… und schönen Gruß an mich!

He du, ich meine, ich, bist du das, was man sonst „schlechtes Gewissen“ nennt? Wenn du mich das nächste Mal siehst, richte mir doch bitte was aus! Danke.

Andauernd höre ich dich jammern, du hättest keine Zeit für dich und überhaupt, wann bitte soll jemand wie du denn auch mal was für sich tun? Arbeiten, Kinder, das Haus, der Garten. Ja, schwierig, ich sehe es. Vor allem sonntags, wenn du auf deinem faltigen Hintern sitzt, vor dir den dritten Kaffee und das zweite Schokocroissant und auf deinem Handy rumwischst. Ja, nee, besonders sonntags hat jemand wie du gar keine Zeit!

Wann warst du eigentlich das letzte Mal joggen? kannst du noch den Monat bestimmen anhand der Umgebungsvegetation oder brauchst du schon eine Jahresscheibe zum Ausknobeln? Ja, schwierig, ich weiß schon! Und du wölltest ja auch, aber…

… immer diese kranken Kinder. Und das Wetter! Also bei Wetter kann man nicht joggen, ist klar! Und du selbst hast ja auch täglich irgendwelche Zipperlein. Es ziept die Hüfte, es brummt der Kopf, Aua hier und müde bist du auch.

Mir kommen gleich die Tränen! Und wie antriebslos du bist! Und die ganze Arbeit! Das komplette Wochenende im Dienste der Wasch- und Putzfrohn, du hast es schwer. Das sind echt Härten, die du durchlebst, niemand hat es so schwer wie du. Ich bastel dir einen Orden aus Klopapier, wenn ich Zeit habe.img_4628-1

Los, hoch mit dem knochigen Arsch und zieh die Laufschuhe an! Irgendwo werden die ja sein!

Und ja, du kannst die Kinder alleine lassen. Der eine sitzt vorm Tablet und der andere vorm Handy und nein, das ist nicht schön, aber who cares?! Du kehrst jetzt ne halbe Stunde bei dir den alten Mief aus der Lunge und machst mal das, wozu du angeblich nie Zeit hast: Nimm dir Zeit für dich! Das wird schön, du weißt es. Das sagst du immer hinterher.

Joggen ist die beste Freizeitbeschäftigung für alte antriebslose Muttis wie dich: Es kostet nichts außer Überwindung, du musst nicht in irgendeinem Fitnessstudio oder einer Badeanstalt für Geld fremden Menschen beim Keuchen zusehen und wenn du dabei scheiße aussiehst, interessiert es auch keinen! Und du wirst scheiße aussehen, das wissen wir beide…

Aber doch, du kannst das! Auch wenn du monatelang nicht laufen warst. Lauf einfach los. Machst du halt nen Oma-Run. Schön langsam, ordentlich atmen, anständige Haltung. Sowas verlernt man nicht, und los, ab geht die Lucie!

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Spongebobs Freund Patrick wohnt im Dresdner Waldpark – Beweisfoto

Und wer weiß, was einem so im Wald begegnet? Vielleicht die Reinkarnation von Patrick Star in einer ollen Wurzel oder ein runtergefallener Mistelzweig. Und guck doch mal, wie schön die Sonne durch´s Geäst lugt. Okay, dein Schnaufen klingt erbärmlich und stört ein wenig die Ruhe hier, aber das ist alles deine Schuld, du faules Weibsstück. Weiter gehts! Nicht andauernd stehen bleiben und rumknipsen!img_4634-1

Merkst du schon, wie die Säfte durch den Körper pumpen? Gut fühlt sich das an, oder? Du kriegst auch schon rote Bäckchen, wie sonst nur beim… Kochen! img_4632

Keuch ruhig, Lunge und Herz sind Muskel, die wollen gepumpt werden! Das ist gut für die Durchblutung, ja, auch für das graue schwabblige Bindegewebe. Ich meine deins, ganz genau!

Von nüscht kommt ja nüscht. Immer nur an dem alten Wellfleisch rumzubbeln und jammern, dass du nicht mehr aussiehst wie fünfundzwanzig bringt dich auch nicht weiter! Lauf, Mutti, hopp hopp! Bis der faltige Hintern nicht mehr in der Pantalon schlabbert! Danach kannst du dir wieder schön die Torte reinpfeifen mit ordentlich „Scholüsterol“.

Schneller, altes Mädchen, zieh die Luft in die Lungen! img_4635-1

Dreißig Minuten durch den Wald laufen, das machst du jetzt jedes Wochenende! Das ist gut für deine Laune, demnach also gut für deine ganze Familie. Und danach fühlst du dich lebendig und kraftvoll und endlich hast du auch mal einen echten Grund, über ziepende Hüften und stechende Knie zu jammern.

Sag mir das, wenn du mich das nächste mal auf der Couch versumpfen siehst, hörst du? Und schönen Gruß an mich!img_4627

Feuchte Gedanken

Alles fing damit an, dass ich gestern faul auf der Couch rumsumpfte und mir Kinderriegel einverleibte, während die Jungs sich umzogen um zum wochenendlichen Läufchen zu starten. Nö, ich würde morgen laufen! Sprachs und wickelte den nächsten Riegel aus…

Morgen kam und bis dahin hatte es einen Abend und eine ganze Nacht lang geregnet, geschifft, geschüttet wie aus Eimern.

Nun ist es mit dem Schweinehund wie mit den Kindern: Konsequenz, Konsequenz, Konsequenz! Nicht, dass ich mich damit auskennen würde, oh nein! Aber der Bärtige selbstverständlich. Und in Oberlehrermanier erinnerte er mich freundlich an meinen Voratz.

Sonntags widerspricht man dem besser nicht.

dieser Weg wird ein feuchter sein

dieser Weg wird ein feuchter sein

Er hängte mir dann zu „Testzwecken“ noch einen ollen Klunker um, so´n Trackingteil, damit ich mal meinen Lauf dokumentieren könnte. (Siehe oben: Sonntags widerspricht man dem besser nicht.) In echt wollte er mich nur kontrollieren, damit ich nicht fröhlich singend Blümchen am Elbestrand pflücke bis es Zeit ist, wieder den Heimweg anzutreten.

Der Weg räkelte sich feucht glänzend und vor Vorfreude schmatzend vor mir und ja, das war genauso eklig, wie es hier jetzt klingt. Pitsch! Plitsch! Platsch! Innerhalb weniger Minuten hatte ich klitschnasse Füße. Bei acht Grad Außentemperatur. Ich versuchte, den Pfützen auszuweichen und sprang wie ein mental instabiler Geißbock hin und her. Natürlich half das kein bisschen!

Beim Blick auf den Kontrolletti sah ich, dass ich schon knapp vier Kilometer geschafft hatte. In mehr als dreißig Minuten. Nur Spaziergänger sind langsamer! Also langsame Spaziergänger.

Dann hatte ich es.

Nach Slow Food und Slow Travel würde ich jetzt mit „Slow Laufing“ eine neue Bewegung starten! Wir würden so langsam rennen, nur die „SMR-Bewegung“ (Senioren mit Rollatoren) wäre langsamer als wir. Schwitzen, Keuchen, Fiepen, Japsen, Stöhnen gehört ab sofort der Vegangenheit an. Mit Slow Laufing verläuft keine Wimperntusche und kein Puls überschlägt sich. Notfalls kann man dabei ein Stück Sahnetorte essen. Mit Gäbelchen selbstverständlich. Hach, das wird ganz und gar großartig!

(Ich spinnte mir was zusammen während ich einfach rannte. Die nassen Füße merkte schon lange nicht mehr und galoppierte auf meinem geflügeten Fantasieeinhorn auf und davon, während ich pitsch, plitsch, platsch Meter machte.)

Und weil ja so eine Bewegung „ganzheitlich“ sein muss, gehört zu Slow Laufing natürlich auch ein Ernährungskonzept! Ja, eigentlich bin ich selbst schon seit Jahren der beste Beweis, dass Zucker, Fett und Kohlehydrate gar nicht dick machen! Mann muss sie nur in einer konsequenten Trennkost zu sich sich nehmen. Meint, also sich von allem trennen, was nicht aus der Kombination Kohlenhydrate plus Zucker plus Fett besteht. Wir Slow Laufer würden uns von Kuchen, Torten, Süßigkeiten und Schokolade ernähren. Zum Nachtisch gibts Eis. Warme Speisen zur Auswahl sind Milchreis und Griesbrei mit einem See aus brauner Butter und einer dicken Kruste aus Zimtzucker. Oder Quarkkeulchen, Reibekuchen mit Zucker und Apfelmus und alle Knödel-, Kloß- und Ofenschlupfergerichte, die man mit Kompott servieren kann. An einem Tag in der Woche ist auch Gemüse erlaubt. Mit ordentlich Sauce Hollandaise obendrüber! Wer mit der Verdauung Probleme bekommt, kann mit Studentenfutter gegensteuern, allerdings sollte da auch auf eine Mischung von herkömmlichem Studentenfutter und schokolierten Rosinen und Nüssen geachtet werden. Salat gibts nicht! Slow Laufer essen kein rohes Gras. Außer, du bist im falschen Körper geboren und fühlst dich eher als Paarhufer, dann – Mäh! – lass es dir schmecken. Wir Slow Laufer schließen niemanden aus, schon gar nicht aufgrund einer Identitätsverdingsung. Obst geht. Also gekocht als Kompotte, Aufstriche und Konfitüren sowieso. Manchmal auch roh. Zum Beispiel als Füllung in einer Pavlova aus vierundzwanzig Eiweiß, anderthalb Kilo Zucker und auf einem Bett aus zwei Litern vanilliger Schlagsahne ergeben zwei Kilo Erdbeeren eine ausgewogenen Ernährung. Trinken ist natürlich auch sehr wichtig! Du kannst alles trinken, wobei Bellinis, Latte Macchiato mit Karamellsirup und heißer Schokolade mit Zimt je nach Tageszeit stets der Vorrang gegeben werden sollte. Einmal in der Woche dann gemütlich eine bis zwei Stunden raus zum Slow Laufing, schließlich sind wir eine „Bewegung“! Wir bewegen nicht nur was, sondern auch uns. Aber immer schön entspannt. Wenn Du unterwegs Blumen pflücken willst oder Fotos von einem Marienkäfer machen, dann wird das von der Slow Laufing Bewegung vollstens unterstützt! Eine Bewegung, die auch den Schöngeist anregen soll, das wollen wir sein. Wenn wir dann reinkommen vom Bewegen wird erst mal in der Badewanne nach Ernährungskonzept geschlemmt. Dann entspannen auf der Couch oder Chaiselonge oder was so rumsteht. Ist ein livrierter Diener zur Hand (ein Ehemann geht auch), dann sollte der aus Gründen der Gesundheit alle exponierten Körperteile des Slow Laufers massieren und ölen. Ich denke auch, es wird Überschneidungen geben mit „Slow Working“ und „Sleep longer“, zwei Lebenskonzepten, die sich wunderbar mit Slow Laufing verheiraten lassen! Hach, wenn ich wieder zu Hause bin, muss ich gleich an dem Konzept feilen! Und dann einen Blog und einen Shop launchen, ein Forum eröffnen, Merch designen, einen Buchvertrag unterschreiben, ach was, drei, und dann im Frühstücksfernsehen auftreten! Leute, wird das aufregend! Kochbücher muss ich konzipieren! Scheiße, ich muss los. Das macht sich schließlich nicht von alleine…

Später wird der Bärtige den Kontrolletti stirnrunzelnd begutachten und bemerken, dass ich ab Kilometer sieben immer schneller geworden sei und sowas hätte er ja noch nie erlebt.

Tja! Wer auf dem Einhorn reitet, dem wachsen Flügel. 🙂

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Dieser Weg wird kein weicher sein…

Dieser Weg wird kein weicher sein…

Laufen ist gesund. Fürs Herz-Kreislauf-System, die Durchblutung, die Figur zum Beispiel. Also auf Waldboden. Auf dem Asphalt ist es ungesund. Für die Gelenke und die Knie zum Beispiel. Sagt das Internet. Und Laufexperten.

Ich bin trotzdem ein Straßenläufer. Warum? Nun, ich stamme vom Rotkäppchen ab. Ziemlich sicher. Immer wenn ich den geraden Weg verlasse, verliere ich auch mein Ziel aus den Augen. Ich hoffe, ich habe keine Großmutter auf dem Gewissen und vorsichtshalber nehme ich auch nie Wein und Kuchen mit zum Laufen.

Ich renne also brav auf dem Elberadweg und schaue nicht nach links (oder rechts) runter zum Fluss, wo nur ein paar Meter weg von mir ein Ufer, ein Strand, ein weicher Trampelpfad lockt. Vor allem mit Ablenkung! Ich bin stark. Ich bleibe stark.

Ich kann nicht immer stark sein…

Und so fragt der Bärtige stets mit den Händen in den Hüften, wenn ich vom Laufen heimkomme: „Und? Warst du heute Sport machen oder hast du nur mit dem Handy rumgeknipst und Blumen gepflückt?“.

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…Die Dresdner Heide liegt ja auch nur einen Katzensprung entfernt von Pieschen und lockt mit ihren elastisch-saftigen Waldböden. Das ist leider keine Alternative für mich. Äste, Moos, Pilze, Beeren, Zapfen… ich denke, ihr könnt es euch vorstellen.

Call me Tigermom!

Call me Tigermom!

Als Kind im Nieselpriemhaushalt zu leben, ist echt beschissen. Zumindest wenn du knapp vierzehn bist. Als Baby mag´s gehen, da kannst du noch machen, was du willst, aber später… das reinste Bootcamp!

Unser Kind Nummer eins hat es schwer mit uns. Rigide Regeln, wohin du schaust. Prinzipiell findet das Kind ja Regeln gut und braucht die auch ganz dringend, aber die von uns aufgestellten sind echt zu heavy…

Computer- /Fernsehzeit ist auf siebzig Minuten am Tag begrenzt, am Wochenende zweimal eine Stunde mit langer Pause. Wir Bootcamp-Verwalter halten uns da (gelockert) an die vom Bundesministerium für Gesundheit erstellten Richtlinien. Es dürfen nur Spiele und Sendungen konsumiert werden, die FSK 12 sind. Heute in zwei Wochen dann Spiele mit FSK 14. Keinen Tag eher, denn dann isser ja noch nicht vierzehn! Hausaufgaben und Pflichten müssen vorher erledigt sein. Voll ätzend, oder? Alle in der Klasse sind so lange am Rechner, wie sie wollen, kein anderes Kind hat in diesem, seinem Alter so strikte Lernzeiten und ALLE spielen Spiele ab sechzehn oder sogar achtzehn und gucken Splatterfilme!

Das höre ich regelmäßig. Mir egal, dem Besten sowieso. Wir sind nicht die Eltern von „alle“. Ausnahmen funktionieren bei unserem Großen leider nicht, trotzdem gibt es die. Na klar schauen wir auch mal einen Film zusammen, gehen ins Kino oder es ist gerade Fußball-WM. Dann stellt niemand die Eieruhr, um auf die begrenzte Mediennutzungszeit hinzuweisen. Ansonsten: Siehe oben.

Außerdem hat er voll wenig Taschengeld, darf nur drei Liter Limo und eine Tüte Chips pro Woche zu sich nehmen. Habt ihr sowas schon mal gehört?

Tja, ich finde, er findet kein Maß, also bekommt er eines vorgegeben. Punkt. Zu allem Genannten muss ich sagen: Es ist auch für mich hart. Ehrlich! Genöle, Gemaule, Gemotze den ganzen Tag. Wenn ich ihn machen ließe wie er wöllte, Mann, das wäre eine Ruhe hier! Alle paar Stunden käme er mal aus seiner Höhle um zu pinkeln oder Nachschub an Limo und Chips zu besorgen, aber ansonsten bekäme ich nicht viel von ihm zu sehen. Aber das geht nicht. Ich weiß, es gibt Kinder, die sich irgendwann selbst regulieren, sich Hobbies und Freunde suchen (und auch finden), das ist leider nicht zu erwarten in unserem Fall. Ergo nichts mit Selbstverwaltung des Jugendlichen. Er muss sich verwalten und reglementieren lassen. Und ich muss das Genöle weiterhin aushalten.

Aber der Knaller kommt jetzt:

Das Kind wird zum Sport gezwungen! Insgesamt hat er an durchschnittlich drei Tagen circa sechs Stunden Sport zusammen. Ohne Schulsport, zu dem zwingen ihn ja andere Mächte, das lassen wir jetzt mal außen vor.

Montags Gerätetraining, da geht er noch relativ gern hin („Mann, ich hab keen Bock auf den Scheiß!“ und latscht trotzdem los). Muss er auch, hat Skoliose und jeden Tag einen sauschweren Schulrucksack. Also hatte er die Wahl zwischen Rückentraining und Trolley… Er hat sich entschieden.

Während der Wintersaison spielen die Jungs sonntags Squash, da geht er auch beinahe freiwillig mit („Orrr, MÜSSEN wir wieder Squash spielen?! Wie öde!“).

Samstags wird bei uns gelaufen. Wir laufen alle und irgendeinen Sport zusammen zu machen finden wir altmodischen Spießer irgendwie dufte. Das wochenendliche in-der-Gegend-Rumgerenne erzeugt schon mehr Protest („So eine Scheiße! Ich mach das nicht! Könnter vergessen! Immer zwingt ihr mich! Joggen ist soooo assi! Nö! Ich mach das nicht! Werdet ihr ja sehen!“). Er läuft. Natürlich.

Am Schlimmsten aber ist für das Kind, dass wir ihn seit nunmehr sechs Jahren zwingen, freitags zu Karate zu gehen. Wir gucken oft zu, wir motivieren, wir loben. Wurscht. Jeden (!) Freitag bildet er eine Krankheit aus um das Training zu vermeiden und motzt: „Ich HASSSSSE Karate! Schon IMMER! Ihr könnt mich dort nicht gegen meinen Willen hinschicken! Püh! Ich gehe nicht dort hin!“. Hat er auch schon mehrmals durchgezogen. Das kam raus, als der Beste das Kind mal vom Training abholen wollte und feststellen musste, es war gar nicht dort! Was für eine Aufregung! Im Nachhinein stellte sich heraus, der Junge hatte sich einfach (und das schon mehrmals) in der Städtischen Bibliothek versteckt und gelesen, bis es Zeit war, wieder den Heimweg anzutreten. Fortan hatte er einen Fahrdienst.

Natürlich hätte man (wir) in diesem Moment nach einer Alternative suchen können, zusammen mit dem Kind. Von ihm selber kommt da leider nichts und außer Computerspielen gibt’s ja auch keine Hobbies! Auf Musikinstrument hat er noch weniger Bock. Der Karateverein ist (aus Elternsicht) das Beste, was ihm passieren konnte. Tolle kinderliebe Trainer, die mit Herzblut und Konsequenz unbezahlt unsere Gören schinden und nicht nur Gummibärchen verteilen und „Du bist toll!“-Plaketten, sondern auch mal Arschtritte als Motivationshilfe. Es wurde nicht diskutiert.

Ich habe gegoogelt.

Kinder zum Sport zu zwingen ist nicht gesellschaftlich akzeptiert. Das macht man nicht. Aber es gibt außer uns wohl noch so fiese Eltern, denn Google spuckt unzählige Treffer aus von Foreneinträgen a la „Können mich meine Eltern zum Handball zwingen?“ et cetera. Überall der gleiche Antwortsound: Nein. Können sie nicht. Sollten sie nicht. Und gute Eltern machen sowas auch nicht! Die suchen nach Alternativen oder akzeptieren die Wünsche des Jugendlichen.

Manchmal (besonders nach Konsum derartiger Forumslektüre) werde ich schwach und gehe mit dem Besten ins Gespräch. Tun wir das Richtige?

Ich habe als Kind Sport geliebt und zwar genau zwei Sportarten: Rhythmische Sportgymnastik und Geräteturnen. Erst das eine, dann das andere. Passt auch thematisch irgendwie. Ich war kreuzunglücklich, als irgendwann klar wurde, mein Talent reicht einfach nicht, um im DDR-Kader irgendeine Rolle zu spielen. Aber trotzdem: Mich musste niemand zum Training zwingen und es ist noch nicht mal jemand zugucken gekommen um mich zu loben! War damals eben so. Jeder machte halt irgendeinen Sport.

Obwohl, irgendeinen… Der Beste hat etwa dreißig Sportarten probiert, wobei ich da nur rate, ich bekomme unmöglich alle zusammen. Und genau das macht er jetzt als Konterargument geltend! Er habe gar keine Liebe für eine Sportart entwickeln können, weil er beim kleinsten Missfallen problemlos die Mannschaft, die Sportart oder den Verein wechseln konnte. Und es gab natürlich auch keine Erfolge! Wo sollten die auch herkommen?

Hm. Da ist was dran.

Und dann guck ich auf das motzende Sport-ist-blöd-Kind. Samstags nach dem Laufen ist er tiefenentspannt für mehrere Stunden. Er läuft für sein Alter eine Superzeit und hat sogar schon an Läufen teilgenommen (Was ihm nichts bedeutet.). Wenn die im Schulsport „Langstrecke“ laufen, ist er der Beste (Das bedeutet ihm was!). Wenn er vom Karatetraining kommt, sagt er immer, es sei schön gewesen. Oder toll. Oder scheißanstrengend. Wichtig ist: Er wirkt zufrieden! Immer. Er ist sogar ziemlich gut, aber das bedeutet ihm (natürlich) nichts. Wir zwingen ihn nicht an Wettkämpfen teilzunehmen, aber zum Training. Jede Woche erneut.

Dieses Wochenende war mal wieder „Tribünenwochenende“, das heißt: Gürtelprüfungen. Alle zwei Jahre etwa bei uns.

Und diese Woche war irgendetwas anders: Der Junge hatte Lampenfieber! Schon Tage vorher.

Es war super, er war super. Mir ist das Herzel übergelaufen! Dieses Unruhebündel dort unten zu sehen, wie er hochkonzentriert, ruhig, kraftvoll und wunderschön seine Leistung abgeliefert hat. Belohnung: Ein „A“ (entspricht einer Schul-Eins) und der grüne Gürtel.

Eins dieser Kinder wird zum Training gezwungen :)

Eines dieser Kinder wird zum Training gezwungen 🙂

Im Auto dann: „Spätestens wenn ich achtzehn bin, habe ich den schwarzen Gürtel. Und dann mach ich weiter. Ich will auch einen Meistergrad erreichen!“. Aus dem Mund meines Kindes.

Vor lauter Vorfreude lockerte ich schon das Korsett. Brauche ich ihn jetzt etwa nicht mehr zu zwingen? Und würde der Rest dann auch unkompliziert laufen? Irgendwann?

Heute Abend fragte er dann allerdings , ob er denn zur Feier des Tages ein Spiel ab achtzehn spielen dürfte? Ich hatte mich wohl zu früh gefreut und die harten Bandagen abgelegt. Aber ganz ehrlich, wenn Erziehungsarbeit Spaß machen würde, würde es Erziehungsspaß heißen.

Also, alle Mann wieder in den Ring! Es geht weiter!