Erntedank

Erntedank

Das Gartenjahr neigt sich dem Ende… und ich quatsche schon wie ein altes Weib!

Wer die Gartenposts vom letzten Jahr gelesen hat, konnte sich herzlich über mich und meine Versuche amüsieren, einen „Familienlandsitz“ auf diesem von Scherben übersäten, zugewuchertem Stückchen Pachtland zu schaffen. Dieses Jahr hatte ich zumindest ansatzweise das Gefühl, dass es (ganz anders zwar als erträumt) schon mal in die anvisierte Richtung ging.

Also zumindest kann ich behaupten, dass ich die Zeit von Frühjahr bis Spätsommer eigentlich komplett im Urlaubsfeeling verbracht habe. Bevor Neid entsteht, ich meine den Teil mit Ein- und Auspacken. Also Freitags sechs Ikea-Beutel voller Klamotten und vier Säcke und Kisten mit Lebensmittel in den Kombi stopfen und am Sonntag das Ganze retour. Wobei mir immer noch nicht klar ist, wieso die Menge stets stark variierte! Also entweder schleppten wir zehn Säcke in den Garten und nur sechs zurück oder umgekehrt. Das muss an der doppelten Haushaltsführung liegen. Die sorgte auch dafür, dass meine kläglichen hausfraulichen Bemühungen jede Woche erneut damit belohnt wurden, dass ich, nachdem ich eine Behausung geputzt hatte in die andere fuhr und von Spinnweben und Staub und Dreck begrüßt wurde. Irgendwie immer. Auch befanden sich regelmäßig Dinge des Alltagsgebrauchs stets in der jeweils anderen Hütte. Soll heißen, es gab überproportional hohe Leerfahrten zwischen den beiden Lokalitäten, um Ladekabel, Nuckel, Eheringe und dergleichen nachzuholen.

Wirklich schön ist allerdings das Ernten, als Belohnung für die ganze Krauterei und das im Sommer tägliche Geschleppe von vierhundert Litern Wasser in Gießkannen.

Und irgendwas gabs auch immer.IMG_2483

Kaum war der Flieder verblüht, konnten wir Rhabarber ernten. Er bildet phallische Blütenstände aus, die sich als Geburtstagsblumen nur bedingt eignen…IMG_2480

Hier in der Tarte-Version zusammen mit Nektarinen und einem Guss aus 100g geschmolzener Butter, 150g Mehl, Backpulver, 150g Zucker, einer Prise Salz und 250ml Milch. Vorm Backen mit Hagelzucker bestreuen und ca. 45Min backen (Stäbchenprobe).IMG_2669

Nach dem Rhabarber kamen die Beeren. Also die frühen wie Jostabeeren, Johannis- und Stachelbeeren.IMG_3042

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IMG_3108Dann kamen (und kommen immer noch) Tomaten, Gurken, Zucchini und Wurzelgemüse. IMG_1418 IMG_3496-1

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IMG_3493Was macht man mit dem ganzen Zucchini? Chutney zum Beispiel. Ich liebe den auch als Pastasauce mit Schalotten, Sahne und Estragon. Oder als Antipasti (Variante 1: geschmort mit Champignons und Zwiebeln, Pfeffer, Salz, Rosmarin, Thymian. 1El Zucker rein und Essig und dann erkalten lassen. Variante zwei: Mit Salz, Pfeffer und Kräuter der Provence einreiben und in der Pfanne anbraten. Eine Scheibe Parmigiano auf jede Scheibe legen, Herd aus, Deckel auf Pfanne und schmelzen lassen.).IMG_3049

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IMG_3428Der Wein ist in diesem Jahr nichts geworden und die Pflaumen sind voller Maden. Die Äpfel sauer. Aber das gibt noch ein schönes Apfelmus! Ich mag es am liebsten mit Zimt und Rosinen gekocht oder mit Cranberries und Vanille.IMG_3463Ende August stehen meine Jungs eigentlich den ganzen Tag zwischen den Himbeer- und Brombeersträuchern. Die werden direkt in den Mund geerntet.

Und dann: Die Kartoffeln. Ich liebe das! Kartoffeln ernten ist wie Überraschungseier basteln. Für mich. Ich ernte die auch immer mit den Händen, weil ich mich so freue, wenn ich die Knollen in der Erde ertaste!

Das ist auch was Hübsches für Städterkinder. Einfach im nächsten Jahr eine angetriebene Kartoffel halbieren und in einen großen Topf mit Erde setzen und ordentlich bedecken mit Erde. Beim Wachsen zusehen und wenn das Grün im August abgestorben ist, rausziehen und die Kartoffelkinder bergen.  IMG_3443

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Im September und Oktober freue ich mich auf Kürbisse. Weniger auf die kühlen, feuchten Abende und das Bäumeverschneiden, Umgraben, das Winter-fest-machen. Aber dafür auf abendliche Feuerchen und alberne Familienselfies mit Mütze und Schal.IMG_1454

Beispielbild eines albernes und unvorteilhaftes Familienselfies am Feuer (Archivbild von 2012)

Beispiel eines albernen und unvorteilhaften Familienselfies am Feuer (Archivbild von 2012)

pseudophilosphische Gartenbetrachtungen (von unten, aus der Hocke)

Es geht wieder los.

Das Kraut ruft. Das Unkraut. Eigentlich gings ihm ja ganz gut und besonders laut ruft es auch nicht nach meiner fortpflanzungsregulierenden Hand. Ich bin trotzdem da. Und hocke mal wieder in der Furche. Das dritte Jahr nun schon begebe ich mich in die Hocke. Hocke im Dreck, dessen Ursprung mir zwar geläufig ist, mich aber zu keiner städtertypischen Igitt-Reaktion mehr hinreißt.

Gemüsebeet. Gierschfeld. Was ihr wollt.

Gemüsebeet. Gierschfeld. Was ihr wollt.

(Exkurs. Letztes Jahr gab es folgendes Telefonat zwischen dem Bärtigen und dem Vorgartenbesitzer: „Du, Vati, alle wieviel Jahre muss eigentlich die Klärgrube geleert werden? Und welchen Anbieter haste da immer gerufen?“. „Äh, nee, da kam nie jemand. Du nimmst einfach mal ein Holz aus dem Schuppen und rührst kräftig um. Wenn viel Dickes oben schwimmt, machste einen Strick an eenen Eimer und schöpfst das ab. Das ist Superdünger! Ich hab das vierzig Jahre auf die Beete geschüttet. Im Gewächshaus brauchte ich nie Erde nachfüllen und die Tomaten werden dadurch einfach klasse!“.)

So knie ich also das dritte Jahr in der kompostierten Scheiße meiner Schwiegerleute und verteile im Sommer großzügig Kackgemüse aus meinen eigenen Beeten und langsam finde ich das großartig! Alles. Auf eine ganz andere Art, als ich mir das vorgestellt habe. Damals, als wir anfingen, dieses Stückchen Erde zu unserem zu machen. Ich bin Lichtjahre entfernt von allem, was ich mir in den letzten Jahren so ersponnen habe über mein Leben als Vorstadtgärtner mit Strohhut und Sommerkleidchen, das mit dem Lavendel im Takt zur zarten Brise mitschwingt…

(Hier, hier und hier sind die alten Posts verlinkt, die „frühen Beginne“ quasi.)

Und irgendwie ist es auch gut so. Das alles ganz anders gekommen ist. Was hatte ich für hochtrabende Pläne! Und wen wollte ich eigentlich damit vom Hocker hauen? Rückblickend kommt es mir vor, als sei das vergleichbar mit dem seltsamem Gebahren, die Wohnung grundzureinigen, bevor die Putzfrau kommt (Was soll die denn sagen!) oder wie blöde die Fenster zu wienern und die Böden, wenn sich Besuch mit Kindern ankündigt (Was sollen die denn sonst denken!). Als ob es danach nicht sinnvoller wäre! Was für ein Scheiß. Ich schüttele den Kopf, während ich am Giersch rumzuppele.

Was am Ende eines Nachmittags mit Kind im Garten so geschafft wurde... unglaublich, oder?

Was am Ende eines Nachmittags mit Kind im Garten so geschafft wurde… unglaublich, oder?

Über mir tschilpt es. Und tschiept. Und summt. Irgendwo röhrt ein Rasenmäher. Es riecht nach… hm… Erde. Und Grünzeug. Gut irgendwie. Mir brennen die Schultern und die Sonne bitzelt in meinem Gesicht. Das Gartenkind isst Fliegen und wühlt im Dreck. Ich wühle im Dreck.

Tonne mit Kindersicherung

Tonne mit Kindersicherung

Richtig voran komme ich nicht. Ich werde auch nie wirklich fertig. Ich hab mich damit abgefunden. Hier kommt keiner vorbei, um mich für „Mein schöner Garten“ zu interviewen. Die Regentonnen des Todes sind nach wie vor mit einem lächerlichen Stein gesichert, das Gewächshaus habe ich mit Schwiegervaters todsicherer alltime-favourite-Klebeband-Methode repariert, weil der Baby-Fliegenfresser schon versucht hat, die maroden Scheiben auszubauen. Jetzt glitzert mein Gewächshaus im Sonnenschein. Kann man so lassen. Hält.

glitzerndes Gewäschshaus

glitzerndes Gewäschshaus, sieht auch innen super aus

Ich zupfe weiter am Giersch. Vielleicht ist es auch Akelei oder ganz was anderes. Ich nenne alles Giersch. Ist praktischer. Außerdem habe ich gar keine Ahnung. Manchmal, wenn man gefühlvoll vorgeht, bekommt man die Pflanze ohne Spateneinsatz aus der Erde gezogen. Dann ist das wie Gebären. Irgendwie. Es ruckelt und geräuscht und dann -Schwupps!- ist die Pflanze draußen! Alles dran. Die Wurzel ist vollständig. Herzlichen Glückwunsch!

Es gibt in der Tat zwischen dem Gärtnern und der Kinderkriegerei sichtbare Parallelen.

Als wir anfingen – mit hochtrabenden Plänen und Abrissbirne und dem allen- da standen die erfahrenen Gärtner am Zaun, schüttelten die weißen Haare und regten sich tierisch auf, was wir da treiben. Das macht man aber nicht so! Das geht ganz anders! Wir dachten, so schwer kann das nicht sein. Können alle anderen ja auch. Und wir hatten ganz genaue Vorstellungen, wie das so werden würde.

Pah!

Das erste Jahr hat uns demütig gemacht. So viel Arbeit. So viel Plackerei. Ein Schund. Das hat uns niemand gesagt, dass das so viel Arbeit ist! Das erste mal mit nackten Händen in lebendes Schneckenfleisch fassen ist vom Ekelfaktor vergleichbar mit dem ersten schwallartigen Erbrechen eines Kindes im Auto. In die Stereoanlage. Die Gurte, Ritzen, Fugen. Alles. Beim zweiten Mal ist es dann schon nicht mehr so wild.

Und dann hat dieser Garten ja auch eine ganz eigene Dynamik: Pflanzen vermehren sich an Stellen, wo man die überhaupt nicht haben will. Und nie wieder wegkriegt (vergleichbar mit seltsamen Charakterzügen beim Nachwuchs: „Das hat er von deiner Familie! Bei uns sind wir nicht so!“.). Gras wächst prinzipiell am grünsten und dichtesten auf Beeten. Nicht auf dem Rasen! Dort will es nicht. Da bockt es wie ein Zweijähriger. Im ersten Jahr habe ich versucht, meinen Willen durchzusetzen, dem Garten meine Wünsche aufzudiktieren. Es wurde nichts. Jetzt sehe ich manchmal diese akkuraten ordentlichen Gärten, die nach dem Gartenkatalog geformt wurden und ich mag nicht mehr haben, was ich dort sehe.

Eine Sandsteinmauer als Mahnmal für nichtrealiserte hochtrabende Bauträume. Irgendwer hat aber Mileid und steigt wohl bei uns über´n Zaun. Im letzten Jahr war der Haufen noch deutlich höher ;)

Eine Sandsteinmauer als Mahnmal für nichtrealiserte hochtrabende Bauträume. Irgendwer hat aber Mitleid und steigt wohl bei uns über´n Zaun. Im letzten Jahr war der Haufen noch deutlich höher 😉

Und manchmal freue ich mich diebisch, wenn ich mit meiner hemdsärmeligen quick´n dirty-Taktik erfolgreicher bin als die Weißkappen mit ihrem achtzigjährigen Erfahrungsschatz und ihren gestutzten Buchsbaumhecken. Im letzten Jahr habe ich versäumt, Saatkartoffeln zu kaufen. Sie waren dann alle. Die Weißkappen belehrten mich, dass ich eh viel zu spät dran sei und laberlaberlaber. Ich habe einen Sack Kartoffeln beim blauweißen Discounter gekauft und weil das dann zu wenig für den Acker war, die Knollen einfach halbiert. Ab damit ins Feld. Ohne Dünger, ohne Vorkeimen, ohne Ahnung. Einfach so. Monate später klagten alle reihum über die versaute Kartoffelernte. Fäulnis, Viecher, was weiß ich. Bei uns standen die Pflanzen wie ne Eins und im Herbst habe ich eine fette Ernte eingefahren 🙂 Die dümmsten Bauern haben wirklich die größten Kartoffeln!

Gleich wird das Gartenkind wach und wir fahren raus. Vielleicht kommt Familie Igel wieder vorbei oder wir sehen ein Mäuschen. Oder die Katze, die sich abends bei uns auf der Terasse eingerichtet hat. Wir haben die noch nie zu Gesicht bekommen, aber stets ist ein runder Fellfleck auf einer der Auflagen zu sehen, wenn wir kommen.

Und wir kommen! Wir kommen gleich.

Unkraut oder Glückskleeteppich? Alles eine Frage der Einstellung!

Unkraut oder Glückskleeteppich? Alles eine Frage der Einstellung!