#blogfamilia Teil 2 – Die Familienbloggerfamilie

„Wie ist das eigentlich, erkennt ihr euch oder habt ihr alle Namensschilder um? Wie muss ich mir das vorstellen?“, fragt der Nachbar beim Grillen.

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Hm, ich habe mich nie gefragt, wie sich das so für euch darstellt. Da sieht man dann Fotos bei Instagram oder Facebook, wo sie die Köpfe zusammenstecken, diese Elternblogger. Aber wie finden die sich? Und wie kommen die in Kontakt? Gibts da ne Vorstellungsrunde wo jeder sagt, wer er ist?

Nein. Die braucht es nicht. Und ja, wir erkennen uns und ja, wir tragen Namensschilder! (guck mal auf das Bild rechts)

Viele der schreibenden Eltern erkennt man sowieso, wenn sie Fotos von sich auf ihren Blogs haben und manchmal stolpert man auch auf ein Namensschild zu: „Du bist das Gesicht hinter Glücklich scheitern?! Wie schön, dich kennenzulernen!“.

Wie auch im letzten Jahr bin ich zutiefst beeindruckt, wie spontan und herzlich aufeinander zugegangen wird. Niemand steht allein, überall Grüppchen lachender, sich in inniger Zugewandtheit miteinander unterhaltender Menschen, die sich oft nur wenige Minuten vorher kennengelernt haben. Doch stopp, ist das so?

Vielleicht ist das das Geheimnis. Selbst wenn du den Menschen hinter dem Blog zum ersten Mal siehst, hast du ja bereits ein „Bild“ von ihm, weißt über viele seiner Ansichten und Erlebnisse das, was er davon preisgeben wollte. Ist er dir nah auf eine vertraute Art. Und gerade wenn man über „Familie“ schreibt, macht jeder Schreibende „auf“, lässt den Leser ein Stück weit teilhaben an seiner Gefühlswelt. Es gibt also schon eine Verbindung, bevor man diesen Schreibenden das erste mal in den Arm nimmt. Vielleicht fällt auch diese offene Herzlichkeit so leicht, wenn man im Gegenüber jemanden erkennt, dem man sich ebenso nah fühlt durch dessen Blog.IMG_1689

Und so ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass das Verblüffendste und gleichzeitig Normalste der Welt für mich das absolute Fehlen von Small Talk ist. Es gibt keine peinlichen Pausen, kein: „Und? Bei euch auch schönes Wetter?“. Jedes Gespräch, das ich geführt habe, hatte Themen und Inhalte. Wie unter langjährigen Freunden, die sich lange nicht gesehen haben.

Wir haben uns ausgetauscht, wo wer einen Schwangerschaftstest gemacht hat (Dominikanische Republik, Klo beim Zahnarzt), wo wer seinen späteren Mann kennengelernt hat (Paarship, bester Kumpel, Führerscheinnachschulung für alkoholauffällige Fahranfänger). Wir haben über die Besonderheiten der Kinder gesprochen, über Vereinbarkeit, Kinderkrankheiten, flatternde Nerven. Wir haben laut darüber nachgedacht, wie man die Besonderheiten im Leben mit pubertierenden Kindern vertexten kann, ohne diese bloßzustellen und dennoch einen informativen Mehrwert für den Leser bieten zu können. Es wurde über Lohnarbeit gesprochen, über ganz persönliche Belange. Eine bunte Bandbreite, ganz wie bei jedem anderen Treffen mit lieben Freunden, die Eltern sind, auch.

Dabei sind wir ein bunter, durchmischter Haufen, der unterschiedlicher kaum sein könnte! Von Mitte zwanzig bis Mitte Vierzig. Aus allen Himmelsrichtungen Deutschlands und auch aus Österreich und der Schweiz. Groß, klein, füllig, drahtig, bunt, schwarzweiß, ernst und thematisch ausgerichtet oder lustig und mit hohem Spaßfaktor. Die einzige durchgängige Schnittmenge ist die Existenz von Kindern und einem Blog bei jedem von uns.

Und dennoch.

So viel Nähe.

So viel „Wir“.IMG_1705

Es wurden die Babybäuche bewundert, die im letzten Jahr noch nicht da waren. Nämlich zum Beispiel die von Alu, Susanne, Bettie, Jette.

Und es war schwer sich zu verabschieden! Carola mit ihrer unglaublich herzlichen und zugleich zarten Art. Feinfühlig und leise anstatt laut. Kerstin, in deren Schuhen ich nicht einen halben Tag bestehen würde und die so würdevoll und mit einer charmanten unkoketten Art von sich erzählt und trotz dreier Kleinkinder noch einen wachen Blick auf die Welt hat. Lisa, die mich vor Freude über unser Wiedersehen in die Luft gehoben hat! Verena, auf die ich mich so sehr gefreut hatte und die in echt genauso liebenswert wie ihr Blog ist. Die unverwechselbare und sagenhafte Béa. Silke, die mir mich mit ihrem Blog für junge Vierziger so anspricht. Anna, der ich mit geschlossenen Augen beim Vorlesen eines Telefonbuches lauschen könnte, weil sie nicht nur eine wunderbare schriftliche Erzählsprache hat, sondern auch verbal. Die unbeschreibliche Rike, die nicht nur wunderschön, sondern auch noch klug, witzig und herzlich ist! Anneliese, die nicht nur witzig kann, sondern auch kluge einfühlsame Worte findet jenseits von Pathos. Nadine, die mich mit ihrem Lachen und ihrer Herzlichkeit einfach über den Haufen gerannt hat. Head over heels… Mein persönliches Feuerwerk ist Nina gewesen. Sehnsüchtig wie es nur echte Fans können hatte ich mich auf sie gefreut und ich kann mir nicht vorstellen, dass es an diesem Tag auch nur einen einzigen Menschen gegeben hat, dessen Herz sie nicht im Sturm erobert hat! Und mit Krachbumm, Kapeng! Tschakkalakka, hier bin ich! Tusch und Applaus! Der Fanfarenchor: Bitte jetzt! Die Frau ist eine Naturgewalt in Elfengestalt. Ach, und meine „Die Eine“… Von der war der Abschied wieder am schwersten.

So viele tolle Menschen. Ich könnte unendlich weitermachen mit der Aufzählung!

Ich habe mich gefreut, Jessi, Sonja, Séverine, Alu und Konsti wiederzusehen und habe Liz, Nina, Vivi, Simone und JuSu vermisst. Besonders gefreut habe ich mich auf und über Doc Ghee von „Ich bin dein Vater“ und Christian vom Familienbetrieb, der für meinen Aufenthalt den Herbergsvater gespielt hat und in dessen Familie ich mich sofort adoptieren lassen würde.

Die Menschen waren das Beste, habe ich dem Nachbarn beim Grillen erzählt. Und wisst ihr warum? Sie sind wie ihre Blogs. Authentizität ist wohl oft ein Thema beim Bloggen. Die Blogger, mit denen ich mich unterhalten habe, habe ich alle „erkannt“.

Einhundertfünfundzwanzig Menschen haben sich getroffen auf der diesjährigen Blogfamilia und ganz viele werden mit neuen Freunden im Herzen nach Hause gefahren sein. So wie ich. Ich glaube, wir sind etwas besonderes. Wir schreiben nicht nur über Familie, wir sind Familie.

Von der Veranstaltung selbst erzähle ich euch morgen…

 

 

 

 

 

#blogfamilia Teil 1 – Berliner Gefühle

Gestern Abend fragen die Nachbarn beim Grillen: „Und? wie war´s in Berlin?“. Ich nicke. Und sage: „Ich will nicht drüber reden. Ich will das nicht teilen. Noch nicht. Nicht heute.“.

Ich bin noch voll Berlin…

In der vergangenen Woche hatte ich jeden Tag Migräne. Vierundzwanzig Stunden akut mit Doppelbildern, Übelkeit und Schwindel. Danach einen Tag mit diesem Katergefühl, wenn sie wieder abklingt. Und tags darauf ging das Spielchen wieder von vorn los. Ich habe mich gedopt, versucht zu schonen, hinterfragt. Stresst mich etwas? Was? Wie kann man das auflösen? Keine Ahnung.

Noch am Blogfamilia-Morgen schmiss ich mir Ibu´s rein und ließ mich zur Busstation fahren. Arschknapp, ohne Zahnbürste, dafür mit angemotzter Familie und einem Kerl, der mich darauf hinwies, dass wir superspät dran wären (was meine Schuld sei), und der dann trotzdem Umwege fuhr bis die in Berlin zu Erwartende dem Wahnsinn völlig anheimfiel und sich vor Wut auf dem Beifahrersitz gebährdete wie bei einer Teufelsaustreibung. (Weil, der kürzesten Weg, du, da sind die Straßen aber so schlecht. Da fahrn wir eben noch mal kurz zwölf Kilometer außen rum. Kann er ja nichts dafür, dass ich im Vorfeld so lange brauchte, um in die Hufe zu kommen.).

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Abgehetzter Berlin-Linienbus-Passagier mit Käsekuchen in der Tasche. Aber ohne Zahnbürste.

Ankunft Alexanderplatz. Hitze, laut, Menschenmassen, heiß, Gepäck schwer, welcher U-Bahn-Zugang?! Scheiße, Scheiße, keine Ahnung, keinen Plan. Gänge, Gänge, Gänge, Menschen, noch mehr Menschen, mein armer Kopf…

Dann verlaufen, Straße hoch, Straße runter, noch mal. Ich find das nicht! Ach doch, hier isses. Isses hier? Bin ich richtig? Diese irre große Stadt ist nichts für mich Provinzmädchen. Mensch, dieser Koffer! Treppen hoch. Ich bin bestimmt falsch. Hier isses nicht. Und der Schweiß läuft an mir runter! Am besten, ich dreh wieder um. Der Kuchen ist auch hinüber und überhaupt: Wer schleppt einen Kuchen nach Berlin?! Hallo? Was für ne saublöde Idee. Ach guck mal, da sind Leute… da vorn, die kenn ich doch…

Ich mag ja keine Menschenmassen. Menschenansammlungen größer drei Personen strapazieren mich. Ich fühle mich reizüberflutet, befürchte, im Gespräch die Hälfte nicht und die andere Hälfte falsch zu verstehen. Ich mag Menschen am liebsten in homöopathischen Dosen.

Dort anzukommen und sich in diese Menge zu mischen ist wie ins-Meer-gehen gewesen. Ein vorsichtiger Schritt, ein zweiter, und dann habe ich mich auf den Rücken geworfen und von den Wellen treiben lassen. Und alles war schön!

Alles war leicht. Alles freundlich, fröhlich, übermütig, glücklich. Unverkrampft. Ich entkrampfte auch. Schöne Menschen, echtes Lachen, warme Umarmungen und ein Gefühl von Angenommenheit schwabberten um mich herum. In den kommenden Stunden lachte ich laut und dreckig, haute mir auf die Schenkel, wuselte durch den Haufen und dachte keine Sekunde darüber nach, ob meine Art zu laut oder hektisch wirkte, mein Teint fettig glänzte oder meine Haare doof aussahen. Ach, und die Kopfschmerzen waren auch weg! Sieh an.

Nachts schlief ich in einem geliehenem Kinderzimmer mit Vorhängen voller wunderschöner grüner Tulpen und zum ersten Mal seit Jahren mit offenem Fenster. Morgens weckte mich das Rumpeln von Mülltonnen. Keine grölenden Besoffenen nachts, kein Verkehrslärm. Berlin, du sanfte Schlafhüterin.

Morgens der Blick in so herzliche Berliner Gesichter und ein wunderbares Frühstück und ein viel zu kurzes Berliner Frühstücksgespräch. Warmer Kaffee, warme Athmosphäre, keine Hektik. Nur Sein. Pur. Echt und unverstellt. Ich will nicht gehen! Ich will auch Berlin sein…

Ich muss gehen. Auf dem Weg zurück zur Location des Vortages sitzen die Gestalten der Nacht müde blinzelnd in der Morgensonne, während ich einen Cappuchino und ein warmes Vanillecroissant ordere. Beides schmeckt wie eine Offenbahrung. Wie das Frühstück nach einer unglaublichen Liebesnacht.

Ich sitze den Vormittag in der Sonne und beobachte schöne Menschen, die in der schönen Berliner Sonne flanieren. Ich strecke die Beine aus und rauche und fühle mich gelassen und friedlich und entspannt wie seit langem nicht.

Irgendwann komme ich mit einer Veranstalterin vor Ort ins Gespräch. Immer wieder wandern meine Blicke an dieser wunderbunten Frau entlang. Tättowierungen in allen Farben des Regenbogens, ein Rockabilly-Kleid, blauschwarz gefärbte Helmfrisur und ein wilder Lidstrich. „Ich muss sie immerzu ansehen. Sie sind wunderschön! Und dieses Kleid…“, bricht es wahrheitsgemäß aus mir heraus. Sie sieht mich liebevoll an. Sie ist Berlin. In Dresden bin ich mit sechsundvierzig Jahren zu alt für Miniröcke und Kirschohrringe, egal, wie jung mein Mädchenherz und meine Seele sind. Und hier in Berlin steht diese bunte zauberhafte Frau vor mir, mit unschätzbarem Alter zwischen vierzig und sechzig und zeigt der Welt einfach ihre junge, bunte Seele.

Ich will nicht fahren.

Als der Bus heimwärts an der Berliner Mauer entlang fährt, denke ich über Mauern nach. Echte, gefühlte. Mauern im kopf, im Denken. Und über die wunderbaren Dinge, die passieren können, wenn sie fallen, die Mauern. IMG_1691

Berlin, du Lehrmeisterin!

Daheim stehe ich an der Straßenbahn und sehe missmutige Menschen mit Bierflaschen als Accessoires in der Hand. Und unfreundlichen Gesichtern. Die sind eindeutig nicht Berlin!

Am nächsten Morgen schneidet mir ein Mann beim Aldi die Vorfahrt, rennt vor meinen vollen Einkaufswagen und bleibt aprupt davor stehen um sich irgendein Obst anzuschauen. „Boar, Mann, ey! Kommst du klar?!“, schnauze ich den an. Ich bin unentspannt. Ich bin nicht Berlin…

Ich will mir das Gefühl erhalten, mich erinnern. Ich will ein bisschen Berlin bleiben. Und das mit den Mauern… wichtig.

Berlin, Berlin!

„Was war das Schönste dort auf dieser Veranstaltung?“, fragt der Nachbar beim Grillen. „Die Menschen!“, antworte ich sofort.

Und von denen erzähle ich euch morgen…

 

 

 

 

 

 

 

Wenn einer eine Reise tut…

… dann schaue ich mir im Nachgang gern die Fotos an.

Ich mag auch Internet- und TV-Reisen. Ich sitze mit Schokorosinen und einem Eiseimer in meiner Couchecke und erlebe hautnah wilde Tiere und die dollsten Abenteuer! Aber ich muss da nicht selbst hin. Wirklich nicht.

Wobei ich ferne Länder und nahe Gebirgszüge durchaus reizvoll finden könnte, nur, das Reisen beinhaltet ja stets, man muss erst mal dahin reisen… Und da liegt die Krux.

Ich fliege nicht gern. Kann man von mir sagen. Das sagen auch andere Menschen von sich, ich bin also in guter Gesellschaft. Nur mit dem Unterschied, dass die meisten anderen Menschen sich trotz Angst noch benehmen können. Ich nicht! Bei unserer Hochzeitsreise war ich durch den Hinflug (auf den ich mich irgendwie noch einlassen konnte) so traumatisiert, dass ich während des kompletten Urlaubs permanent wiederholte: „Aber ich steige nicht wieder in dieses Flugzeug! Damit Du´s weißt!“. Der frisch Angetraute hat das schlichtweg ausgesessen ohne alternative Rückreisemöglichkeiten zu sondieren und wäre beinahe schon in der Fremde aufgrund seelischer Grausamkeit von mir zwangsgeschieden worden. Es begab sich also die Situation, dass ich mich zwar immer noch weigerte, als wir bereits zum Boarding aufgerufen waren, dann aber wenigstens in Kaffeebohnen diese Röhre des Todes erklomm, die ganze Zeit flehend, man möge doch bitte ein Boot finden, um mich heimzubringen! Ein Fahrrad. Ich laufe auch! Nichts da. Zitternd wie Espenlaub wurde ich dann von dem Flugpersonal und meinem Ehemann quasi in diese Fischbüchse gezogen und geschoben (in der bereits alle anderen Passagiere genervt warteten). Kaum war ich drin, machte ich mich los und rannte wieder raus! Bettelte erneut, trotzte, behauptete, ganz sicher auf der Stelle einen Herzinfarkt zu bekommen und durfte/ musste dann an dem Außentürchen der Röhre eine Fluppe durchziehen. Zitternd wegexen bis zum Filter. Dann war mir schwindlig genug, dass ich mich in das Stahlschwein reinbugsieren ließ. Ich bin nicht abgestürzt. Für alle weiteren Flüge vertraue ich seitdem auf ein niedrigdosiertes Valium. Klappt. Nur leider nicht im Businesskontext, denn wenn man eine Stunde nach Bonn fliegt und dann dort noch zwei Stunden später im Meeting grinsend Blümchen ans Flipchart malt, ist das eher kontraproduktiv.

Dann also PKW. Geht aber auch nicht. Aus (in meinen Augen) plausiblen Gründen bilde ich mir ein, bei jeder Autobahnfahrt dem sicheren Tod durch rempelnde LKWs ausgesetzt zu sein. Selbst als Beifahrer bin ich eine maximale Katastrophe! Ich sitze schweißgebadet in meinem Sitz, die Hände in irgendwelchen Griffen und Tempotaschentüchern verkrallt und lasse die angstvoll geweiteten Augen über meine Familie gleiten, als sähe ich diese zum letzten Mal und verkünde mit dünnem Stimmchen: „Wenigstens sterben wir alle zusammen!“. Das ist meine Rolle. Das mache ich. Immer. Und der Geduldige muss stets ganz rechts fahren und maximal achtzig (Macht er nicht. Die Sau!).

Wenn ich dienstlich verreisen sollte, war also stets die Bahn das Mittel der Wahl. Aber irgendwas ist mit meinem Karma nicht in Ordnung, meine Aura hängt schief und womöglich muss ich mir mal meine Chakren aus-channeln lassen… Es muss an mir liegen. Irgendwas ist nämlich immer! Einmal brannte die Lok, mitten auf dem Feld. Deswegen (oder wegen dem durchs Löschen entstandenen Wasserschaden) fiel die Elektronik aus und wir standen dann Stunden im Geisterzug in der Uckermarck. Ein anderes Mal gabs einen tragischen Personenschaden, der (wiederum auf einem Feld) zum Zwangsstopp führte und einen vollbesetzten Zug in der Sommerhitze ohne Klimaanlage zum Kochen brachte. Unterstützt duch folgende Durchsagen: „Die Feuerwehr ist jetzt da, die Lok wird abgespritzt!“, „Der Seelsorger betritt jetzt den Zug!“, und: „Der Lokführer wird noch ausgetauscht und dann fahren wir weiter.“ Also pro Wartestunde eine Durchsage.

Im Winter ist es aber auch nicht besser! Ich saß schon in einem Zug von Berlin heimwärts, als ein Schneeschauer die Schranken auf der Strecke lahmgelegt hatte. Tuuut tuuut! Mit zwanzig Km/h und laut dauertutend tuckerten wir durch die verwehte Landschaft. Tuuut tuuut! An jedem Bahnübergang stellte ich mir vor, wie aus der kreuzenden Richtung auch gerade ein fröhlich dauertutender Zug daherkommt. Tuuut tuuut! Und bumms! Ist nicht passiert, aber hätte.

Bumms gemacht hat es aber bei meinem Testversuch mit dem Reisebus. Letzte Woche. Wobei ich sagen muss, dass ich nach der Hinfahrt ein begeisterter Fan war! Preislich nicht zu toppen, schnell, bequem, sauber und in netter studentischer Gesellschaft bin ich nach Berlin gefahren. Aber ich musste ja auch wieder zurück und man soll eine Reise nie vor der absolvierten Heimreise loben! Am Alexanderplatz pünktlich gestartet, war die Reise bereits nach einem (!) Kilometer für zwei Stunden unterbrochen, inklusive überlaufendem Klo, das dann gesperrt wurde. Totem Akku und zur Neige gehender Schweizer Schokoladenvorräte meinerseits ebenso. Bombenstimmung im Bus!

Es liegt an mir. Es muss einfach an mir liegen! Aus diesem Grund habe ich beschlossen, ab sofort stets die Mitreisenden zu warnen:

„Mein Name ist Henrike und ich beabsichtige dieses Verkehrsmittel zu benutzen. Sollten sie kein ausgewiesenes Interesse an unvohergesehenen Unterbrechungen mit zweifelhaftem Unterhaltungswert haben oder eine Anschlussverbindung erreichen müssen, bitte ich sie in ihrem eigenen Interesse, alternative Reisemöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Ich danke für ihr Verständnis!“

Wer wissen will, warum ich in Berlin war und wie das dort so war, dessen Neugier wird hier gestillt:

Hex Hex

Weddingerberg

Mama on the rocks

 

Liebeserklärung

… an einen bestimmten Ort auf der Welt, wo man „ditte“ sagt und damit keine Frauenbrust meint.

Die Sachsen und die Preußen haben ein schwieriges Verhältnis zueinander. Warum, wieso, weshalb, die Geschichtsbücher sind voll und beim Deutschlandradiokultur kann man dazu auch noch nachlesen, wenn man möchte.

Ich allerdings bin seit Kindheitstagen einer schwärmerischen Verliebtheit gegenüber Berlin aufgesessen. So von weitem zumindest.

„Sind wir schon in Berlin?“, lautet meine Frage bei jeder Autofahrt in Richtung Ostsee. Also ab circa fünf Kilometer hinter Radeberg. „Aber jetzt sind wir in Berlin, oder?“, bin ich spätestens am Senftenberger See sicher.

Berlin, Berlin. Schon zu DDR-Zeiten war dort alles viel wunderbarer als bei uns. Die hatten sogar Kakao im Tetrapack. Das muss man sich mal vorstellen! Und der VEB Jugendmode schickte stets die besten Klamotten ins Centrum-Warenhaus auf den Alexanderplatz. Ich fand alles ganz toll! Die Tiere im Berliner Zoo waren toller als die in Dresden und später, während meiner Sturm-und-Drang-und-keine-Macht-für-niemanden-Zeit in den Achtzigern, wo fanden wohl die besten, coolsten Punkkonzerte der Republik statt? Rüschtüsch.

Meine Cousine hatte sogar eine Cousine in Berlin. Ihr Vater und meine Mutter sind Geschwister und ihre Mutter kam aus Berlin, hatte eine Schwester dort und diese eine Tochter, die dann aufgrund der soeben beschriebenen Umstände zur Berliner Cousine meiner Dresdner Cousine wurde (Es war schwierig für mich zu verstehen, dass das nicht auch meine Verwandte war und ich bedauerte dies sehr.). Durch diese Berliner Cousine kamen Kassetten mit Musik in die sächsische Provinz, von der hier noch niemand was gehört hatte. Oder erst viel später, wie zum Beispiel die NDW. Alles, was aus Berlin kam, war irgendwie cooler. Lässiger. Eben knorke.

Und die Leute sind auch viel cooler, wa?

Vor ein paar Jahren hatte ich im Rahmen eines Projektes mit Berliner Kollegen zu tun. Am Anfang war das anstrengend. Die waren viel kommunikativer als ich. Auch viel jünger (Wahrscheinlich war das der eigentliche Grund und nicht die Verortung in der Hauptstadt.). Ständig poppte irgendein Fenster von Sync, Skype oder WhatsApp auf mit: „Na? Allet schick?“, oder das Telefon piepte, weil sich jemand aus Berlin unterhalten wollte. Ich kam kaum zum Arbeiten! Das war sehr gewöhnungsbedürftig. Die Berliner waren auch ständig in irgendeinem „Call“. Ich hatte ab und zu eine Telefonkonferenz oder kurz: TelKo, aber „Calls“ hatte ich keine. Telefonkonferenz versus Call, man merkt schon an der Begrifflichkeit, dass die wirklich hipper waren.

Aber ich liebte die Tage Vorort in Berlin! Wenn ich auf dem Hauptbahnhof ankam, betrat ich eine andere Welt. Lauter, voller, größer. Dann die Taxifahrt zum Office (Die Berliner arbeiteten in keinem Büro, die hatten ein Office.), ich zitternd auf der Rückbank, beide Hände am Angstgriff, „Ohgottohgottohgott!“-flehend, sicher, die Autofahrt nicht zu überleben. In Berlin Taxi zu fahren ist für mich, als hätte mich einer in ein Computerspiel reingedingst (Ich kenne mich leider gar nicht aus mit sowas, „ The race“ wäre ein passender Name.). Aber von vorn kam ganz bestimmt ein tröstendes: „Keene Angst, kleenet Frollein!“. Taxifahrer müssen in Berlin wahrscheinlich einen speziellen Kurs absolvieren, so kann ganz sicher nicht jeder Auto fahren! Ich könnte mir vorstellen, dass es einen Witz unter Berliner Taxifahrern gibt, der in etwa so gehen könnte: „Du, der Didi, der hat sich zur Ruhe gesetzt. Ick gloobe, der fährt jetzt in Dresden!“.

Ich bin immer gut angekommen. Nur angstschweißtriefend.

Im Berliner Office war auch immer alles viel cooler als im Dresdner Büro. Und die Leute so lässig entspannt! Null gehetzt. Chillig. Mach ma locker, ey. Ich fand das toll. Gut, so richtig zum Arbeiten bin ich da dann auch nicht gekommen, aber zum Staunen. Kaum biste da, geht’s ja auch gleich wieder zum Lunch. Ich geh in Dresden zum Mittagessen, in Berlin gehste eben lunchen. „Wo gehn wa hin? Koreaner, Inder? Magst du Tajine? Lieber thailändisch oder Pizza?“.

Also, ich hab noch nie Tajine gegessen. Ich musste jetzt auch erst mal bei Google nachgucken, wie das geschrieben wird. Berlin macht mich auch kulinarisch zur Provinzschnepfe. Und dann gehen wir los. Nur so die engsten fünfzehn, zwanzig Kollegen. Also nicht direkt gehen, schnurstracks mit Zeitdruck verbunden. Mehr so lässig, schlendernd. Und es ist immer schönes Wetter! Stets Frühling oder angenehm temperierter Sommer. Ich war noch nie bei Scheißwetter in Berlin (Wahrscheinlich ham die gar kein Scheißwetter, wa?! Nur wir! Das ist mal wieder typisch!). Egal, wir schlendern und flanieren durch hippe Gegenden mit hippen Leuten, die große Mützen und Sonnenbrillen und Chinos mit Pofreiheit tragen (oder was eben grad so angesagt ist bei Hauptstädtern unter vierzig) und allet schick. Und wenn in den zwei, drei Stunden, die der Lunch-Spaziergang so dauert, ein „Call“ ansteht, dann wird der eben im Gehen mit den Knöbbeln im Ohr (Weiß nicht, wie das auf preußisch heißt. Kopfhörer?) absolviert. Entspannt. Hände in den Taschen.

Das ist alles so… so arschcool! Ich will das auch. Ich will auch ein bisschen Berlin sein! Tausche sächsische Gemietlischkeet gegen Berliner Coolness. Wa?!

Kommste dann heeme aus der großen Stadt und stapfst in Dresden aus dem Hauptbahnhof, dann ist alles irgendwie slomo. Und keiner auf der Straße! Also nur so ganz wenige Leute. Das Auge ist an die gemietlische Kleenstadt nicht mehr gewöhnt. Und das Beste ist dann immer die Taxifahrt vom Bahnhof nach Hause. Gefühlt fährt der Dresdner Taxifahrer dreißig Km/h und stets rechts (Also, wenn man gerade aus Berlin kommt.). Und wehe, du sagst, du hättest es eilig! „Immer mit dor Ruhe! Isch lasse misch dor hier ni hetzen! Dann gönnse glei loofn!“. Ja, cool können wir auch…

Alles was aus Berlin kommt, ist wunderbar. Auch die Berliner Blogs sind cool. Und die Blogger alle lässig. Machen Bloggertreffen und Events. Da kiekste als Dresdner in die Röhre, wa?! Sowas gibt’s hier nicht.

Also noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht im Sommer 2015? Mit Dresdner Eierschecke und Tajine? Gemietlischkeet meets Coolness?! Das wäre doch nett, oder? Arschcool wäre das!