Heute ist Schwitzwoch, der zwanzigste Juli, und im Talkessel der Stadt Dresden hat man vierzig Grad gemessen. Vierzig Grad im Schatten, das ist so warm, da verzieht sich sogar der Hund.


Mit Hund ist die Freizeitgestaltung rasch erzählt: Man steht eigentlich permanent irgendwo in der Pampa rum und ruft den Hund. Und das Kind. Und dann wartet man und ruft wieder, und wartet. Rufen und warten, immerzu. Das war´s auch schon im Groben.


Vierzig Grad im Schatten, das Schuljahr ist vorbei und der Ranzen hängt nach dem Sauberschrubben auf dem Gartenzaun zum Trocknen. Da bleibt er jetzt für die nächsten fünf Wochen. Es gibt ja so Menschen, die in den Ferien Schulprojekte machen und Kinder, die Lernarbeitsbücher mit Malfolgen durcharbeiten oder Ferientagebücher schreiben. Und es gibt uns, wir popeln sechs Wochen am Pool und spitzen die Stifte am Sonntagabend, zehn Stunden vorm Schuljahresstart.

Neulich lag ich in der Wanne, die Hände auf meinem Bauch, und dachte darüber nach, dass ich mich irgendwie gar nicht mehr daran erinnern kann, wie es sich anfühlt, schwanger zu sein. Ich meine, wie kann man das vergessen?! Okay, die erste Aufregung nach der Ankündigung, das Hineinhorchen, das habe ich nicht vergessen, aber ansonsten? Pure Verdrängung wahrscheinlich.
Vor neun Jahren war es um die Zeit auch vierzig Grad heiß, ich hatte dreißig Kilo Übergewicht und einen Klumpfuß aufgrund zweier gebrochener Zehen. Das war die Situation, die ich später unter dem Titel „Walgesänge in Brandenburg“ therapeutisch verarbeitet habe (ihr könnt das nachlesen, müsst ihr aber nicht, wie schreiben keinen Aufsatz darüber). Da war ich ganz sicher keine glückliche Schwangere, keine strahlende. Auch nicht trotz Aussicht auf Sonnenuntergänge.


Heute nun wiege ich exakt dreißig Kilo mehr als das Fortpflänzchen, das ich damals ausgebrütet habe. Ich bin mit dem Ergebnis mehr als zufrieden (dem Kind, nicht meinem Gewicht) und im Großen und Ganzen auch mit dem Umstand, dass keine weiteren Genexperimente aus dem Konglomerat Bärtiger plus Nieselpriemchen entstehen werden (manchmal nur frage ich mich, was für eine wilde Hilde wohl unsere Tochter geworden wäre, hätten wir eine gehabt).
Neulich fragt das Kleinste: „Mama, bin ich eigentlich kratzi?“. „Kratzi, was meinst du?“. „Na guck, so!“, spricht es und hält mir das Buch der drei ??? hin.

Ich erkläre ihm, dass er auf jeden Fall absolut kratzi sei – und zack! – Lieblingswort des Monats gefunden!
Die Erkenntnis des Monats habe ich auch schon gefunden. Ich stand im PKW sitzend wartend an der Ampel (ich stand sitzend, das geht auch nur im Deutschen…) und beobachtete den „drobs„-Verkäufer vor dem NETTO, vielmehr beobachtete ich mit steigendem Widerwillen die Personen, die in den NETTO gingen beziehungsweise aus dem NETTO kamen, und an dem Mann mit den Straßenzeitungen vorbeigingen, ohne ihn zu beachten. Sie kauften keine Zeitung, sie legten nichts in den Becher, sie ignorierten ihn vollends. Ich zählte dreizehn Leute. Ich war so wütend! Alles wird teurer, ja, aber auch für die Ärmsten! Was stimmt nicht mit dem Menschen, fragte ich mich mal wieder und schwor, auf dem Rückweg anzuhalten. Wenig später fuhr ich auf demselben Weg zurück (ich hatte den Mann eingesammelt), und vergaß über ein (vermutlich) belangloses Gespräch mein hehres Unterfangen. Zu Hause in meiner Küche dann fiel es mir ein und auch die Erkenntnis, dass es nicht leicht ist, meinen hohen moralischen Grundsätzen gerecht zu werden. Noch nicht einmal für mich selbst. Ich muss da morgen noch mal hin…
Reingezogen und für gut befunden – im Juli
„Borgen“ hat bewiesen, dass die zweite Staffel durchaus besser als die erste sein kann (und die fand ich auch schon super),
„Ozark“ hat „sons of anarchy“ als Lieblingsserie abgelöst (und die hatte vorher „breaking bad“ abgelöst),
„25 km/h“ hat bewiesen, dass alle Filmprojekte mit Bjarne Mädel sehenswert sind und der deutsche Film nicht tot ist, und
„andere Eltern“ war eine sehr amüsante zweite deutsche Überraschung für mich.
Gelesen und gemocht habe ich:


Weil wir gerade bei „reingezogen“ waren. Gesunde Ernährung wird ja auch im Sommer groß geschrieben. Da man bei der Hitze lieber was Kaltes und Leichtes zu sich nehmen soll, nehme ich regelmäßig kalte Kuchen und leichte Törtchen. Die Fotodokumentation lügt nicht.



Noch zehn Tage arbeiten, dann gehts an die polnische Ostsee für uns. Ich habe ein wenig Bammel, nachdem mir mehrere Personen erzählt haben, Kolberg sei eine Mischung aus Balaton und El Arenal, und der Mann und ich mögen weder das Eine noch das Andere besonders.
Kennt sich wer aus und möchte seine Meinung kundtun? Bitte, nur zu. Ich weiß ja nicht, ob ihr das wusstet, aber wir sind hier „indornäschonnel“, ich hab da mal einen screenshot gemacht aus der Statistik. Es liest auch offensichtlich mindestens eine Person aus Polen hier mit (okay, aus Costa Rica und Südkorea sind es genauso viele), die werde ich besuchen fahren! Wenn´s in Kolberg zu voll ist, dann fahren wir die polnischen Leser:in besuchen – abgemacht! Bitte mal Handzeichen, bei wem wir klingeln sollen!

Jetzt bleibt mir nur noch, euch einen kratzi Sommer zu wünschen, viele kleine Glücksmomente und viele kühle Törtchen. Und ihr geht nicht achtlos am „drobs“-Verkäufer vorbei, ja? Denkt immer dran, ich sitze im Auto stehend an der Ampel und beobachte euch!