Neujahrsvorsätze

Neujahrsvorsätze

Neujahrsvorsätze sind so Sätze, die man vor Neujahr sagt. Und die dann spätestens ab Hochneujahr vergessen sind. Also dann, wenn alle Menschen bei Tchibo Fitnessshirts und Faszienrollen gekauft haben, enthusiastisch dämliche AbnehmApps im jeweiligen Appstore heruntergeladen und wenigstens einmal neugierig und ob der Preise ungläubig staunend durch den Bioladen geschlendert sind (und im Anschluss drei Schnitzel für drei Euro im Discounter gekauft haben).

Ich weiß nicht mehr, an wie vielen Neujahrstagen ich beschlossen habe, ab jetzt nicht mehr zu rauchen. Irgendwann war es dann ein unscheinbarer Septembertag, an dem ich tatsächlich meine letzte Zigarette geraucht habe und es gab nicht mal ein Feuerwerk. Egal, die vielen Neujahrvorsätze haben bestimmt die Vorarbeit dazu geleistet!

Was ich sagen will, dieser Tag eignet sich gut für eine innere Inventur, eine kritische und wohlwollende Bestandsaufnahme. Wer bin ich, wo bin ich und habe ich ein Navi dabei? Eine Karte? Einen Plan? Einen Führer? (Man wird doch 2020 wieder „Führer“ schreiben dürfen, oder?! Nein? Oh, ok.) Und: Führe Guide ich oder möchte ich an die Hand genommen werden? Wohin soll die Reise gehen und habe ich die richtigen Schuhe an? Zwölf Monate, dreihundertfünfundsechzig Sonnenuntergänge, die vor mir liegen. Das neue Jahr als Chance, als unbeschriebenes Blatt im ganz persönlichen Lebenslauf. „Chance“, das bedeutet im Französischen „Glück“. Chancen zu sehen für sein eigenes Wachsen und Veränderungen, welch ein großes Glück!

Nun rauche ich ja nicht mehr, trinke keinen Alkohol, lebe freiwillig monogam und esse schon mein Leben lang ungern Fleisch bei gleichzeitig zwanghaftem Drang zu sportlicher Betätigung. Nach gängiger Mode hinsichtlich eines ordentlichen Lebensstiles kann ich getrost sagen, meine guten Absichten für das neue Jahr klingen wie die Werbung für kalorienreduzierte Wurst: „Ich will so bleiben wie ich bin – du darfst!“, allerdings muss ehrlich gesagt werden, dass ich mich bis zu diesem Punkt der Einsicht und Selbstakzeptanz fast fünfzig Jahre abgeplackert habe und dass diese wohlwollende und annehmende Haltung nüchtern und nichtrauchend betrachtet eigentlich nichts mit dem Fehlen irgendwelcher Laster zu tun hat. Sondern mit dem Umstand, dass ich mich selbst mehr liebe ohne selbstzerstörerisches Verhalten, das mich leider anzieht.

Aber es geht ja nur darum, seine eigene Kompassnadel auszurichten. Es gibt Menschen, die sich besoffen und dauergeil einfach mal dauergut fühlen und wenn sie damit keine anderen Menschen gegen ihren Willen belästigen, super! Und natürlich im Anschluss ihre Schnapspullen im Glascontainer entsorgen, natürlich.

Wie ich jetzt darauf komme?

Ich war gestern Morgen laufen, das mache ich seit vielen Jahren an jedem Neujahrsmorgen. Und ich war entsetzt. Entsetzt darüber, dass es ganz offensichtlich am Neujahrsmorgen 2020 ganz genauso aussieht wie am Neujahrsmorgen 1999, zum Beispiel. Dass es nach einem Jahr voller Greta und Klimagipfel und Resolutionen, Demonstrationen, FFF und Grannys for future und Aufklärung durch quasi jedes frei zugängige Medium dennoch so aussieht wie es aussieht.

Mensch, wie sieht es denn hier aus?!

Am Silvesterabend schon stand ich an dem schönen Fluss, der durch meine Lieblingsstadt fließt, und stellte keine mengenmäßige Veränderung fest, was Feuerwerk, Böller und Raketen anbetraf. Das war auch nicht anklagend oder kritisierend, einfach nur feststellend.

Am Morgen danach kommt mir das Kotzen. Ich kann es einfach nicht fassen, das Bild, das sich mir bildet. Der Mensch ist dumm und ignorant und nur auf die Maximierung des eigenen Lustgewinnes aus (ich habe noch nicht gefrühstückt, da zünde ich schnell), der Mensch ist schlecht. Ich denke unwillkürlich an die Titanic, während ich über den knirschenden Asphalt laufe, das Schiff sinkt, im Maschinenraum arbeiten die Ingenieure wie besessen um das Schiff zu retten und im Ballsaal schütten sich die Gäste mit Champagner zu und tanzen fröhlich, als wäre rein gar nichts passiert. Ein Eisberg? Ach was, das ist doch nur Panikmache!

Das muss man erst mal verstehen. Da stellen Menschen, die möglicherweise an dreihundertsechzig Tagen im Jahr behaupten, Bio und regional sei zu teuer, Batterien und Knallzeug auf den Gehweg, was so teuer ist wie eine Schweinslende in Demeterqualität und -Puff!-Peng!- ab damit in den Himmel. Danach gehen sie nach Hause. Der Müll bleibt liegen, ebenso der Plastikbeutel, in dem sie ihren Knallmüll herbeigetragen haben. Daneben die Sektflaschen zum Anstoßen – Zack! Ab auf die Wiese damit und mein Sektglas schmeiße ich an die Wand, das wird Glück bringen! – wird sich schon irgendwer darum kümmern, mir doch egal.

Und mir dämmert, Veränderungen müssen vielleicht einfach „näher dran am Menschen“ beginnen. Bei Silvester heißt das vielleicht nicht: „Kauft keine Knaller! Das ist schädlich für die Umwelt!“, sondern: „Nimm deinen Scheißmüll gefälligst wieder mit nach Hause! Sammel doch einfach den Dreck ein, den du machst, wenigstens den sichtbaren. Danke! Und Prost Neujahr!“. Müllentsorgung kommt vor Müllvermeidung in der Bewusstseinskette.

Biologisch abbaubare Böller – eine Alternative?

Morgens um neun war die Dresdner Stadtreinigung bereits am Schillerplatz im Einsatz und gegen zehn sah es rund um den Schillergarten aus wie frisch reinegemacht und mit Pril gewienert. Dazu muss man wissen, dass in diesem Viertel die Stadtrundfahrt durchfährt und hier zwischen den Villen an der Elbe die reichen Touristen promenieren, und die will man natürlich mit einem sauberen Ambiente erfreuen, also die Stadtväter möchten das.

Geputzt wird am ersten Januar nach meinem Beobachten nur bis zur Waldschlösschenbrücke, danach fängt Johannstadt an und das ist nicht so wichtig, ob es dort dreckig ist, und Pieschen? Ach, nach Drecks-Pieschen kommt die Straßenreinigung gar nicht in der ersten Januarwoche! Dort sieht es aus wie nach dem Krieg (oder was unsereiner darunter versteht).

Aber in Pieschen habe ich am ersten Januar junge Menschen gesehen, die mit Beuteln bewaffnet am Elbufer entlang gingen und Silvestermüll aufsammelten. Und später auch in Blasewitz eine ganze Familie, die während eines Neujahrsspazierganges Beutel dabei hatte, aus denen Holzstöcke von Raketen ragten.

Der Bärtige sammelt unseren Müll auf, trennt ihn säuberlich und streichelt meine empörte Faust, während er mich zu besänftigen versucht. Die Menschen würden „das“ nicht vorsätzlich tun und es gäbe zu wenig Mülleimer an der Elbe und jeder Mensch muss sein Verhalten für sich selbst entscheiden. Und da irrt er ja gewaltig, wie ich finde.

Ich habe deshalb beschlossen, am nächsten Silvesterabend Müllbeutel zu verteilen an der Elbe. Wahrscheinlich werde ich verkloppt. Oder zumindest bepöbelt. Ich werde den Menschen einen schönen Silvesterabend wünschen und ihnen – falls sie keinen eigenen Abfallbehälter dabei haben – einen schenken mit der Bitte, ihren Müll aufzusammeln und einfach nur neben den nächsten Mülleimer zu stellen und die Flaschen bitte nicht zu zerschmeißen, wegen der Schwäne, Enten, Gänse, Kinder, Scheißkinder! Denkt ihr gefälligst auch mal an die Scheißkinder! Ihr ignoranten Arschlöcher!“. Das wird super.

Und so schreibe ich auf mein leeres Blatt 2020 einen einzigen Satz nur: Da geht noch mehr! Und ich hoffe sehr, dass das stimmt.

 

 

Dieser Weg wird kein weicher sein…

Dieser Weg wird kein weicher sein…

Laufen ist gesund. Fürs Herz-Kreislauf-System, die Durchblutung, die Figur zum Beispiel. Also auf Waldboden. Auf dem Asphalt ist es ungesund. Für die Gelenke und die Knie zum Beispiel. Sagt das Internet. Und Laufexperten.

Ich bin trotzdem ein Straßenläufer. Warum? Nun, ich stamme vom Rotkäppchen ab. Ziemlich sicher. Immer wenn ich den geraden Weg verlasse, verliere ich auch mein Ziel aus den Augen. Ich hoffe, ich habe keine Großmutter auf dem Gewissen und vorsichtshalber nehme ich auch nie Wein und Kuchen mit zum Laufen.

Ich renne also brav auf dem Elberadweg und schaue nicht nach links (oder rechts) runter zum Fluss, wo nur ein paar Meter weg von mir ein Ufer, ein Strand, ein weicher Trampelpfad lockt. Vor allem mit Ablenkung! Ich bin stark. Ich bleibe stark.

Ich kann nicht immer stark sein…

Und so fragt der Bärtige stets mit den Händen in den Hüften, wenn ich vom Laufen heimkomme: „Und? Warst du heute Sport machen oder hast du nur mit dem Handy rumgeknipst und Blumen gepflückt?“.

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…Die Dresdner Heide liegt ja auch nur einen Katzensprung entfernt von Pieschen und lockt mit ihren elastisch-saftigen Waldböden. Das ist leider keine Alternative für mich. Äste, Moos, Pilze, Beeren, Zapfen… ich denke, ihr könnt es euch vorstellen.

Bekenntnisse und Erkenntnisse

Ich habe heute Abend etwas gemacht, das ich schon seit Monaten nicht mehr getan habe: Ich habe die Duschkabine entkalkt! Ich weiß, dass es Monate sein müssen, denn ich musste erst ewig die Dampfente suchen, die zu diesem Zweck zum Einsatz kommt (Es putzt sich nicht wirklich besser damit, aber der Spaßfaktor ist erheblich höher.). Bin auf einen Stuhl gestiegen, habe in einem hohen Schrank drei Kisten mit Stoffen (Ach, hier sind die!) beiseite geräumt, eine Schuhputzkiste gefunden (benutzt niemand bei uns, aber wir besitzen offensichtlich Schuhputzzeug) und irgendwo ganz hinten stand die gelbe Ente. Ich war schon versucht, den Besten zu fragen, wo die sei. Na, das wäre ein Spaß geworden! Als ob der das wüsste!

Das Gute an einer Tätigkeit, wenn sie nur in größtmöglichen Abständen durchgeführt wird, sind der Ergebnisfaktor und der Erkenntnisgewinn. Offensichtlich kann eine Duschkabine auch von außen verkalken. Wie? Warum? Überhaupt finde ich erstaunlich, dass niemanden in diesem Haushalt das Milchglasscheibendesign unserer Duschkabine gestört hat in letzter Zeit. Mich am wenigsten. Und das mir, wo doch die einzige Putzhilfe, die jemals bei mir zum Probeputzen kam, ihren Dienst nicht antreten durfte, weil sie mir nicht gründlich genug gearbeitet hat. Das mir, wo ich doch andauernd zu hören bekomme, bei mir wäre es soooooo sauber und ordentlich! Wie ich das nur machen würde! Ich meine, das sind hier neun Räume (inklusiver zweier Nasszellen und dem Flur, aber der ist echt groß, der zählt jetzt mit) und zwei Balkone, die als Außenwohnzimmer ja auch was hermachen müssen!

Also gut, das war alles „vorher“. Bevor Baby, bevor Blog, bevor ich als Vollzeithausfrau und Zweifachmutter hier das Regime übernahm. Jetzt habe ich keine Zeit mehr zum Putzen! Jetzt werden die Geburtstage im Garten oder im Hof gefeiert. Nicht, damit niemand was dreckig macht in der Bude, sondern damit sich niemand bei uns dreckige Füße holt! Die Hausfrau in diesem Haushalt ist ein Schwein. Aber ein glückliches!

Das Arbeitszimmer ist das Grauen. Die Schreibtische sind schwarz, aber das weiß ich nur, weil ich es weiß. Nicht, dass man das sehen würde. Oftmals grabe ich auch erst die Tastatur auf meinem Platz frei und während ich jetzt hier tippe, liegen meine beiden Unterarme entspannt auf je einem Stapel Papier. Vermutlich irgendwas zum Abheften oder zum Überweisen. Aber genau weiß ich das nicht. Ich müsste nachschauen und dazu habe ich auch keine Zeit. Ich schreibe lieber. Ich mag ja die Homestory-Fotos von berühmten Bloggerinnen. Da sieht man dann einen stylischen Schreibtisch mit einem Eames Chair davor (ein Fell drüber eventuell, in der angesagten Farbe der Saison; wenn gerade keine Felle angesagt sind und nicht mal Fake fur, dann eben ein „Plaid“). Auf dem Schreibtisch stehen hochdekorativ nette „Steh-rum´s“. Meistens liegt auch noch neben der Tastatur ein Tablet. Die berühmte Bloggerin entscheidet sich wahrscheinlich manchmal mitten im Schreibprozess, mit welchem Medium sie arbeiten will. Blumen sind auch gerngesehene Gäste. Oder ein Kaktus. Bei mir ist dafür kein Platz neben dem Wäscheklammernkorb, einem kaputten Telefon (Wahrscheinlich braucht es nur mal neue Batterien, aber wer hat schon dafür Zeit!) und mehreren externen Gedächtnissen. Das sind so A5-Notizbücher, in die ich alles aufschreibe. Theoretisch. Adressen, Mitschriften vom Elternabend, meine Passwörter. Aber die Bücher verlege ich auch andauernd. Deshalb sind es ja so viele. Ich beginne regelmäßig ein neues, finde dann ein altes wieder, da steht aber auch noch Zeug drin, was wichtig ist und so geht das immer weiter. Ich bin eine Schreibtischschlampe (zweimal „sch“, ganz recht). Schachteln voller Zettel, Stifte, die nicht schreiben und vom Kind getöpferte Schalen mit Büroklammern, Holzstücken (weil ich die vielleicht mal brauchen könnte) und Schlüsseln, von denen niemand weiß, zu welchem Schloss sie gehören könnten, runden meine Schreibtischkultur ab. Von einem Beweisfoto sehe ich (wie auch im Fall der Duschkabine) aus Rücksichtnahme euch gegenüber ab.

Aber das macht überhaupt nichts! Seltsamerweise fühle ich mich in dem Schmuddelchaos aktuell sogar pudelwohl, was mich zu der Erkenntnis bringt, dass zum Einen der Mensch an sich ziemlich anpassungsfähig zu sein scheint (da mich Unordnung und Dreck normalerweise stören) und zum anderen bildet man offenbar neue Features aus, wenn Speicherplatz frei wird dafür. Zum Beispiel bin ich jetzt in der Lage, das Baby anzuziehen, während es sich unermüdlich wie eine Schraube dreht. Ich kann windeln, während der zu Windelnde schnurstracks die Flucht ergreift beziehungsweise dabei einen Stuhl erklimmt. Oder mir währenddessen an den Haaren zieht und die Ohrringe aus den Ohren polkt. All diese Fähigkeiten hätte ich wahrscheinlich nie ausgebildet, wenn mein Gehirn mit Putzabläufen beschäftigt gewesen wäre. Was für ein Verlust!

Auch unsere Familienmägen haben in den letzten Monaten eine erstaunliche Metamorphose mitgemacht. Von Haute Cuisine und „Das Auge isst mit!“ zu „Döner macht schöner!“ und: „Seit wann braucht ein Auge was zu essen?!“

Heute waren wir im Japanischen Palais und haben die sehenswerte Ausstellung „Planet 3.0“ angeschaut und dann spazieren an der Elbe. Für eine Stunde riss der Himmel auf. Kein Regen, ein fast-Frühlings-Lüftchen! Hand in Hand am Elbestrand. Und als der Hunger sich meldete, war ein Dönerstand in Sicht. Perfekt! Wenn ich stattdessen geputzt hätte, säßen wir jetzt in einer sauberen Wohnung, die nicht nach Döner riechen würde. Aber woher würdet ihr dann wissen, dass der Palaisgarten heute unter Wasser war?! Siehste.

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Ich verstehe, dass ihr nach dem Lesen dieser Zeilen wahrscheinlich nicht mehr bei mir duschen wollt. Und wenn ihr mich mal besuchen kommt, dann zieht vielleicht nicht eure beste Hose an und geht zu Hause noch mal aufs Klo. 😉