Erntefluch und Erntedank

„Hach, so ein Garten ist ja was Schönes!“.

Höre ich andauernd. Natürlich nur von Leuten, die keinen Garten haben! Oder von Rentnern mit Garten. Oder Rentnern ohne Garten, die aber mal einen hatten. Oder von Leuten, die meinen, einen Garten zu haben, aber in Wahrheit drei grüne Handtücher um ihr Eigenheim herum bepflanzen und hegen müssen…

Ja, So ein Gemüsegarten ist was tolles. Also in der Fantasie. Die eigene Familie mit selbst gezogenem Gemüse und Kräutlein versorgen zu können und wenn man die Freundin besucht, ach, da lustwandelt man vorher mal kurz durch die bunt wogende Blumenpracht im eigenen Garten und pflückt einen superschönen Gartenstrauß zusammen als Ode an die Natur und die Freundschaft zur Freundin. Von wegen!

Meine Blumenbeete sind alle mit Tieren befallen. Klebrige schwarze Läuse! Während ich diese inspiziere, krabbeln Armadas (Plural von Armada, also vielleicht auch Armaden, Maden mit Ar- vorne dran, was weiß denn ich, viele jedenfalls!) meine Beine und Arme hoch. Beißen mich. Einen Blumenstrauß pflücke ich nicht. Gut, in den kurzen Wochen, wo der Flieder blüht, pflücke ich Flieder. Und ich pflücke Forsythie an Ostern. Und eine Woche im Frühjahr ist auch ne gute Zeit für Pfingstrosen. Aber der Traum von Blumensträußen aus dem eigenen Garten ist schon mal ein Fail.

Gemüse. Hach ja. Ernten, erntefrisch genießen und so. Toll, oder? 90% Arbeit, 10% Ernten. Das ist die Wahrheit.

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10% des Gärtnerlebens besteht aus diesem Anblick

Wir haben ein Gewächshaus, das alle drei Tage gegossen werden muss und eigentlich wie ein Haustier ist, das Tomaten abwirft. Verreisen wir, muss da also jemand ran. Ebenso an den Wasserschlauch, wenn eine tagelange Dürre angesagt ist. Nach der Arbeit abends rammelste hin. Gießen. Hegen, Pflegen, hochbinden, Vergeilungstriebe abknipsen. Sowas.

Und der Ertrag? Nun ja. Die Gurken spinnen. Eigentlich immer! Erst knallen sie Früchte raus, als wöllten sie floratechnisch die Weltherrschaft an sich reißen und dann ist Ruhe im Schacht. Heißt, wir haben innerhalb dreier Wochen zwanzig Gurken geerntet und Gurkensalat, Schmorgurken, zu verschenkende Gurken und vergammelte Gurken im Angebot gehabt und nun trocknen unsere zwei Gurkenpflanzen müde vor sich hin. Spinnenbefall haben wir auch an denen. Wie in jedem Jahr. Hässliche weiße Netze. Klebrig. Eklig.

Sollzustand

Kartoffelacker Sollzustand

Istzustand

Kartoffelacker Istzustand

Tomaten stehen da auch rum. Eine der vier Pflanzensorten schmeckt sogar. Aber die Schnecken finden das auch. Ich will nicht von Schnecken angeschlabbertes Gemüse essen!

Die Schnecken sind auch überall. Ü-ber-all! Neulich habe ich einen groben Garten-Anfängerfehler begangen: Ich bin mit nackten Füßen in meine Gummistiefel geschlüpft. Tja, sagen wir mal so: Ich war danach wach! Sehr! Denn ich schlupfte barzehig mittig in eine Nacktschneckenclique hinein.

Jetzt haben wir Zucchinischwemme. Was macht man damit? Zucchinikuchen, Zucchinibrot, Zucchinipuffer? Kann man. Mein Tipp für die armdicken Zucchinis ist, sie nach diesem Rezept hier zu allerfeinstem Relish zu verarbeiten und im Herbst aufzuschlabbern oder zu verschenken und tosenden Applaus dafür einzufahren! (Wenn ihr dem Link folgt seht ihr, dass ich bereits 2014 frenetisch begeistert bei diesem Blog kommentiert habe und schwöre, das Zeug ist ein echtes Rauschmittel! Unbedingt probieren! Und auch Antje´s ganzen Blog lesen an der Stelle, wenn ihr schon mal dorthin surft.).IMG_2701

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Außerdem liebe ich Zucchini als Antipasta. In daumendicke Scheiben schneiden und mit Olivenöl, Kräuter der Provence und Salz/ Pfeffer einreiben. Scharf anbraten auf einer Seite, wenden. Dann auf jede Zucchinischeibe je eine Scheibe Parmesan legen. Deckel auf die Pfanne, ausschalten, stehen lassen. Schmeckt traumhaft! Und zwar am besten lauwarm.

Oder mariniertes Gemüse mit Zucchini. Die Dinger nebst Champignons und Zwiebeln und Knoblauch (wer mag) anbraten, in eine Schüssel umschütten. Olivenöl, eine kräftige Prise Zucker, Salz, Pfeffer, je ein Zweig Rosmarin und Thymian dazu. Wer mag noch einen kleinen Schuss Weißweinessig. Einen Tag durchziehen lassen, fertig! Warum es für beides keine Fotos gibt? Nun, ratet mal.

Beerensträucher sind wirklich was Schönes! Wir haben schwarze, rote, weiße Johannisbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren und Himbeeren. Mit den beiden letzteren habe ich überhaupt keine Arbeit. Da stehen meine drei Jungs artig davor und ernten die direkt in ihre Münder. Die anderen werden alle zur selben Zeit reif und da heißt es schnell sein und vierzig Kilo Gelierzucker und zweihundert leere Marmeladengläser vorrätig zu haben. In diesem Jahr habe ich die Beeren erst in Gefrierbeutel geerntet und gedacht, ich froste das und koch das ein, wenn ich irgendwann mal Lust und Zeit habe! Aber nee, der Frost ist noch voller Rhabarber, bei dem ich mit der selben Denke an die Ernte rangegangen bin…

Also kochen.IMG_2671

Wäre ein super Instagramfoto, nicht wahr? Wow! Weiße Johannisbeeren. Aber die sehen als Solo-Gelee aus wie fest gewordenes Bier. Nä! Also werden sie zusammen mit den Stachelbeeren zerkocht.IMG_2673

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Am Ende kommt auch nur wieder eine rote Marmelade raus und ich stelle die nächsten acht Gläser mit irgendeiner roten Marmelade in den Keller zu den anderen vierhundert Kollegen. Ich habe noch Holunder von 2014 und 2013. Johannisbeere von 2013 fortfolgende, Pflaume mit Zimt, Pflaume mit Kardamom, Kiwi mit Dings und Quitte mit Das… ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich da unten in diesem Keller noch habe. Und es kommt ständig was neues dazu! Kein Mensch kann so viel Marmelade essen.

Obstbäume sind doch aber was Schönes, oder? Nein. Ich habe einen Pflaumenbaum, einen Apfelbaum und zwei Kirschen. Entweder tragen die Bäume gar nicht oder sie tragen und wecken wilde Hoffnungen in mir, nur um im entscheidenden Erntemoment zu sagen „Püh!“, und alles abzuwerfen kurz vor Reife. Oder – im Falle der Kirschbäume – wunderprächtige Früchte zu produzieren, die alle, alle, alle von Maden befallen sind (nein, ich will mir auch mit Maden nicht mein Obst teilen). Und dann hängen auch noch zwei bis zehn Kilo in schwindelerregender Höhe rum, die sowieso kein Mensch ernten kann! Und dann fängt der Spaß erst an. Wie also sieht das aus? Nun ja, die Wiese ist voller modrigem Fallobst, das weggerecht werden muss, weil es sonst Wespen, Ameisen und noch mehr Viechzeug anlockt. Also außer gießen auch noch rechen jeden zweiten Abend. Nach der Arbeit. Und der Kinderbetreuung. Schaffen wir nicht. Wir haben modriges Obst und surrende Wespen.

Kinder sind auch ein gutes Stichwort.

Kinder lieben Gärten! Oder? Ja, doch. Da kann man so viel entdecken. Wasserfässer, aus dem Boden ragende Stromleitungen, Rasenmäher, Unkrautex in Flaschen mit Schraubverschluss (Wie geht das denn auf? Ach so geht das auf!), Rattengift (Oh, rosa! Wie schön! Wie schmeckt das denn?). Damit wir überhaupt mal in Ruhe irgendwas machen können, haben wir dem Kleinkind gestattet, mit einer Schaufel das eine Erdbeer- und Tomatenbeet umzugraben. Er macht das auch geflissentlich und leider sehr engagiert. Er trägt also sukzessive die Erde und Erdbeerpflänzchen ab um sie über dem Kartoffelacker auszuschütten. Eine große Hilfe! Nur fürs Protokoll, nein, Erdbeeren haben wir auch keine. Die wurden von den Igeln oder Eidechsen oder Schnecken abgefressen. Und, na klar, dem Kind ausgebuddelt.

Wer weiß, vielleicht kommen sie dann im nächsten Jahr auf dem Kartoffelacker wieder? Im nächsten Jahr. Was wird dann mit dem Garten im nächsten Jahr? Wer wird sich über die Unkrautmassen aufregen? Und über die Schnecken? Die Viecher an den Blumen und die viele Arbeit?

Mittlerweile kenne ich tatsächlich mehrere Familien, die sich genauso blauäugig wie wir in einen Gartentraum gestürzt haben, und diesen mittlerweile wieder beerdigt haben. Ihren Garten abgegeben. Und ich verstehe sie! Es macht Scheiße viel Arbeit. Echt jetzt. Und da reden wir noch nicht mal über die Wartungsarbeiten an einem Haus, wenn denn eines draufsteht. Über Wasserrohrbrüche, volle Klärgruben, Marderschäden oder ähnliches. Zwei Berufstätige mit Kindern, Kegeln und einem Schrebergarten? Gibts, aber kannst du dir eigentlich weitere Hobbies klemmen.

Und wir haben doch auch noch Hobbies! Wir haben eigentlich zu wenig Zeit für diesen Garten! Und, zum Glück, suchen und finden wir ja nun ein Haus mit grünem Handtuch drumherum, das sich leicht pflegen lässt. Wo man nicht erst nach der Arbeit ins Auto steigen muss um irgendwohin zu fahren und zu gießen. Nein, man ist ja da! Zu Hause. Auch das bisschen Unkraut zuppeln kann man sich gut einteilen. Das wird ganz schön. Ganz schön wird das. Ganz schön wehmütig vor allem… Er wird mir fehlen, der blöde Drecksgarten. Der doofe. Deshalb muss ich noch ein paar Mal schreiben, wie blöd der Garten ist. Damit er mir nicht so dolle fehlt. Wenn ich dann in meinem schönen Haus mit dem pflegeleichten Handtuchrasen drumherum sitze und gekaufte Gurken ohne Spinnweben kleinschneide. Deshalb.

Zum Schluss habe ich noch einen Garten-Hack für euch. Klingt seltsam, funktioniert aber! Einfach einen Schwapps warmes Wasser und Lieblingsschaumbad in die Gummistiefel schütten (nachdem ihr eventuell die Schnecken ausgeschüttet habt) und dann ab mit den nackschen Füßen rein und ins Beet zum Unkraut zuppeln. Das hilft gegen die furchtbar schwarzen Gartenfüße, die so schwer sauber zu schrubben sind und ihr macht dabei direkt ein Fußbad. Es sei denn, ihr habt keinen Garten. Dann braucht ihr auch kein Seifenwasser in eure Gummistiefel kippen! Aber vielleicht schafft ihr euch ja irgendwann einen Garten an? So ein Garten ist doch was Schönes. Und auch für die Kinder!

😀

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Gartenidylle 2016

Gartenidylle 2016

Der Garten und wir ist ja eine lange Geschichte voller Plackerei und Schund. Und Träumen. Träumen, die wie die morschen Wasserrohre zerplatzten.

Wer viel Zeit hat und weder Freunde noch Verpflichtungen im Haushalt, kann sich ja hier in dieser Textsammlung der vergangen Jahre anlesen, was bisher geschah.

Auch das diesjährige Gartenjahr begann so schön wie alle anderen bisher: Ein geplatztes Rohr im Schuppen und ein Wasserschaden im Haus.

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Der Bärtige hat daraufhin ein wenig an der Tapete gezuppelt und da krachte die aufgeweichte Decke runter und mit ihr ein Haufen Exkremente und mit Urin durchweichte Füllwatte. Auf den Mann. Zack!

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Wir hatten offensichtlich den Winter über einen Marder als Untermieter im Dach. Der Mann hatte Laune. Und Exkremente auf den Klamotten. Er hat sich dann noch mit einem Forsythia angelegt und so endete sein Tag in der Notaufnahme der Augenklinik. Und ich sag noch: Leg dich nicht mit dem Garten an! Aber nein.

Eine Woche später war es noch immer nicht vorbei, denn wir sahen, dass am rückwärtigen Teil des Hauses ein ausgefressenes Loch war, da wo einst ein Halogenstrahler prangte. Im ersten Schreck dachten wir, der Marder sei zurück! Aber da er ja unmöglich vom Boden unters Dach springen und dabei ein Eingangsloch fressen konnte, war die Wahrheit eine andere, allerdings nicht minder verstörende: Der Eindringling saß die ganze Zeit, während wir sauber gemacht haben und den Spalt im Dach, der ihm als Eingang gedient hatte, verschlossen, in unserem Haus. Unter unserem Dach. Und hat gewartet! Als wir weg waren, hat er dann offensichtlich die Aussparung von dem Strahler ausgefressen um zu flüchten.

Ich meine, zum Glück! Da war ja immerhin ein Riesenloch, das ins Hausinnere führte! Er hätte es sich ja auch auf unserer Couch bequem machen können für die nächste Zeit. Oder im Kinderbett!

Wir haben eine blaue Mülltüt in das Loch gestopft. Es also repariert. Das Loch im Haus ist noch immer da...

Wir haben eine blaue Mülltüte in das Loch gestopft. Es also quasi fachmännisch repariert. Das Loch im Haus ist allerdings immer noch da…

Ein Scheißendreck mit diesem Garten…

Allerdings ist es wohl ziemlich sicher, dass das unser letztes Gartenjahr dort sein wird. Ja, wir werden umziehen. Und das wird dann ein Objekt mit angeflanschtem Garten sein. Aus diesem Grund wird der Chaosgarten nach dieser Saison verkauft werden.

Und seit das so ziemlich sicher ist, hat sich bei mir ein Paradigmenwechsel vollzogen. Konnte ich die letzten Jahre nur Arbeit und unfertige Träume sehen in diesem Stück Land, so sind es nun in diesem Gartenjahr eher zärtliche Gefühle, die mich damit verbinden.

Diesen Garten hatte die Oma des Mannes gepachtet nach´m Krieg und wir sind die dritte bärtige Generation hier. Schon zweimal bin ich mit dickem Kugelbauch über das Gras geschlurft, meinte schon zweimal, ich würde hochschwanger im Auto während der Anfahrt über die Buckelpiste entbinden. Habe meine beiden Kinder in dem Sandkasten spielen gesehen, in dem schon der Bärtige als Kind gebuddelt hat.

IMG_1921Und so bin ich ein wenig wehmütig und sehe in diesem Jahr zum ersten Mal nicht die ganze Arbeit, sondern wie schön es hier eigentlich ist!

Und ich freue mich auf dieses Gartenjahr und auf ganz viel Besuch!

Ich freue mich darauf, dass bald die Pfingstrosen aufplatzen, dann kommt der Rhabarber. Irgendwelche blauen und gelben Liliengewächse blühen auch schon. Im Sommer kommen die Stockrosen, Johannisbeeren, Jostabeeren, Brombeeren und Himbeeren. Wein. Tomaten, Gurken, Zucchini und jede Menge Kartoffeln, die uns bis in den Winter satt machen werden. Ich werde zum letzten Mal armeweise Lavendel ernten und in Sträußen zum Trocknen im Haus aufhängen.

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IMG_1969Ich werde Tee aus einer Flohmarktkanne trinken auf der Terasse und lesend auf dem Liegestuhl liegen während die Jungs im Pool planschen.

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Freue mich daran, dass ich bei offener Tür duschen kann und nur eine Zuckerhutfichte schaut mir dabei zu.

IMG_1902Wenn ich das Wohnzimmer betrete, freue ich mich immer unbändig, dass mein heißgeliebter alter Esstisch, der nicht mehr in unsere Wohnung gepasst hat, hier einen Alterssitz gefunden hat und ach, die Stühle! Wisst ihr noch? Die Stühle habe ich in meinem ersten Gartenjahr hier aufgearbeitet und gepolstert.

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Für kleine Kinder ist so ein Stück Garten toll! Man kann Ameisen und Eidechsen beobachten oder eine Fliege auf dem Rhabarber.

IMG_1911Man kann im Sand spielen, schaukeln, Bälle in der Gegend rumkicken, mit Wasser rummatschen oder Blümchen pflücken. Und es gibt doch nichts aufregenders als ein Werkzeugschuppen!

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Und wenn man sich dann müde gespielt hat, isst man im Schatten Melone oder Eierkuchen und lässt sich in die Kuschelhöhle unterm Dach bringen.

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Und Mama und Papa sind auch nicht weit, die haben ihre Höhle gleich nebenan. IMG_1894

… Ach warte, nur der Papa schläft mit. Die Mama steht ja im Feld und buddelt irgendwas ein oder aus. Natürlich sieht die furchtbar sexy aus mit wehendem Haar, Strohhut und geblümtem Sommerkleid.

In etwa so:

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