Spurlos

Über die Hintergründe zu dieser Geschichte habe ich schon einmal hier geschrieben. Die junge Frau mit der Rötelninfektion, das war ich.

Jemand erzählt neulich beim Sonntagskaffee, ein Kollege habe einen furchtbaren Marderschaden im Haus gehabt. Eine Mardermutter hatte sein Dach als Wurfhöhle auserkoren. Der Kollege hat die Marderjungen entfernt, als die Mutter nicht da war. Die Mardermutter kam aber jeden Abend wieder und hat wie verrückt randaliert! Hat alles angefressen, zerkratzt, gewütet, einen furchtbaren Schaden angerichtet. Das Gekratze und Getrappel hätte die ganze Familie halb wahnsinnig gemacht! Sie hat ihre Kinder gesucht. Der Kollege habe sich darauf keinen anderen Rat gewusst, als die toten Marderbabies wieder auszugraben und erneut in das Dach zu legen. Daraufhin kam die Mardermutter genau noch einmal zurück…

Atmen, Rike, atmen! Einatmen, ausatmen. Jemand noch ein Stück Kuchen? Ja, danke, es schmeckt wunderbar! Rücken gerade und lächeln. Und atmen.

Ich bin auch eine randalierende Mardermutter.

Als ich vor vierundzwanzig Jahren das erste Mal in den Wehen lag und mein Kind, ein Mädchen, tot zur Welt bringen musste, haben mir wohlmeinende Menschen geraten, alles zu vernichten, das mich an diesen Schmerz und diese unerfüllte Hoffnung erinnern würde. Ich sehe mich noch heute die braune Papiertüte mit Aufschrift „Marktkauf“ zur Tonne tragen. Mutterpass, Ultraschallfotos. Die Babysachen und Kuscheltiere, die ich angeschafft hatte.

Überhaupt sind all die Erinnerungen, die ich doch so schnell vergessen sollte um nach vorn zu blicken (Denn ich würde noch viele, gesunde Kinder bekommen!) so präsent, als wäre es erst gestern gewesen.

Ich sehe den Kreißsaal vor mir aus meiner Perspektive im Bett. Ein schmaler weißer Raum, der nichts mit der Wohnzimmeratmosphäre gemein hat, die man heutzutage in Kreißsälen vorfindet. Links ein kleines Waschbecken mit tropfendem Hahn. Eine Hebammenschülerin, die mir stundenlang den Steiß massierte. Mit einer Winterjacke bekleidet, weil ich an diesem kalten Märztag so schwitzte und das Fenster offen stehen musste.

Nach achtundzwanzig Stunden die Hebamme, wie sie im Flur in ein Telefon spricht: „Die Frau in Saal drei treibt aus!“.

Das Gefühl des Gebärens. Die einzige Berührung zwischen mir und meiner Tochter. Dann bringen sie sie weg. Ich darf sie nicht sehen, sie nicht halten. Früher war alles anders…

Ich sehe das Tablett vor mir mit dem Frühstück, das mir gebracht wird. Ein Blümchen in einer kleinen Vase hat jemand daraufgestellt.

Meine Mutter kommt und bringt mir eine Schale Heidelbeeren. „Es geht vorbei. Es ist bestimmt besser so. Ein schwerbehindertes Kind, um Himmels Willen…“.

Ich weiß nicht mehr, wann der Schmerz einsetzte. Die Ohnmacht, der Kummer, der mich fast in die Arme des Wahnsinns trieb. Ich habe meinen Körper gehasst, mich bestraft, betäubt. Und ich hatte nichts. Kein Grab, an dem ich hätte trauern dürfen, nicht mal eine Kaiserschnittnarbe oder einen Schwangerschaftsstreifen, der mich an mein Kind erinnert hätte. Spurlos ging sie.

Irgendwann kamen die Träume. Monate später. Oder Jahre, ich weiß nicht mehr. Ich sehe meine Tochter. Sie wächst in meinen Träumen mit. Ich heule nächtelang und versuche sie festzuhalten. Manchmal spielt mir mein Gehirn Streiche und ich möchte glauben, dass sie lebt. Irgendwo. Als Adoptivkind eines reichen Oligarchenpaares. Glaube, dass man mir mein Kind geraubt hat. Es gibt keine Worte für das Ausmaß meiner Verzweiflung.

Irgendwann sehe ich sie zum letzten Mal. Da ist sie acht Jahre alt. Ein rundliches hübsches Mädchen mit lockigem blondem Haar. Zu der Zeit bin ich schwanger mit meinem ersten Sohn.

Ich entbinde in derselben Klinik wie acht Jahre zuvor. Ich möchte ein positives Erleben über das Vergangene stülpen. Ich möchte abschließen.

Ich freue mich so über mein Baby, und dennoch. Die Trauer kommt nach wie vor in Wellen. Wenn ich doch nur irgendwas hätte! Irgendetwas!

Da erzählt mir jemand, dass bei Autopsien in der Regel Fotos gemacht werden. Ein Foto! Wenn ich sie doch nur ein einziges Mal sehen könnte! Wie eine Ertrinkende greife ich nach diesem Strohhalm.

Blätter um Blätter. Meterweise CTG-Kurven, auf denen jemand handschriftlich vermerkt hatte, wann ich welches Medikament bekommen habe. Dann abrupt endet die Kurve. Kein Foto. Die Mappe enthält kein Foto. Ich weine die ganze Zeit über, aber es sind Tränen der Erlösung. Ich halte etwas in den Händen, das eine Verbindung zwischen mir und meinem Kind darstellt. Dokumente, die belegen, ich hatte diese Tochter. Ich habe diese Tochter.FullSizeRender

Ich erbitte mir eine Kopie des Autopsieberichtes. Das mag einem Außenstehenden makaber vorkommen, aber es ist das einzige Dokument, das mein Kind beschreibt. Ich stecke die drei Bögen in einen braunen Umschlag und trage ihn nach Hause. Mein Mädchen. Es ist alles, was ich von ihr habe.

Viele Jahre sind seitdem vergangen.

Ich sehe keine Filme, die das Thema behandeln. Ich lese keine Artikel, keine Bücher. Ich lese keine Blogposts über Fehlgeburten, nichts. Noch immer habe ich keine Worte des Trostes für andere Betroffene. Noch immer katapultiert mich der Schmerz einer anderen Frau in meine eigene persönliche Hölle. Und ja, vierundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Viel Zeit, um Therapien zu machen, zu töpfern, einen Grabstein zu zeichnen, sich selbst zu vergeben, alle Mittel der Psychohygiene in Anspruch zu nehmen. Und dennoch…

Ich bin keine randalierende Mardermutter mehr, aber der Schmerz befällt mich immer noch. Kommt in den frühen Morgenstunden in einen Traum gemantelt und lässt mich mit heißem Gesicht und schmerzender Brust erwachen. Hält mich für Tage gefangen.

Trauer kennt keine Halbwertzeit. Und es gibt auch keine standardisierte Dauer dafür. Irgendwann meinen die Leute, es sei jetzt mal wieder gut. Das Leben geht doch weiter, mein Gott!

Ich kann die Trauer einer anderen Frau nicht mittragen. Ich würde so gern Trost spenden und kann es nicht. Und ja, ich verstehe auch die Menschen, die sich davor zurückziehen. Trauer, auch die eines anderen, macht auch immer etwas mit einem selbst.

Und dann gibt es Menschen wie die Sternenkinderfotografen, die unentgeltlich stundenlang eine Familie begleiten um das Bild dieser Familie einzufangen. In den wenigen Stunden, die dafür Zeit bleibt. In dieser nicht vorstellbaren Situation. Denn für diese Fotos gibt es keine zweite Chance!

Und es gibt Familien, die selbst ein Kind verloren haben und neben ihrem eigenen Schmerz noch die Energie aufbringen können, um andere Familien ein Stück zu tragen. Trost zu spenden. Um Geld zu sammeln für Beerdigungen oder die Erfüllung eines letzten Wunsches. Wie zum Beispiel die Betreiber der Seite „Sarah´s Sternenzauber“.

Ich weiß nicht, wo diese Menschen ihre mentale Stärke hernehmen, aber ich bewundere was sie tun und danke ihnen sehr dafür! Den Umfang dessen, was sie tun, kann nur jemand begreifen, dem genau das fehlt.

Mariechen wäre dieses Jahr im März vierundzwanzig Jahre alt geworden. Das Leben geht weiter. Einfach so.

 

❤ Für meine Freundin F., die ich auch dafür liebe, dass wir nie über toten Kinder sprechen, obwohl sie immer mit am Tisch sitzen. ❤

 

 

 

Tür 13 – Ein besonderes Weihnachtsessen

Die wunderbare Sonja vom Blog Mama Notes nimmt uns heute mit auf eine Erinnerungsreise. Vielleicht werdet ihr nach dem Lesen den Rest des Tages mit einem melancholischen Lächeln dasitzen, bunt geschmückte Räume vor euch sehen und einen markanten Bratenduft in der Nase haben…

Für jeden von uns ist Weihnachten etwas anderes, möglicherweise. Mich zum Beispiel beschleicht in jedem Jahr „der Geist der vergangenen Weihnacht“, und ich denke an so viele Weihnachtsfeste meiner Kindheit, an die Menschen, die damit verbunden sind. Und ich habe dann ein lebhaftes Bild vor Augen, bittersüß, von Abschieden durchzeichnet. Sonja trifft mit ihren Worten exakt meinen Weihnachtsnerv und ich freue mich über die Maßen über ihre Geschichte und bin gleichzeitig geehrt und gerührt, dass sie sie hier mit uns teilt.

Die Rike hat mich eingeladen hier mitzumachen und ich freue mich wirklich sehr darüber. Sehr sehr. Vermutlich habe ich mir bereits alles bei ihr verscherzt. Es ist schon Anfang (fast Mitte!) Dezember und ich hab noch nichts geschrieben. Ich bin eine Sau, weil ich ihr das schon viel früher zugesagt hatte. Ich versuchte in ein paar Texten lustig zu sein, was mir herzlich misslang. Ich habe sie gelöscht.

Was also tun? Ich kann backe ungern Plätzchen, habe noch nie gebrannte Mandeln selbst gemacht oder so viel Stollen geschnitten, dass es für eine Geschichte taugt. Ich backe zu Weihnachten Kuchen und koche Gulasch und Klöße. Das Gulasch kann ewig aufm Herd stehen und schmeckt dadurch immer Besser und Klöße mache ich nicht selber. Für Showkochen und Blogfotos schießen hab ich leider grad keine Zeit. Aber ich könnte meine Weihnachtsgulasch-Geschichte erzählen und später das Rezept unten drunter schreiben? Es ist keine lustige Geschichte, obwohl ich leise lächeln muß, wenn ich an die Geschichte denke.

Gulasch und Weihnachten sind für mich untrennbar miteinander verbunden, obwohl es zwischendurch auch etwas anderes bei uns zu Hause gab, wie Pute, Lachs oder Rinderbraten. Nichts kompliziertes, eher so deftige und leicht zuzubereitende Hausmannskost machte meine Mutter Heilig Abend. Kartoffelsalat mit Würstchen war ihr selbst zu langweilig, ewig in der Küche stehen wollte sie auch nicht. Also Braten mit Klößen und Rotkohl. Ich liebe es noch heute, ein Mal im Jahr. Denke ich aber an die Kombination von Weihnachten und Gulasch, muß ich an meine Tante Rita denken. Sie war die ältere Schwester meiner Mutter. War, denn sie lebt schon lange nicht mehr. Ich habe sie sehr geliebt, als Kind, als Teenager, als Zwanzigjährige. Eigentlich liebe ich sie heute noch. Das Lieben hört ja nicht auf, nur weil jemand nicht mehr lebt.

Rita war eine Bilderbuchtante. Sie konnte laut lachen und rauchig singen und hatte trotz oder vermutlich wegen ihres schweren Lebens ein kindliches Gemüt. Sie liebte das sich-freuen und feiern, das Beisammen sein und hatte eine besondere Art von sarkastischem Humor, der nicht schwarz ist, sondern einfach nur beinhart ehrlich und dabei so witzig, dass es mich jedes Mal aus dem Sessel riss vor Lachen. Rita hatte diese besondere Gabe, mit uns Kindern nicht beschönigt süßlich zu sprechen, sondern eher so, wie sie es selber lustig und unterhaltsam fand. Ich glaube, die erste Erinnerung an ihren besonderen Humor war, wie ich als kleineres Mädchen mit ihr und meiner Mutter eine Zeitschrift anschaute. Beim Foto eines älteren Mannes sagte ich laut: Der sieht aber beschissen aus!“ „NA!“ machte meine Mutter mahnend und Empörung über meine Ausdrucksweise blieb ihr erstmal die Luft weg. So sprachen wir zu Hause nicht, auch nicht als Witz! Zumindest nicht in diesem Kinderalter, in dem ich damals war. Rita schaute sich das Foto an, schüttelte den Kopf und sagte ruhig und sehr ernst: „Nee, dann wäre er braun.“
Stille.
Schreiendes Lachen von uns dreien!

Mit Rita war immer ein besonderer Glanz in der Hütte. Und wenn ich heute an sie denke oder jetzt von ihr schreibe, ist da diese besondere Wärme in meinem Herz.

Wir feierten Weihnachten immer mit Rita und ihrem Sohn gemeinsam. Mein Cousin befand sich altersmäßig genau zwischen meinem Bruder und mir. Wir spielten viel und ausgelassen. Zu Weihnachten wurde laut gesungen und gelacht. Rita war einer dieser Erwachsenen, die auch zu Weihnachten eine kindliche Aufregung und Freude befällt und die sich bei jedem Geschenk, besonders bei denen Geschenken der Kinder, anhaltend mitfreuen kann.

In einem Jahr wollte Rita mit ihrem neuen Mann und ihrem Sohn alleine zu Hause feiern. Ich war schon etwas älter, so ungefähr 14 oder 15 Jahre alt. Ich wusste, dass ich das zu akzeptieren hatte, aber ich fand es blöd. Tags zuvor trafen wir uns noch zum Weihnachtskaffee. Wir aßen Kuchen zusammen, lachten und spielten. Mein Bruder und Cousin spielten ein Flötenstück vor, sagten ein Gedicht auf. Gegen frühen Abend machten sich Rita und ihre kleine Familie auf. Vorher noch haben meine Mutter und ich ihr von dem gemeinsam gekochten Hirschgulasch in einen kleineren Topf abgefüllt. Es würde für die Drei locker reichen und auch wir hatten so viel Gulasch, dass wir davon gut und gerne satt werden konnten. Zu Weihnachten haben die Töpfe nicht so schnell leer zu werden. Dafür hat man dann bis Silvester etwas davon. So gehört das.

Dann kam Heiligabend und wir würden wieder zu viert Weihnachten feiern. Das letzte Mal zu viert waren wir, als ich so 4 oder 5 Jahre alt gewesen sein muß. Wir hatten es schön zu Hause, meine Mutter ist eine Meisterin im Schmücken und Dekorieren. Ein Talent, dass ich nur im Anflug mitbekommen habe, wenn überhaupt. Wenn meine Mutter es weihnachtlich macht, dann kracht es, so weihnachtlich ist es. Ich kann also nicht behaupten, dass ich komplett untröstlich gewesen wäre, mit meiner Kernfamilie den Heilig Abend zu verbringen. Wir vier waren gerne zusammen. Wir lasen Weihnachtsgeschichten und aßen Kuchen. Plätzchen buk auch meine Mutter nie gerne.

Irgendwann, als es an diesem Heilig Abend dunkel geworden war, schickten meine Eltern meinen Bruder und mich ins Zimmer, „damit das Christkind“ kommen kann. Den Brauch haben wir tatsächlich noch lange aufrecht erhalten, egal wie alt wir waren und ob mein Bruder und ich noch an das Christkind glaubten oder nicht. Das ins Zimmer geschickt werden und waaaaaaarten müssen gehörte zu den unumstößlichen Weihnachtsbräuchen meiner Kindheit und Jugend. Ich glaube, wirklich aufgehört haben meine Eltern damit erst, als mein Bruder und ich ausgezogen waren und zu Weihnachten zu Besuch nach Hause kamen. Ich erinnere mich gar nicht mehr so genau.

Egal. Jedenfalls, mein Bruder und ich hockten in unseren Zimmern und warteten. Plötzlich klingelte es an der Tür. Ihr ahnt es vermutlich, da standen Rita, ihr Mann und unser Cousin. In ihren Händen hielt sie den Topf Gulasch. Rita strahlte über das ganze Gesicht. „Wir wollten Euch das Gulasch zurück bringen,“ sagte sie sachlich und ging schnurstracks in die Küche. Meiner Mutter und mir blieb erstmal der Mund offen stehen. Die drei kamen herein, zogen sich die Mäntel aus, Rita stellte das Gulasch in die Küche und sie setzten sich. Und dann war Weihnachten. Nie wieder in den darauf folgenden Jahren kamen wir auf die Idee, dass eine der beiden Familien unter sich Weihnachten feiern wollen würde. Auch nicht, als Rita überraschend und viel zu jung in einem November gestorben war. Das ist jetzt 23 Jahre her. So viele Jahre habe ich gar nicht mit ihr Weihnachten feiern dürfen, so lange ist das schon her. Mittlerweile hat es viele Wendungen in der Familie gegeben und wir feiern nicht mehr mit meinem Cousin und seinem Vater. Aber Gulasch und Weihnachten haben seitdem eine besondere Verbindung. Übrigens auch das Hüttenglanz-Gefühl, das ich habe, sobald ich an Rita denke. Und ihr rauchiges Lachen. Wenn ich die Augen schließe, kann ich es noch hören. Das hört ja nicht einfach auf, so ein Lachen, nur weil jemand gestorben ist.

 

Das war die anstatt-Foto-Geschichte. Hier kommt ein Rezept, falls Ihr es mögt. Nein, es ist leider nicht das Originalrezept meiner Mutter, sie hat es nicht (mehr). Meine Mutter kocht so etwas „natürlich“ nicht mehr nach Rezept und hat daher keine Aufzeichnungen darüber. Dieses habe ich mir mit ihr „erarbeitet“, als ich vor mehreren Jahren dann selbst mal Hirschgulasch zu Heiligabend gekocht habe.

 

1 Kilogramm Hirschfleisch

250 gr Schalotten

2 Knoblauchzehen

2-3 Möhren

1 (Bio) Zitrone

2 Zweige Thymian

2 Zweige Rosmarin

Öl

1-2 EL Tomatenmark

1 EL Mehl

Salz

frisch gemahlener Pfeffer

1 Flasche Rotwein (ersatzweise Gemüsebrühe)

400 gr passierte Tomaten

2 Lorbeerblätter

5 Wacholderbeeren

 

Fleisch abspülen und trocken tupfen. Schalotten und Möhren würfeln, Knoblauch fein schneiden. Zitrone abspülen, trocknen und die Schale dünn abziehen.

Das Fleisch rundum golden anbraten, aus dem Topf/Pfanne nehmen und beiseite stellen. Jetzt darin Schalotten, Möhren und Knoblauch andünsten. Tomatenmark hinzu und mit Mehl bestäuben. Das Fleisch wieder dazu geben und mit Salz und Pfeffer würzen.

Rotwein und die passierten Tomaten hinzugeben. Das Fleisch sollte von Flüssigkeit bedeckt sein, ggf. noch etwas Brühe nachgießen. Alles aufkochen und dann auf niedriger Flamme köcheln lassen. Nach dem Aufkochen die Wacholderbeeren, das Lorbeerblatt und die Gewürze hinzu geben. Mindestens 50 Minuten köcheln bis das Fleisch zart ist.

Fleisch herausnehmen, Sauce sämig einkochen lassen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Gedanken um einen Gastbeitrag…

Séverine vom Blog Mama on the Rocks bat mich um eine Geschichte zum Thema „Die Schweiz und ich“. Und ich sagte gerne zu, dachte ich doch spontan daran, wie lustig das werden würde, wenn ich immer nur von der Sächsischen Schweiz schreiben würde! Da verbrachte ich gefühlt meine halbe Kindheit. Als Kind zweier Bergsteiger das natürliche Umfeld.

Die Abgabefrist rückte immer näher. Und ich fand keinen Anfang. Meine gewohnt spitzbübigen Gedanken wollten sich nicht einfangen lassen. Stattdessen verlor ich mich beim Betrachten der alten Fotos in ganz anderen Gefühlen.

Und da war sie auf einmal da. Sprang mich an und boxte mit gegen die Brust! Trauer. Die alte Bekannte. Die verhasste Megäre, die mir den Tag versauen würde! Uneingeladen steht sie in regelmäßigen Abständen vor der Tür. Mit unterschiedlichem Gewand bekleidet. Mal hüllt sie sich in Wut und Trotz, mal in verzweifeltes Unverständnis. Mal in einen Umhang aus Tränen. Auch noch nach so vielen Jahren.

„Das Leben geht weiter!“

Ja, wir Überlebenden leben noch. Ja, wir haben nach diesem Tag X Kindern in dieser Familie Leben geschenkt und die Alten begraben. Und dennoch ist dieses Leben keinen Tag so weitergegangen wie gedacht. Für niemanden von uns.

„Er wurde mitten aus dem Leben gerissen.“

So beschreibt man oft, wenn ein junger gesunder Mensch von einem auf den anderen Tag geht. Aber nicht nur er wurde aus dem Leben gerissen, sondern unsere gesamte Familie. Und das nicht nur für ein paar Trauerwochen. Da ist soviel Ohnmacht, soviel Nicht-begreifen, soviel Nicht-mehr-wollen. Und es hört auch nicht auf. Hört es irgendwann auf? „Das muss doch auch mal wieder aufhören!“, leicht gesagt.

Leben und Tod. Wir werden geboren und sehnsüchtig erwartet. Und wir sterben und werden betrauert und vermisst. In ganz furchtbaren Fällen sogar von denselben Personen. Ist es leichter, wenn man sich verabschieden kann, wie nach einer langen Krankheit? Ist es leichter, wenn man das Gefühl hat, einem Menschen Lebewohl zu sagen, der ein erfülltes Leben hatte und gehen möchte? Ist es leichter, die Hand eines alten Menschen loszulassen? Ich weiß es nicht.

Trauer hält sich an keine Karenz- oder Halbwertzeiten. Und jeder Mensch trauert anders. Ich habe viele Jahre gar nicht trauern können, dachte ich. Stand hilflos daneben, wenn ER von anderen beweint wurde. In mir war alles voller Wut. Ich fühlte mich so betrogen! Betrogen um die so ersehnten Erwachsenengespräche auf Augenhöhe, so betrogen um das Gefühl, seinen Arm um meiner Schulter zu spüren und Stolz in seinen Augen zu sehen, wenn er auf mich herabblickt. Wärest du jetzt stolz auf mich, könntest du sehen, was aus mir geworden ist? Betrogen um das Gefühl, meine Kinder auf seinem Schoß sitzen zu sehen. Trauer hat viele Gesichter.

Ich bin mittlerweile älter, als er werden durfte und dennoch befinde ich mich immer noch in der Rolle eines trauernden Kindes. Habe ich, wenn ich an ihn denke, die Gefühle des kleinen Mädchens, das ich einmal war.

Das Internet vergisst nicht. Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich diesen Beitrag für Mama on the rocks schreibe und ich sie fragte, was sie davon hält und wie sie zur Veröffentlichung von Fotos steht, hat sie sofort geantwortet, das sei eine wunderbare Idee! Und Bilder rausgekramt. Alle Bilder in dem Beitrag sind aus dem Album meiner Mutter.

Für uns ist er immer unsterblich. Und nun auch für das Internet, das nie vergisst.

Er war ein tollkühner Bergsteiger, ein leidenschaftlicher Sportler, ein lustiger und draufgängerischer Kerl. Und er war mein Vater.

bmp065… Dieses ❤ ist für all die starken Frauen in meiner Familie!