Männer unter sich

Janni, der Babyvater von Ich bin dein Vater, hat neulich einen Artikel geschrieben, nein, eine Liebeserklärung an seine Brotherhood. Seine Buddies. Die Lieblingsmänner seines Lebens.

Der Lieblingsmann meines Lebens schlief noch geräuschvoll, während ich diesen Text zum ersten Kaffee des Tages genoss. Und mir lief das Herz über! Warum? Weil ich ganz genau verstehe, was er meint.

Nicht, dass ich mich als Mann fühle oder meinen würde, meine Frauenfreundschaften hätten genau diese Qualität der Innigkeit. Überhaupt nicht! Aber ich lebe hier mit einem Männchen, der Teil einer eben solchen Hood ist und das schon sehr lange. Und deshalb ist sie auch ein Teil meines Lebens.

Es gibt Paare mit Paarfreundschaften. Die Gleichgesinnte mit denselben familiären Rahmenbedingungen um sich scharen oder mit demselben Hobby und sich sozusagen in der eigenen Peergroup paaren. Das macht Sinn. Man hat die gleichen Themen, begeistert sich für dieselben Dinge oder hat Kinder im gleichen Alter, die einen begeistern. Oder eben auch im Moment nicht.

Und es gibt Paare, die am liebsten alles gemeinsam machen. Die gern von sich sagen, sie seien einander „der beste Freund“.

Und es gibt Leute wie uns, die mit separaten Kreisen.

Es mag komisch klingen, wenn ich sage, dass jeder von uns einen eigenen Freundeskreis hat und auch, dass wir es genießen, Dinge ohne einander zu tun. Mit anderen Menschen. Oder allein. Und, ehrlich gesagt, kam selbst mir das manchmal seltsam vor in den letzten achtzehn Jahren. Habe selbst ich manchmal gedacht, hm. Abenteuer und Erholung, heiß und kalt, bunt und clean, laut und leise, Kunst und „Das soll Kunst sein?“, Berge und Strand. Wir zwei sind so grundverschieden, dass wir gar nicht zu einander passen können! Bestimmt ist es für uns beide besser, wenn wir uns trennen…

Mitnichten.

Wir sind wie Yin und Yang und auch wenn wir vielleicht bei Betrachtung der Unterschiede offensichtlich nicht zueinander passen, so offensichtlich gehören wir doch gefühlsmäßig zueinander. Und die vielen Unterschiede trennen uns nicht, sondern machen unsere Beziehung bunt. Und zwar, weil wir es uns abgewöhnt haben, den anderen dazu zu überreden, dieselben Dinge zu mögen wie man selbst (Mann, war das ´ne Scheiße!).

Und so kommt es, dass der Bärtige viele große Abenteuer erlebt. Ohne mich. Mit seinen Jungs. Und das ist gut so!

Diese Truppe, die sich aus Studenten-WG-Zeiten kennt, reist gemeinsam in regelmäßigen Abständen an irgendein Ende der Welt um zu gucken, ob das dort wirklich das Ende der Welt ist (meine Interpretation). Und Gott bewahre, ich muss da nicht hin! Ich habe schon mal hier darüber geschrieben, warum es besser ist, dass wir getrennt verreisen.

Und die Art des Reisens und die vielen Herausforderungen und unvergleichlichen Erlebnisse, die diese Männer geteilt haben, hat die Freundschaft zwischen ihnen geprägt. Da bin ich ganz sicher, ohne dabei gewesen zu sein.

Wenn man zusammen in Indien Durchfall hatte und in den peruanischen Anden bei fünf Grad zu zweit in einem Zelt schlief, dass für Frodo Beutlin allein schon sehr eng wäre, dann macht das was. Wenn man zusammen bei tropischer Hitze und auch bei zehenabsterbender Kälte Berge erklommen, sich wochenlang von Reis ernährt und sich gemeinsam nach einem Bier gesehnt hat, das diesen Namen auch verdient, dann macht das was. Wenn man zusammen Situationen erlebt hat, wo man auf Gedeih und Verderb auf den anderen angewiesen war, dann sieht man diesen Männern auch bei Tageslicht in Mitteleuropa ganz anders in die Augen. Das weiß ich, weil ich es sehe.

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Urlaubsbild des Bärtigen. Beispielfoto (Beliebig also. Es sind immer Berge mit drauf. Gähn!).

(Und nein, ich bin kein bisschen eifersüchtig. Wir haben schließlich Familie und sind den Rest unseres Lebens auf Gedeih und Verderb auf einander angewiesen! Und Abenteuer erleben wir da auch. Zugegeben, ganz andere.)

Es sind seine Freunde. Nicht meine.

Und dennoch bin auch ich mit ihnen verbunden. Sie sind mir nahe, diese Männer. Ganz einfach, weil sie meinem Mann nahe sind! Ich würde ohne Nachzudenken meinen letzten Hunderter jedem einzelnen geben und sofort zur Hilfe eilen, sollte das nötig sein. Und ich bin mir sicher, sie würden dasselbe nicht nur für den Bärtigen tun, sondern auch für mich. Aus denselben Gründen.

Und wenn sie sich sehen, auf ein Bierchen treffen oder so, dann ist die Zeitrechnung nicht Stunden, sondern… ach vergesst es!

(Ich: „Wo kommst du denn jetzt her, hä? Ein Wunder, dass du überhaupt noch wusstest, wo wir wohnen! Hätte ja gut sein können, dass wir in der Zwischenzeit umgezogen sind! Und guck mal, wie groß deine Söhne inzwischen sind! Wie, ihr wart doch nur auf einer Radtour?! Ach, wo denn? In Timbuktu? Habt ihr schon mal Zelte probegeschlafen und „Brokeback Mountain“ nachgespielt oder was?! Freundchen, du hast echt Nerven! Komm du mir mal rein…“)

Und wenn er dann so heimkommt von einer „kurzen“ Radtour und anschließendem „kleinen“ Bierchen mit den Jungs, dann kam es schon vor, dass man den Kerl kaum sah, weil er zwei Arme voll Sonnenblumen die Treppe hochastete und behauptete: „Schatz, ja, es wurde etwas später, aber ich habe eine gute Ausrede! Schau mal, wir haben dieses Sonnenblumenfeld gefunden und ich habe stundenlang nach einer Blume gesucht, die so schön ist wie du. Ich habe keine gefunden! Deshalb muss du die jetzt hier alle nehmen!“.

Und wahrscheinlich hatten sie sich genau diesen Spruch vorher gemeinsam in der Kneipe ausgedacht. 🙂

Die schönste Zeit des Jahres

Wir sind nicht urlaubskompatibel, der Beste und ich. Der eine schreit „Meer!“, der andere „Berge!“ (oder allenfalls „Mehr Berge!“). Und diese Affinitäten sind bei uns auch noch extrem ausgeprägt.

Egal wo wir sind, wenn irgendwo am Horizont ein Hügel sichtbar ist, am besten noch mit einer schneebedeckten oder qualmenden Kuppe: „Oh! Das ist aber schön! Da will ich hin!“ (Er). Ein Maulwurfhügel im Garten und er steigt ganz sicher drauf: „Erstbegehung!“.

Mich zieht´s zum Wasser. Ich bin meersüchtig. Ich kenne zwar ein paar Weltmeere (vom Strand aus), aber mein Lieblingsmeerchen ist ganz klar die Ostsee. Wenn ich denn mal da bin, stolpere ich glückstaumelnd an den Strand wie ein Wüstenwanderer in eine Oase, schmeiße mich in den Sand, streichle den wundervollen Untergrund, starre grenzdebil aufs Wasser…und tauche ein in Transzendenz! Ich brauche nichts, ich denke nichts, ich atme, ich bin, ich bin vollkommen seelig… Bis ein Schatten meinen Blick verdunkelt: „Hier isses langweilig! Kein Berg! Nicht mal´n Hügel! Und was is´n das für Zeug in dem Ikea-Beutel?! Steine?! Vierzig Kilo Steine? Oh nein, sag mir nicht, das willst du mitnehmen! Unser Zuhause sieht jetzt schon aus wie Stonehenge!“.

Urlaubsfoto von ihr

Urlaubsfoto von ihr

Ich habe im Gegenzug für ein paar Steine vom Strand ungezählte Urlaube in den Bergen hinter mich gebracht, adrenalinbesoffen und stinkend vor Angstschweiß an mindestens fünfzig Zentimeter hohen Abgründen entlanggehangelt, hysterisch schreiend, der Arschlochvater solle gefälligst das Kind mit seinem Gürtel sichern und in abrissreifen Bruchbuden („Sie haben eine wahnsinnstolle Sicht auf die Berge!“) mit einem verbeulten Topf ohne Henkel und einem rostigen Wok Essen gekocht. Ich habe mich zwölftausendmal verlaufen mit dem Bergsüchtigen, der behauptet, er könne Karten lesen. Oder „aus Versehen“ das Navi vergessen hat mitzunehmen um den Challenge-Charakter des Ausfluges zu erhöhen. Bin mit Wurstschnitten im Rucksack durch Wälder, Gebirge und Steinshaufen gekraxelt um den wundervollen, anbetungswürdigen Mann, den ich geheiratet habe, glücklich zu machen. „Wenn ich hier jemals lebend aus diesem gottverfluchten, verfickten Scheißwald rauskomme lass ich mich scheiden! An der nächsten Wegkreuzung!“.

Wir verreisen jetzt getrennt. Nicht immer, aber öfter.

Alle zwei Jahre packt der Beste seinen Rucksack und seine Kumpels und dann stapfen die durch irgendwelche Dschungel am anderen Ende der Welt. Steigen auf Vulkane oder Gletscher, schlafen in Zelten auf Bergen oder in finstren Gegenden, reisen und speisen wie die Einheimischen und wechseln drehen nur alle paar Tage ihre „Schlübber“ auf links.

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Urlaubsfoto von ihm

Und ich finde das wundervoll! Wenn er nach ein paar Wochen im Nirgendwo und genug Bohnensuppe intus, um meine überragenden Kochkünste wieder schätzen zu können, heimkommt…dann habe ich Herzklopfen! Muffensausen wie eine Siebzehnjährige!

Zum Flughafen schaffe ich einen Schreibtischtäter mit zarten Händen und empfindlicher Haut und ein paar Wochen später spuckt mir der Flughafen einen braungebrannten, vollbärtigen Weltbezwinger aus mit Pranken zum Bärentöten und einem Blick, der sagt, dass er das auf der Stelle tun würde, sollte jetzt ein Bär auftauchen und sich zwischen ihn und mich und den heißesten Kuss der Welt stellen! Und wenn wir irgendwann aufgehört haben zu knutschen, zeigt er mir Bilder und Videos und seine Begeisterung schwappt rüber zu mir und mein Stolz auf ihn rüber zu ihm…und so geht das hin und her. Das ist wie eine Frischekur für unsere Ehe. Während der Trennungszeit schreiben wir uns Liebesbriefe (Na gut! Mails!) und sehnen uns nach einander. Ich mag Vermissen! Zumal das Sehnen mit dem Vergessen der Macken des anderen einhergeht. Je länger er weg ist, umso toller und Superman-mäßiger wird er.

Es gibt allerdings Stimmen im Umfeld, die offen sagen, sie fänden das indiskutabel! Der Mann hat Familie! Und Verantwortung! Wie kann der seine Frau mit den Kindern wochenlang alleine lassen um seinen Spaß zu haben (Und wie kannst du als Frau derartige Faxen unterstützen?! Wenn das nun alle machen wöllten!).

Richtig. Er hat Verantwortung! Und zwar in erster Linie für sich und sein Wohlbefinden. Genau wie ich. Uns gefällt die Idee einer Partnerschaft, in der Individualbedürfnisse nicht hinter dem Kollektivbedürfnis zurückstecken müssen. Ich kann das machen, WEIL ich mit dir zusammen bin und du meine Träume unterstützt. Auch wenn es nicht deine Träume sind. Träume haben wir alle und auf vielen Sinnspruchkarten steht gern auch der Wunsch nach …Mut, sie zu verwirklichen… Ist es nicht schön, wenn man nicht nur den Mut dazu hat, sondern auch jemanden an der Seite, der einen nicht bremst sondern bestärkt? Wenn man dadurch lernt, dass Träume keine Schäume sondern Pläne in einer Grobkonzeptionsphase sind? Und dass dieser Mensch auch stark genug ist zu sagen, ich brauche dich, aber in erster Linie möchte ich, dass du glücklich bist! Tu, was dafür nötig ist und sag mir, wie ich dich unterstützen kann.

Und er träumt nun mal von Semeru, Krakatau, Nanga Parbat und Machu Picchu (Gesundheit!). Ich will da nicht hin! Aber warum sollte er das dann lassen?! Im Gegenzug nimmt er Urlaubstage und fährt babysittend mehrmals täglich durch die Stadt um mir das Kind zum Stillen zu bringen, weil ich mir zum Beispiel in den Kopf setze, im Wochenbett noch eine Ausbildung mit unklarer Zukunftsperspektive beginnen zu müssen. Und zwar selbstverständlich!

Ich träume ganz bestimmt bald wieder von der Ostsee. Und von Steinen. Einem Ikea-Beutel voller Strandgut. Da muss er dann durch. Immerhin könnte es durchaus schlimmer kommen: Ich könnte ja schließlich auch von einem Trantra-Seminar auf Goa träumen oder ein Sonnenstudio eröffnen wollen oder eine Agentur für männliche Nacktputzer. Oder mit ihm einen Walzerkurs belegen wollen…

Und ihr, macht mit euren Träumen was ihr wollt! Und habt die schönste Zeit des Jahres. Am besten jetzt.