Es war einmal ein Möbelhaus…

…da gingen die Rentner ein und aus.

An der Peripherie der gemütlichen Elbestadt steht ein ganz bestimmtes Möbelhaus. Ein Gruselhaus!

Namentlich war mir die Bude schon seit Jahren geläufig, ist es doch so, dass es sich als quasi unmöglich gestaltet, mit meiner Mutter „einfach mal so“ ein Treffen auszumachen. Was die Rentner heutzutage für einen Stress haben, da machste dir kein Bild von! Und wenn ich so mit ihr am Telefon den Terminkalender durchforste, kommt ganz sicher: „Nein, an dem Tag kann ich nicht. Da gehen wir mit Rettichs zu Möbel-Dings. Und an diesem bin ich bei der Kosmetik. Nein nein, da geht es auch nicht, da sind wir mit Haubenreissers bei Möbel-Dings.“. Immer dieses Möbel-Dings! Und wenn man sich doch mal trifft, wird kurz nach der Begrüßung erzählt, dass man bei Möbel-Dings war Schweinshaxe essen. Für zwei fuffzig! Mit Klößen!

Irgendwann besprach mich die beste Schwester von allen, ich müsste dort unbedingt mal hin. Die hätten einen Depot-Shop eröffnet und werben mit Schnäppchen für Neukunden. Da die weitverbreitete Dekosucht und der damit einhergehende zwanghafte Hamsterkauf von Stehrums und Rumhängern mich in ihren Fängen haben musste ich dort also wirklich hin. Außerdem will das Wohnambiente auch andauernd entsprechend umdekoriert werden: Frühling allgemein, Ostern, Sommer, Erntedank, Herbst allgemein, Halloween, Advent, Neujahr. Um wirklich nur die absolut nötigsten Termine zu nennen. Und auch wenn ich quasi im Eingangsbereich des Schwedenshops wohne, kann man mich durchaus mit dem Begriff „Schnäppchen“ auch mal zwanzig Kilometer an die gegenüberliegende Seite der Stadt locken.

Schon auf dem Parkplatz kriegte ich Blutdruck. Weißkappen, die im ersten Gang mit röhrendem Motor die vierte Parklücke erfolglos testen. Ist auch schwierig, so einen Zwergen-Koreaner mittig in einer winzigen, zwanzig Quadratmeter kleinen Parkbuchse zu platzieren!

Mit hochroter Rübe und geschwollener Halsader enterte ich irgendwann das Möbel-Dings. Volksmusik bereits im Eingangsbereich. Augen zu und durch. Ab zum Counter, Neukunde werden. Es dauerte. Das Personal hat sich der Geschwindigkeit der Zielgruppe angepasst. Zu zweit schafften sie es innerhalb einer Zeitspanne, in der ich einen Bügelkorb Wäsche bezwungen hätte, meine Daten in das System zu übertragen. Atmen.

Ab in den Depot-Shop und mir den Wagen zugeknallt. Immer um die Weißkappen drumrum, die dort schon schnatternd die Gänge verstopften, ohne wirklich Kaufinteresse an dem Dekokram zu zeigen.

Mich überkam ein Hüngerchen und zugegebenermaßen auch die morbide Neugier auf das von meinen alten Leuten so regelmäßig frequentierte Restaurant. Auf dem Weg dorthin konnte ich einen Blick auf das Sortiment der Möbelbude werfen. Gelsenkirchener Barock meets Pflegeheimfeatures. Eine Couch, an Hässlichkeit kaum zu überbieten, für schlappe 8.999,00€. Es fehlte nur noch das Schild: „Das Beste für ihre letzten zehn, zwölf Nickerchen!“. Und überall fröhliche Senioren ins Gespräch mit dem Personal vertieft. Wahrscheinlich kennen die Stammrentner auch die Dienstpläne aller Angestellten. Mich schauderte.

Im Restaurant sah es aus wie auf einer Seniorenkreuzfahrt. Beim Eintreten hob ich den Altersdurchschnitt um mindestens zwanzig Jahre. Fröhlich schnatternde Weißkappen in Einheitskluft und die Damen auch in identischer Frisur mit gewohnt schaurigem Parfum. Das Essen sah ansprechend aus, aber die alten Leutchens jenseits jedes Effizienzgedankens und –bestrebens ließen mich kaum an die Theke ran! Es war zum Schubsen! „Na na, junges Frollein! Nicht so schieben!“. Ich hätte das Coregatabs-Model am liebsten an seinem faltigen Hals gepackt und zwischen den Schweinshaxen zum Schweigen gebracht. Aber das „junge Frollein“ stimmte mich wohl milde. Und dann an der Kasse fummelten sie alle zig Coupons aus den Handtaschen, was den Andrang im Restaurant erklärte: Gratissaft, Umsonstkaffee, Haxe für zwei fuffzig und so weiter. Das erklärte so ziemlich alles.

Nach dem Lunch im Seniorenheim ich wieder runter zum Counter. Wie ich denn an so Coupons käme? Also, die bekommen sie, wenn sie als Kunde bei uns registriert sind. Bin ich. Na, dann schicken wir ihnen die auch zu. Ich bin aber jetzt und heute hier! Da kann ich leider nichts machen.

Aha.

Nun gut, ich hatte sowieso nicht vor, noch mal wieder zu kommen. Nicht mal für´ne Gratishaxe!

Aber es erstaunte mich dennoch, dass ich auch in den folgenden Monaten keine Einladung zum Umsonstkaffee bekam. Keinen Gratiscoupon. Kein nichts.

Und da ich über Tagesfreizeit verfügte und das Baby damals noch ein in Vollzeit rumliegendes Baby war, schrieb ich einen Brief an das Möbel-Dings. Mit der Bitte, das Marketingkonzept zu überdenken. Auch Mütter mit Kleinkindern und generell Leute, die nach 1940 geboren wurden, sind doch als Käuferzielgruppe auch nicht zu verachten. Und würden auch nach 18:00 Uhr noch einkaufen und Haxe essen kommen, wenn die Rentner bereits mit hochgelegten Beinen auf der Seniorencouch sitzen und die Hitparade der Volksmusik im Fernsehen anschauen. Und wieso schicken sie mir eigentlich keine Coupons zu?! Werden „junge Frolleins“ bei ihnen nur in Begleitung ihrer greisen Erziehungsberechtigten als Kunden wahrgenommen?

Ich bekam keine Antwort. Was auch daran liegen könnte, dass ich diesen Brief nie abgeschickt habe. Der Beste hatte sich nämlich königlich amüsiert auf meine Kosten und mir zu verstehen gegeben: Die anderen Frolleins und du, ihr habt Blaugelb. Lass doch den Inkontinenzschlübber tragenden Alten das Möbel-Dings und die Haxen!

Monate zogen ins Land.

Ihr ahnt nicht, was ich heute in der Post fand!

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Es gibt zwei denkbare Möglichkeiten: Möbel-Dings hat sein Marketingkonzept überdacht oder ich bin jetzt amtlich alt und es wird Zeit für die seniorentaugliche Kurzhaarfrisur und Mode aus dem Schwab-Katalog.