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Ich weiß gar nicht, wann ich aufgehört habe, den Monatsgeburtstag des Blondinos zu feiern. Möglicherweise irgendwann im letzten Jahr. Davor war jeder dritte eines Monats ein kleiner Feiertag, zumindest für mich.

Eigentlich ist das schade, denn (Eine Mark ins Phrasenschwein: Sie werden ja so schnell groß!) jeder Monat ist einzigartig und bringt etwas unvergleichliches, nie dagewesenes, kurz: etwas ganz Neues als Geschenk. Klar verändern sich die Kinder ihr ganzes Leben und sie lernen dazu, bilden ihre Persönlichkeit aus und lassen uns als Eltern staunen und bewundern (und manchmal verzweifeln), aber geht es jemals schneller und deutlicher als in den ersten Jahren?

Ich bin vollkommen dem Zauber erlegen, meinem Kleinchen zuzusehen und zu hören, und nichts ängstigt mich mehr als die Flüchtigkeit jedes einzelnen Moments. Deshalb: Herzlichen Glückwunsch zum einundvierzigsten Monatsgeburtstag, mein Liebchen, mein Kleinstes!

Noch immer watschelst du auf Schritt und Tritt hinter mir her wie ein Entenjunges und ich versuche, nicht genervt zu reagieren, kenne ich doch um den bittersüßen Schmerz um die flügge werdenden Vögelchen, die ihre pickligen Flügel spreizen und schnatternd meinen, allein in die Welt stolpern zu können. Bloß nicht in Mamas Windschatten! Und die bleibt mit traurig hängenden Flügeln zurück. Mit faltigen Flügeln und vergrämtem Ausdruck um den Schnabel… sehe ich jeden Morgen im Spiegel.

Bleib noch ein bisschen bei mir, du kleiner Mini-Erpel. Einundvierzig Monate, noch einmal so viele, und du bist schon ein Schulkind! Und dann noch zweimal zwinkern, und du willst ausziehen in irgendeine WG und ich muss dich betteln, damit du dich mal sonntags blicken lässt. Und deine Wäsche willst du dann auch alleine waschen und wir wissen ja, wie das ausgeht! Und ich soll nicht dauernd anrufen und whatsap´s schreiben, aber du rufst ja nie zurück! Und dabei mache mir doch nur Sorgen!

Halt! Die Fantasie möge bitte den Galopp stoppen und ihr geflügeltes Pferd zügeln, danke.

Hier und Jetzt. Ich versuche also,  die flüchtigen Momente, das fragile Glück des Augenblicks (Jetzt wird sie prosaisch, rette sich, wer kann!) zu konservieren. Hier. Und jetzt. Dafür ist so ein Blöggel ideal, kann ich wärmstens empfehlen. Und wenn mir die ganze Chose abstürzt, druckt das dann einer von euch aus für mich und dann kann ich das nachlesen, wenn ich alt und grau bin. Also noch älter und, ach, ihr wisst schon.

Einundvierzig. Kommunikation ist das Wort, das ich als Überbegriff für diesen einundvierzigsten Monat nehmen könnte. „Guten Morgen, mein Mami-Schatz! Darf ich dir ein Küsschen geben?“, wer wird nicht gern so geweckt. Unnachahmlich auch, wenn er mit Piepsstimme den Papa verabschiedet mit den Worten: „Machs gut, mein Großer!“. Hauptsächlich aber schmunzeln wir momentan über seine zauberhaften Buchstabendreher und ich bin geneigt, diese ins Familienvokabular zu übernehmen.

Trostbrot mit Pullunder

Trostbrot mit Pullunder

Morgens isst er gern ein Trostbrot mit Pullundermarmelade. Abends ein Brot mit Lederwurst. Und wenn die Apfelschulle alle ist, weiß er schon genau, wo es Nachschub gibt: In der Abschleppkammer! Und Anziehen geht auch schon alleine, insbesondere beim Räusperschluß darf ich nicht mehr helfen.

Manchmal muss ich aber intervenieren. Im Moment ist er ganz schrecklich verliebt in die fünfjährige Louisa, genannt Lulu. Jeden Tag fragt er mich, ob heute die Lullull kommt. Ich weiß nicht, ob „Lullull“ ein allgemeinverständlicher Begriff ist, aber hier ist es ein Kinderwort für Urin. Er nennt seine Freundin quasi Pipi! Ich also: „Nein, so heißt sie nicht. Süßilein, sag mal Luuuuuuisa!“, „Lullullulluiiiiiisa!“. Hoffnungslos.

Und gestern Abend: „Was wollen wir lesen?“. „Fliro Flunkerfisch!“.  „Flori Flunkerfisch meinst du? „Floo-ho-ri Flinkerfusch!“.

Und folgende Gesprächssequenz hört man bei uns Eltern andauernd: „Hach, ist der nicht süß? Mein Gott, ist der süß!“, „Ja, der ist wirklich süß.“. „Ja, oder? Den haben wir gemacht, kannst du dir das vorstellen?! Unglaublich, wie süß der ist!“.

 

Edit: Er ist wirklich sehr süß.  Echt jetzt. Ohne Übertreibung! Ich bin ja kein Flinkerfusch. Obwohl…

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Sprachförderung

Der Blondino (2,5) erhält von seinem Bruder (16) eine Logopädiesitzung.

Innerhalb weniger Minuten kann der Kleine auf einmal „Vollpfosten“ und „Fickschnitzel“ fehlerfrei aussprechen. Als ich naturgemäß versuche zu intervenieren, meint selbsternannte Sprachlehrer: „Mama, wenn der mit dir ne Weile im Auto rumfährt, kann der bald noch ganz andere Wörter!“.

 

Das hat der Doktor gesagt!

Es gibt ja so Eltern, die ihren Kindern mit dem Weihnachtsmann drohen. Oder der Zahnfee. Dem Osterhasen. „Näh, Tscheremeiea, wenn das dor Weihnachtsmann sieht, du, der bringt dir kee Geschenk! Auweia!“. Unmöglich ist das. Und ja, auch der Dialekt.

Ich würde ja nie zu so manipulativen Tricks greifen! Ehrlich. Weihnachtsmann. Also wirklich…

Wir haben den „Doggo“.

Der Doggo ist ehrfurchtseinflößend für den Blondino. Eigentlich ist er ein freundlicher, älterer Mann, der rosa T-Shirts trägt mit der Aufschrift „Doktor Gunther“. Und ist unser Kinderarzt.

Da der Blondino im letzten Quartal häufig dauernd erkrankt war, haben wir den Doktor Gunther oft besucht. Und der hat dann Medizin verschrieben. Die nicht schmeckte. Aber sein musste. „Das musst du trinken! Das hat der Doktor Gunther gesagt!“, hörte man mich mehrmals täglich sagen.

Kam ich mit der Medizin, tönte das Babylein irgendwann schon von allein ehrfürchtig: „Hatter Doggo sagt!“ und sperrte das Mäulchen auf.

Ab dann war es ein Selbstläufer.

Zähneputzen? Hat der Doggo gesagt.

Händewaschen vorm Essen? Hat der Doggo gesagt.

Abendbrot aufessen? Hat der Doggo gesagt.

Hören, wenn die Mami ruft? Hat der Doggo gesagt.

Augen zu, Ruhe und Schicht im Schacht? Hat der Doggo gesagt.

Es war zu einfach…

Gestern springt der Blondino auf dem Trampolin rum und nervt, ich solle reinkommen und mitmachen. Nein! Ich komme nicht rein! Ich will nicht!

Da guckt er mich streng an und sagt: „Mama machs Hüpfen und nimms meine Hand. Hatter Doggo sagt!“.

Scheiße.

 

 

Wattekuss

„Einz, bei, krei, vier, fimf, sechs, siebam, akt, nuin, sehn, ölf, Applaus!“

Er kann schon zählen, der Kleinste, wie die stolze Mutterhenne hier angeberisch verkünden möchte! Auch ist er in der Lage, dezidiert zu erklären, ob nun am Tablet „dor gölbe Bus“ oder „dor blaue Bus“ angemacht werden soll.

Ansonsten spricht er viel, aber hauptsächlich Babyisch. Beim letzten großen Baby-TÜV hat der gute Doktor auf dem TÜV-Formular „late Speaker“ vermerkt, weil der Wundervolle zwar alle Tiere und Alltagsgegenstände auf den Tafeln benennen konnte, nur eben nicht in deutsch.

Babyisch ist ja international. Ob nun aus Köln, Leipzig oder Shanghai, untereinander verstehen sich diese kleinen Wesen immer. Von Kommunikationsproblemen keine Spur!

Nun müssen sie allerdings bereits in frühen Jahren die entsprechend der späteren Verortung vorliegende Fremdsprache erlernen. Hauptsächlich, weil die alten Erziehungsmenschen linguistisch zu unflexibel sind, um sich auf das internationale Babyisch einzulassen. Obwohl man ja als Elter am Anfang gar nicht drum herum kommt…

Ich erinnere mich noch, wie ich als frischgebackene Muddi den native speakern und alteingesessenen Müttern lauschte und der Meinung war: Das lerne ich nie! Irgendwie ist es rückwirkend, als siedle man in ein anderes Land um. Mit der Praxis kommt es von ganz alleine.

Mittlerweile weiß ich, bilunguale Erziehung betrifft immer alle. Und zwar wirklich alle! Eltern und Kinder. Und ich bin sicher, dass die Hosenscheißer ganz genau wissen, was sie wann wie formulieren müssen, um Erfolg zu generieren. Beispiel gefällig? Als der Bärtige letztens das schnee-be-anzugte Wurschtgewitter die Treppen hochhievte zu unserer Behausung, rutschte dem die Pudelmütze bis hinunter zur Oberlippe. Empört protestierte der Kleinste eine ganze Treppe lang auf Babyisch, um sich dann, nach dem zweiten Absatz, in deutlichstem Deutsch zu beschweren: „Isch seh nüsch! Isch seh nüsch!“.

Der kann das. Wenn er muss. Und Wollen muss er auch. Dann verwendet er sogar regelrecht inflationär verstärkend wirkende Adverben wie „wugglisch“, „örlisch“ und „naturlisch“. „Bist du im Schuh drin?“. „Ja. Wugglisch.“. „Hast du gut geschlafen?“. „Ja, naturlisch.“.

Will er aber meistens nicht. Teleskoplader, Raupenbagger und selbst Müllauto spricht er fehlerfrei. Für letzteres gibt es aber ein schönes Babyisch-Wort: Badeng! Und so wird nach wie vor die Ankunft des orangen Riesen vorm Haus von frenetischen „Badeng! Badeng!“-Rufen begleitet. Im Kindergarten wollte ihn der große Lukas (der ist schon vier) logopädisch schulen und sagte ihm, das würde aber Müllauto heißen. „Badeng!“, widersprach der Blondino. „Müllauto!“, „Badeng!“, „Müllauto!, „Badeng!“. „Also gut, von mir aus Badeng.“. Soweit ich weiß, ist Badeng jetzt im Kindergarten etabliert.

Ich amüsiere mich über diese für mich neue Fremdsprache. Als ich mit ihm neulich zu meiner Freundin unterwegs war, freute er sich die ganze Autofahrt lang auf „Grödel, Ketschup und Malle“ und ich schwöre, Gretels Kinder heißen wirklich nicht so!

Mein liebstes Babyisch-Wort ist „Wattekuss“. Wattekuss ist die Generalantwort auf jede Aufforderung, die an das Baby gerichtet wird. „Komm, Windeln wechseln!“. „Wattekuss.“. „Los, Schuhe anziehen!“. „Wattekuss.“. „Räum die Vaininni vom Boden auf!“. „Wattekuss.“.

Allerdings bin ich der Meinung, es gibt durchaus Worte aus dem Babyischen, die eingedeutscht gehören. „Vaininni“ ist so ein Wort (nach langer Überlegung bin ich der Meinung, das ist ein Pluralwort wie Globuli). „Heb die Vaininni vom Boden auf!“ ist ein vielgesprochener Satz im Hause Nieselpriem. Denn die Vaininni werden täglich aus dem Küchenschieber geholt und in der Küche verteilt. Und im Flur.

Vaininni

Vaininni (mehrfarbig; verteilt auf einem Küchenboden)

Plastiktrinkröhrchen ist doch ein absolut unmögliches Wort, oder? Vaininni dagegen kan jeder Mensch, egal, aus welchem Kulturkreis und egal, mit welchem Alkoholpegel, problemlos aussprechen. Denn, mal ehrlich, wann kommen die Dinger denn zum Einsatz?

Genau! Meistens, wenn man morgens um drei stocknüchtern in einer Bar sitzt und die Thekenfachkraft verkündet, sie würde jetzt die letzte Runde machen. Dann denkt man sich: Mensch, jetzt als Abschluss einen schönen Whiskey sour mit viel crushed ice und Rohrzucker, den man mit dem Plastiktrinkröhrchen zwischen den Limettenstücken im Glas  klimpernd verteilen kann und dabei noch ein bisschen über die großen Themen der Welt philosophieren. Und souverän und nüchtern wie du bist bestellste dann: „Een Wixauer, aba mi Plastiringröschn!“.

Ich bin sehr für Vaininni…

 

 

 

 

 

 

Sprachwortschätzchen

Ich muss das jetzt mal aufschreiben! Ich vergesse das sonst (Wie alles. Zum Beispiel, dass ich keine leeren Töpfe, Holzbretter oä. auf dem Herd stehen lassen soll, weil der Blondino die Platten anmacht und Rauch und Stinki produziert.).

„Das“ sind die aktuellen verbalen Kommunikationsversuche des Babylinos. Er ist heute auf den Tag genau zweiundzwanzig Monate und zweiundzwanzig Tage alt. Oder jung.

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Gugu…            Kuscheln

Badengg…       cooles großes Auto (zum Beispiel Müllauto)

Kradengg…     krass großes cooles Irgendwas (zum Beispiel Hubschrauber oder Flugzeug)

Hadengg…      Hasen

Hodengg…      (Kommt schon, das ist jetzt einfach!) Hosen

Ösil…               Nein, kein Fußballer, sondern: Esel

Milß…              Milch

Gesi…              Käse; kann nur in Form von Reibekäse gegessen werden

Giesi…             Gießen (im Garten); ist von der Familie schon als gängige Redewendung adaptiert worden: „Ich geh mal Giesi machen!“

Ölbe…             der Fluss, an dem wir leben

Wasseeeer…   Wasser

Äbbl…              Äpfel (oder grüne Tomaten)

Maten…           rote Tomaten

Erbern…          Erdbeeren; auch Johannisbeeren, Stachelbeeren, Jostabeeren

Mimi…             Müsli; auch jede Form von Cerealien

Gub…              Buch

Kratzen…         Kerzen

Krab…              Quark (in der Fruchtzwergversion)

Miu…               Melone oder Katze (je nach Kontext)

Buff…               Schließen einer Tür, eines Schiebers

Guda…             Bruder (der Guda…)

Baba…              Baden

Am…                 Licht anmachen! Oder aus! Oder Musik! Rate, was ich will!

Mal…                Los, sing für mich!

Kacka…            Schokolade; es war auch schon mal Kakao, der heißt aktuell…

Krakau…         Kakao

Bass…              Saft

Wawa…           Hund

Nana…             unbestimmtes Tier (alle außer Katzen, Hunde und Giraffen)

Graffen…        genau: Giraffen

Fuhe…             Schuhe

Lülle…             Schlüsselbund

Brrrrrr…          Auto

Warum ich wirklich in Pieschen wohne…

Ich wohne gern in Pieschen. Meistens. Warum es mich hierher verschlagen hat, kann man hier nachlesen.

Aber vielleicht ist das ja gar nicht die ganze Wahrheit, wer weiß?

Folgende Begebenheit geriet uns die Tage wieder ins Gedächtnis und mittlerweile kann auch ich darüber lachen.

Zwei unschöne Dinge korrelierten, konglomerierten quasi und gipfelten in einer Situation, die mich damals in allergrößte Erklärungsnot brachte und möglicherweise dafür sorgte, dass wir weit weit weit weg von Dresden-Striesen eine neue Heimat suchten:

Zum Einen die Unart meines damals etwa neunjährigen Sohnes, spätnachts heimlich mein Bett zu entern. Und zum Anderen meine eigene Unart, nach dem fragwürdigen Genuss von Kochsendungen im Privatfernsehen vor der laufenden Glotze wegzuratzen.

Jedenfalls erklärte der Sohn eine Zeitlang allen Nachbarn, der Besitzerin des Getränkemarktes an der Ecke, der Bäckersfrau, seiner Lehrerin und jedem anderen Menschen, der mit uns irgendwie ins Gespräch kam:

„Meine Mama guckt jede Nacht schwule Frauen im Fernsehen! Die reiben ihre Brüste aneinander!“