genervtsein.

Fangen wir hinten an: Pinke Klamotten für Mädchen, geschlechtsspezifische Süßigkeiten, die ganze Gentrifizierung ist eine Marketingkampagne. Und ja, irgendwer kauft offensichtlich den Scheiß. Genauso, wie es Leute gibt, die die anderen Abscheulichkeiten kaufen, die die große, bunte Marktwirtschaft für uns Verbraucher bereithält. Warum regt ihr euch so auf? Niemand muss das kaufen, das ist nur ein Angebot! Von der Nachfrage bestimmt. Es gibt auch grüne, graue, beige Klamotten ohne Aufdruck und Pipapo. Könnt ihr kaufen. Oder selber filzen, häkeln, nähen. Aber ja, es gibt das auch zu kaufen. Genauso wie achtundzwanzig Sorten Olivenöl. So viele Sorten Oliven gibt’s nicht mal! Jeder darf sich aussuchen, was zu ihm passt. Nach seiner Facon.

Aber diesen Wirbel verstehe ich nicht! Was soll da passieren? Negative Kindesbeeinflussung? Also, echt. Ich hätte als DDR-Kind für einen rosa Samtpullover den Weihnachtsmann an die Stasi verpfiffen und hatte emanzipatorisch vollkommen einwandfreie weibliche Vorbilder!

Vor allem frage ich mich: Welches Ziel verfolgt eure ganze Aufregung? Einfach mal wieder aufregen? Gibt’s sonst keine Aufreger in euerm Leben? Dann beglückwünsche ich euch recht herzlich! Wünschenswert wäre natürlich, ihr könntet diesen Zustand auch genießen und würdet nicht pausenlos Probleme herbeireden. Viel Wind machen. War ja auch zu windstill die letzten Tage.

Ebenso wie diese „Vereinbarkeitsdebatte“. Ich denke, ich habe genug gelesen, um mich auch hier zu fragen: Was soll das? Worauf wollt ihr denn hinaus? Was soll rauskommen bei dieser Diskussion? Werdet ihr euch dann abends zu euerm Mann auf die Couch setzen und verkünden: „Also, pass auf. Ich habe das in der Blogparade und mit meiner Twitter-TL durchgehechelt und die sagen auch… also ab morgen läufts hier anders!“.

Am Ende klärt das doch jede für sich und mit dem Männchen an ihrer Seite. Und gemäß den vorliegenden beruflichen Rahmenbedingungen. Oder? Denn schon, wenn man sich als Paar näherkommt, klopft man doch die Vorstellungen von einer Paarbeziehung ab. Will ich, dass wir alles gemeinsam machen oder bin ich mehr für Spezialisierung. Will ich mich lieber um die großen K´s kümmern, während ER sich um die Steuererklärung, Reparaturen, Spinnen und alles zur Mobilität der Familie Gehörende müht. Das klärt man frühzeitig. Und wenn es aus einem Grund nicht mehr passt, klärt man erneut. Unter vier Augen. Und justiert notfalls nach, wenn die Familie sich vergrößert und die Rahmenbedingungen sich ändern.

Warum wird das in die Öffentlichkeit gezerrt? Wo soll der Nutzen sein? Außer, dass ihr euch gegenseitig kirre macht?

Ja, und wenn ihr frühzeitig nach dem Kinderkriegen wieder arbeiten wollt, dann könnt ihr das! Klärt das mit dem Mann, der zu eurer Familie gehört. Besprecht das. Bleibt halt er zu Hause. Oder ihr beide. Oder ihr kümmert euch um eine Betreuung für den Nachwuchs. Kita plus Tagesmutti plus Au pair plus Oma plus Nachbarin. Was weiß denn ich. Geht alles. Könnt ihr doch machen! Oder nicht? Was wollt ihr denn? Na gut, dreimal pro Jahr Urlaub ist dann nicht drin. Was soll dieses Gewirbel? Ich sehe das Ziel nicht. Wollt ihr eine Absolution, dass das alles richtig und gut ist, wie ihr das macht? Seid ihr so unsicher?

Meine alte Hebamme hat mal zu mir gesagt: ´Um als Mutter glücklich zu sein, kümmere dich zu allererst um dich. Dann um deine Beziehung. Und dann um deine Kinder.`Klingt grausam. Aber nur auf den ersten Blick. Aber ich höre hier auch nur unzufriedene Frauen und Mütter lamentieren, wenn ich eure modernen Diskussionen verfolge. Daran wäre zu arbeiten. Das gehört zu hinterfragt. Wem drückt denn wo und warum der Schuh.

Jetzt kommt bestimmt: „Ja, aber…!“. Ja, aber, was? Ihr seid erwachsen, trefft eure Entscheidungen und lebt damit. Und am besten korrelieren die auch mit den Bedürfnissen eurer Familie, denn hier lebt ja nicht jeder für sich auf einer Insel. Und hört auf, euch über rosa Eier aufzuregen!

Hand hoch, wer von euch hat denn Erfahrung mit Ganztagesbetreuung über Jahre! Die gute Nachricht: Kinder überleben alles. Die sind hart im Nehmen. Wir haben ja schließlich alle unsere Kindheit überlebt. Ich habs gehasst! Kita von früh bis spät, Ferienlager… Aber genauso findet sich an jeder Ecke ein DDR-Kind, was das super fand! Jedes Kind ist verschieden. Jede Mutter auch.

Macht doch, was für euch gut ist und klärt das in der Familie. Dort gehört diese Diskussion hin.

Und wenn ihr dann noch Energie habt, engagiert euch für flächendeckende Kinderbetreuung und Ganztagsschulen. Und die anderen zig Themen, bei der der gewählten Politik mal nachgeholfen werden muss. Bei der Priorisierung. Wenn es euch stört, werdet aktiv und sichtbar. Nicht nur als im Internet nölender Haufen (das tat weh, ich weiß).

Momentan fehlt mir ehrlich der Sinn dieser ganzen Unternehmungen und auch der Unterhaltungswert hat Grenzen.

Ja, ich weiß, hier wird vermutlich niemand „gefällt mir“ klicken, aber ich wollte mir mal Luft verschaffen und das habe ich.

Draußen scheint die Sonne, es ist der Tag der Deutschen Einheit. Ich bin ein freier, glücklicher und zufriedener Mensch. Die Supermärkte sind voller Zeug und alles könnte ich mir kaufen. Pinkfarbenes Olivenöl, wenn´s denn sein muss. Ein Leben im Überfluss! Und ich darf den Beruf ausüben, der mir Spaß macht! Und nicht zuletzt: Ich darf hier schreiben, was ich will. Das muss euch nicht gefallen. Aber ich darf es. Meinungsfreiheit ist ein großes Glück. Dafür bin ich besonders an diesem Tag dankbar.

Ich wünsche euch allen einen wunderschönen, und vor allem entspannten, Feiertag.

Brief an einen Reisenden

Der Beste ist mal wieder mit dem Rucksack losgezogen. Warum? Nun, wer hier neu ist, sollte für´s Verständnis erstmal DIESEN Artikel lesen…

In zwei Tagen ist unser Hochzeitstag. Ausnahmsweise hab ich in diesem Jahr dran gedacht, aber du bist gar nicht da! Deshalb schreibe ich dir, sonst heißt es wieder, ich hätte es sowieso vergessen. Es ist komisch hier ohne dich. Ich meine nicht, dass ich dich direkt vermisse. Es ist nur seltsam, zu wissen, dass du mehrere Tausend Kilometer entfernt bist.

Wenn ich dein Fahrrad in der Garage sehe am Nachmittag, macht mein Herz (das dumme Organ) einen Hopser und ich denke, schön, du bist früher zu Hause! Ich habe jetzt die Kinderwagenregenplane darübergestülpt, damit ich mich nicht jeden Tag aufs Neue freue. Deine Schuhe vor der Türe haben denselben Effekt. Ich habe einfach mehrere Paare von mir draufgeschüttet. Jetzt sieht man auch den hässlichen Fußabtreter nicht mehr. Und mit zwei Kopfkissen und zwei Decken quer im Bett zu schlafen ist einfach nur Klasse!

Es geht uns gut. Ich habe mir allerdings irgendwas Allergisches eingefangen. Mir tränen die Augen und die Nase ist auch betroffen. Am Schlimmsten ist es, wenn Tierbabies im Fernsehen sind oder ein Brief im Briefkasten mit deinem Namen drauf. Komischer später Heuschnupfen. Aber ansonsten ist alles super!

Die Kinder machen mir große Freude. Abwechselnd. Sie scheinen sich abgesprochen zu haben. Und so sorgt immer einer von ihnen für meine Unterhaltung.

In den ersten Tagen war der Kleinste dran. Er schläft nicht mehr tagsüber. Aber müde ist er trotzdem und ningelt stundenlang, stößt sich die Rübe, klemmt sich die Finger ein, purzelt irgendwo runter. Und heult. Will nichts essen außer Butterkeksen und wenn ich ihm EINEN und nicht zwei in die Wurstfinger drücke, ist das auch ein Grund, in Geheul auszubrechen. Stecke ich ihn dann irgendwann mit rotgeweinten müden Augen in sein Bettchen, dreht er richtig auf! Nicht dieses mämämämä-ich-bin-gar-nicht-müde-aber-wenn-ich-schon-hier-drin-liege-dann-mach-ich-eben-ein-Nickerchen-Jammern. Nein, ohrenbetäubendes Gebrüll! Uwäääääääääääääääääääh! Mit gegen den Schrank schlagen, an den Gitterstäben rütteln. Bis zur Heiserkeit. Ich gehe dann immer rein und erkläre ruhig und bestimmt, dass ich nicht der Uwe bin und es nicht mag, wenn man mich anschreit. Er brüllt einfach weiter! Das wird dann stets durch halbstündliche Aktionen meinerseits unterbrochen, in denen ich ihn rumtrage (der Flur hat schon eine stumpfe Laufbahn auf dem Parkett), in der Plagenkarre rumfahre oder Butterkekse reiche. So kriege ich den Tag rum, ohne groß nachzudenken, dass du mir eigentlich doch ein bisschen fehlst.

Wie gesagt, sie sorgen gut für meine Ablenkung. Als Belohnung sorge ich gut für ihr Wohl und lasse uns regelmäßig bekochen von Fachkräften mit Sonnenblende, die wahlweise „Willkommen bei Mc Donalds, was kann ich für sie tun?“ und „Herzlich Willkommen bei Burger King, ihre Bestellung bitte!“ zu mir sagen. Wobei erstere mir mittlerweile deutlich lieber sind, da ich jedesmal den Versuch starte: „Ich will mal ne Stunde Ruhe. Bitte nehmen sie die Kinder und machense irgendwas mit denen!“. „Haha! Witzig.“. „Na, hörn sie mal! Sie haben gefragt!“. Bislang habe ich immer nur Essen UND die Kinder nach Hause geschafft. Ich versuche es weiter.

Am ersten Abend habe ich mir zur Feier des Tages einen Mädelsabend gegönnt. Mir alleine. Mit Pizza Hawaii, Ben&Jerry´s, Toblerone, Enzympeeling, Heilerdemaske, Q10-Serum, Hand-und Fußcreme und dem Film „Schadenfreundinnen“. Halt. Irgendwas hab ich vergessen. Ach so! Das Kind Nummer eins war auch dabei. Uneingeladen. Aber mit einer angetrockneten Heilerdemaske auf dem Gesicht lässt es sich schlecht argumentieren. Ungefähr so sprechen vermutlich frisch ge-Botox-te. Ich habe es wirklich versucht! Allein, er ging nicht. Kann nicht schlafen, habe Trennungsschmerz und Mama! Ich MUSS Frauenfilme schauen! Woher soll ich sonst wissen, wie die denken und was die so wollen! Das ist wichtig für mich! Und so hockte ich neben dem dauerquatschenden Pubertäter mit bröckelnder Maske auf dem Gesicht und hörte nur die Hälfte der Dialoge, weil von rechts noch einmal alles erklärt und interpretiert wurde, was da vor uns passierte…

Fernsehen werde ich wohl nicht mehr. Ich gehe jetzt immer zu seiner Zeit mit ihm ins Bett und stelle mich schlafend, wenn er zum dritten mal flüsternd in der Tür steht: „Mama! MAMA! MAAAAAMAAAA! Schläfst du schon?“. Meistens schlafe ich dann wirklich schon.

Ich erlebe wirklich spektakuläre Tage! Da kannst du mit deinem Titicaca-See und dem Machu Picchu einpacken!

Halt! Wir haben wirklich was Lustiges erlebt. Das Baby müffelte und ich beschloss, ihn zu Wasser zu lassen, bevor sich die Obstfliegen draufstürzen. Und, du kennst ihn ja, er hampelte aufgeregt vor der Wanne herum, während ich ihn versuchte festzuhalten und mit der anderen Hand seine Klamotten und die Windel abzupfte und -rupfte. Komisch, dachte ich, ne Bremsspur in der Windel… wo ist die Wurst? Muss wohl rausgekullert sein. Und wie ich so suche, türmt der Babynator, krabbelt in einem Affenzahn weg und sich sehe noch hinten an seinem Ärschel die Kackwurst baumeln! Ich also ruhig und souverän hysterisch quiekend hinter dem her! Eine Hand an dem Nackedei und eine Hand immer unter der wippenden Wurst, um deren unkontrollierten Fall zu verhindern. Durch den ganzen Flur! Hatten wir einen Spaß!

Dein Sohn fand das eklig. Nicht der mit der Wurst. Der andere. Und ich weiß, du willst auch nie irgendwas Fäkalisches hören! Aber wer in Peru sitzt und Meerschweinchen isst, der sollte ganz still sein. Weißt du noch, unser alter Hund? Der hatte so ´ne fette schwarze Warze am Kinn. Ich fand die eklig, aber du hast gesagt, der arme alte Hund kann doch nichts dafür! Und ihn immer gekrault unterm Kinn. An der fetten schwarzen Warze. Die eines Tages abfiel, mit einem ´Plong!`auf dem Fußboden landete und sich als vollgefressene Zecke entpuppte. Das muss man sich mal vorstellen: Du hast wochenlang einer Zecke den Bauch gekrault. DAS ist eklig!

Die Leute hier nehmen alle sehr Anteil an unserer aktuell gespaltenen Familiensituation. Wir haben vor ein paar Tagen einen deiner Studienkollegen getroffen. Diesen Dings… Senior senior Head of de ganze Welt… du weißt schon. Fragt der mich, wie´s dir geht und ich erzähle, du bist in Peru. Er so: „Aha. Warum?“. Ich stammel irgendwas von: „Kultur? Und Gebirge?“. Da sagt der: „Ach, er ist gar nicht beruflich dort, sondern freiwillig?!“. Das toppt fast noch den hier von einer Bekannten: „Muss sich dein Mann schon wieder von seiner Familie erholen?“. 🙂

Ach Schatz, erhol dich schön von deiner Familie. Und ich wünsche dir ganz viele Abenteuer und heul nicht in deinen Schlafsack, wir vermissen dich nämlich überhaupt nicht.

Außer unsere tiefsinnigen Gespräche, die fehlen mir. Wie das kurz vor deiner Abreise: „Wie du wieder Auto fährst!“, „Wieso? Ich fahr doch schön!“, „Also wirklich! Es geht echt schöner!“, „Du gehst mir vielleicht off´n Sack! Wächst in Peru eigentlich Pfeffer? Weil, dann kannste gleich da bleiben!“, „Ach, du laberst doch bloß! Und dann heulst du jeden Abend in mein Kissen, weil du mich so vermisst. Huhuhuhu. Komm zurück. Huhuhuhu!“, „Freundchen! Du kannst gleich bei deiner Mutter einziehen! Und ich kenne auch jemanden, der dir sofort beim Packen helfen wird! Mich!“.

Ja, das fehlt mir. Du fehlst mir, mei Dieschor (Sächsisch ist echt sexy, oder?)! Aber nur noch zehn mal Mc Donalds und zehn mal Burger King, und schon bist du wieder da! Unser familiärer Cholesterinspiegel wird dich blenden am Flughafen.

Und das nächste Mal nimmst du gefälligst die Kinder mit, damit das klar ist!

mein Gastbeitrag

Was war zuerst? Henne oder Ei? Auf diese philosophische Frage gibt es keine „richtige“ Antwort. Für mich ist der Anfang alles Lebendigen mütterlich, also: Henne!

So stand am Anfang dieses Blogs, der Idee zu diesem Experiment, auch eine Mutter. Frau Mutter, um genau zu sein. Ninas Seite war die erste in diesem Format, die ich gelesen habe. Und ich habe alles gelesen! Und irgendwann kommentiert. Ninas Worte und Gedanken haben bei mir etwas angetriggert, das nicht mehr aufzuhalten war. Das offensichtlich „raus“ wollte! Und eines Tages las ich einen Kommentar von ihr, in welchem sie schrieb, sie freue sich immer über meine witzigen Kommentare…

Ich schrieb ihr eine eMail. Dass es mir in den Fingern jucke… dass ich überlege… Und sie hat mir geantwortet, konstruktives Feedback zu dem gesendeten Probeartikel gegeben. Mir Mut gemacht.

Das ist nicht mal ein Jahr her. Und als sie mich jetzt fragte, ob ich Lust hätte, einen Gastartikel für ihren Blog zu schreiben, was soll ich sagen? Ich fühlte mich geehrt! So pathetisch das auch klingen mag.

Ja, und nun war ich zu Gast. Und was dabei rausgekommen ist, könnt ihr hier nachlesen.

Nina, herzlichen Dank für die Gastfreundschaft und die Einladung. Es hat mir großen Spaß gemacht!

 

 

 

Bekenntnisse und Erkenntnisse

Ich habe heute Abend etwas gemacht, das ich schon seit Monaten nicht mehr getan habe: Ich habe die Duschkabine entkalkt! Ich weiß, dass es Monate sein müssen, denn ich musste erst ewig die Dampfente suchen, die zu diesem Zweck zum Einsatz kommt (Es putzt sich nicht wirklich besser damit, aber der Spaßfaktor ist erheblich höher.). Bin auf einen Stuhl gestiegen, habe in einem hohen Schrank drei Kisten mit Stoffen (Ach, hier sind die!) beiseite geräumt, eine Schuhputzkiste gefunden (benutzt niemand bei uns, aber wir besitzen offensichtlich Schuhputzzeug) und irgendwo ganz hinten stand die gelbe Ente. Ich war schon versucht, den Besten zu fragen, wo die sei. Na, das wäre ein Spaß geworden! Als ob der das wüsste!

Das Gute an einer Tätigkeit, wenn sie nur in größtmöglichen Abständen durchgeführt wird, sind der Ergebnisfaktor und der Erkenntnisgewinn. Offensichtlich kann eine Duschkabine auch von außen verkalken. Wie? Warum? Überhaupt finde ich erstaunlich, dass niemanden in diesem Haushalt das Milchglasscheibendesign unserer Duschkabine gestört hat in letzter Zeit. Mich am wenigsten. Und das mir, wo doch die einzige Putzhilfe, die jemals bei mir zum Probeputzen kam, ihren Dienst nicht antreten durfte, weil sie mir nicht gründlich genug gearbeitet hat. Das mir, wo ich doch andauernd zu hören bekomme, bei mir wäre es soooooo sauber und ordentlich! Wie ich das nur machen würde! Ich meine, das sind hier neun Räume (inklusiver zweier Nasszellen und dem Flur, aber der ist echt groß, der zählt jetzt mit) und zwei Balkone, die als Außenwohnzimmer ja auch was hermachen müssen!

Also gut, das war alles „vorher“. Bevor Baby, bevor Blog, bevor ich als Vollzeithausfrau und Zweifachmutter hier das Regime übernahm. Jetzt habe ich keine Zeit mehr zum Putzen! Jetzt werden die Geburtstage im Garten oder im Hof gefeiert. Nicht, damit niemand was dreckig macht in der Bude, sondern damit sich niemand bei uns dreckige Füße holt! Die Hausfrau in diesem Haushalt ist ein Schwein. Aber ein glückliches!

Das Arbeitszimmer ist das Grauen. Die Schreibtische sind schwarz, aber das weiß ich nur, weil ich es weiß. Nicht, dass man das sehen würde. Oftmals grabe ich auch erst die Tastatur auf meinem Platz frei und während ich jetzt hier tippe, liegen meine beiden Unterarme entspannt auf je einem Stapel Papier. Vermutlich irgendwas zum Abheften oder zum Überweisen. Aber genau weiß ich das nicht. Ich müsste nachschauen und dazu habe ich auch keine Zeit. Ich schreibe lieber. Ich mag ja die Homestory-Fotos von berühmten Bloggerinnen. Da sieht man dann einen stylischen Schreibtisch mit einem Eames Chair davor (ein Fell drüber eventuell, in der angesagten Farbe der Saison; wenn gerade keine Felle angesagt sind und nicht mal Fake fur, dann eben ein „Plaid“). Auf dem Schreibtisch stehen hochdekorativ nette „Steh-rum´s“. Meistens liegt auch noch neben der Tastatur ein Tablet. Die berühmte Bloggerin entscheidet sich wahrscheinlich manchmal mitten im Schreibprozess, mit welchem Medium sie arbeiten will. Blumen sind auch gerngesehene Gäste. Oder ein Kaktus. Bei mir ist dafür kein Platz neben dem Wäscheklammernkorb, einem kaputten Telefon (Wahrscheinlich braucht es nur mal neue Batterien, aber wer hat schon dafür Zeit!) und mehreren externen Gedächtnissen. Das sind so A5-Notizbücher, in die ich alles aufschreibe. Theoretisch. Adressen, Mitschriften vom Elternabend, meine Passwörter. Aber die Bücher verlege ich auch andauernd. Deshalb sind es ja so viele. Ich beginne regelmäßig ein neues, finde dann ein altes wieder, da steht aber auch noch Zeug drin, was wichtig ist und so geht das immer weiter. Ich bin eine Schreibtischschlampe (zweimal „sch“, ganz recht). Schachteln voller Zettel, Stifte, die nicht schreiben und vom Kind getöpferte Schalen mit Büroklammern, Holzstücken (weil ich die vielleicht mal brauchen könnte) und Schlüsseln, von denen niemand weiß, zu welchem Schloss sie gehören könnten, runden meine Schreibtischkultur ab. Von einem Beweisfoto sehe ich (wie auch im Fall der Duschkabine) aus Rücksichtnahme euch gegenüber ab.

Aber das macht überhaupt nichts! Seltsamerweise fühle ich mich in dem Schmuddelchaos aktuell sogar pudelwohl, was mich zu der Erkenntnis bringt, dass zum Einen der Mensch an sich ziemlich anpassungsfähig zu sein scheint (da mich Unordnung und Dreck normalerweise stören) und zum anderen bildet man offenbar neue Features aus, wenn Speicherplatz frei wird dafür. Zum Beispiel bin ich jetzt in der Lage, das Baby anzuziehen, während es sich unermüdlich wie eine Schraube dreht. Ich kann windeln, während der zu Windelnde schnurstracks die Flucht ergreift beziehungsweise dabei einen Stuhl erklimmt. Oder mir währenddessen an den Haaren zieht und die Ohrringe aus den Ohren polkt. All diese Fähigkeiten hätte ich wahrscheinlich nie ausgebildet, wenn mein Gehirn mit Putzabläufen beschäftigt gewesen wäre. Was für ein Verlust!

Auch unsere Familienmägen haben in den letzten Monaten eine erstaunliche Metamorphose mitgemacht. Von Haute Cuisine und „Das Auge isst mit!“ zu „Döner macht schöner!“ und: „Seit wann braucht ein Auge was zu essen?!“

Heute waren wir im Japanischen Palais und haben die sehenswerte Ausstellung „Planet 3.0“ angeschaut und dann spazieren an der Elbe. Für eine Stunde riss der Himmel auf. Kein Regen, ein fast-Frühlings-Lüftchen! Hand in Hand am Elbestrand. Und als der Hunger sich meldete, war ein Dönerstand in Sicht. Perfekt! Wenn ich stattdessen geputzt hätte, säßen wir jetzt in einer sauberen Wohnung, die nicht nach Döner riechen würde. Aber woher würdet ihr dann wissen, dass der Palaisgarten heute unter Wasser war?! Siehste.

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Ich verstehe, dass ihr nach dem Lesen dieser Zeilen wahrscheinlich nicht mehr bei mir duschen wollt. Und wenn ihr mich mal besuchen kommt, dann zieht vielleicht nicht eure beste Hose an und geht zu Hause noch mal aufs Klo. 😉

Worte

Bücher. Ich liebe Bücher. Nie käme ich auf die Idee, mir ein elektronisches Dingsbums zuzulegen, um meinen Hunger nach dem geschriebenen Wort zu tilgen.

Als kleines Schulmädchen lag ich stets am Vorgeburtstagsabend mit klopfendem Herz´l im Bett und wartete sehnsüchtig, bis ich die Schritte meiner Mutter hörte. Die hatte die fabelhafte Angewohnheit, nachts meinen Geburtstagstisch im Kinderzimmer herzurichten. Wenn sie annahm, ich schliefe. Ich atmete also flach und stellte mich schlafend, bis sie den Raum wieder verließ. Meist lagen auf so einem Geburtstagstisch ein Pullover, etwas Süßes und zwei, drei Bücher. Das war das Größte! Im Schein meiner Nachttischlampe trug ich die Schätze in mein Bett und erfreute mich am Knacken der Seiten, des Duftes, der Kühle des Papieres. Meist schrieb ich sofort mit meiner Kleinmädchenschrift meine Initialen oder meinen Namen hinein, damit mir die niemand mehr wegnähme. Henrike, Klasse 4c.

Ich wuchs mit Benno Pluhdra´s Geschichten auf. „Insel der Schwäne“, „Reise nach Sundevit“. Oder Büchern mit dem sagenhaften Titel: „Pfeiff auf ´ne Perücke!“ oder „Schwester Tina“, in denen standhafte Thälmann-Pioniere und blauhemdentragende FDJler Abenteuer vollbrachten. Manchmal wurde sich auch an der Hand gehalten. Uuuuh!

Ich las alles. Einfach alles. Ich las mich durch den Bücherfundus meiner Eltern, vollkommen gleich, ob ich verstand, was ich da las. Es faszinierte mich. Worte, schön formulierte Sätze, Gefühle auf Papier gebannt. Ich las und las und las. Später kaufte ich mir im „Kniga“, dem internationalen Buchladen der Stadt, Gorki´s „Die Mutter“ auf Russisch und las das, bevor es viele Jahre später im Deutschunterricht Pflichtstoff wurde. Ich hätte vermutlich auch Bedienungsanleitungen enthusiastisch gelesen. Ich verschlang alles, was ich an Geschriebenem in die Finger bekam. Einmal im Freibad war es ein frivoles Heftchen meiner Eltern namens „Magazin“, was neben nackten, behaarten Frauenkörpern auch Geschichten enthielt und ich las auch die. Überliefert ist, dass ich (wissbegierig, laut und für alle hörbar) fragte: „Mutti, was ist ein Orgaaaaasmuuuus?!“.

Mir musste man als Kind keinen Stubenarrest erteilen, ich war ein Stubenhocker. Ich las und las nur.

Dann kam das Tagebuchschreiben in Mode. Nun war es aber so, dass in meinem Leben rein gar nichts passierte, was sich aufzuschreiben gelohnt hätte (Später passierte zwar allerhand, da hatte ich aber längst keine Zeit mehr zum Schreiben!). Also dachte ich mir Geschichten aus. Eigentlich war es ein Fortsetzungsroman, in der Ich-Form geschrieben. Er handelte von einem Mädchen. Und einem Jungen namens Jost. Der hatte ein Moped und sah aus wie Limahl (Liebe Kinder, das war im letzten Jahrhundert ein Sänger, der nicht besonders gut singen konnte und eine Frisur wie Wolfgang Petri hatte. Nur blond.). Und ich ersann unglaubliche Geschichten um die beiden und manchmal hielten sie sich sogar an den Händen. Uuuuh! Und so schrieb ich Schulheft um Schulheft voll. Fantasierte mich mit diesen Geschichten raus aus meinem Plattenbaukinderzimmer in eine mir scheinbar schönere Welt. Bis, ja, bis meine Mutter diese Hefte fand. Erbost, die Hände in den Hüften, schimpfte sie mit mir! Was für einen Unsinn ich da schreiben würde! Das sei doch alles gelogen! Was das solle und überhaupt hätte ich viel zu viel Fantasie und das würde noch ein schlimmes Ende mit mir nehmen! Und warte, bis ich dem Vati erzähle, was du hier nachmittags in deinem Zimmer machst! Ich schämte mich schrecklich. Und schrieb nie wieder.

Ich beschränkte mich auf´s Lesen. Und wurde groß und Mauern fielen. Und da gab es auf einmal noch mehr Bücher! Bücher über Bücher! Ich konnte nicht mehr alles lesen, versuchte es aber dennoch.

Bibliotheken mag ich nicht. Ich brauche dieses Gefühl, das Knacken, den Geruch. Ihr wisst schon. Meine Hand ist die erste, die über diese wundervolle Seite streift. Dabei ging es mir nie ums Besitzen. Später habe ich jedes Jahr einen Wäschekorb voller Bücher neben die Mülltonne gestellt zum Mitnehmen für andere. Ganz einfach, weil ich nicht mehr wusste, wohin mit all den Büchern!

Der Beste hatte es in unserem gemeinsamen Leben oft schwer. Wenn ich las, dann las ich. Ich unterhielt mich nicht, ich las. Ich las beim Kochen, beim Kacken, wenn andere Leute schliefen… Wenn ich ein Buch in die Hand nahm, wusste er, die nächsten ein bis zwei Tage braucht er mich nicht ansprechen. Ich lese.

Worte finde ich immer noch höchst faszinierend. Geschriebene wohlbemerkt. Gesprochene sind selten höchst faszinierend.

Und ich selbst? Nun, das ist auch so ´ne Sache. Ich rede sehr schnell, sehr laut, sehr viel. Mit fuchtelnden Händen, zappelnden Beinen. Sprunghaft und hektisch. Dem längere Zeit zuzuhören ist nur wenigen Menschen möglich, ohne irgendwann mit Tinnitus und blutenden Ohren um Einhalt zu bitten. Auch ergeht es mir oft so, dass ich aus lauter Befürchtung, nicht richtig verstanden zu werden, alles mehrmals in unterschiedlichen Farbschattierungen erzähle (Das Kind hatte schon immer eine überbordende Fantasie!).

Eine kluge Frau, die mir sehr viel bedeutet, sagte mal zu mir: „Menschen wie sie gehören auf die Bühne! Suchen sie sich ihre Bühne!“. Meine Fantasie galoppierte sofort auf dem geflügelten Pferd von dannen und ich sah mich kurzzeitig vor meinem inneren Auge in der nach Inkontinenz und Eintopf riechenden Cafeteria eines Seniorenheims vor an Rollstühle gefesseltem und fluchtunfähigem Publikum „Sa-heiiin oderrrr ni-hicht sa-heiiin!“ skandieren (Aufgrund eines mir völlig unpassenderweise zugehörigen Lampenfiebers ging dieser Kelch an den Bewohnern des Pieschner Seniorenheims bislang vorüber.).

Und nun sind wir hier. Es gibt keinen Vorhang und nur ein kleines, aber feines Publikum.

Wenn meine Finger über die Tastatur huschen, fallen die ganzen überflüssigen Worte, die ich sonst tagsüber an meine Umwelt absondere, von mir ab. Strukturiere ich mich. Lasse ich „Dampf“ ab. Entspanne ich mich. Rege ich mich auf, ab. Und manchmal blicke ich dann auf diese Sätze, die zwar auf keiner duftenden, gebundenen Seite stehen, und ich mag das, was ich dort sehe (Immerhin kommt kein imaginärer Freund namens Jost vor!).

Ach, ich finde, jeder Mensch braucht seine Bühne. Und ich wünsche euch, dass auch ihr eure gefunden habt!

 

Also: Vorhang frei! Welcome to the show 🙂

Just for me

Es gibt die Geschichte von der alten Frau, die morgens stets eine Handvoll Bohnen in ihre rechte Schürzentasche gleiten lässt und während die Stunden des Tages verstreichen, wandert bei jedem wundervollen, schönen Moment eine Bohne von der rechten in die linke Schürzentasche. Abends wenn die Frau in ihrer Stube am großen Tisch sitzt, holt sie alle Bohnen aus der linken Schürzentasche hervor und legt sie auf den Tisch vor sich. Und bei jeder Bohne, die sie in der Hand hält, erinnert sie sich an die damit verbundene Situation und ein Lächeln zaubert sich auf ihr Gesicht. Und wenn es abends nur eine einzige Bohne ist, die sie aus ihrer linken Schürzentasche holt, dann war der Tag ein glücklicher Tag.

„Just for me moments oder Jetzt bin ich mal dran sind Sammlungen, in denen Frauen von ihren Momenten ganz für sich berichten“, schreibt die Autorin des Blogs Frische Brise, die ich hier gern zitieren möchte.

Diese Aktion ist toll! Weil sie die Schönheit eines Momentes festhält. Sie sichtbar macht. Die Bohnen der alten Frau werden hier durch die Kamera ersetzt. Der Effekt ist derselbe. Es wird Achtsamkeit und Bewusstsein erzeugt. Anstatt  „Ich bin sowas von erledigt!“, „Das war ein stressiger Tag!“, zeigt ein Foto möglicherweise einen ganz anderen Blick auf ebendiesen Tag.

Versuchts doch mal. Denn jeden Morgen ist Welturaufführung!

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Quelle: iquote pictures

Mein Senf

Als ich diesen Artikel zur Kita-Lunchbox las, bekam ich Schnappatmung. In einem Land, dessen Wort für zweites Frühstück klingt wie „Süssli“ oder „Genüssli“ Eltern vorzuschreiben, was als Kindesernährung durchgeht und was nicht… also da fehlen mir die Worte. Nun, da ich sie wiedergefunden habe, will ich unbedingt meinen Senf dazugeben:

Seit Jahren nerven mich die Luxusdebatten und die teilweise abstrusen Ausmaße um gesunde Ernährung des Menschen an sich und die artgerechte Haltung des Nachwuchses im Besonderen. Nichts ist mehr natürlich, dabei sind doch alle so sehr bemüht, „natürliche“ Ernährung und Lebenshaltung anzupreisen! In einer Familie, die Braten mit viel Soße und Klößen liebt eine Sonderkost für die Kinderernährung einzuführen um Standards zu genügen, halte ich für bigott. Und suggeriert doch dem Kind nur: Ums Essen wird viel Brimborium gemacht. Aufmerksamkeit erzeugt. Und ich bekomme eine Extrawurst gebraten!

Essen sollte Genuss sein, Nahrung für Leib und Seele.

Seit drei, vier Generationen muss in diesem Landstrich der Welt kein Mensch Hunger leiden und um sein Leben fürchten. Und was tut der satte, luxusverwöhnte Mensch? Schafft künstlich neue Probleme. Kann er machen. Jeder, wie er will. Ich will vor allem meine Ruhe. Borstig werde ich, wenn jemand daherkommt und irgendeine Meinung als allgemein gültige proklamiert! Ich habe mir nicht umsonst eine Lungenentzündung auf einer Montagsdemo geholt, damit ich endlich denken darf, was ich will! Und seien wir mal ehrlich, alle zehn Jahre haben wir einen neuen „aktuellen Stand des Irrtums“: Babies schlafen auf Lammfell/ Um Gottes Willen, kein Lammfell! Bauchlage/ Auf gar keinen Fall Bauchlage! Fleisch ist gesund/ Fleisch ist ungesund. Und, um noch richtig einen draufzusetzen: Vor sechzig Jahren warst du als Gastgeber laut Knigge quasi verpflichtet, die Rauchmarken der Gäste zu eruieren und im Vorfeld zu besorgen. Ebenso wie die beliebtesten Verdauungsschnäpse. Und heute? Nun, das wissen wir ja. Alles schlecht! Alles ganz, ganz schlimm. Ein Wunder, dass das die Leute irgendwie überlebt haben.

Verbote schaffen Anreize.

Neulich erzählte mir eine Freundin von einem artgerecht fernsehfrei erzogenem Nachbarsmädchen, was täglich die Freundinnenwohnung frequentiert, um ferngesteuert zur Glotze zu wandeln. Dort steht sie dann verzaubert mit offenem Mund und starrt wie paralysiert auf die bewegten Bilder.

Ich kenne auch ein Mädchen, nennen wir es mal Henrike. Die war verrückt nach Süßem. In dem Familienhaushalt gab es Süßigkeiten nur zu den Feiertagen. Dieses Mädchen neigte nämlich zur Verfettung, hatte schlechte Gene (glaubte ihrer Mutter). Unsere Henrike löffelte die Zuckerdosen leer. Alle. Untersuchte Backpflaumen und Abführ-Früchtewürfel auf ihre Tauglichkeit als Süßigkeit. Das komplette Taschengeld des Kindes ging für Süßigkeiten drauf (Das war an sich für das rechenschwache Kind ein Drama: Zwei Mark pro Woche. Eine Tafel Blockschokolade kostete zwei Mark achtzig… ein Stück Schokosahnetorte zwei Mark zehn.). Neulich traf unsere Protagonistin die Frau X. Frau X-ens Tochter und Henrike waren als Schulmädchen befreundet. Und was sagt da Frau X? „Ach Henrike, wenn ich dich sehe, muss ich sofort daran denken, wie du immer bei uns vor der Tür standest: ´Hallo Frau X, hamse was Süßes für mich? Ich nehm ooch´n Zuckerwürfel. Und, is de Gabi zu Hause?`“.

Kindheit, das ist süßer Kakao. Den es abends bei Pittiplatsch gibt, mit dem ich, der Beste und alle DDR-Kinder aufwuchsen. Oder Astrid Lindgrens Lotta, die sich nach ihren Abenteuern auf den Abend-„Kaukau“ von Tante Berg freut. Puddingsuppe mit Zwieback, wenn man Halsweh hat. Süßer Pfefferminztee nach Rodelnachmittagen. Knusprige Kekse.

Alles in Maßen. Na klar. Aber immer mit dem GMV, dem gesunden Menschenverstand betrachtet. Kindern zu zeigen, woher das Essen kommt und dass wir Glück haben, in so reichem Überfluss zu leben, ist wichtig. Und Genuss und Maßhaltung vorzuleben.

Wie bei allem anderen. Kinder lernen in erster Linie durch Nachahmung. Glaube ich. Und ich werde einen Teufel tun, Dinkelpuffer mit Sojasoße und Sellerierohkost zum Sonntag hinzustellen, nur weil hier Kinder mitessen. Schmeckt mir nicht! Ein Topf Suppe und ein frisches Brot auf dem Tisch, die Familie drumherum, das ist ein schönes Bild für mich. Und nicht vier Leute mit vier verschiedenen Tellern und einen Affentanz für den bemitleidenswerten Koch.

Heute gibt’s Plinsen mit Apfelmus (aus Äpfeln). Und vorher Tomatensuppe. Die ist aus Gemüse, nicht aus der Dose. Klingt für mich nach gesunder Ernährung.

Mahlzeit!

Strandgut des Lebens

Strandgut des Lebens

Meine Großeltern waren ihrer Zeit voraus. Heute würde man sagen, sie seien Upcycler und Zweitverwerter gewesen. Nichts durfte umkommen, nichts wurde achtlos weggeworfen. Aufgrund der harten, entbehrungsreichen Nachkriegsjahre oder einfach einer anderen, altmodischen Sicht auf den Wert der Dinge… ich weiß es nicht. Aus den alten, gestreiften Nachthemden vom Uropa („Gute Baumwolle!“) wurden Sommerkleider für die Enkelmädchen genäht. Strickpullover wurden mühsam aufgedrießelt, die Wolle nach Farben sortiert und zusammen mit getrockneten Orangenschalen (gegen die Motten) in Kisten, Säcken und Tüten verstaut. Um dann irgendwann in Form von Kinderpullovern, Socken, Häkeldecken, Kissenbezügen, Teppichen zu neuem Leben zu erwachen. Das Wegwerfen von Plastikbehältnissen fiel meiner Oma nicht ein. Was für eine Verschwendung! In den Milchbeuteln der DDR wurde nach dem Auswaschen alles mögliche verpackt und Quarkbehälter konnten auch nicht weggeworfen werden. Die waren super Anzuchttöpfe und überhaupt: da kann man doch was reintun!

Mein Opa fuhr nachmittags mit seinem Fahrrad gern durch die Gegend. Der Chariot war noch nicht erfunden, also hat er sich einen Handwagen namens „Rollfix“ (so hieß der wirklich) an sein Fahrrad gebunden und ging damit auf Beutezug. Bei den Mülltonnen.

(Randnotiz: Liebe Kinder, die Mülltrennung ist jünger als die Tante Rike und früher schmissen die Leute einfach alles in eine große Tonne mit Schwingdeckel. Echt wahr, diese Umweltsäue! Aber es gab ja meinen Opa… )

Dort zwischen Kartoffelschalen und Kaffeesatz fand mein Opa Schätze. Etwa kaputte Toaster oder Fahrradreifen. Das barg er alles, unter vollstem Körpereinsatz. Und schaffte das in seinen Garten. Aus den Teilen wurden neue Sachen gebastelt oder sie wurden zu späteren, nicht näher benannten Zwecken zwischen- bzw. endgelagert. Meine Mutter schämte sich sehr, wenn die Nachbarn sagten: „Dein Schwiegervater ist heute wieder in den Mülltonnen rumgekrochen!“. Ich glaube aber, er wurde nur missverstanden, der Opa.

Warum ich euch das alles erzähle? Nun, ich versuche, eine positive Grundstimmung zu verbreiten. Denn es ist Zeit für eine Offenbarung: Das ist erblich! Ja, ich bin betroffen. Ich kann nichts dafür.

Steine, Muscheln, Sand werden ja von vielen nach Hause getragen. Von den Stränden dieser Welt. So fing das bei mir auch an. Seit ich den ersten Hühnergott im Kieshaufen bei Hornbach fand, ist allerdings keine Kiesumrandung irgendeines Hauses vor meinem Adlerauge und suchendem Blick sicher. Im Rindenmulch fand ich schon allerschönste Holzstücke mit Astlöchern, die man auffädeln kann. Oder so hinlegen, als Deko zwischen Blumentöpfe. Oder als Geschenkanhänger verwenden, mit Silberstift beschriftet. Ich brauche das alles! Gehe ich in den Wald, komme ich stets mit schmutzigen Fingern und vollen Jackentaschen wieder raus.

War das Scherbensammeln im Garten zunächst nützlich aufgrund der Verletzungsgefahr, sammle ich mittlerweile die blau-weißen Scherben in ein separates Eimerchen, was keiner anfassen darf! Was ich damit will? Vielleicht ein Mosaik machen. Oder das Bad fliesen, genug zusammen hab ich mittlerweile. Sammelte ich zunächste nur unser Grundstück ab, so dehne ich mittlerweile meine Scherbensuchaktion auf die komplette Gartensiedlung aus (zur Erinnerung, der Garten liegt auf einer alten Müllhalde). Vollkommen selbstlos! Und es gibt Tage, an denen weiß ich, was ich denke, wenn ich höre, was ich sage. Zum Beispiel zu meiner Nachbarin: „Du Moni, wenn Du beim Buddeln blau-weiße Scherben findest, schmeiß mir die über den Zaun!“. Hä?! Ernsthaft? Doch, leider, das ist wahr. Und nein, Moni schmeißt mir keine Scherben über den Zaun. Bis jetzt.

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Fundstück und Fundstückchen

Alles, was weiß und keramisch oder aus Porzellan ist, muss ich sowieso mitnehmen. Alte Relais, Flaschendeckel, Zuckerdosen, Eierbecher. Brauch ich alles. Passt zu jeder Deko irgendwie dazu. Und wenn ich behutsam den Dreck von den Dingen wasche, denke ich darüber nach, durch wieviele Hände das „Ding“ wohl gegangen ist und wie lange es jetzt wohl schon auf mich gewartet hat.

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keramische Dingsbumse

Antiquitätenläden, Flohmärkte und sagar Versandhändler, die sich auf „alte“ Sachen spezialisiert haben, boomen. „Aus alt mach neu“ war schon in den Siebzigern der DDR eine Parole, wenn auch damals aus Verknappungsgründen. Ich mag alte Möbel, alte Stoffe, altes Geschirr. Ich bin auch nicht mehr neu, vielleicht ist es das. Ich gehe an keinem Trödelladen vorbei und selten verlasse ich den mit leeren Händen. Und doch, das ist was anderes. Dort hat jemand vorsortiert und die Dinge bewertet, ihren Verkaufspreis ermittelt und drangeklatscht: „Zu verkaufen!“.

Herzklopfen erfüllt mich, wenn die Dinge mich finden. Ein altes Schaukelpferd, neben den Wertstoffhof gestellt. Ein Weinballon, der Deckel einer Bonbonniere auf dem Glascontainer. Ein trauriger Stuhl (mal wieder), irgendwo am Wegesrand. Ich kann da nicht vorbeifahren! Mit wenigen Handgriffen und etwas Liebe (und manchmal Holzleim) bekommt dieses Strandgut des Lebens bei mir eine zweite Chance.

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Das wird nicht von allen gern gesehen. Besonders nicht von meiner Familie. Wenn das Auto mit mir am Steuer automatisch vor einem Glascontainer abbremst, kommt sofort Geschrei: „Wehe! Untersteh dich!“ (der Beste), „Muddor! Na-heiiin!“ (das Kind Nummer eins), „Hedate! Hedate!“ (der Kleinste macht auch schon mit).

Aber bevor ihr mir das Messie-Team von RTL2 auf den Leib hetzt, gebe ich Entwarnung: Quarkbecher kann ich gut wegschmeißen und auch ansonsten fallen mir Trennungen nicht schwer, wie der Beste neulich feststellen durfte:

„Was ist das schon wieder?! Das schmeiß ich weg, das steht nur rum!“, „Ich schmeiß dich gleich weg, mein Lieber! Du stehst auch bloß rum!“

Das Wannenbad

Neulich kursierte in den sozialen Netzwerken ein Foto, welches zwei junge russische Männer zeigt, die ihr Wohnzimmer mit Plastikfolie ausgekleidet und mit Wasser gefüllt hatten, um genüsslich ein Bad zu nehmen. Der Vorgang des Wassereinfüllens und auch der Rückbau des Badebeckens wurden nicht dokumentiert, aber ich habe da so meine Vorstellung. Denn sie sind bei weitem nicht die ersten mit dieser Idee…

Wir schreiben die letzten Jahre der DDR und ich lebe in der sowietischen Besatzungszone. Nein Kinder, das ist nicht weit weg. Das ist genau hier! Und zwar sogar in Dresden. Ich hatte ein kleine Wohnung im Russenviertel dieser Stadt. Das Viertel hieß aus praktischen Gründen so, nicht, weil da nur Russen wohnten. Es wohnten auch Armenier, Kirgisen, Letten und vermutlich auch Menschen aus Aserbaidschan dort. Richtigerweise hätte das Viertel „Wohnareal für hochrangige Mitglieder der rotarmistischen Befreiungsarmee“ heißen müssen, aber das wäre als Name viel zu lang gewesen.

Rund um das Waldschlösschenareal in Dresden waren Kasernen, in denen die Soldaten in Doppelstockbetten und mit strengen Schließzeiten hausten. Die Offiziere durften ab einem gewissen Grad (ab achthundert Gramm Orden und Bronzeketten auf der Uniform) ihre Gattinnen nachholen und wohnten dann in Häusern rund um die Kasernen. Ein paar Dresdner wohnten auch dort. Zu erkennen waren die deutschen Wohnungen daran, dass an den Fenstern möglicherweise ein Blumenkasten hing mit Begonien und/oder eine Gardine. An allen anderen Fenstern gab es die gängige, wärmeisolierende Vollfensterverkleidung mit Zeitungspapier. Dort wohnten die Mitglieder der Roten Armee.

Die blieben eigentlich immer unter sich. Ich bin mir nicht sicher, aber wahrscheinlich war den Besatzern der Umgang mit den Besetzten, Besatzerten, von Besatzern Besetzten…mit uns untersagt. Trotzdem war es hilfreich, wenn man als junges Ding im Dunkeln durch das Viertel ging, schnell rennen zu können oder zumindest fluchen wie ein russischer Droschkenkutscher. Sonst konnte es durchaus passieren, dass einem die Deutsch-Sowietische Freundschaft und der Bruderkuss näher gehen konnten, als einem lieb war.

Ich wohnte in einer kleinen, arschkalten Wohnung. Ohne Bad, mit Außenklo auf der Treppe (Die Miete kostete 23,-Mark, falls das irgendwen interessiert. Für die Geschichte hat das allerdings keinerlei Relevanz.). Die bauliche Substanz war desolat, wie im Altbau der DDR üblich. Die Mieter renovierten und reparierten selber und wer das nicht konnte, arrangierte sich mit dem Zustand.

In meinem Schlafzimmer waren die Wände feucht. Irgendwo gab es ein Leck. Dach kaputt, Dachrinne. Ich wusste es nicht. Regelmäßig floss mir das Wasser in Rinnsälen die Wände herab. Ich wischte, stellte Eimerchen auf. Ich bat sogar mal einen Freund auf´s Dach zu steigen, was er auch tat. Aber außer seinem Wagemut hatte er nichts weiter einzubringen, sodass dies auch nicht zielführend war.

Eines Tages floss das Wasser wieder fröhlich meine Wände herab, als mir auffiel, dass von draußen der schönste Sonnenschein durch meine staubigen Fenster schien. Nun bin ich nicht von der hellsten Sorte, aber irgendwie wankte die kaputte-Dachrinne-Theorie in diesem Moment sogar bei mir.

Über mir wohnte ein Rotarmist mit Gattin. Ich läutete. Er öffnete. Ich erklärte mein Problem. Er erklärte seinen Unwillen, deutsch mit mir zu sprechen. Ich wiederholte mein Klärungsbedürfnis auf russisch, was ihn wohl an seine ihn verpflichtende russische Gastfreundschaft erinnerte und er bat mich hinein.

„Schöner Wohnen“ war bei den Leuten kein Thema. Die Dame ging nie ohne roten Nagellack, Goldschmuck, Goldzähnen, onduliertem Haar und Pelz aus dem Haus. Aber wohnte in einer gänzlich leeren Wohnung mit zwei Hockern und einem Tisch. Irgendwo wird es wohl auch ein Bett gegeben haben, aber ich weiß wirklich nicht wo. Denn der Raum, der über meinem Schalfzimmer lag (ihr erinnert euch: die Nasszelle wider Willen), wäre zwar dafür prädestiniert gewesen, aber war ebenso leer. Bis auf eine Zinkwanne.

In dem Raum stand nichts außer einer alten Zinkwanne. Der Offizier erklärte mir stolz, er habe das Badezimmer selbst eingebaut! Und demonstrierte mir die Funktionalität auch sehr gern. Die Wanne wurde per Eimer mit heißem Wasser aus der Küche befüllt und die Gattin konnte sich zum Bade niederlassen. War dieser Vorgang beendet und das Wasser kalt, entstieg die Gattin und der kräftige Rotarmist kippte die Wanne einfach aus. Ins Zimmer. Er hatte in einer Ecke des Raumes irgendein Stück Rohr durch die Wand gebastelt und mit der Dachrinne verbunden (glaubte er), sodass sich eine Art Abfluss ergab. Toll, nicht?

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie die Geschichte weiterging.

Entweder haben wir zusammen „sto gramm“ getrunken, Irina und ich haben Pelmeni- und Quarkkeulchenrezepte getauscht und ich wurde ab jetzt immer zum Baden eingeladen, während Sergej auf der Balalaika für uns spielte und traurige russische Lieder sang. Oder sie haben mich einfach zur Tür rausgeschoben und alles blieb so wie es war. Bis ich irgendwann auszog.

Ersteres würde mir besser gefallen.

 

Ein Kaffee für Frau Nieselpriem

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Der Preis ist heiß…

Ich wurde nominiert. Für den „Liebster Award“. Das ist kein Oscar der Bloggerbranche (auch keine goldene Himbeere), sondern die Aktion will junge, unbekannte Blogs bekannter machen. Indem man eine Reihe Fragen über sich beantwortet, sollen neue Leser neugierig werden auf den Neuankömmling, den Jungspund in der Welt der Schreiberlinge. Und dieser ins Rampenlicht Geschubste wiederum nominiert dann weitere junge Blogs, um diese bekannter zu machen.

Das weiß ich seit gestern. Ich habe mich belesen. Nachdem ich mich gefreut habe, dass mich jemand nominiert hat und somit bekannter machen möchte. Klingt wie ne gute Sache. Aber so einfach ist das nicht.

Ich bekam eine Reihe seriöser Fragen gestellt: „Wer bist du? Schreib ein wenig über dich!“. Hm, ich schreib seit Monaten ein wenig über mich…was soll denn da nun hin?! „Welches ist dein Lieblingsbuch?“, „Welchen Traum möchtest du dir unbedingt erfüllen?“, „Was ist deine beste Eigenschaft?“ und so weiter. Auf den ersten Blick einfache Fragen, leicht zu beantworten. Aber ich fühle mich wie in einem Schuhladen mit exklusiven Schuhen und dezenter Loungemusik. Überall hochhackige, hochwertige Damenschuhe. Hübsch anzusehen. Und ich höre mich fragen: „Haben sie nichts flacheres?“.

Versteht mich nicht falsch, aber wen interessiert, wie ich meinen Kaffee trinke und ist die Information, welches Buch auf meinem Nachttisch liegt (und: Hat sie überhaupt einen?) Ambrosia für die Leserschaft? Ich brauch vielleicht wirklich was flacheres… „Was bringt deine Amygdala zum Bitzeln?“, „Zu mir oder zu dir?“, „Warum ist die Banane krumm?“, zum Beispiel.

Als ich mir die Liste der Mitnominierten angesehen habe, wusste ich endgültig: Ich war im falschen Schuhladen. Alles seriöse Blogs zu einem ernsten Thema, welches mich zwar betrifft, aber dem ich mich nur in homöopathischen Dosen widmen werde. Warum? Weil das Leben schön ist und die Erde eine bunte Scheibe! Und deshalb fühle ich mich unwohl auf der Bühne mit den hochhackigen Schuhen zwischen den seriösen Aufklärungs- und Informationsblogs.

Die Schuhe sind schön, aber sie passen mir nicht. Und als Dankesrede fällt mir auch spontan nur der Inder aus der Bierwerbung ein: „Ich möchte diesen Teppich nicht kaufen!“.

Diesen nicht und keinen anderen…Ich freue mich wie ein Schnitzel über jede(s) Empfehlung, Erwähnung, Facebook-like und jeden noch so gearteten Kommentar. Im Ernst jetzt! Und über echtes Interesse. Aber nicht über depersonalisierte Fragelisten.

 

 

 

 

 

 

 

Der Baustellenreport

Der Baustellenreport

Es gibt so Tage, die sind ein Arschloch. Ich behaupte ja oft, das seien gebrauchte Tage, die hatte schon mal jemand und hat die zurückgegeben, weil er auch voll unzufrieden war damit…

Der heutige Tag begann wie so oft vollkommen harmlos im Anschluss an eine heiße und schlaflose Nacht (leider nicht im wünschenswerten Sinne).

Wir orderten wie neuerdings immer morgens beim Baumarkt unseres Vertrauens die benötigten „täglichen Dinge des Bedarfs“ in Höhe eines kleinen Monatsgehaltes und steuerten die gärtnerische Baustelle an. Mittlerweile fühlt sich diese Routine an wie ein alltäglicher Arbeitsweg. Zu einem unliebsamen Job (wie Steinbruch oder Schienen legen bei der Deutschen Bahn).

Streichen des Wohnzimmers stand heute an. Wobei, eigentlich waren nur noch zwei Wände übrig, den Rest hatte der Beste bereits geweißt. Für diese zwei Wände hatte ich „Mitternachtsblau“ vorgesehen und rannte mir Hörner an den Türen (versuchter Wortwitz; soll Gegenteil darstellen von: offene Türen einrennen). „In der Bude isses finster wie im Bärenarsch! Und du willst die Wände dunkelblau streichen! Solln wir alle mit der Grubenlampe dort drin rumfunzeln, oder was?!“, „Wer von uns hat denn zwanzig Kilo Wohnzeitschriften konsumiert zur Farbgestaltung kleiner Räume? Da sieht man´s wieder: Keine Ahnung hast du! Durch die dunklen Wände an der Tür fokussiert sich das Auge auf die Lichtquelle! Dadurch wirkt der Raum heller. Ach, sei still und mach einfach!“, „DAS kannst du vergessen! Das streichst du schön selber. ICH war für Weißen. Dann wären wir im Übrigen bereits durch und könnten heute den Bodenbelag verlegen. Aber nein! Mitternachtsblau! Ausgerechnet!“.

Ich wünschte ihm viel Spaß mit dem schwer zahnenden Kind auf der Baustelle und nahm mir vor, souverän die Wände zu rocken. Wie schwer kann das sein!?

„Du musst aber erst noch das Abrollsieb sauber machen, das habe ich gestern nicht mehr geschafft.“, „Ich nehme an, du hast es in einen Eimer mit Wasser geschmissen?!“, „Äh, nein! Ich hab das nicht mehr geschafft!“.

Ein mit weißer Farbe eingetrocknetes Sieb. Na toll. Ich schrubbte die ersten zehn Minuten in der Küche an dem Ding rum. Dann war die Spüle eingesaut. Ich wechselte laut fluchend ins Badezimmer und weichte das Sieb dort im Waschbecken ein. Schrubbte. Winzige Partikel lösten sich in gemächlicher Trägheit. Ich fluchte lauter und schrubbte schneller. Dann war das Waschbecken im Bad auch versaut. Duschwanne. Abbrausen, schrubben (Der Beste hatte sich unters Dach verzogen mit dem Baby. Mittagsschlaf. Der hat echt die härtesten Jobs!). Nachdem ich auch die Duschwanne ordentlich eingesaut hatte, habe ich gefühlte Stunden mit einem kleinen Küchenmesser die Farbreste aus den Waben rausgekratzt. Zwischenzeitlich kam mir kurz in den Sinn, dass ich in der vergangenen Zeit problemlos ein neues Sieb im Baumarkt hätte holen können, ja, sogar ein Sieb schnitzen aus einem Holzbrett wäre zeitlich drin gewesen! Ich machte weiter. Nichts sollte mein mitternachtsblaues Farbergebnis trüben. Als Motivation fluchte ich lautstark. Das war alles SEINE Schuld!

Irgendwann hatte ich wunde Finger und ein halbwegs farbfreies Sieb.

Dann stellte ich fest, dass ich überhaupt keine Malerklamotten für mich mitgenommen hatte. Dafür konnte der Beste theoretisch nichts, aber aus rein praktischen Gründen bekam er auch dafür die Schuld in Abwesenheit zugesprochen. Ich fand einen Schwangerschafts-Bikini, den ich mit ein paar Knoten an verschiedenen Stellen halbwegs passend machte und ein Paar alte „Wilde Kerle“-Badelatschen vom Kind Nummer eins. Jetzt sah ich so aus, wie ich mich fühlte!

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Im Baumarkt hatte sich morgens schon ein mittelgroßer Streit ergeben, weil ich darauf bestand, für mein Farbprojekt das allerbeste, teuerste Abklebeband haben zu müssen. „Aber wir haben doch noch das Tesa-Band!“. „Nein! Das ist nicht gut genug! Ich muss das grüne haben! Das aus der Werbung! Dann läuft auch nichts darunter.“. Für den Preis einer Packung hätte der berühmte Verpackungskünstler, dieser Dingsbums, unser Gartenhäuschen komplett mit noname-Abklebeband verpacken können. Das nur am Rande und rein spekulativ.

Ich begann abzukleben. Aber an Tagen wie diesem… Die Scheiße hielt nicht! Ich meine, gar nicht! Zehn Zentimeter geklebt, nächsten Streifen abreißen, wuschschsch…, erster Streifen wieder unten. Jetzt langsam bekam ich richtig Laune! Runter von der Leiter und lesen. Vielleicht muss man das überkandidelte Scheißklebeband anfeuchten. Nein. Vielleicht ist es nicht für Rauhputz geeignet. Nein, steht nichts da. Ich wieder hoch. Irgendwie muss ich doch das grüne Scheißzeug an die Wand kriegen! Reiben, reiben, reiben. Drücken, walzen. Wuschschsch…da lag´s wieder unten.bau2

Einatmen, ausatmen.

Aus dem Schuppen das Tesa-Abklebeband holen. Auf die Leiter. Abkleben. Hält. Na sowas! Geht doch! Meine Laune besserte sich für zwei Minuten. Dann war das Tesa-Band alle.

Als mir klar wurde, dass ich jetzt auf jeden Fall in den Baumarkt müsste um neues zu besorgen und sich die Erinnerung an die vermaledeite Abputzerei des Scheiß-Abrollsiebes in mein Gedächtnis schob, hätte ich am liebsten vor Wut den Farbeimer umgeschmissen! Jetzt würde ich den Weg antreten müssen, zu dessen Vermeidung ich eine stundenlange, hirnrissige und waschbeckenversauende Tätigkeit in Kauf genommen hatte! Und dort würden mich die Abrollsiebe nur so anlachen! Blütenrein.

Egal. Es nütze ja nichts. Der Beste machte noch immer, was er so macht. Nämlich Mittagschlaf .

Auf dem Parkplatz vorm Baumarkt versuchte ich so elegant wie möglich, rückwärts neben der Currywurst-Bude einzuparken, als eine Weißkappe fuchtelnd in meinem Heckfenster auftauchte. Ich denke noch: ´Nanu, was will der Opi denn?`, da erklärte er auch schon, ich würde gerade einen Pfeiler umfahren. Ich sah keinen Pfeiler, aber das bedeutet ja auch nichts, wenn man wie ich kaum mit der Nase an die Unterkante des Fahrerfensters reicht! Das ist alles SEINE Schuld! Warum muss ich mit so einem scheißgroßen Auto rumfahren, wo doch so ein Autoscooter viel besser geeignet wäre in Größe und Rundumschutz! Oder?!

(Übrigens: Ich habe verstohlen geguckt, die Anhängerkupplung hat gegen den Pfeiler gewonnen.)

Lautes Gelächter an der Currywurstbude und so originelle Kommentare wie „Typisch Frau am Steuer! Haha!“. Ich wollte schon kontern, besann mich aber, dass jemand, der in meinem Alter am helllichten Tag mit „Wilde Kerle“-Badelatschen rumläuft, sich ansonsten in der Öffentlichkeit besser unauffällig verhält.

Ich bekam das Klebeband, fuhr unfallfrei in den Garten und schmiss die ganze Scheiße dem Besten vor die Füße! Und dann hab ich dem aber mal gesagt, was Sache ist! Und wie schwer ich es hatte, während er schlafen durfte (den Pfeiler habe ich unterschlagen). Und dass es jetzt aber reichen würde! Und überhaupt! Er könne jetzt gefälligst auch mal was machen! Und damit Du es weißt: Ich hatte einen Scheißtag! Und ich fluche, so lange und so laut ich will! Und ja, die Nachbarn können das ruhig hören!

Ich bin dann mit dem Baby entspannt zu Ikea gefahren. Nach diesem Tag musste ich mich erst mal belohnen. Und außerdem brauchte ich noch Stoff um die Stühle zu beziehen. Und neue Grünpflanzen. Und Kissenhüllen. Und…

Jetzt sitze ich entspannt am Rechner und schreibe… und ganz langsam fällt der Stress dieses harten Arbeitstages von mir ab.

Der Beste? Na, der ist nicht da. Der streicht das Wohnzimmer natürlich! Aber wie schwer kann das schon sein?! So´n bisschen Farbe an die Wand schmieren…

Der Traum vom Garten, Teil 2

Wir haben uns das so schön vorgestellt. Wie wir abends auf der Terrasse sitzen, ein isotonisches Kaltgetränk in den Händen und mit hochgelegten Beinen dem Sonnenuntergang zuschauen und dem Igel, der schnuffelnd durch die Wiese tappert auf der Suche nach heruntergefallenen Stachelbeeren…

Ha!

Vorm isotonischen Kaltgetränk steht der Schweiß. Schund, Plackerei, Gewuchte, Gestöhne, Steine, Dreck und Unkrautberge. Seit Wochen, ach was, Monaten, schuften wir an dem Gartengrundstück rum und legen eine Baustelle nach der anderen frei. Und es wird immer schlimmer! Der Beste hat die Möbel zerhackt (im Haus), da der Opa den Wohnzimmeranbau um die riesige, wunderschöne Eckcouch im Stil des Gelsenkirchner Barocks einfach drum herum gebaut hatte. Sie passte nicht durch die Tür! Bevor ihr fragt, auch nicht durch die Fenster, die meisten sind mit Bauschaum zugeklebt und lassen sich nicht öffnen. Warum? Ach, hört doch auf! Ich weiß es nicht! Aus demselben Grund, warum unter der Decke Stromkabel in den Raum hängen und eine Steckdose angebracht wurde (unter der Zimmerdecke). Damit geht die Deckenbeleuchtung an. Also, falls das jetzt unverständlich war: Wenn es dunkel wird, hole ich einen Stuhl, steige drauf, nehme eines der drei Kabel und stecke es in die Steckdose oben an der Decke. Dann geht das Licht im Wohnzimmer an. Hat jetzt wirklich noch jemand Fragen bezüglich der Fenster?! Wie bitte? Wofür die anderen zwei Kabel sind? Für die Terrassenbeleuchtung natürlich (Was für eine dumme Frage!). Und ja, es gibt nur EINE funktionierende Steckdose, entweder Licht im Wohnzimmer oder auf der Terrasse, ist doch klar!

Draußen ist es nicht besser. In den letzten zwanzig Jahren wurde immer wieder neu hinzugepflanzt, ursprünglich sah man das Häuschen nicht vom Gartentor aus. Wir haben das alles weggerissen, rausgebuddelt und Container damit befüllt. Viele. Sehr, sehr viele. Wirklich enorm viele! Es ist damit nicht getan. Ich hocke ständig im entweder verschlammten oder furztrockenem Boden und grabe Wüstlinge oder Unkraut aus. Manchmal ziehe ich an Wurzeln und reiße damit meterlange Gräben, weil die Arschlöcher den kompletten Garten durchdrungen haben. Umgeben von hunderten Nacktschnecken. Und Scherben. Der Garten liegt nämlich auf einer ehemaligen Mülldeponie, und ständig drücken sich Scherben und Glasstücke durch den Boden. Und Wurzelgemüse sollte man nicht anbauen, wegen der eventuellen Kontamination des Bodens. Das habe ich erfahren, nachdem ich ackerweise Karotten, Kartoffeln und Pastinaken angepflanzt habe… Macht ja nichts!

Außerdem habe ich Köttel auf der Arbeitsfläche in der Küche gefunden. Ich versuchte mir tapfer einzureden, das sei ein Igel gewesen. Ein Spezialigel, mit Kletterfüßen. Gibt es doch alles! Aber auch Löcher haben wir entdeckt, kinderfaustgroße. Und die heimlichen Besetzer wehren sich jetzt. Fressen die Sträucher von unten an, buddeln Haufen.

Hat der Beste sich im Frühjahr noch damit zufrieden gegeben, kiloweise Ameisengift zu verstreuen und zu gießen, so legt er jetzt an allen Stellen im Garten Fraßköder aus. Ich kann kaum noch schlafen, weil ich in Angst lebe, das Baby könnte sich daran bedienen. Der Beste ist beratungsresistent. Sein Sohn wäre doch nicht blöde und als Alternative könnte er noch Sprengsätze legen oder mit Gas rumexperimentieren, um die Viecher auszurotten. Dabei glänzen seine Augen.

Ich glaube, wir drehen langsam durch, der Beste und ich.

Der ganze Garten ist von Fässern unterhöhlt. Ursprünglich sollte mit dem aufgefangenen Regenwasser der Nutzwasserbedarf geregelt werden. Nur: die Fässer sind nicht miteinander verbunden! Und niemand weiß genau, wo überall welche sind! Ich albträume, der Boden sackt zusammen und reißt das Baby oder mich in die Tiefe. Jämmerlich ersaufend wird mein kurzes Leben enden. Oder das von meinen armen unschuldigen Kindern. Außerdem stehen noch diverse Wasserfässer halb eingebuddelt entlang der Grundstückseinfriedung. Ja, die haben einen Deckel. Und Kindersicherung (einen kleinen Stein obendrauf). Ich habe den Besten angefleht, er möge die Fässer zuschütten, der lebensbedrohlichen Situation ein Ende bereiten! Nein. Das ginge nicht. Die müsste man ausbuddeln und das kriegt keiner hin. Ich habe in den drastischsten Farben geschildert, wie ich mir das vorstelle: Ich stehe vor einem Wasserfass (was mir bis zum Knie geht), willens, eine Gießkanne einzutauchen um die Tomätchen zu wässern. Dann wird mir blümerant, ich lege einen Handrücken an die Stirn und taumele seufzend ich in die Tiefe. Das kann passieren! Sollen seine Kinder etwa mutterlos aufwachsen? Und wie will er mich wieder aus dem Fass rauskriegen?

Der Mann, der mich geheiratet hat winkte nur ab und meinte, ich sei viel zu melodramatisch.

Heute ist eine Nacktschnecke rotzfrech über die Terrasse geschlendert. Die schleimigen Arschlöcher sind überall. Ameisen, Wühlmäuse, und jetzt das. Unter jedem Blatt klebt eine, zwischen den Tomatenpflanzen, meine Aubergine haben sie angeschlabbert! Gibt es was Widerlicheres? Bäh. Iiih. Meine Schwester hatte vor ein paar Jahren einen Nacktschneckenbefall an der Terrassentür, Hunderte oder Tausende schleimten die Glastür nach oben und versuchten wohl das Haus zu entern. Kommt das jetzt auch auf mich zu? Ich fürchte schon, dass mich bald eine aus der Kaffeedose anglubscht oder im Babybett sitzt. Pfui.

Der Beste sagt, es gäbe eine spezielle Entenart, die der natürliche Feind der Nacktschnecken sei. Ich werde das googlen.

Also zusammenfassend ist zu vermelden, dass ich in panischer Angst lebe, das Baby könnte durch Nagergift, Glasscherben, Ertrinken oder Schneckenbefall Schaden nehmen und der Beste hat einen irren Blick. Der Garten sieht aus wie Dresden ´45, aber ansonsten geht’s uns gut.

Vermutlich steige ich demnächst ganz groß in die Entenzucht ein.

Oder ich sprenge die ganze Scheiße in die Luft! Ich muss den Besten mal fragen, wie das geht mit dem Gas und so…

 

Die schönste Zeit des Jahres

Wir sind nicht urlaubskompatibel, der Beste und ich. Der eine schreit „Meer!“, der andere „Berge!“ (oder allenfalls „Mehr Berge!“). Und diese Affinitäten sind bei uns auch noch extrem ausgeprägt.

Egal wo wir sind, wenn irgendwo am Horizont ein Hügel sichtbar ist, am besten noch mit einer schneebedeckten oder qualmenden Kuppe: „Oh! Das ist aber schön! Da will ich hin!“ (Er). Ein Maulwurfhügel im Garten und er steigt ganz sicher drauf: „Erstbegehung!“.

Mich zieht´s zum Wasser. Ich bin meersüchtig. Ich kenne zwar ein paar Weltmeere (vom Strand aus), aber mein Lieblingsmeerchen ist ganz klar die Ostsee. Wenn ich denn mal da bin, stolpere ich glückstaumelnd an den Strand wie ein Wüstenwanderer in eine Oase, schmeiße mich in den Sand, streichle den wundervollen Untergrund, starre grenzdebil aufs Wasser…und tauche ein in Transzendenz! Ich brauche nichts, ich denke nichts, ich atme, ich bin, ich bin vollkommen seelig… Bis ein Schatten meinen Blick verdunkelt: „Hier isses langweilig! Kein Berg! Nicht mal´n Hügel! Und was is´n das für Zeug in dem Ikea-Beutel?! Steine?! Vierzig Kilo Steine? Oh nein, sag mir nicht, das willst du mitnehmen! Unser Zuhause sieht jetzt schon aus wie Stonehenge!“.

Urlaubsfoto von ihr

Urlaubsfoto von ihr

Ich habe im Gegenzug für ein paar Steine vom Strand ungezählte Urlaube in den Bergen hinter mich gebracht, adrenalinbesoffen und stinkend vor Angstschweiß an mindestens fünfzig Zentimeter hohen Abgründen entlanggehangelt, hysterisch schreiend, der Arschlochvater solle gefälligst das Kind mit seinem Gürtel sichern und in abrissreifen Bruchbuden („Sie haben eine wahnsinnstolle Sicht auf die Berge!“) mit einem verbeulten Topf ohne Henkel und einem rostigen Wok Essen gekocht. Ich habe mich zwölftausendmal verlaufen mit dem Bergsüchtigen, der behauptet, er könne Karten lesen. Oder „aus Versehen“ das Navi vergessen hat mitzunehmen um den Challenge-Charakter des Ausfluges zu erhöhen. Bin mit Wurstschnitten im Rucksack durch Wälder, Gebirge und Steinshaufen gekraxelt um den wundervollen, anbetungswürdigen Mann, den ich geheiratet habe, glücklich zu machen. „Wenn ich hier jemals lebend aus diesem gottverfluchten, verfickten Scheißwald rauskomme lass ich mich scheiden! An der nächsten Wegkreuzung!“.

Wir verreisen jetzt getrennt. Nicht immer, aber öfter.

Alle zwei Jahre packt der Beste seinen Rucksack und seine Kumpels und dann stapfen die durch irgendwelche Dschungel am anderen Ende der Welt. Steigen auf Vulkane oder Gletscher, schlafen in Zelten auf Bergen oder in finstren Gegenden, reisen und speisen wie die Einheimischen und wechseln drehen nur alle paar Tage ihre „Schlübber“ auf links.

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Urlaubsfoto von ihm

Und ich finde das wundervoll! Wenn er nach ein paar Wochen im Nirgendwo und genug Bohnensuppe intus, um meine überragenden Kochkünste wieder schätzen zu können, heimkommt…dann habe ich Herzklopfen! Muffensausen wie eine Siebzehnjährige!

Zum Flughafen schaffe ich einen Schreibtischtäter mit zarten Händen und empfindlicher Haut und ein paar Wochen später spuckt mir der Flughafen einen braungebrannten, vollbärtigen Weltbezwinger aus mit Pranken zum Bärentöten und einem Blick, der sagt, dass er das auf der Stelle tun würde, sollte jetzt ein Bär auftauchen und sich zwischen ihn und mich und den heißesten Kuss der Welt stellen! Und wenn wir irgendwann aufgehört haben zu knutschen, zeigt er mir Bilder und Videos und seine Begeisterung schwappt rüber zu mir und mein Stolz auf ihn rüber zu ihm…und so geht das hin und her. Das ist wie eine Frischekur für unsere Ehe. Während der Trennungszeit schreiben wir uns Liebesbriefe (Na gut! Mails!) und sehnen uns nach einander. Ich mag Vermissen! Zumal das Sehnen mit dem Vergessen der Macken des anderen einhergeht. Je länger er weg ist, umso toller und Superman-mäßiger wird er.

Es gibt allerdings Stimmen im Umfeld, die offen sagen, sie fänden das indiskutabel! Der Mann hat Familie! Und Verantwortung! Wie kann der seine Frau mit den Kindern wochenlang alleine lassen um seinen Spaß zu haben (Und wie kannst du als Frau derartige Faxen unterstützen?! Wenn das nun alle machen wöllten!).

Richtig. Er hat Verantwortung! Und zwar in erster Linie für sich und sein Wohlbefinden. Genau wie ich. Uns gefällt die Idee einer Partnerschaft, in der Individualbedürfnisse nicht hinter dem Kollektivbedürfnis zurückstecken müssen. Ich kann das machen, WEIL ich mit dir zusammen bin und du meine Träume unterstützt. Auch wenn es nicht deine Träume sind. Träume haben wir alle und auf vielen Sinnspruchkarten steht gern auch der Wunsch nach …Mut, sie zu verwirklichen… Ist es nicht schön, wenn man nicht nur den Mut dazu hat, sondern auch jemanden an der Seite, der einen nicht bremst sondern bestärkt? Wenn man dadurch lernt, dass Träume keine Schäume sondern Pläne in einer Grobkonzeptionsphase sind? Und dass dieser Mensch auch stark genug ist zu sagen, ich brauche dich, aber in erster Linie möchte ich, dass du glücklich bist! Tu, was dafür nötig ist und sag mir, wie ich dich unterstützen kann.

Und er träumt nun mal von Semeru, Krakatau, Nanga Parbat und Machu Picchu (Gesundheit!). Ich will da nicht hin! Aber warum sollte er das dann lassen?! Im Gegenzug nimmt er Urlaubstage und fährt babysittend mehrmals täglich durch die Stadt um mir das Kind zum Stillen zu bringen, weil ich mir zum Beispiel in den Kopf setze, im Wochenbett noch eine Ausbildung mit unklarer Zukunftsperspektive beginnen zu müssen. Und zwar selbstverständlich!

Ich träume ganz bestimmt bald wieder von der Ostsee. Und von Steinen. Einem Ikea-Beutel voller Strandgut. Da muss er dann durch. Immerhin könnte es durchaus schlimmer kommen: Ich könnte ja schließlich auch von einem Trantra-Seminar auf Goa träumen oder ein Sonnenstudio eröffnen wollen oder eine Agentur für männliche Nacktputzer. Oder mit ihm einen Walzerkurs belegen wollen…

Und ihr, macht mit euren Träumen was ihr wollt! Und habt die schönste Zeit des Jahres. Am besten jetzt.