Wurzelschaden

Ich bin ja so oft umgezogen, dass ich einfach bei achtzehn aufgehört habe zu zählen. In manchem Jahr bin ich sogar mehrmals umgezogen, mit leichtem Gepäck. Keiner weiß mehr genau, an welche Wohnungstüren ich überall mal meinen Namen drangepappt habe. Ich am Allerwenigsten!

Nun, das f*cking Alter, werde ich wunderlich. Ich habe das Bedürfnis, Rosenstöcke vor die Haustür zu stellen und ein selbstgetöpfertes Türschild anzubringen (Du lieber Himmel!). Ich möchte wurzeln. Ankommen und bleiben. Ich fürchte, demnächst finde ich auch noch Gefallen an der Farbe Beige und Besuchen im Möbelhaus. Mir graust.

Pieschen war für die letzten sechs Jahre unser Zuhause (Pieschen ist ein Stadtteil in Dresden, für die Neuen hier.). Pieschen ist, nun ja, was für Liebhaber. Ich war Liebhaber! Ich mag dieses Angeschlonzte, Verrotzte ja irgendwie. Aber für die Kinder wollte ich was anderes. Keine Spielplätze mit zerkloppten Bierflaschen im Sandkasten. Keine Kothaufen-Rallye auf den Fußwegen. Stattdessen Grün und Vögelgezwitscher. Elbnähe, und zwar auf der schöneren Seite der Elbe.

Aber mit dem Wünschen ist das ja so eine Sache. Die Anforderungen waren wohl zu unspezifisch, denn: Et voila! Wir wohnen nun in Elbnähe, inmitten von Ahörnern, Linden, Tannen und Robinien, Vögeln und efeuumwucherten Mäuerchen. Und Blasewitzern.

„Wer aus Pieschen wird verwiesen, zieht nach Blasewitz oder Striesen!“ (Pieschner Redensart)

Blasewitz („Blowjoke“, wie ein lieber Freund der Familie es titulierte) ist nicht witzig! Nein, eigentlich lacht darüber wirklich niemand in Dresden. Blasewitz ist elitär und wunderschön und kein bisschen witzig. Hier, vom Bombenhagel des letzten Weltkrieges verschont, stehen hochherrschaftliche Villen auf großzügigen Grundstücken mit altem Baumbestand. Keiner brüllt hier des Nächtens volltrunken irgendwelche Schmutzparolen durch die Straßen. Hier werden die Tore verschlossen, auch tagsüber. Nachts ist es still, nichts übertönt das Schnarchen des Bärtigen. Es ist wunderschön. Und still. Endlich Ruhe!

Dennoch habe ich einen Wurzelschaden. Ich komme nicht „an“.

Ich werde mich mit den kommenden Zeilen wohl auch nicht beliebter machen in Blowjoke, aber wer liest das denn schon! Hier lesen bestimmt eh alle nur die Wirtschaftswoche…

Die neue Nachbarin nennt mich manchmal „gnädige Frau“ und meint das durchaus nett. Wenn von anderen Nachbarn die Rede ist, wird die Berufsbezeichnung mit genannt („Der Musiker und die Anwältin…“; „Der Architekt und die Physikerin…“). Abends sieht man hier Herren mit Slippern an den Füßen, auf denen Quasten rumbaumeln und einem Kaschmirpulli leger um die Schultern geknotet. Die erste echte Frau mit aufgespritzen Lippen habe ich in Blasewitz gesehen und mit offenem Mund angestarrt. Ebenso Stiefel aus Schlangenleder, wobei ich mich damit wirklich nicht auskenne.

In Pieschen stehen auch am Wochenende Leute morgens vor der Trinkhalle. In Blasewitz ist man am Wochenende morgens auf dem Tennisplatz im Waldpark.

Man „trifft“ hier nicht einfach andere Mütter irgendwo. Wir wohnen jetzt seit einem halben Jahr hier vor uns hin, alleine. Gegenüber wohnt eine Familie mit vier Kindern, aber ich denke nicht, dass es gesellschaftlich etabliert ist, wenn ich dort klingeln würde mit den Worten: „Tach! Ich bin die Neue von gegenüber und das ist der Blondino. Wollt ihr nicht mal zum Spielen zu uns rüberkommen?“. In Pieschen wäre das kein Problem. In Blasewitz habe ich Ladehemmung. Jeder ist hier für sich in seinem Haus mit dem schönen großen Garten.  Mir fehlen meine früheren Nachbarinnen und ihre Kinder. Ich bin wohl ein bisschen einsam…

Vielleicht liegt das auch an meiner eigenen Aufzuchtphase.

Die frühen Jahre: Neustadtkind mit coolen Klamotten vor baufälliger Wohnsubstanz, circa 1973

Ich bin in der Dresdner Neustadt geboren. Zu einer Zeit, als die nicht hip war und keiner wusste, was ein Hipster ist. Wenn man damals die Tür zur „Erlenklause“ öffnete, guckten einen durch den obligaten gelben Nikotinschleier zehn Leute an mit zusammen hundert Zähnen in der Gusche und hundert Jahren Zuchthaus auf dem Buckel. Graue, dreckige Häuserschluchten mit erstem und zweitem Hinterhaus und kaum einem kümmerlichen Baum dazwischen. Das war die Neustadt! Also bevor die hip-pen jungen Leute kamen. Und vor ihnen der Helmut Kohl und die Wende…

Prießnitzstraße 48. Das Fenster über der Einfahrt war früher die Stube meiner Oma.

Die Kinder spielten in den Hinterhöfen oder in baufälligen Häusern (die eigentlich nie abgesperrt waren, also im Sinne von wirklich abgesperrt) oder Kellern oder einfach auf der Straße. Einen Garten vorm Haus hatte eigentlich niemand. Nein, nicht eigentlich. Niemand, den ich kannte, hatte einen Garten vorm Haus! Die meisten hatten noch nicht mal ein Auto vorm Haus. Später dann schon, nach vierzehn Jahren Sparen und Warten.

Als ich im zarten Alter von achtzehn Jahren wieder in die Neustadt zurückzog, sagte meine Mutter entrüstet: „Wir haben wirklich alles darangesetzt, dass wir dich aus dem Dreck rausholen können und du? Du ziehst freiwillig wieder dahin zurück?!“. Genau.

Heute bin ich nur noch selten da. Zu modern, zu voll, zu hip, zu… und dennoch. Ich erinnere mich an die Wohnung auf der Waldschlösschenstraße und die Badewanne

Letzte Woche war ich da und bin bewusst und alleine durch die Straßen geschlendert. Ich habe mich erinnert, wie (War es 1985? Später?) „Beat Street“ in der „Scheune“ aufgeführt wurde, rappelvoller Saal, alle hochemotional geladen. Wie sich immer mehr junge Leute mit bunten Haaren und verrückten Klamotten auf die Straße trauten, sich in der Neustadt die Hausbesetzer breitmachten und die ersten „Cafés“ einfach illegal eröffneten. Einige davon existieren noch heute, sogar unter ihrem ursprünglichen Namen.

In dem Hinterhäuschen wohnte die alte Frau Goldmann. Die hatte nur ein Zimmer mit Küche und kaum Zähne. Ich fürchtete mich sehr vor ihr! Einmal war meine Cousine Antje da und ich fühlte mich urst mutig, hab aus dem Küchenfenster gerufen: „Huhu, du alte Hexe!“. Leider hat meine Oma das gehört und ich musste runter zur Frau Goldmann, mich entschuldigen. Antje auch, obwohl die gar nichts gemacht hat. Und die alte Hexe? Hat uns eine Banane geschenkt. Eine BANANE!

Das linke Fenster mit dem Ast war das Zimmer, das meine Eltern mit mir bewohnt haben. Das Fenster rechts daneben gehörte zur Küche. Dort habe ich rausgeguckt und die arme Frau Goldmann… ihr wisst schon.

Ich erinnere mich an Konzerte. „Kaltfront“, „Die Freunde der italienischen Oper“. An zehn fremde Leute, die irgendwie bei mir auf dem Boden schliefen nach einem Konzertabend („Hey, haste ne Penne?!“, gängige Frage damals an jedem Wochenende). Ich erinnere mich auch an Abende, in denen ich ohne Kohle, ohne Fahrschein in einem Zug stand und nach Berlin fuhr. Auf irgendein Konzert. Und nein, es war nichts mit Geige oder Piano. Nie.

Heute wachsen Blumen vor Frau Goldmanns Häuschen. Das hätte ihr bestimmt gefallen. Mir jedenfalls gefällts.

Prießnitzstraße achtnfürtsch. Einen Steinwurf entfernt ist die Talstraße. Dort wohnte mein Schwiegervater, als er noch nicht mein Schwiegervater war und der in die gleiche Klassenstufe ging wie der Bruder meiner Mutter und irgendwann einen Sohn zeugte, der dann zwanzig Jahre später die Tochter der Schwester eines Schulkameraden… könnt ihr noch folgen? Genau, der Bärtige ist auch ein Neustadtkind. Der wurde aber erst geboren, als ich schon lange evakuiert war aus er dreckigen Neustadt und überhaupt habe ich mich damals noch nicht für Babies interessiert…

Früher habe ich manchmal scherzhaft gesagt, falls eines meiner Kinder so eine verrückte Jugend hinlegen sollte wie ich, sperre ich es ein. In einen Turm, einen hohen. Für so zehn, zwölf Jahre! Heute würde ich vermutlich dafür sorgen, dass er genug Kohle in der Tasche hat und meine Nummer abgespeichert. Und eine Bemmenbüchse in seinen Rucksack schmuggeln…

… Oder ihn einschließen!

Ich habe letzte Woche in der sauberen, freundlichen, schicken Neustadt gesessen und auf Mareice gewartet. Und ich mochte das dort. Es ist bunt, jung, laut. Ist die Neustadt authentisch? Pieschen ist echt. Pieschen ist das, was die Neustadt mal war. Wird dann Pieschen irgendwann die neue Neustadt? Hm. Gibt es bald gar keine drecksche Ecke mehr? Keine die aussieht wie „früher“?  Meine Mutter sagt: „Bloß gut!“, und: „…Dass du das alte verkommene Haus fotografiert hast! Nee, also wirklich, wie das aussieht!“. „Ja, aber genauso sah es damals doch aus!“, erwidere ich. „So haben wir doch gewohnt! Nur nicht so schön bunt. Man muss sich doch mal daran erinnern!“. Nein, muss man nicht, findet meine Mutter.

Doch, finde ich. Mir hilft das. So für die eigene Ortsbestimmung.

Mareice hätte auch überall sonst in Dresden lesen können, aber hierher hat sie allerdings besonders gepasst. In die Neustadt.

Als ich an dem Abend dann sehr spät mit dem Rad über die Albertbrücke auf die andere Elbseite fuhr und das „Blasewitz“-Schild passierte, hatte ich mich ein bisschen versöhnt. Blasewitz kann nichts dafür. Ich bin eben ein Neustadtkind. Sozialisiert zwar, aber dennoch.

Am Wochenende darauf saßen wir (Überraschung!) auf unserem Grundstück in Blasewitz rum, als von irgendwoher (zwei Grundstücke weiter die Straße runter, ich glaube, die Villa mit den roten Klinkern) Kindergelächter und Geschrei zu hören war. Und auf einmal ein kräftiges Niesen. Ich brüllte beherzt über alle Gartenzäune: „GESUUUUNDHEIT!“ (Voll peinlich, ey, als wären wir in Pieschen!).

Und wisst ihr was? Zurück kam ein: „DAAAANKE!““. Ich denke, ich werde dort mal klingeln.

„Tach! Ich bin die Neue aus der achtzehn. Ham sie neulich mal genießt im Garten? Und wolln sie mal zu uns zum Spielen rüberkommen? Sie oder die Kinder? Wir haben weder Titel noch Familienstammbaum oder Kaschmirpullover, dafür aber immer kaltes Bier. Also nicht für die Kinder! Wir könnten uns Blasewitze erzählen beim kalten Bier!“.

Ich arbeite noch an der Ansprache…

 

 

Tür 20 – Wortspuren

Anja schreibt auf Wortspuren über ihre Liebe zur Kalligrafie und zaubert dort mit diversen Gerätschaften und Tinten wahre Kunstwerke, die mich ins Staunen versetzen. Des Kleinsten Zimmer schmückt bei uns eines davon mit dem Titel „Nieselglück“ und ich erfreue mich täglich daran, wenn ich es ansehe. Außerdem gibt es wunderschöne Gartenpoesie bei Anja, Gekochtes, Gebackenes, Gerührtes. Alles mit einer entspannten Leichtigkeit und viel Liebe zum Detail. Für uns, für euch hat sie heute im Adventskalender Neujahrskarten kalligrafiert, die es als Gratisdownload gibt. Danke, liebe Anja, und euch viel Vergnügen beim Ausmalen, Verzieren, Verschicken und Freude bereiten!

Buchstabe für Buchstabe. Wort für Wort. Kalligrafie geht irgendwie immer. Zu Ostern. Zum
Geburtstag. Zu Weihnachten und zu Neujahr. Nur nicht zu Kaffee mit Koffein, das gibt immer
zittrige Linien. Wenn so eine Kalligrafie fertig ist sieht man ihr den Entstehungsprozess oft nicht an. Und schon gar nicht die Stunden, Tage, Jahre an denen man Übungsblätter gefüllt hat, Federn eingeschrieben, Tinte verkleckst und bunte Finger hatte. Und alles nur, damit es so schön einfach dahingeschrieben aussehen kann. Heute gibt es sogar Schreibgeräte die das Hantieren mit Feder und Tinte überflüssig machen und so kann eine Kalligrafie schon mal spontan am Küchentisch entstehen. Oder eben nicht so spontan. Bis ein Text in genau die Form passt, die man sich vorstellt bedarf es schon zwei, drei Probeblätter. Und weil bei mir traditionell Anfang Januar Post verschickt wird, habe ich das Gedicht »Zu Neujahr« von Wilhelm Busch kalligrafiert. Der hat übrigens vielmehr als nur die Bildergeschichten um Max und Moritz ersonnen.

Zu Neujahr

(von Wilhelm Busch)

Will das Glück nach seinem Sinn
Dir was Gutes schenken,
Sage Dank und nimm es hin
Ohne viel Bedenken.

Jede Gabe sei begrüßt,
Doch vor allen Dingen:
Das worum du dich bemühst,
Möge Dir gelingen.

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Von der Idee zum fertigen Kartenmotiv waren es nur ein paar Blätter. Immer schön im Kreis
schreiben. Feststellen, das nichts passt. Neu auszirkeln. Im Kreis schreiben. Hunde wegschicken, damit der Tisch nicht wackelt. Noch einmal auszirkeln. Werkzeug wechseln. Wieder im Kreis schreiben. Irgendwann passt es. Schönes Neujahrsfeuerwerk als Zierde ergänzen. Fast fertig. Nun nur noch das Ganze fein säuberlich und ohne Schreibfehler in Reinschrift ausführen. Und weil meine Kalligrafien am Küchentisch entstehen, leistete hier ein Pinselstift mit fester Spitze seine Schreibdienste.

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Nach dem Digitalisieren kann die Vorlage auf festem Papier (250g ist ideal) ausgedruckt und weiter bearbeitet und verziert werden. Zum Beispiel mit Farbstiften alle geschlossenen Buchstabenformen ausmalen. Oder Sterne aufkleben. Oder mit Glitzer verzaubern. Oder… da gibt es sicher noch viele Ideen. Weil Kalligrafie in unserem Land eher ein Nischendasein führt, aber jeder schöne Schrift bewundert, gibt es die Vorlage für meine Neujahrskarte hier gratis als Download. So können nun hoffentlich ganz viele Empfänger mit schöner Schrift beglückt werden.

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Gratis Vorlage der Kalligrafiekarte »Zu Neujahr« – jeweils zum Ausdrucken auf A4

• Vorlage für eine Karte A5 [Link]
• Vorlage für zwei Karten A6 [Link]

Viel Freude mit den Vorlagen, tolle Ideen zum Verschönern und natürlich viele freudige Empfänger, die schöne Schrift lieben. Ich werde nun meine freien Tagen nutzen, um ein wenig mit meiner Lieblingshündin durch das südliche Brandenburg zu stromern und meine Schreibgeräte für’s neue Jahr zu polieren. Und vielleicht finde ich in ein paar Tagen ja auch schöne Neujahrspost in meinem Briefkasten.

Tür 15 – Geschenke aus Pieschen Teil III

Tür 15 – Geschenke aus Pieschen Teil III

(Dieser Beitrag enthält Werbung)

Elena Martín hat ihre Keramikwerkstatt auf der Gehestraße 33 in Dresden Pieschen. Wir treffen uns zu Orangentee und Plätzchen vorm genütlichen Öfchen. Und eigentlich wollten wir nur über Keramik sprechen…IMG_0129

Rike: Zu Beginn: Drei Worte über Pieschen?

Elena: Jung, alternativ, Potential.

Rike: Was niemand weiß, der dich nicht kennt: Du hast einen ganz zauberhaften Dialekt! Wie hat es dich nach Dresden verschlagen?

Elena: (lacht) Ja, ich bin Spanierin. Ich habe Germanistik studiert in Spanien und bin dann mit einem Stipendium nach Leipzig gekommen. Das war vor zwölf Jahren. Dort habe ich Spanischkurse gegeben, aber irgendwann war Zeit für eine Veränderung. In Dresden habe ich dann eine Ausbildung zur Keramikerin gemacht und so bin ich jetzt seit sieben Jahren hier.IMG_0157

Rike: Was würdest du sagen, ist Dresden deine Heimat?

Elena: Leipzig war meine deutsche Heimat. Ob Dresden auch meine Heimat wird, mal schauen.IMG_0156

Rike: Aktuell ist Dresden oft wegen unschöner Aktivitäten in der Presse. Wie empfindest du das? Sind die Dresdner ausländerfeindlicher als andere Menschen?

Elena: Das kann ich nicht sagen. Ich denke, die Situation könnte überall sein, irgendwo. Auch in Spanien oder Frankreich. Aber sie ist jetzt in Dresden. Man sieht so viele Leute auf einem Haufen, die ganz offensichtlich gegen Ausländer sind, das ist erschreckend. Aber ob es hier mehr sind als anderswo, das weiß ich nicht. In meiner Umgebung engagieren sich alle Leute für die Flüchtlinge, niemand hetzt. Ich kenne keinen Dresdner persönlich, der sagt, die müssen weg! Die sollen nicht kommen! Im Gegenteil. Aber trotzdem sieht man die vielen Leute da montags, das finde ich furchtbar. Freunde von mir sind schon weggezogen deshalb, aber ich frage mich immer: Wohin? Das Problem ist kein Dresdner Problem, auch kein deutsches. Das weiß ich.IMG_0155

Rike: Was ist mit Alltagsrassismus?

Elena: Ja, das habe ich schon erlebt, dass ich mit meinen Söhnen auf der Straße Spanisch gesprochen habe und eine Frau vorbeiging und mich anschnauzte: Sprich gefälligst deutsch! Ich denke dann, na hör mal! Was soll das?! Eigentlich fühle ich mich überhaupt nicht als Ausländerin und ärgere mich in solchen Momenten nur über diese Personen. Ausländerin bin ich bei den Behörden und das regt mich auf. Seit dreizehn Jahren haben wir die EU. Ich lebe seit zwölf Jahren in Deutschland, auf meinem spanischen Ausweis steht meine deutsche Adresse. Aber wenn ich ein Konto eröffnen will, kann ich mich nicht mit dem spanischen Ausweis identifizieren. Da brauche ich meinen Reisepass oder ein Extra-Papier. Und weißt du, ich hätte vor kurzem beinahe meinen Führerschein verloren! Das musst du dir mal vorstellen, wegen den Vorschriften. Und weil es noch immer keine einheitlichen Richtlinien gibt. Ich habe einen spanischen Führerschein und in Spanien ist das so, dass der nach zehn Jahren abläuft und man als Spanier dann zum Sehtest muss und einen Test absolviert. Je älter man ist, umso kürzer werden die Abstände…IMG_0138

Rike: …Das finde ich super! Das sollte man als EU-Richtlinie einführen!

Elena: Ja! Jedenfalls denke ich mir so, hm, die zehn Jahre müssten doch bald rum sein, frag ich mal in der Botschaft nach. Ich rufe in der spanischen Botschaft in Berlin an und die sagen, ja, sie müssen einen deutschen Führerschein beantragen. Ansonsten läuft ihr spanischer Führerschein aus und sie haben weder in Spanien noch in Deutschland eine Fahrerlaubnis! Ich denke mir, die wissen, dass ich seit zwölf Jahren hier lebe, wo ich lebe, das wissen die. Aber wenn ich nicht zufällig daran gedacht hätte, müsste ich jetzt hier und auch in Spanien noch einmal neu den Führerschein machen. So ein Quatsch! Und es gibt so viele Dinge, die mich ärgern. Da haben wir eine EU und trotzdem ist es nicht einfacher geworden. In solchen Situationen bin ich Ausländerin.IMG_0141

Rike: Ich freue mich jedenfalls sehr, dass du hier bist!

Elena: Ich freue mich auch.IMG_0147

Rike: Du hast drei Söhne, bist selbständig und dein Mann arbeitet im Schichtdienst. Wie klappt das bei euch?

Elena: Ich muss meine Öffnungszeiten und die Termine meiner Töpferkurse um Albrechts Jahresschichtplan drumherum bauen, anders geht es nicht. Und ich würde gerne länger im Laden stehen, aber das geht eben nicht, weil ich oft die Termine der Kinder am Nachmittag alleine schaffen muss. Auch wenn er im Haushalt das eine oder andere nicht macht, kümmert sich Albrecht um die beiden Großen wie um den Kleinen, sein eigenes Kind. Ohne ihn wäre die Eröffnung meiner Werkstatt unvorstellbar gewesen. Er hat vieles hier gebaut, zum Beispiel den Holzbrennofen, und wenn ich drei Tage beim Brennen bin oder auf dem Töpfermarkt oder beim Kurs, dann ist er alleine mit den Jungs. Oft geben wir uns die Klinke in die Hand. So unterstützen wir uns. Aber es ist schon anstrengend! (lacht)IMG_0137

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Rike: Bevor ich dich persönlich kannte habe ich mir auch schon die Nase an deinem Schaufenster plattgedrückt. Es steht aber da, man kann dich außerhalb der Öffnungszeiten anrufen und einen Termin vereinbaren.

Elena: Ja, natürlich! Wenn ich kann, komme ich und öffne den Laden auch außerhalb der Öffnungszeiten.IMG_0153

Rike: Deine Kurse sind sehr gut besucht, vielleicht auch, weil das Ambiente hier einfach zauberhaft ist.

Elena: Es sind immer nur zwei Teilnehmer zur selben Zeit hier. Zum einen ist es ja klein, wie du siehst und zum anderen habe ich so genug Zeit, mich um die Teilnehmer zu kümmern.

Rike: Man kann bei dir alles vom Teller, über Tassen, Becher, Krüge, Butterdosen bis hin zu Möbelknäufen und Löffeln kaufen. Und jetzt sogar Räucherkerzenhalter.

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Elena: Im Advent ist das Sortiment hier ein wenig auf die Weihnachtszeit ausgerichtet, es gibt auch noch mehr typische Weihnachtskeramik. Deshalb ist auch in der Adventszeit der Laden samstags geöffnet.

Rike: Wie sieht Weihnachten bei euch in der Familie aus?

Elena: Wir sind eine Patchworkfamilie. Die beiden großen Jungs sind an diesem Weihnachten in Berlin bei ihrem Vater, wir anderen drei fahren zu einer Freundin am Heiligabend und kochen dort.

Rike: Vermisst du das spanische Weihnachten?

Elena: Nein, ich vermisse das nicht. Weihnachten ist erst seit den Kindern für mich wirklich Weihnachten. Und das kenne ich ja nur als deutsches Weihnachtsfest (lacht).

Rike: Wie ist Weihnachten in Spanien?

Elena: Am Heiligabend wird richtig gekocht. Salat mit Würstchen ist kein Weihnachtsessen! Es gibt zum Beispiel Fischsuppe, dann Meeresfrüchte, dann Fleisch und dann einen Nachtisch. Am fünfundzwanzigsten Dezember kommt morgens der Weihnachtsmann und bringt Geschenke, aber das ist neu. Also der kommt erst seit den Neunzigerjahren. Vorher bekamen die spanischen Kinder ihre Geschenke erst am sechsten Januar von den Heiligen drei Königen. Jetzt bekommen sie aber immer noch am sechsten Januar Geschenke von den Heiligen drei Königen. Und extra am fünfundzwanzigsten Dezember vom Weihnachtsmann!IMG_0139

Rike: Die Glückspilze! Das muss auch EU-Richtlinie werden!

Elena: Und in Spanien ist nicht der Baum das Weihnachtssymbol, sondern die Krippe. Und da gibt es ganz unglaubliche Basteleien. Da bauen manche Leute riesengroße Krippen selber mit Tieren und einem Fluss aus Alufolie und was weiß ich, das kann man dann auch besichtigen. Weihnachtsbäume gibt es nicht. Nur ganz schreckliche aus Plastik…

Rike: Und was ist noch typisch für spanische Weihnachten?

Elena: Turrón zum Beispiel. Das ist eine Süßigkeit, Mandeln in so einem Block, ähnlich dem griechischen Nougat. Und Polvorones! Das ist ein sandiges Gebäck und wenn du dir einen von diesen großen Keksen in den Mund steckst und mit vollem Mund „Pamplona!“ rufst, dann ist was los! (lacht lauthals)

Rike: Schöne Weihnachten, liebe Elena!

Elena: Dir auch!

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Wer Elena, ihren bezaubernden Laden und die wunderschöne Keramik selbst kennenlernen will, der kann sich auf ihrer Website über freie Kurstermine informieren : Keramik Elena Martín

Oder persönlich vorbeikommen: IMG_0160

Und die liebe Elena hat mir einen Teebecher gegeben (mit für sie typischem Buchstabendruck), den ich hier an jemanden verschenken darf.IMG_0165

Also schreibt mir bitte eine eMail mit Betreff „Keramik“ an nieselpriem.blog@gmail.com und am 20.12. 2015 findet der Becher einen neuen Besitzer. Wie immer gilt: Um an einem Gewinnspiel teilzunehmen, musst du achtzehn Jahre alt sein (älter ist durchaus erlaubt). Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, eine Barauszahlung ist ausgeschlossen. Viel Glück!

Tür 10 – Geschenke aus Pieschen Teil II

Tür 10 – Geschenke aus Pieschen Teil II

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Hirschel Cosmetic, auf der Bürgerstraße 59 im Herzen von Dresden Pieschen gelegen startete 2006 als Onlineshop für Parfumerie und Naturkosmetik. Seit 2010 gibt es auch das Ladengeschäft und dort kann Mann und Frau nicht nur etablierte Marken shoppen, sondern auch Raritäten wie Ostprodukte (wer sich noch an „Action“ & Co erinnert), Retrodüfte, Raumdüfte, Saunabedarf, Kosmetikgeschenke und vieles mehr. Das kleine Lädchen ist eine echte Perle!IMG_0063 IMG_0068 IMG_0072

Hin kommt ihr mit der Straßenbahn Linie 13, Haltestelle „Rathaus Pieschen“ oder der Straßenbahn Linie 4 und 9, Haltestelle „Altpieschen, ElbCenter“. Geöffnet ist Mo – Do :10.00 – 16.00 Uhr und Freitags: 10.00 – 15.00 Uhr. IMG_0065

Außer dem Onlineshop und der Möglichkeit, die Produkte vorort in Pieschen zu testen und zu kaufen, bieten Sven und Frank-Leo Hirschel besonders den Dresdnern noch weitere Möglichkeiten: Man kann die Produkte im Onlineshop oder telefonisch bestellen und kostenfrei und ohne Aufpreis im Stadtgebiet Dresden, Heidenau, Bannewitz, Freital und Radebeul/Coswig von den Betreibern Sven und Frank-Leo Hirschel selbst liefern lassen. Auf der Facebook-Seite von Hirschel Cosmetic erwarten euch zusätzlich regelmäßig Rabattaktionen und Gewinnspiele. Unbedingt abonnieren!

Für die Nieselpriem-Leser hat Sven Hirschel eine Überraschungstüte voller veganer Kosmetikprodukte vom Label „GO&HOME“ gepackt und ich freue mich, diese unter euch verlosen zu dürfen. Unser heutiges Geschenk aus Pieschen!IMG_0166

Um die Überraschungstüte zu gewinnen, musst du achtzehn Jahre alt sein (älter ist durchaus erlaubt). Schreib bitte eine Mail mit Betreff „Hirschel“ an nieselpriem.blog@gmail.com. Der Gewinner wird am 13.12.2015 ausgelost und per eMail informiert. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, eine Barauszahlung ist ausgeschlossen. Viel Glück!

 

 

Tür 6 – Geschenke aus Pieschen Teil I

Tür 6 – Geschenke aus Pieschen Teil I

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Ich nehme euch heute mit ins „Petit Frank“. Bürgerstraße 14, im Herzen von Pieschen. Nur eine französische Fahne und ein Restaurantschild weisen darauf hin, dass sich dort hinter dieser Tür ein wahrer Gourmettempel verbirgt. Draußen brettert die Linie 13 vorbei, aber kaum ist man im Hausflur, wird man von einem ganz anderen Flair umhüllt. Steigt man dann hinab ins Gewölbe, ist selbst vom Straßenlärm nichts mehr zu hören. Von Alltag zu Romantik in Nullkommanichts. Ein Kleinod, zauberhaft und geschmackvoll bis in jede kleinste Gewölbenische eingerichtet und dekoriert. Durch das Fehlen von Tageslicht im Kellergewölbe wird das Restaurant selbst zur Mittagzeit durch perfekt inszenierte Beleuchtung in ein schmeichelndes Licht gehüllt und vermittelt einem das Gefühl, an einem ganz und gar zauberhaften Ort zu sein. Hier residiert seit zwölf Jahren der „kleine Frank“ mit seinem Team und verwöhnt seine Gäste. Die Urkunden und Auszeichnungen an den Wänden machen klar, hier wird auf ganz hohem Level gekocht. Aber statt eines schnöseligen Maître dhôtel, der sich vielleicht den Umständen angepasst Francois nennt, wird man von einem kumpelhaften, lustigen und durch und durch sympathischen Gastwirt empfangen, bei dem man sich sofort wie zu Gast bei Freunden fühlt.

Wir unterhalten uns.

Rike: „Wenn man das erste Mal hier ist, kommt man nicht umhin, die ganzen Preise zu bemerken, die deine Wände pflastern. Welche Auszeichnung bedeutet dir am meisten?“

Frank: „Am meisten gefreut hat uns der erste Platz im „Augusto“, in der Rubrik „Feine Küche“. Das ist ein Preis, den die Leser der Sächsischen Zeitung vergeben. Da kommt kein Restaurantkritiker, das weiß man auch nicht ein halbes Jahr vorher, nein, da voten echte Gäste ihre Lieblingsrestaurants. Wir wussten nicht mal, dass wir nominiert waren. Der Gewinn bedeutet uns sehr viel!“

Rike: „Aber ihr seht euch eigentlich nicht als ein Gourmetrestaurant, hast du mir erzählt.“

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Auszug aus der aktuellen Karte

Frank: „Nein, ich sage immer, wir bieten Länderküche an. Das, was man sich unter französischer Küche vorstellt, haben wir im Programm. Die Klassiker wie Foie gras, Froschschenkel, Schnecken, Champagner, das kann man immer bei uns bestellen. Aber parallel dazu kochen wir eine regelmäßig wechselnde Karte mit modernen Gerichten.“

Rike: „Ich durfte in die neue Karte lunschen. Ich kriege direkt einen Riesenhunger! Aber eine Kinderkarte findet man weit und breit nicht bei dir. Wenn ich mit meiner Familie zu dir komme, was kochst du dann meinem Zweijährigen?“

Frank: „Zu uns kommt man nicht, um mal schnell innerhalb von vierzig Minuten ein Schnitzel mit Pommes zu essen. Unsere Gäste sitzen zwei, drei Stunden und länger und genießen eine Menüfolge von vier, fünf, sieben Gängen. Ich denke immer, das ist eigentlich nichts für Kinder. Wer will schon drei Stunden still sitzen, wenn er vier Jahre alt ist! Deshalb ist jedes Kind ein kleiner König bei uns. Ich frage die Kinder, was denn ihr Lieblingsessen ist und worauf sie  heute Appetit haben. Unsere Küche ist darauf eingestellt und bisher konnten wir auch unsere kleinen Gäste kulinarisch glücklich machen. Wir haben Familien, die kommen schon seit vielen Jahren regelmäßig mehrmals im Jahr zu uns, man sieht die Kinder groß werden und freut sich natürlich, wenn so ein Steppke freudestrahlend an der Küchentür steht und ruft: „Und? Was kochst du heute für mich?`“

Rike: „Das klingt super! Super finde ich hier auch die Gestaltung. Jede noch so kleine Ecke ist liebevoll dekoriert. Ich habe sogar vorhin eure Toiletten fotografiert, weil selbst dieses Örtchen über die Maßen geschmackvoll eingerichtet ist! Und euer Garten ist ein Traum!“

Frank: (lacht) „Ich gebe das Kompliment gern an meine Frau weiter.“

Rike: „Apropos. Du hast zwei Kinder und bist selbständig. Wie klappt das bei euch mit der vielzitierten Vereinbarkeit von Familie und Karriere?“

Frank: „Wir teilen uns auf, anders geht es nicht. Ich genieße morgens die Zeit mit meinen Kindern. Wir frühstücken gemeinsam, danach bringe ich sie zur Schule. Währenddessen ist meine Frau hier im Restaurant und kümmert sich um das Ambiente des Lokals, den Garten. Ab mittags dann ist sie zu Hause bei den Kindern und ich bin hier oder mache Besorgungen fürs Restaurant. Von Anfang an haben wir Sonntag/ Montag geschlossen. Der Sonntag gehört meiner Familie. Und auch wenn ich selbst am Montag natürlich arbeiten muss, selbst wenn das Restaurant für Gäste geschlossen ist, so will ich doch, dass meine Angestellten feste freie Tage in der Woche haben. Das ist nicht unbedingt üblich für die Gastronomie.“

Rike: „Wie verbringt ihr Weihnachten? Und was gibt’s zu essen in der Familie?“

Frank: „Bei uns trifft sich die ganze Familie am Heiligabend. Schon mittags gibt’s Kapaun mit Rotkraut und Klößen. Mein Vater kocht, der ist zwar nicht Koch, aber das hat bei uns Tradition. Abend gibt’s Kartoffelsalat und Würstchen, dann also klassisch sächsisch. An den Feiertagen haben wir hier geöffnet. Ich freue mich aber auch auf unsere Weihnachtsgäste im Restaurant. Wir haben uns ein tolles Menü ausgedacht. Und auch Silvester sind wir hier. Es wird keine große Party mit Programm und Genalle geben, sondern als Jahresabschluss einen Abend mit 7-Gang-Menü in entspannter Athmosphäre bis circa dreiundzwanzig Uhr. Dann bleibt noch genügend Zeit für die Gäste, zur Elbe runter zu spazieren um das Feuerwerk anzusehen. Oder mit dem Taxi in die Innenstadt. “

Rike: „Du wichtelst heute für uns. Was versteckt sich in Türchen Nummer sechs?“

FranK: „Ein Candle-Light Dinner für zwei Personen.“

Rike: „Oh wow! Danke, darüber würde ich mich auch freuen. Danke auch für das überaus nette Gespräch und wir sehen uns bald wieder. Zum Essen!“

der Kleine Frank und die noch kleinere Rike

der Kleine Frank und die noch kleinere Rike

Hier einige Impresionen für euch:

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Petit Frank

Bürgerstraße 14

01127 Dresden

Geöffnet Dienstag- Samstag ab 17:00 Uhr

Um Reservierung wird gebeten, telefonisch unter 0351 8211900 oder via:

http://www.petitfrank.de

Wer sich mit den Augen Appetit holen möchte, dem sei unbedingt empfohlen, „Petit Frank“ auf Facebook und über Instagram zu folgen!

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Um den Gutschein zu gewinnen, musst du achtzehn Jahre alt sein (älter ist durchaus erlaubt). Schreib bitte eine Mail mit Betreff „Petit Frank“ an nieselpriem.blog@gmail.com. Der Gewinner wird nach dem 10.12. ausgelost und per eMail informiert. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, eine Barauszahlung ist ausgeschlossen. Viel Glück!IMG_0105

Hot Stuff

Eines Tages ging es los und es ist nicht mehr zu stoppen. Jeden Morgen das gleiche Spektakel: Kaum hebt man den Blondino aus dem Bettchen, stapft er zu seiner Kindergarderobe, fetzt Jacke, Gummihose und was er sonst noch in die Finger bekommt vom Haken und schreit „Krangg!“ (Für Leute, die sich das akustisch vorstellen wollen: Er klingt wie die Chipmunks.).

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Also „Krangg!“. Oft auch gefolgt von dem Befehl: „Dadda!“, mit entgegengetrecktem Anziehzeug. Sicher habt ihr alle sofort geschnallt, was gemeint ist (Natürlich!). Kran, Bagger. Nein, nicht Puppenwagen und Bilderbücher. Auch nicht Stifte und Bildungsspielzeuge wie Puzzles oder Steckspiele. Nichts dergleichen fixt ihn so an wie Baustellen. Kranggs! Große Kranggs!

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(Vielleicht noch ein Badengg. Badenggs, also Müllautos, sind auch cool. Nicht so cool wie Kranggs, aber auch cool. Der beste große Bruder von allen hat neulich während Blondinos Mittagschlafs von seinem Zimmer aus Ankunft, „Action“ und  Abfahrt eines Müllautos gefilmt und wird jetzt ob dieses Filmchens noch mehr als sonst abgöttisch geliebt von seinem Zwergenbruder. Falls das möglich ist.)

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Badengg. Mit Zukunftsprognose.

Ihr müsst wissen, der Blondino hat einen Job (glaubt er): Er ist Baustelleninspekteur. Das nimmt er sehr ernst. Morgens um sechs will er los. Montags bis Sonntags. Auch an Feiertagen. Und ich muss immer mit. Sogar auf nüchternen Magen. Oftmals frühstückt er dann total busy im Baustelleninspektionsfahrzeug eben das, was ihm seine Assistentin so zureicht, vollkommen in seine Aufgabe vertieft. Es ist egal, ob es regnet, stürmt oder stockduster ist (weil vier Uhr morgens), der Job macht sich schließlich nicht von allein!

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Und so metern wir jeden Morgen durch die (Gott sei Dank!) baustellenreiche Stadt und nichts verzückt ihn so sehr wie der Anblick einer rotweiß gestreiften Barke… „Krangg! Dadda! Krangg!“, quietscht es aus dem Inspektionsfahrzeug.

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Wir sind auch schon bekannt bei den einschlägigen Baustellen in der Umgebung und werden begrüßt mit: „Na, guten Morgen!“, „Euch auch! Ja, wir sind´s schon wieder…“.

Neulich sahen wir zu, wie in der direkten Nachbarschaft Baustellenbarken am Straßenrand errichtet wurden und selbstverständlich haben wir alles begutachtet. Und erfahren, dass ein gehöriger Straßenabschnitt gesperrt werden soll aufgrund von Grundwasserblablabodenblablatiefbauirgendwas.

(Exkurs: Ihr müsst wissen, jeder gesperrte Parkplatzmeter in Pieschen ist eine Katastrophe! Wenn man abends aus der Innenstadt heimkommt, kann man das Gefährt eigentlich gleich dort stehen lassen und die fünf Kilometer heim laufen. Besser wird’s sowieso nicht mehr…)

Erwartungsgemäßes Verhalten wäre also gewesen, sich aufzuregen, zu fragen, wie breit das Stück gesperrte Straße sein wird (und in Gedanken in Autolängen umzurechnen), wie lange die faule Bagage gedenkt, die parkplatzarmen gequälten Pieschner zu malträtieren mit ihrem sinnlosen Grundwasserblablabodenblablatiefbauirgendwas, dass das sowieso eine Verschwendung von Steuergeldern sei und ob sie sich denn nicht schämen würden und siehst du, Kind, wenn du später in der Schule nicht aufpasst, musst du auch irgendwann im Dreckloch sitzen und Grundwasserblablabodenblablatiefbauirgendwas machen!

Stattdessen höre ich meinen Mund sagen: „Oh! Das ist ja super! Stimmts, Babylein? Dann können wir ja jeden Tag hier herkommen und zuschauen. Wir freuen uns, stimmts, Babylein? Bis morgen also. Tschüssi!“. (Hä?! Was?!)

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Und beim letzten Zoobesuch langweilte sich das Kind schon beim dritten Tier und hing lustlos in der Plagenkarre bis… ja, bis wir endlich (!) den Versorgungshof erreichten und es ein paar Fahrzeuge anzuschauen gab. Dann konnte ich aber getrost auf dem Pflaster Platz nehmen und das Picknick rausholen. Das würde hier dauern, das wusste ich. Der Zoobesuch war dann auch ein voller Erfolg. Schließlich haben wir zwei Daddas gesehen.

Der Dresdner Zoo, immer einen Besuch wert.

Der Dresdner Zoo, immer einen Besuch wert.

Apropos sehen. Was seht ihr hier? Ich kann euch erzählen, was der Blondino gesehen hat, als wir vor diesem Pieschner Fenster standen: „Bost! Bost!“. Nichts toppt ein großes Auto…

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Leute, neulich sah ich meine große Chance kommen! Eines Morgens, ich zog mir einen Wegekaffee aus der hauseigenen Maschine und wollte mich marschfertig für die tägliche Baustelleninspektion machen, da erblicke ich aus dem Küchenfenster DAS!

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„Ein Krangg in unserem Hinterhof! Ein Krangg! Baby, komm her! Ein Krangg! Guck dort, ein Krangg!“. Meine Stimme kippte, ich hatte Herzrasen und in Gedanken sah ich mich Eintrittskarten für unsere Küche drucken und mit Flüsterstimme bei der Krabbelgruppe die anderen Jungsmuttis anfixen: „Ey du! Ich hab hier ganz heißes Zeug! Bei mir im Hinterhof. Pssst. Geheim! Ein Krangg und vielleicht auch bald noch ein, zwei Daddas. Ganz exklusiv. Willste? Hier, Eintrittskarten. Zwee fufftsch das Stück!“.

Am Nachmittag war er wieder weg. Leider.

Unser Lieblingsspielplatz

Ich bin keine Spielplatzmutti.

Ich öde mich zwischen Kletterspinnen, Sandkisten und unbequemen Muttiparkplatzbänken. Ich hab keine Lust, dauernd Klettergerüste zu erklimmen um Leben zu retten (real oder eingebildet), den Nachwuchs vor fiesen Vierjährigen zu beschützen oder unschuldige Kleinkinder vor dem eigenen fiesen Nachwuchs…

Spielplatznachmittage sind so verlockend wie… wie ein Termin zur Zahnwurzelresektion!

Doch Moment! Es gibt einen Ort, der ein bisschen wie Abenteuerspielplatz, Tierpark, Wald und Strand ist. In Pieschen. Da staunste, was? IMG_3209

Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt darüber schreiben soll. Will ich denn, dass noch mehr Leute dahin kommen? Nein! Es ist wirklich voll an heißen Tagen, ohne Frage. Aber ihr dürft kommen. Nur nicht weitersagen! Das bleibt unser Geheimnis, okay? 😉

IMG_3079 IMG_3210 IMG_3068 Neben Eseln gibts auch Kaninchen und Meerschweine. Und eine Katze! Blondinos große Liebe ❤IMG_3246Unter schattigen Bäumen gelegen ist eine Liegewiese. Dort stehen an heißen Tagen alte Zinkwannen mit Wasser zum Plantschen. Super Sache! Tretautos, Eimer, Töpfe und Schaufeln warten auf ihren Einsatz. Eine Töpferei gibts ebenso wie einen Budenbauplatz für die großen Kinder. Die Esel dürfen gestreichelt werden und manchmal sogar geritten. Große Kinder können Nachmittags bei der Tierpflege helfen.

Für den Hunger verkauft das Eselnestcafé so originelle Sachen wie Doppelkekse für zehn Cent oder Toast mit Ketschup für fünfzehn Cent. Große können sich eine rohe Bratwurst kaufen und die sich selbst an der Feuerstelle auf einem Stock grillen. Großartig, oder?

Wir waren extra für euch an einem kalten Nieseltag dort, um Fotos zu machen. Nun könnt ihr euch in Ruhe umgucken.

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Direkt an der Elbe gelegen, kommt ihr am besten mit dem Rad hin (bis Radlerstopp Eisenbergstraße), oder mit der Bahn Linien 4 und 9 bis Alexander-Puschkin-Platz. Auch für PKWs findet sich sicher ein Parkplatz.

Un wenn ihr dort seid und denkt: ´Moment mal, das dort drüben ist doch die Nieselpriem!`, dann winkt doch mal! Ich freue mich immer über ein freundliches „Hallo Rike!“.

Bis bald im Eselnest!

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Dieser Weg wird kein weicher sein…

Dieser Weg wird kein weicher sein…

Laufen ist gesund. Fürs Herz-Kreislauf-System, die Durchblutung, die Figur zum Beispiel. Also auf Waldboden. Auf dem Asphalt ist es ungesund. Für die Gelenke und die Knie zum Beispiel. Sagt das Internet. Und Laufexperten.

Ich bin trotzdem ein Straßenläufer. Warum? Nun, ich stamme vom Rotkäppchen ab. Ziemlich sicher. Immer wenn ich den geraden Weg verlasse, verliere ich auch mein Ziel aus den Augen. Ich hoffe, ich habe keine Großmutter auf dem Gewissen und vorsichtshalber nehme ich auch nie Wein und Kuchen mit zum Laufen.

Ich renne also brav auf dem Elberadweg und schaue nicht nach links (oder rechts) runter zum Fluss, wo nur ein paar Meter weg von mir ein Ufer, ein Strand, ein weicher Trampelpfad lockt. Vor allem mit Ablenkung! Ich bin stark. Ich bleibe stark.

Ich kann nicht immer stark sein…

Und so fragt der Bärtige stets mit den Händen in den Hüften, wenn ich vom Laufen heimkomme: „Und? Warst du heute Sport machen oder hast du nur mit dem Handy rumgeknipst und Blumen gepflückt?“.

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…Die Dresdner Heide liegt ja auch nur einen Katzensprung entfernt von Pieschen und lockt mit ihren elastisch-saftigen Waldböden. Das ist leider keine Alternative für mich. Äste, Moos, Pilze, Beeren, Zapfen… ich denke, ihr könnt es euch vorstellen.

(K)ein stilles Örtchen

Bei uns ist immer Krach. Wir reden und rennen den ganzen Tag durcheinander und hintereinander her. Je mehr Leute anwesend sind, umso lauter ist es und umso mehr wünsche ich mir paar Minuten Stille…

…hoffnungslos.

Wenn ich durch die Wohnung laufe, grölt aus dem einen Kinderzimmer ein Typ namens Alligator, er sei „geistig behindert vor Liebe“, drei Meter weiter tönt ein Gitarrenbarde aus dem anderen Kinderzimmer „Zum Leben geboren, dem Glück anvertraut…“ und weiter hinten in der Küche plätschert das blöde Internetradio auf einem Kanal namens „Bay smooth Jazz“ irgendwas von „Sittin´on the beach und watching irgendwas, wahrscheinlich the Sonnenuntergang und the Wellen“. Arschloch.

Nichts davon will ich hören. Meine Mitbewohner stehen allerdings aus mir unerklärlichen Gründen auf Gedudel.

Wenn ich die Küche durchquere um auf dem Balkon Ruhe zu finden, wird’s ganz schlimm. Wir wohnen in direkter Nähe zu einem freikirchlichen Kinder-und Jugendhaus. Das ist an sich (und für die Kinder) eine super Sache. Für mich als Nachbar eher nicht. Es wohnen da junge Mädchen, die machen vielleicht ein freiwilliges christliches Jahr oder so. Sie wechseln jedenfalls. Diese Mädchen werden meiner Meinung nach aus der „Outtakes“-Schublade von Bohlens DSDS-Comedy Show rekrutiert. Ich kann es mir nicht anders erklären! Gemein ist nämlich allen, dass sie überhaupt nicht singen können, aber dies trotzdem den ganzen Tag tun. Und Gitarre spielen. Also so, wie es klingt, wenn ich mir eine Klampfe umhänge und einfach mit den Fingernägeln drüberschramme. So klingt das. Dazu ein schiefer Mädchengesang voller Misstöne:

„Und darum jubel ich dir zu. Jaja, der Schö-höpfer bist du-huhuhu. Oh yeah-hä!“. Schramm-schramm.

Die Gitarrenlady wurde jetzt ausgetauscht durch eine mit Keyboard. Leider lässt sich das auch auf die Dachterrasse hieven. Immerhin kann die Keyboard-Lady drei Töne.

„Vom Anfang bis zum Ende hält Gott seine Hände über mi-hisch und über di-hisch!“

Ich hab ja keine Ahnung, aber ich glaube, Gott hält seine Hände hauptsächlich weinend an die Ohren.

Wenn ich also mal auf dem Balkon sitze und eine Zigarette rauche, beschallt von den Gottesanbeterinnen (Darf ich das ausnahmsweise sagen?), dann denke ich: Stimmt, Rauchen ist schädlich. Man bekommt Ohrenschmerzen davon!

Bei den Freikirchlern ist auch so den ganzen Tag Trubel. Wenn der Gesang nicht durch jede Ritze quillt, dann das Geschreie der jugendlichen Gäste:

„Ey, du *piep*, komm rüber! Ich *piep* dich bis du *piep*!“

Unser Schlafzimmer liegt zur anderen Seite. Mein Lieblingsraum. Ich bin ja immer müde. Ich kann auch immer schlafen. Theoretisch! Praktisch ist es einfach nur laut! Irgendein Haus wird immer saniert, irgendeine Wohnung braucht neue Dielen. Irgendwelche Blätter müssen weggesaugt werden, Äste abgesägt oder Wände durchlöchert werden. Iiiiiieju Iiiiieju. Wenn ich mittags dort so liege, dauert es auch nicht lang, dann kommt der Auftritt der Müllmänner. Rörörörörörö. Laufender Motor vor unserem Haus. Rumpelrumpelrumpelrumpel. Die Tonnen. Knallknallknallknall. Die Tonnen ordentlich gegen das Auto rungsen. Ratterratterratterratter. Die Tonnen wieder zurück. Pfffffffffffft. Jetzt fährt er los. Drei Meter. Dann wieder: Rörörörörörör und alles von vorn.

Das dauert. Ich liege bittend wach, der Babylino möge nicht erwachen! Ich brauch doch mal ein bisschen Ruhe!

Kaum ist das Müllauto nicht mehr zu hören, Auftritt der Müllidioten. Also alle mülltonnenbeauftragten Nachbarn der umliegenden Häuser. Ratterratterratterratter. Die Tonnen müssen ja wieder zurück ins Grundstück! Ratterratterratterratter. Nein, das kann nicht warten bis Nachmittags! Ratterratterratterratter.

Noch nicht mal auf dem Klo hab ich Ruhe. Wenn ich irgendeine Tür vor dem Blondino zumache, quietscht der vor Verzweiflung in einer Tonlage, die an Fingernägeln auf Schultafel erinnert. Also muss er mit rein. Und er nimmt stets „seine“ Position am Ort des Geschehens ein: Frontal vor mir, die Händchen auf meine nackten Knie gepatscht, der Blick fest auf meine Augen gerichtet und dann Drückgeräusche nachahmen: Ah. Ah. Ah. Ah.

Also, ich kann so nicht!

Ich finde nirgendwo Trost und Mitgefühl. Gestern erzählte ich zum Beispiel dem Bärtigen, dass ich wohl nicht mehr lange hätte. Meine Beine würden schmerzen und Google diagnostiziert eine Trombose oder ein Herzleiden. Vermutlich hätte ich aber beides… Er schaut mich ernst an. Dann haut er mir auf den Schenkel und sagt, ich müsse nur mal oredentlich KACKEN gehen! Gröhl. Außerdem nimmt er meine chronische Obstipation zum Anlass, um sich vor der Tür in Position zu stellen, sobald ich auch nur drei Sekunden im Bad bin. Dann fragt er höhnisch, ob ich schön würsteln würde?! Und wie´s denn so läuft?! Und macht das Baby nach: Ah. Ah. Ah. Ah.

Wenn ihr mich also sehen solltet, wie ich mit einer Packung Trockenpflaumen und Ohropax bewaffnet irgendeine öffentliche Toilette ansteuere: Bitte nicht ansprechen! Nein, wirklich. Ich möchte nicht darüber reden!

Ich will doch nur mal fünf Minuten Ruhe!

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Pieschen lädt ein…

Pieschen lädt ein…

… zum Stadtteilfest „Sankt Pieschen“, seit einigen Jahren von Pieschnern als nichtkommerzielles Straßenfest und Pendant zum Pieschner Hafenfest organisiert.

Hier gehts zum Veranstaltungsflyer. Vielleicht wolltet ihr schon immer mal den Kirchturm der Markuskirche besteigen, mal wieder ein Puppentheaterstück besuchen oder überhaupt mal gucken, wie Pieschen sich so gemausert hat. Am kommenden Wochenende habt ihr dazu Gelegenheit!

Für Kinder allen Alters wird an verschiedenen Standorten jede Menge geboten: Pferdereiten, Spiele, Hüpfburg, Boulderwand, Schminken, Puppentheater…

Das ganze Festareal ist fußläufig sehr gut zu erkunden und vor allem mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn Linien 4, 9 und 13 bis Oschatzer Straße) komfortabel an den Rest der Stadt angebunden.

Wenn ihr Tipps braucht für die Großen, ich würde mich beim Savoir Vivre blicken lassen auf der Bürgerstraße, beim Hackenberg auf der Oschatzer Straße einen selbstgekelterten Wein probieren und abends in der Torgauer Straße rumlümmeln, die Hausgemeinschaften dort habens am nettesten 🙂 Ach, und der Biergarten auf der Konkordienstraße im Hof der Autowerkstatt ist super! Leckerstes Essen und klasse Musik. Wer dann noch Taschengeld übrig hat, die Pieschner Ateliers öffnen ihre Türen und bieten Selbstgekünstlertes an. Unbedingt einkehren solltet ihr auch bei Dresdens allerbestem Eisladen, Nepple´s auf der Torgauer Straße! Egal, was ihr euch an Steaks und Würsten schon einverleibt habt, ihr könnt Pieschen nicht verlassen, ohne ein Nepple-Eis geschnabbert zu haben.

Ihr kommt doch vorbei, oder?

Ach, und einen Schwank zum Thema Stadtteilfest muss ich noch loswerden… die Schwiegermutter hatte uns vor einigen Jahren nach Johannstadt zum dortigen Stadtteilfest dringendst eingeladen. Weil, im Haus der Kulturen würden die Afrikaner Krebs zubereiten! Aha, dachten wir, das ist doch mal was anderes als die Wurschtbemme sonst. Aber nix da, keine Afrikaner und keine Krebse. Wirklich durchschnittliche ur-sächsische Dresdner standen da an einer Bude und bereiteten was? Genau, Crêpe! Dann doch lieber ne anständige Wurscht vom Grill in Pieschen, oder?

sankt-pieschen-stadtteilfest-2015-plakat

Warum ich wirklich in Pieschen wohne…

Ich wohne gern in Pieschen. Meistens. Warum es mich hierher verschlagen hat, kann man hier nachlesen.

Aber vielleicht ist das ja gar nicht die ganze Wahrheit, wer weiß?

Folgende Begebenheit geriet uns die Tage wieder ins Gedächtnis und mittlerweile kann auch ich darüber lachen.

Zwei unschöne Dinge korrelierten, konglomerierten quasi und gipfelten in einer Situation, die mich damals in allergrößte Erklärungsnot brachte und möglicherweise dafür sorgte, dass wir weit weit weit weg von Dresden-Striesen eine neue Heimat suchten:

Zum Einen die Unart meines damals etwa neunjährigen Sohnes, spätnachts heimlich mein Bett zu entern. Und zum Anderen meine eigene Unart, nach dem fragwürdigen Genuss von Kochsendungen im Privatfernsehen vor der laufenden Glotze wegzuratzen.

Jedenfalls erklärte der Sohn eine Zeitlang allen Nachbarn, der Besitzerin des Getränkemarktes an der Ecke, der Bäckersfrau, seiner Lehrerin und jedem anderen Menschen, der mit uns irgendwie ins Gespräch kam:

„Meine Mama guckt jede Nacht schwule Frauen im Fernsehen! Die reiben ihre Brüste aneinander!“

Guten Morgen Pieschen!

Guten Morgen Pieschen!

Ich nehme Euch mit auf meinen Morgenlauf. Nur noch schnell die Schuhe anziehen…

Das ist doch alles Scheiße hier!

Das ist doch alles Scheiße hier!

Foto 2-23Pieschen ist dreckig. Foto 3-20

Überall Kacke. Ich nehme an, hauptsächlich von Hunden. Aber mit der Kacke ist das so eine Sache, mittlerweile sehe ich die gar nicht mehr. Die guckt sich irgendwie weg. Ich stelle mir vor, das ist, wie wenn der Beste behauptet, ich hätte keine Falten oder sagt: „Bauch? Du hast keinen Bauch. Ich seh nur Brüste!“. Die negativen Dinge verblassen bei dem Anblick von etwas Herzerwärmendem. Ich persönlich mag auch am liebsten Menschen, die auf den achten oder zwölften Blick schön sind und durch ihr Wesen immer schöner werden, je länger man sie kennt. Pieschen ist nichts für Touristen. Eher was für Liebhaber. Aber je länger ich bleibe, umso lieber habe ich das Viertel! Foto 3-12Während ich routiniert in Schlangenlinien den Fußweg-Parcours passiere, fällt mir auf, dass wir die vermutlich meisten Künstler-Ateliers in Dresden haben, im Umkreis von zweihundert Metern drei Thai-Massagesalons (manchmal mit echt thailändisch aussehenden Vietnamesinnen), wunderschöne Spielplätze, eine alte Streuobstwiese an der Bibliothek, einen Hafen. Ja, sogar einen Yachthafen hat Pieschen! Die schönste Fahrradbrücke Foto 2-27Dresdens. Eine türkische Bäckerei gegenüber eines

portugiesischen Lebensmittelladens, nachbarschaftlich zu einem französischen Feinkostgeschäft. Das allerbeste Puppentheater der Stadt, unzählige Kitas. Beim allerbesten Fleischer der Stadt gibts auch Bio-Gemüse und an Fasching selbstgebackene Pfannkuchen mit Pflaumenmusfüllung… und einmal im Jahr den allerbesten Gänsebraten mit schlesischen Klößen. Wir haben einen Gemeinschaftsgarten, eine Tanzschule. Wenn ich mit einer Handarbeit nicht weiterkomme, gehe ich (wenn es sich um was Wollenes handelt) auf die Oschatzer Straße und frage um Rat. Aktuell gibts dort Strick- und Nähkurse für Ferienkinder. Ist es was Genähtes, dann hilft man mir im schönsten Stoffladen der Stadt (Emily´s Nähstübchen) weiter. Exklusive Kinderklamotten gibts ebenso wie einen Herrenmaßschneider. Foto 5-7Vier Second-Hand-Läden fußläufig, leider (aktuell) kein Foto 3-21Schwimmbad (mehr), aber dafür eine Ayurveda-Praxis und einen Buchladen, in dem es nur drei Preise gibt: 0,50€, 1,00€, 1,50€. Und das sogar auf Neuware! Das allerbeste Eis der Stadt gibts auch in Pieschen (und den bestimmt originellsten Eisverkäufer der Welt gibts gratis dazu). Das beste Brauhaus der Stadt befindet sich…in Pieschen! Im Winter gibts beim Elbcenter am blauen Eiswagen dicke heiße Waffeln am Stiel, die soooo lecker sind, dass ich mir über die Wintersaison ein Waffelpolster anfresse. Egal, was ich brauche oder wohin ich will, alles ist fußläufig erreichbar und für Faule notfalls mit der Straßenbahn. Der Elberadweg ist einen

Text an einer Pieschner Haustür; unbekannter Autor

Text an einer Pieschner Haustür; unbekannter Autor

Steinwurf entfernt, ebenso die S-Bahn, die Autobahn, der Elbepark.

Manch einer sieht hier überall nur Kacke. Ich seh einen bunten Stadtteil mit ganz viel ❤ …und Hundekacke. Und ich passe hier super hin!Foto 4-7

 

Der Konzept-Supermarkt

Ich würde ja so gern im Bioladen einkaufen, beim Demeter-Bäcker und das artgerecht gezogene Gemüse den Häschen auf dem Bio-Hof unter den Schnuten wegklauen…

Ich wohne aber in Dresden-Pieschen. Ich müsste den Stadtteil verlassen und längere Anfahrtswege in Kauf nehmen, um derlei raffinierte Lebensmittelverkaufsstellen anzusteuern. Und dazu bin ich zu faul. Meistens.

Als Frischzugezogene hatte ich allerlei Probleme mit der Lebensmittelbeschaffung, war ich doch eine zweistöckige Kaufhalle (der Alt-Ossi geht auch nach fünfundzwanzig Jahren noch in die „Kaufhalle“) gewöhnt und mehrere Bioläden und Reformhäuser buhlten um meinen Geldbeutel. Dort drüben. Auf der anderen Seite der Elbe.

Wir wohnen jetzt in direkter Nähe zu einem Supermarkt, der in Pieschen mit einer Dichte von zwei pro Quadratkilometer quasi die Marktherrschaft an sich gerissen hat. Für Ortsunkundige wirkt das Ambiente etwas befremdlich, ist der Markt doch morgens, mittags und abends belagert von Menschen. Nein, sie stehen nicht in einer Schlage, das fände ich ja noch plausibel (Kaufhalle-Schlange-normal. Kennen wir ja von früher!). Diese Menschen sitzen und stehen mit Erfrischungsgetränken in der Hand ohne erkennbaren Grund vor dem Markteingang. Ich habe mich mit (ebenfalls zugezogenen) Freunden unterhalten, die in Sichtnähe zum Markt Nummer zwei wohnen: Jap, auch da das gleiche Bild.

Das brachte mich zu der Erkenntnis: Das gehört zum Konzept! Diese Leute müssen Mitarbeiter sein. Niemand steht doch freiwillig einfach so den ganzen Tag vor einem Supermarkt. Ihr etwa?

Ich sehe vor meinem inneren Auge die Stellenausschreibung:

„Wir suchen für die Neueröffnung unseres Marktes in Dresden-Pieschen zehn Außendienstmitarbeiter (Vollzeit) im Bereich Rumlungern Kundenakquise. Bevorzugt Bewerber mit Hund!“

Ich muss sagen, ich habe mich mittlerweile an den Konzept-Supermarkt gewöhnt. Und nicht nur das, der Unterhaltungswert des Einkaufserlebnisses übersteigt eine nachmittägliche real-life-Doku-Soap im Privatfernsehen um Längen!

Heute hatten zwei Rastafaris Dienst vor dem Markt. Beide barfuß, tanzten sie nach einer Musik, die nur sie hören konnten. Einer hatte eine Gitarre über den Rücken geschnallt, aber die Musikdarbietung hatte ich offensichtlich verpasst (ich muss mir merken, das nächste Mal nach dem Veranstaltungskalender zu fragen). Der andere hatte dafür sehr schöne und viele Taubenfedern in seinem Haarturban. Sie lachten fröhlich und tanzten zur Unterhaltung der Besucher. Außerdem waren noch mehrere Außendienstmitarbeiter da, die vermutlich Doppelschichten geschoben hatten und sehr müde wirkten. Ich vermisste etwas die bärtige Frau mit der „natural wet-look“-Frisur, vor der sich mein Sohn schrecklich fürchtet, aber die hatte wohl frei.

Neben der Schwingtür verlangte ein Plakat nach meiner Aufmerksamkeit. „Wir suchen dich!“, darunter eine fröhlich lächelnde junge Frau, die ein monströses Reinigungsfahrzeug vor sich herschiebt und (durch ein T-Shirt mit dem Marktlogo zu erkennen) auch irgendwann mal zum Team der Kaufhalle gehört zu haben schien. Mich machte das traurig. Wo ist sie? Und wie lange wird sie schon vermisst?

Beim Eintreten durch die Schwingtür und dem Blick auf den Boden wird mir klar: Schon länger… Bitte melde dich!

Im Markt selber das übliche Durcheinander in den viel zu engen Gängen. Ein fröhliches „Hallo alle miteinander!“ auf den Lippen stürzte ich mich mit meinem Kinderwagen ins Gedränge. Verkehrsregeln werden hier prinzipiell missachtet, wer von rechts kommt kommt von rechts und hälts Maul oder wir sehn uns draußen, mein Freund! Akkustisch erinnert es an eine wilde Party in einem Getränkemarkt. Gelächter, Gegröle, Geräusche von aneinanderstoßenden Glasflaschen. Auf dem Fließband an der Kasse schepperts in einer Tour! Ich knalle selbstverständlich und mit Schmackes auch mein Sonnenblumenöl und meine Essigflasche auf das Band, um meine Zugehörigkeit durch Flaschenklappern zu demonstrieren. Bin vollständig assimiliert!

Olfaktorisch und haptisch wird auch einiges geboten. Während man sich auf dem Weg zur einzigen geöffneten Kasse durch den gesamten Laden schlängelt, wird geschoben, gedrückt, hin- und hergeschubst, ausgedünstet und zwangsweise eingeatmet, was das Zeug hält. Das Schlangestehen in meinem Konzept-Supermarkt kann glatt als Angstexpositionstraining für Sozialphobiker durchgehen.

Auch Kontaktanbahnung ist Bestandteil des Konzeptes. Nähe zum Kunden wird nicht nur beim in-der-Schlage-Stehen großgeschrieben. Auch wird gern untereinander das Gespräch gesucht: „Machen Gopp zu, du bleeder Arsch!“, „Isch gomme glei rüber! Bass bloß off, du Vochel!“.

Aufpassen muss auch ich. Heute grabschte in der Schlange eine schwielige Hand mit Nageldesign im Grunge-Look in den Kinderwagen und mit den Worten: „Nu, du bist or ä sießer, gleener Scheißer!“ wollte jemand mein Baby anfummeln! Da habe ich interveniert:

„Don´t touch, sonst Klatsch!“

Hat er verstanden. War wahrscheinlich ein Mitarbeiter des supermarkteigenen Kinderanimationsclubs. Und wir wissen ja, die übertreiben manchmal ein wenig…

Pieschen lädt ein

Pieschen lädt ein

„Sankt Pieschen. Weil Pieschen uns heilig ist!“. Vom 30.Mai bis 01.Juni zeigt sich unser Pieschen von seiner schönsten Seite. Dafür öffnen viele Künstler und Galeristen für Neugierige ihre Ateliers. Händler, Gewerbetreibende und Anwohner sorgen für drei erlebnisreiche Tage rund um den Konkordienplatz. Komm vorbei und „Give Pieschen a chance“, dein Herz zu erobern! Klick auf den Flyer um zum Programm zu gelangen. Und nach Pieschen bringen dich am Wochenende die Straßenbahnlinien 4, 9, 13. Vielleicht sehn wir uns?

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Mein neues Projekt

Mein neues Projekt

So, der „Neue“ ist jetzt sechs Monate alt und es wird frühgefördert, was das Zeug hält! Ich will ja nicht, dass mir jemand das Jugendamt auf den Hals schickt.

Gut, das meiste wird in Personalunion durch mich frühgefördert, aber der gute Wille, Engagement und Einsatzbereitschaft sind vorhanden. Bei mir. Der Kurze findet eigentlich alles blöd, was nicht mit füttern oder rumtragen zu tun hat. Baden, singen, turnen quittiert er…mit Heulen.

Für das gesellschaftliche Leben des „Neuen“ habe ich schon vorgeburtlich gesorgt. So habe ich es praktischerweise eingerichtet, dass im Abstand von drei Monaten in unserem Haus drei Hosenscheißer das Licht der Welt erblickten. Das haben wir Mamis uns gut ausgedacht. Krabbelgruppe, Hausaufgabenbetreuung, Schuleinführungen, Jugendweihen… alles wird im Kollektiv abgefrühstückt. Nun gut, wenn ich das anbetungswürdige Produkt meiner Lenden auf eine beliebige Krabbeldecke im Haus lege, damit er sich mit seinen Kollegen austauscht und gegenseitig im Gesicht des anderen rumpopelt… heult er!

Hm.

Also recherchiere ich Krabbelgruppen. Irgendwie muss er ja in die Gesellschaft eingeführt werden. Und ganz klar: ich habe hohe Ansprüche! Also das Erstbeste kann es nicht werden! Ich drucke das gesamte Internet aus und mache eine Liste mit Krabbelgruppen, Konzepte, Termine, Lage. Synchronisiere den Familienkalender und erstelle einen Projektplan. Gelernt ist gelernt. Ich werde mich sukzessive von der Familienbehausung aus den Radius vergrößernd durch alle Krabbelgruppenangebote der Stadt mäandern. Und euch dann einen dezidierten Erfahrungsbericht liefern! Einer muss das ja mal machen.

Heute Morgen sind wir losgezogen. Nicht weit, Pieschen ist das neue Familienmekka. Kitas und Familienzentren an jeder Ecke. Wir könnten also praktisch das Testing in Hausschuhen absolvieren.

Wir kamen nur eine Stunde zu spät (Was ziehe ich an? Was zieht der Hosenscheißer an? Brauche ich Gläschen? Geld? Wechselwindeln? Nerven?).

Hach, das war nett! Nette Muttis, es duftete nach frisch gebackenen Vollkornbrötchen, nettes Frühstück auf dem Tisch, drei Räume mit allerlei Gedöns zum Spielen, sauber. Niemand hat mich gefragt, wie alt ich bin, ich wollte schon von alleine damit anfangen! Programm? Dreimal Krabbeln in der Woche, dienstags noch Basteln für die Muttis, damit die auch mal was zu tun kriegen für die Hände. Kindersachenbasare, Elternkurse, Kinderturnen am Donnerstag. Namentliche Diversifikation wurde nicht geboten: zwei Emmas, zwei Emils, zwei Karls (zumindest heute Morgen). Gesungen und mit Hölzchen im Takt geschlagen wird auch. Das hatten wir verpasst, wir waren noch auf der Suche nach Mutters Nerven…

Und der Kurze? Hat nicht geheult, sondern fröhlich auf den Tisch gehauen, getrillert und alle vollgesabbert.

Ich muss da am Donnerstag noch mal hin. Und am Freitag. Und wahrscheinlich nächste Woche auch.

Falls jemand immer schon mal einen gut recherchierten Erfahrungsbericht über Krabbelgruppen in Dresden machen wollte, ich hab da schon mal was vorbereitet und einen Projektplan in der Schublade.

Ich hab dafür jetzt leider keine Zeit mehr! Ich habe drei mal in der Woche Krabbeln!

Der Traum vom Eigenheim

…ist nicht meiner. Irgendwie wurde mir da ein Gendefekt vererbt, denn in meiner Familie ist das Häuserbauen, Baumpflanzen und Pfahlwurzelschlagen äußerst verbreitet. Alle gängigen Argumente gegen das Mietertum prallen an mir ab. Ich bin eher Nomaden-  als Wurzeltyp.

Da die meisten unserer Freunde und Bekannten nach und nach das Dresdner Umland besiedeln und Stein auf Stein setzen, kommt auch immer mal wieder beim besten Ehemann von allen das Gefühl auf, wir würden was verpassen.

Mein Standpunkt ist deutlich: Prinzipiell habe ich nichts gegen ein Häuschen in der Vorstadt, zwei Kriterien sollten allerdings erfüllt sein: Es liegt in der Wisteria Lane und Susan Delfino wird meine neue beste Freundin.

Am Wochenende meinte der Beste, wir müssten mal zum Lüften raus, das Baby sieht schon ganz fahl aus. Und immer an der Elbe lang… ach nö langweilig. Lass uns in die Peripherie fahren. Dresden liegt in einem Talkessel und wenn man der Smogglocke entfliehen möchte, braucht man nur in irgendeine Richtung zu fahren und schwupps! steht man in luftiger Höh´auf irgendeinem Hochland.

Strahlendblauer Himmel, Vorfrühlungswetter, wir lustwandeln.

„Ach Schatz, ist das schöööön hier! Kein Flugzeuglärm, keine Verkehrsgeräusche. Höre ich da Vögel?!“

„Keine Kreißsäge, kein Geplärre von irgendwelchen Blagen…“

„Und nirgends Hundekacke! Weib, du kannst den Blick heben, du musst nicht den Fußweg scannen. Es gibt keine Haufen hier. “

„Ob die hier ne eigene Straßen-und Fußwegreinigung haben? Die Straßen sind sauberer als unsere Küche!“

„Guck mal, wie hübsch. Das Haus dort!“

„Nee, das hat ja gar keine Fenster! Das sind Schießscharten. Sieht aus wie der Föhrerbonker, gleich kommt Blondi um die Ecke.“

„Oh Gott, was ist das?! Iiiih, ich krieg Augenkrebs. Dort! Ein quietschgelbes Fertigteilhaus mit blauen Fenstern! Ganz klar, die hatten einen Sponsorenvertrag mit einem schwedischen Möbelhaus.“

„Genau, das Haus wurde dann bestimmt auch mit ´nem Imbusschlüssel zusammengeschraubt!“

„Aber eine schöne Skulptur haben die im Garten.“

„Soll wahrscheinlich ein Wildschwein beim Kacken darstellen…“

„Und das Modell hier heißt bestimmt ´Biedermanns Träumchen´. Boah, ist das hässlich. Hier wöllte ich nicht tot überm Zaun hängen!“

„Weißt du, was ich mich frage? Wo sind denn die ganzen Leute? Niemand hier. Kein Kind draußen im Garten?! Seltsam.“

„Die stehen hinter ihren hässlichen Gardinen und beobachten uns. Die wissen bestimmt schon, dass wir hier rumschleichen!“

„Ach, hör auf! Aber gespenstig ist das schon. Du sag mal, brauchen wir noch Milch?“

„Hä?“

„Na dort hat jemand eine Kiste Milch zum Mitnehmen rausgestellt.“

„Also bitte, du bist hier nicht in Pieschen! Das ist nicht zum Mitnehmen, das hat wer vergessen reinzuräumen, als er die Einkäufe verstaut hat. Überhaupt, das stell ich mir schwierig vor…“

„Stimmt, kein Lidl um die Ecke, kein Späti, nicht mal ne Tankstelle!“

„Und keine Kneipe weit und breit. Hier trinkt jeder auf der Couch vorm Fernsehen. Oder im Bastelkeller des Nachbarn.“

„Das ist so still hier…unheimlich.“

„Naja, nicht gleich still! Deine Stimme ist laut und deutlich zu hören! Aber sonst, stimmt.“

„Hm.“

„Hm.“

„Also ich bin gelüftet, und du?“

„Ja, komm, lass uns heimfahren!“

„Na, sooooo schön war das hier wirklich nicht. Nächstes mal wieder Elbe?“

„Nu.“

 

Frei nach John Lennon: Give Pieschen a Chance!

Frei nach John Lennon: Give Pieschen a Chance!

Dass Dresden die schönste Stadt der Welt ist, daran besteht kein Zweifel. Zumindest bei den Dresdnern. Auch, was die Schönheit der einzelnen Stadtteile angeht. „Willst das Leben du genießen, zieh nach Loschwitz oder Striesen!“ ist ein bekanntes geflügeltes Wort. Wobei, Loschwitz ließe sich bestimmt auch durch Zschachwitz oder Blasewitz austauschen. Überhaupt scheint  jeder Stadtteil mit „witz“  im Namen als Lebens-und Niederlassungsstandort per se empfehlenswert zu sein. Darüber ist man sich einig.

Bla-se-witz, Klein-zschach-witz. Drei Silben, klangvoll und majestätisch. O-ber-losch-witz, sogar vier Silben! Dagegen Mickten, Pieschen… hört sich an wie ein Knacken im Ohr. Nur zwei Silben, die Vokale waren wohl alle, der letzte wird in Sachsen quasi stumm gesprochen. Doll ist das nicht.

„Wenn du so weitermachst, kommste irgendwann nach Altpieschen Neune!“ war bis in die Siebzigerjahre ein Ausspruch dafür, dass aus einem wohl rein gar nichts werden wird. Altpieschen Neun war in den Nachkriegsjahren eine Auffangstation für familienlose Kriegsheimkehrer und später Obdachlosenasyl. Wobei das Arial architektonisch sehr schön gestaltet wurde durch den Dresdner Stadtbaumeister Hans Erlwein und mittlerweile auch liebevoll saniert. Aber ein schlechter Ruf klebt eben wie Pech und Schwefel.

Nach Pieschen hat es uns aus einer Not heraus verschlagen. Der Wohnungsnot. In Striesen aufgewachsen und verwurzelt, bin auch ich der Meinung gewesen, nirgendwo anders könnte ich leben! Aber mit dieser Meinung stand ich nicht alleine da. Bei jedem Maklertelefonat sorgte ich für pure Erheiterung („WAS suchen sie?! Vier Zimmer, Wohnküche, Balkon oder Garten? In Striesen?! Hihihihihahahaha!“).

Und da sind wir nun. In Pieschen. Und würden für nichts auf der Welt wieder weg wollen!DSCN1336

Als meine Eltern vor einigen Jahren ihr Häuschen auf dem Dresdner Umland aus Altersgründen verkaufen wollten, ging es auf die Suche nach einer geeigneten Eigentumswohnung in der Stadt. Schön sollte es sein, zentral sollte es sein, grün und infrastrukturell ausgebaut. Idiotischerweise habe ich den Vorschlag gemacht, sie könnten doch in unserer Nähe suchen! „Wohin soll ich ziehen? Nach Pieschen?! Das kann nicht dein Ernst sein!“ höre ich meine Mutter noch heute. Und in der Tat wirken sie etwas deplatziert, wenn sie mit ihrem auf Hochglanz polierten weißen SUV – was man so braucht als rüstiger Rentner in der Großstadt – bei uns auf der Straße parken und zehn Meter laufen müssen („Warum habt ihr keinen Parkplatz auf dem Grundstück?!“, „Weil wir einen Garten haben!“). Ich sehe meine Mutter buchstäblich vor mir, wie sie adrett gekleidet mit einem Seidenschal um den schlanken Hals  und einer steifen Brise „Chantal No.5“ oder „Shakira No.6“  über dem feinsäuberlich ondulierten Kopf wehend durchs Gartentor kommt und schnattert: „Hier weißt du gar nicht, wo du laufen sollst! Überall dieses Hundekacke!“. Spricht´s und zieht ihren Cockerspaniel hinter sich her.

Naja, am Ende haben sie doch noch eine hübsche Wohnung gefunden, in der sie sich sehr wohl fühlen.

In Gorbitz.

(Schenkelklopfer! Den verstehen leider nur Dresdner.)