Glückliche Fügungen feat. the Osterwochenende

Jahrelang fuhren wir stets an Ostern in die Nähe von Liberec im tschechischen Isergebirgsland. Dort hatte ein holländisches Pärchen einen alten Dreiseitenhof zu einer kuschligen Pension umgebaut und bewirtete aufs Allerherzlichste die Gäste, die zum Wandern kamen.

Nur kamen relativ wenig Menschen. Wir waren jahrelang an Ostern nahezu allein und unsere Kinder tobten über die alten Gänge, im Garten war außer uns niemand und morgens in der guten Stube beim Frühstück ebenso Leere und Stille. Außer an unserem Tisch natürlich.

Dann machte ich den Fehler und schrieb darüber, so richtig mit Link und so. Und viele Leser schrieben mir auch und wollten es ganz genau wissen: Wo war das, wie heißt das, wie ist dies und wie ist das. Ich schickte jede Menge Leute dahin. Von nun an war es Ostern nie mehr leer. Aber das machte uns nichts. Gut, die Wirtin hatte nun keine Zeit mehr um uns kleine Willkommensküchlein zu backen und die Kinder schienen ihr auch oft ein Ärgernis zu sein mit ihrem Kinderlärm und weil sie über den Rasen rannten. Dennoch kamen wir weiterhin an Ostern wie eh und je, mieteten stets das gleiche Appartement und verabschiedeten uns stets mit den Worten: „Tschüss, bis nächstes Jahr!“.

In diesem Jahr nun teilte man uns mit, es wäre kein Zimmer frei für uns. Schluss, aus.

Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Und ich nahm das persönlich. Ich fühlte mich gekränkt, ungewollt und war stinkesauer.

Der Beste ließ sich nicht beirren, setzte sich vor die große Internetmaschine und suchte für uns und die befreundete Familie, mit der wir stets die Osterfeiertage verbringen, ein anderes Quartier. Ich schmollte derweil und betrauerte meine lieb gewonnene Tradition.

Und so fuhren wir in diesem Jahr in ein Hotel. Auch ein altes, umgebautes Gemäuer, früher war es wohl ein Schloss. Pferde und Rindviecher sollte es geben und ein Restaurant auf dem Areal. Ich war dennoch skeptisch. Rückblickend muss ich nun sagen: Zum Glück haben uns die Quartiereltern der „alten“ Pension den sprichwörtlichen Stuhl vor die Tür gestellt. Zum Glück! Denn ansonsten hätten wir diese Kleinod niemals kennengelernt! Was für ein glücklicher Umstand im Nachhinein.

Inmitten einer herrlichen Landschaft und Wiesen, soweit das Auge reicht, liegt ein Anwesen mit anmutigen Pferden, die morgens geritten werden dürfen, stehen wunderschöne schottische Hochlandrinder auf der Wiese, gibt es Platz zum Rennen und Toben und Kreischen und Tollen und Erkunden und jede Menge andere Kinder zum Spielen waren auch da!

Weil uns an einem Ort der Aufenthalt verwehrt wurde, fahren wir ab sofort möglicherweise immer an Ostern zu den Pferden und Rindern und den Wiesen und all dem Schönen hier. Und bitte fragt mich nicht nach der Adresse! Aus verständlichen Gründen unterliegt die diesmal der nieselpriemschen Schweigepflicht. 🙂

Wir saßen in der Sonne…

… spielten Tischtennis oder

… tobten auf dem Trampolin.

Am Abend gab es ein Lagerfeuer und…

… unser traditioneller Ostermarsch führte uns in diesem Jahr zwar nicht auf den Jeschken (so wie sonst immer; ich war schon wieder kurz traurig), aber wir acht erkundeten wandertechnisch für uns Neuland. Und: Es war schön! Doch, wirklich. Und wieder einmal dachte ich: Zum Glück war unser Zimmer belegt in der ursprünglichen Pension.

Am Abend nach dem Wandertag gab es böhmischen Gulasch von den lieben Rindviechern hinterm Hof, dazu Knödel und herzhafte Kartoffelpuffer. Ganz klar: Wir sind in Tschechien!

Als wir wieder daheim sind, fällt mir das große Fleischpaket in die Hände, das meine Mutter uns vor der Abfahrt als „kleines Ostergeschenk“ überlassen hatte, und von dem ich fand, nichts wäre unpassender als das. Menschen, die für vier Tage verreisen, ein Fleischpaket zu schenken!

Doch: Auch dies schien irgendwie am Ende eine glückliche Fügung zu sein, denn wir freuten uns wie blöde darauf, bei herrlichstem Osterwetterchen den heimischen Grill anzufackeln. Gesagt, getan. Und danke schön, Mütterchen, das mit dem Fleischpaket war eine urst knorke Idee. So im Nachhinein betrachtet.

Während die Mannen grillen und unter Aufsicht zündeln (der Kleinste), lese ich mich bei Instagram auf den neuesten Stand (Ich finde ja, Instagram ist das neue Facebook und Twitter sowieso nur ein Hort des Bösen; also ja, Instagram fetzt mir sehr). Da schreibt eine von mir sehr geschätzte Person, wie abartig sie doch all diese Heile-Welt-Blogger fände mit ihrer Tüdelütt-wir-sind-so-fröhlich-Attitüde und bei denen alles so heiditei-glücklich-verfiltert-perfekt erscheint, und dass sie denen jetzt rigoros entfolgt sei! Richtig so, denke ich mir und like aus Prinzip (ich sagte schon, ich schätze diese Person sehr). Dann, aus einem unerklärlichen Impuls heraus, sehe ich nach und muss feststellen, sie folgt nun auch mir nicht mehr!

Schockschwerenot, bin ich ein Netzmensch mit Perfektionswahn und angeberisch-reißerisch-glücklicher Attitüde? Ich?!

Und dann denke ich: Ja, verflixt und zugenäht und halleluja! Ja, ich bin noch mal verdammt glücklich im Moment! Und scheiße, fühlt sich das gut an! Und danke, dass du mir durch das Entfolgen die Augen aufgemacht hast, geschätzte Instagramperson. Ich will das genießen, solange es so ist und festhalten für schlechte Zeiten (Ja, Mensch, ich weiß! Aber versuchen kann ich es doch trotzdem.), und ich haue jetzt mit Veilchen, keimende Knospen und Kindern im Sonnenschein um mich und vielleicht knalle ich euch sogar noch einen Sonnenuntergang vor die Füße! Halleluja!

Warte, fast den Scheißsonnenuntergang vergessen…

 

„Das ist die Drossel, die da schlägt,
Der Frühling, der mein Herz bewegt;
Ich fühle, die sich hold bezeigen,
Die Geister aus der Erde steigen.
Das Leben fliesset wie ein Traum –
Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.“

(Theodor Storm 1817-1888, deutscher Schriftsteller)

 

Männer unter sich

Janni, der Babyvater von Ich bin dein Vater, hat neulich einen Artikel geschrieben, nein, eine Liebeserklärung an seine Brotherhood. Seine Buddies. Die Lieblingsmänner seines Lebens.

Der Lieblingsmann meines Lebens schlief noch geräuschvoll, während ich diesen Text zum ersten Kaffee des Tages genoss. Und mir lief das Herz über! Warum? Weil ich ganz genau verstehe, was er meint.

Nicht, dass ich mich als Mann fühle oder meinen würde, meine Frauenfreundschaften hätten genau diese Qualität der Innigkeit. Überhaupt nicht! Aber ich lebe hier mit einem Männchen, der Teil einer eben solchen Hood ist und das schon sehr lange. Und deshalb ist sie auch ein Teil meines Lebens.

Es gibt Paare mit Paarfreundschaften. Die Gleichgesinnte mit denselben familiären Rahmenbedingungen um sich scharen oder mit demselben Hobby und sich sozusagen in der eigenen Peergroup paaren. Das macht Sinn. Man hat die gleichen Themen, begeistert sich für dieselben Dinge oder hat Kinder im gleichen Alter, die einen begeistern. Oder eben auch im Moment nicht.

Und es gibt Paare, die am liebsten alles gemeinsam machen. Die gern von sich sagen, sie seien einander „der beste Freund“.

Und es gibt Leute wie uns, die mit separaten Kreisen.

Es mag komisch klingen, wenn ich sage, dass jeder von uns einen eigenen Freundeskreis hat und auch, dass wir es genießen, Dinge ohne einander zu tun. Mit anderen Menschen. Oder allein. Und, ehrlich gesagt, kam selbst mir das manchmal seltsam vor in den letzten achtzehn Jahren. Habe selbst ich manchmal gedacht, hm. Abenteuer und Erholung, heiß und kalt, bunt und clean, laut und leise, Kunst und „Das soll Kunst sein?“, Berge und Strand. Wir zwei sind so grundverschieden, dass wir gar nicht zu einander passen können! Bestimmt ist es für uns beide besser, wenn wir uns trennen…

Mitnichten.

Wir sind wie Yin und Yang und auch wenn wir vielleicht bei Betrachtung der Unterschiede offensichtlich nicht zueinander passen, so offensichtlich gehören wir doch gefühlsmäßig zueinander. Und die vielen Unterschiede trennen uns nicht, sondern machen unsere Beziehung bunt. Und zwar, weil wir es uns abgewöhnt haben, den anderen dazu zu überreden, dieselben Dinge zu mögen wie man selbst (Mann, war das ´ne Scheiße!).

Und so kommt es, dass der Bärtige viele große Abenteuer erlebt. Ohne mich. Mit seinen Jungs. Und das ist gut so!

Diese Truppe, die sich aus Studenten-WG-Zeiten kennt, reist gemeinsam in regelmäßigen Abständen an irgendein Ende der Welt um zu gucken, ob das dort wirklich das Ende der Welt ist (meine Interpretation). Und Gott bewahre, ich muss da nicht hin! Ich habe schon mal hier darüber geschrieben, warum es besser ist, dass wir getrennt verreisen.

Und die Art des Reisens und die vielen Herausforderungen und unvergleichlichen Erlebnisse, die diese Männer geteilt haben, hat die Freundschaft zwischen ihnen geprägt. Da bin ich ganz sicher, ohne dabei gewesen zu sein.

Wenn man zusammen in Indien Durchfall hatte und in den peruanischen Anden bei fünf Grad zu zweit in einem Zelt schlief, dass für Frodo Beutlin allein schon sehr eng wäre, dann macht das was. Wenn man zusammen bei tropischer Hitze und auch bei zehenabsterbender Kälte Berge erklommen, sich wochenlang von Reis ernährt und sich gemeinsam nach einem Bier gesehnt hat, das diesen Namen auch verdient, dann macht das was. Wenn man zusammen Situationen erlebt hat, wo man auf Gedeih und Verderb auf den anderen angewiesen war, dann sieht man diesen Männern auch bei Tageslicht in Mitteleuropa ganz anders in die Augen. Das weiß ich, weil ich es sehe.

20141005-DSC_0287

Urlaubsbild des Bärtigen. Beispielfoto (Beliebig also. Es sind immer Berge mit drauf. Gähn!).

(Und nein, ich bin kein bisschen eifersüchtig. Wir haben schließlich Familie und sind den Rest unseres Lebens auf Gedeih und Verderb auf einander angewiesen! Und Abenteuer erleben wir da auch. Zugegeben, ganz andere.)

Es sind seine Freunde. Nicht meine.

Und dennoch bin auch ich mit ihnen verbunden. Sie sind mir nahe, diese Männer. Ganz einfach, weil sie meinem Mann nahe sind! Ich würde ohne Nachzudenken meinen letzten Hunderter jedem einzelnen geben und sofort zur Hilfe eilen, sollte das nötig sein. Und ich bin mir sicher, sie würden dasselbe nicht nur für den Bärtigen tun, sondern auch für mich. Aus denselben Gründen.

Und wenn sie sich sehen, auf ein Bierchen treffen oder so, dann ist die Zeitrechnung nicht Stunden, sondern… ach vergesst es!

(Ich: „Wo kommst du denn jetzt her, hä? Ein Wunder, dass du überhaupt noch wusstest, wo wir wohnen! Hätte ja gut sein können, dass wir in der Zwischenzeit umgezogen sind! Und guck mal, wie groß deine Söhne inzwischen sind! Wie, ihr wart doch nur auf einer Radtour?! Ach, wo denn? In Timbuktu? Habt ihr schon mal Zelte probegeschlafen und „Brokeback Mountain“ nachgespielt oder was?! Freundchen, du hast echt Nerven! Komm du mir mal rein…“)

Und wenn er dann so heimkommt von einer „kurzen“ Radtour und anschließendem „kleinen“ Bierchen mit den Jungs, dann kam es schon vor, dass man den Kerl kaum sah, weil er zwei Arme voll Sonnenblumen die Treppe hochastete und behauptete: „Schatz, ja, es wurde etwas später, aber ich habe eine gute Ausrede! Schau mal, wir haben dieses Sonnenblumenfeld gefunden und ich habe stundenlang nach einer Blume gesucht, die so schön ist wie du. Ich habe keine gefunden! Deshalb muss du die jetzt hier alle nehmen!“.

Und wahrscheinlich hatten sie sich genau diesen Spruch vorher gemeinsam in der Kneipe ausgedacht. 🙂

Wochenende in Bildern

Wochenende in Bildern

Ich habe mal mit einem vietnamesischen Kollegen zusammengearbeitet, der uns stets „Flöhliche Östeln!“ an Ostern wünschte. Ob er nicht anders konnte oder sich einen Witz draus machte, weil wir Langnasen annehmen, Asiaten könnten kein „R“ aussprechen, weiß ich nicht. Jedenfalls hoffe ich, ihr hatte flöhliche Östeln.

Ich zeig euch ein paar Bilder von meinem langen Osterwochenende.

Ostern ist das Fest des Suchens, auch in der tschechischen Pension, weshalb wir erst einmal eine leihweise Dachbox fürs Auto im Freundeskreis suchen mussten, um die obligaten Schokoladen- und Chipsmassen für vier Kinder über die Grenze transportieren zu können. Und so suchten wir dann alle nach irgendetwas. Ich nach Ruhe, die anderen nach… irgendwas anderem.

DSCN2865

Auf der Suche nach Süßem…

DSCN2882

Auf der Suche nach dem Trick, wie das Gartentor aufgeht…

DSCN2884

Diese Urlauberin sucht eigentlich nur ihre Ruhe, muss sich aber für ein total natürliches ungestelltes Foto neben einen Blecheimer stellen! Zum Beispiel.

Osterwanderung ist Pflicht. Und zwar auch immer diesselbe Tour (Kindern soll man Traditionen vermitteln, oder?). Durchs beschauliche Örtchen geht rauf auf den Jeschken. Sieben Kilometer, fünfhundert Höhenmeter, ein kleines feines Spaziergängchen, auch für kurze Beinchen zu erlaufen. Im übrigen: Solange sie noch motzen, können sie immer noch weiter laufen…

Motzendes, fußlahmes, halbstarkes Pubertätervolk. Distanz: Ca. 150m vom Start entfernt

Motzendes, fußlahmes, halbstarkes Pubertätervolk. Distanz: Ca. 150m vom Start entfernt

Um den Kindern auch mal etwas Abwechslung zu bieten, haben wir nicht nur Schnee in Hülle und Fülle organisiert, sondern auch dafür gesorgt, dass sie mal zuschauen können, wie ein Film gedreht wird (Das ist im übrigen ziemlich langweilig.). Im Örtchen gastierte eine tschechische Filmcrew und die drehten irgendsowas wie „CSI Tschechei“, denn wir sahen einen als Gerichtsmediziner verkleideten Mann ständig rein- und rauslaufen und ein Sarg wurde auch mehrmals rein- und rausgetragen, ehe die Szene im Kasten war. Alles sehr langweilig. Vor allem für mich, weil ich nicht als Statist mitspielen durfte!

DSCN2893

„Mord vorort“ oder „CSI Tschechei“; the making of

Das geliebte Örtchen ist wunderschön und in jedem Jahr mache ich zahllose Fotos. Ich denke, ich besitze mittlerweile von jedem Haus in Christofsgrund mehrere Fotos (falls jemand von Google Interesse hat). Ich kann nicht anders, jetzt kommen welche:

DSCN2879

die ehemalige Dorfschule; jetzt das schönste Rathaus auf der Welt

DSCN2887

Haus. Schön. Am Waldesrand. Und unbewohnt!

DSCN2888

Brücke über die Rokytka mit Blick auf die Kirche (Ja, ich weiß, es ist nicht der Stephansdom, aber ich mag das doch so dolle dort! Ihr müsst jetzt da durch. So viele Bilder sind´s auch nicht mehr.)

DSCN2895

Haus. Noch schöner. Leider bewohnt.

DSCN2881

Österliche Dekoration. Auch sehr schön.

DSCN2902

„Errichtet von Stefan Schwanz“. Steht dort. Wanderer, halte inne und sei dankbar. Dem Herrn. Und dem Herrn Schwanz.

Wenn man aus dem Örtchen rauskommt, ist man von Wald umgeben und von Ruhe. Die Kinder motzen dann auch nicht mehr, die sind mit Keuchen beschäftigt.

DSCN2905

DSCN2897

DSCN2907

Erstbegehung im „Tiefschnee“

DSCN2908

DSCN2920

DSCN2911

DSCN2913

DSCN2919

Das Ziel. In Sichtnähe.

Das Wichtigste nach jeder Wanderung ist das Biertrinken im „Hot Tub“, also diesem Holzfass im Garten der Pension, wo der Wirt jedem ordentlich Feuer unterm Hintern macht. Da die Pension vollausgebucht war, gabs keine Leihbademäntel mehr und die Männer durften die privaten Negligés der Wirtsleute tragen. Ein Augenfest!

Heiße Typen in Brokatseide

Heiße Typen in Brokatseide

Es wurde gekniffelt. Und ja, auf dem Zettel steht vierhunderteinundachtzig. Und dafür brauchte ich weder den Viererpasch, noch die große Straße. Tja, wenns läuft!

IMG_2319

Kniffelgöttin forever: me

Zu Hause angekommen finde ich eine knuffige Karte im Briefkasten, die mich mit den lieben, warmen Worten meiner Freundin willkommen heißt.

schönster Osterfund

schönster Osterfund

Schnell noch irgendwelche gekauften Eier breithängen, wir bekommen Besuch…

IMG_2339

Eier am Ast vor Eier auf Bild. Eier halt.

So, das wars fast. Wochenende vorbei! Und weil Bilder vom Essen bei keinem Wochenendrückblick überhaupt fehlen dürfen, habe ich heute noch schnell das Essen fotografiert…

IMG_2327

IMG_2334

Genau: Tetrapackmilch und Sprühsahne. Und Bier. Wir wissen zu leben!

IMG_2337

IMG_2338

Du hast den Voyeur in dir entdeckt und willst mehr Bilder von den Wochenenden anderer Leute? Dann hier entlang. Viel Spaß!

Die schönste Zeit des Jahres

Wir sind nicht urlaubskompatibel, der Beste und ich. Der eine schreit „Meer!“, der andere „Berge!“ (oder allenfalls „Mehr Berge!“). Und diese Affinitäten sind bei uns auch noch extrem ausgeprägt.

Egal wo wir sind, wenn irgendwo am Horizont ein Hügel sichtbar ist, am besten noch mit einer schneebedeckten oder qualmenden Kuppe: „Oh! Das ist aber schön! Da will ich hin!“ (Er). Ein Maulwurfhügel im Garten und er steigt ganz sicher drauf: „Erstbegehung!“.

Mich zieht´s zum Wasser. Ich bin meersüchtig. Ich kenne zwar ein paar Weltmeere (vom Strand aus), aber mein Lieblingsmeerchen ist ganz klar die Ostsee. Wenn ich denn mal da bin, stolpere ich glückstaumelnd an den Strand wie ein Wüstenwanderer in eine Oase, schmeiße mich in den Sand, streichle den wundervollen Untergrund, starre grenzdebil aufs Wasser…und tauche ein in Transzendenz! Ich brauche nichts, ich denke nichts, ich atme, ich bin, ich bin vollkommen seelig… Bis ein Schatten meinen Blick verdunkelt: „Hier isses langweilig! Kein Berg! Nicht mal´n Hügel! Und was is´n das für Zeug in dem Ikea-Beutel?! Steine?! Vierzig Kilo Steine? Oh nein, sag mir nicht, das willst du mitnehmen! Unser Zuhause sieht jetzt schon aus wie Stonehenge!“.

Urlaubsfoto von ihr

Urlaubsfoto von ihr

Ich habe im Gegenzug für ein paar Steine vom Strand ungezählte Urlaube in den Bergen hinter mich gebracht, adrenalinbesoffen und stinkend vor Angstschweiß an mindestens fünfzig Zentimeter hohen Abgründen entlanggehangelt, hysterisch schreiend, der Arschlochvater solle gefälligst das Kind mit seinem Gürtel sichern und in abrissreifen Bruchbuden („Sie haben eine wahnsinnstolle Sicht auf die Berge!“) mit einem verbeulten Topf ohne Henkel und einem rostigen Wok Essen gekocht. Ich habe mich zwölftausendmal verlaufen mit dem Bergsüchtigen, der behauptet, er könne Karten lesen. Oder „aus Versehen“ das Navi vergessen hat mitzunehmen um den Challenge-Charakter des Ausfluges zu erhöhen. Bin mit Wurstschnitten im Rucksack durch Wälder, Gebirge und Steinshaufen gekraxelt um den wundervollen, anbetungswürdigen Mann, den ich geheiratet habe, glücklich zu machen. „Wenn ich hier jemals lebend aus diesem gottverfluchten, verfickten Scheißwald rauskomme lass ich mich scheiden! An der nächsten Wegkreuzung!“.

Wir verreisen jetzt getrennt. Nicht immer, aber öfter.

Alle zwei Jahre packt der Beste seinen Rucksack und seine Kumpels und dann stapfen die durch irgendwelche Dschungel am anderen Ende der Welt. Steigen auf Vulkane oder Gletscher, schlafen in Zelten auf Bergen oder in finstren Gegenden, reisen und speisen wie die Einheimischen und wechseln drehen nur alle paar Tage ihre „Schlübber“ auf links.

dirk2

Urlaubsfoto von ihm

Und ich finde das wundervoll! Wenn er nach ein paar Wochen im Nirgendwo und genug Bohnensuppe intus, um meine überragenden Kochkünste wieder schätzen zu können, heimkommt…dann habe ich Herzklopfen! Muffensausen wie eine Siebzehnjährige!

Zum Flughafen schaffe ich einen Schreibtischtäter mit zarten Händen und empfindlicher Haut und ein paar Wochen später spuckt mir der Flughafen einen braungebrannten, vollbärtigen Weltbezwinger aus mit Pranken zum Bärentöten und einem Blick, der sagt, dass er das auf der Stelle tun würde, sollte jetzt ein Bär auftauchen und sich zwischen ihn und mich und den heißesten Kuss der Welt stellen! Und wenn wir irgendwann aufgehört haben zu knutschen, zeigt er mir Bilder und Videos und seine Begeisterung schwappt rüber zu mir und mein Stolz auf ihn rüber zu ihm…und so geht das hin und her. Das ist wie eine Frischekur für unsere Ehe. Während der Trennungszeit schreiben wir uns Liebesbriefe (Na gut! Mails!) und sehnen uns nach einander. Ich mag Vermissen! Zumal das Sehnen mit dem Vergessen der Macken des anderen einhergeht. Je länger er weg ist, umso toller und Superman-mäßiger wird er.

Es gibt allerdings Stimmen im Umfeld, die offen sagen, sie fänden das indiskutabel! Der Mann hat Familie! Und Verantwortung! Wie kann der seine Frau mit den Kindern wochenlang alleine lassen um seinen Spaß zu haben (Und wie kannst du als Frau derartige Faxen unterstützen?! Wenn das nun alle machen wöllten!).

Richtig. Er hat Verantwortung! Und zwar in erster Linie für sich und sein Wohlbefinden. Genau wie ich. Uns gefällt die Idee einer Partnerschaft, in der Individualbedürfnisse nicht hinter dem Kollektivbedürfnis zurückstecken müssen. Ich kann das machen, WEIL ich mit dir zusammen bin und du meine Träume unterstützt. Auch wenn es nicht deine Träume sind. Träume haben wir alle und auf vielen Sinnspruchkarten steht gern auch der Wunsch nach …Mut, sie zu verwirklichen… Ist es nicht schön, wenn man nicht nur den Mut dazu hat, sondern auch jemanden an der Seite, der einen nicht bremst sondern bestärkt? Wenn man dadurch lernt, dass Träume keine Schäume sondern Pläne in einer Grobkonzeptionsphase sind? Und dass dieser Mensch auch stark genug ist zu sagen, ich brauche dich, aber in erster Linie möchte ich, dass du glücklich bist! Tu, was dafür nötig ist und sag mir, wie ich dich unterstützen kann.

Und er träumt nun mal von Semeru, Krakatau, Nanga Parbat und Machu Picchu (Gesundheit!). Ich will da nicht hin! Aber warum sollte er das dann lassen?! Im Gegenzug nimmt er Urlaubstage und fährt babysittend mehrmals täglich durch die Stadt um mir das Kind zum Stillen zu bringen, weil ich mir zum Beispiel in den Kopf setze, im Wochenbett noch eine Ausbildung mit unklarer Zukunftsperspektive beginnen zu müssen. Und zwar selbstverständlich!

Ich träume ganz bestimmt bald wieder von der Ostsee. Und von Steinen. Einem Ikea-Beutel voller Strandgut. Da muss er dann durch. Immerhin könnte es durchaus schlimmer kommen: Ich könnte ja schließlich auch von einem Trantra-Seminar auf Goa träumen oder ein Sonnenstudio eröffnen wollen oder eine Agentur für männliche Nacktputzer. Oder mit ihm einen Walzerkurs belegen wollen…

Und ihr, macht mit euren Träumen was ihr wollt! Und habt die schönste Zeit des Jahres. Am besten jetzt.

Mein schrägstes Urlaubserlebnis – Walgesänge im Brandenburgischen

Mama on the rocks ruft zur Blogparade zu diesem Thema und ich folge gern!

Um vorzugreifen: Immer, wenn wir alle zusammen in Urlaub fahren, wird das unser schrägster Urlaub. Es liegt an uns, eindeutig. Insofern taugt der letzte Sommerurlaub genauso gut wie jeder andere als Beispiel:

Sommer 2013. Die globale Erwärmung macht ihrem Ruf alle Ehre. Es werden Temperaturen an der 40°C-Marke gemessen. Und ich bin hochschwanger. Gut, das waren andere auch. Um möglichst viele Mitleidspunkte zu ergattern hatte ich mir zwei Zehen gebrochen und musste sechs Wochen meinen Walkörper samt Klumpfuß mittels Krücken in der Gegend rumwuchten.

Der Beste meinte, Schwangerschaft und Klumpfuß hin oder her, das Kind Nummer 1 hat Ferien und wir sollten ans Wasser. Nicht weit weg, wegen der eventuell eher einsetzenden Niederkunft, schwangerschafts- und klumpfußkompatibel.

Auf ins Brandenburgische! Senftenberger See. Surfen und Baden für die Jungs, Zusehen für mich. Gesagt, gebucht. Drei Wochen.

Mitteilung: Alle Ferienhäuser mit gehobenem Standard sind ausgebucht, alle Ferienhäuser mit mittlerem Standard sind ausgebucht, alle Ferienhäuser mit Minimalstandard sind…sie wissen schon… Aber wir haben noch ein Häuschen für sie gefunden! Toll, oder?!

Na warten wir´s ab…

Blick auf den Lageplan und Suchspiel: Suche das am weitesten von allen regelmäßig zu frequentierenden Punkten (See, Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten, Kino etc.) gelegene Häuschen. Richtig! Unser.

Verzweifelte Vorahnung machte sich in mir breit. Ich ließ aus diesem Grund nichts unversucht, um meine Teilnahme an dem sommerlichen Familienevent zu vermeiden. Zwecklos. Es wurde ein Rollstuhl geordert bei einem brandenburgischen Rehaladen und meine Jungs versicherten, sie würden mich in der Gegend rumfahren. Egal, wohin ich wöllte! Und das macht uns nichts aus! Also mir schon, aber ich wurde nicht gehört.

Ich musste mit.

Der Ferienpark am Senftenberger See ist wirklich schön. Ohne Frage. Und im Sommer sehr gut besucht. Wir erfuhren, dass es noch ein paar wenige Häuser gab, die noch nicht saniert/abgerissen waren und also dem DDR-Standard entsprachen und eigentlich nicht mehr belegt würden. Eigentlich! Für uns hat man eine Ausnahme gemacht.

Leute! Also es gibt wohl (N)ostalgiker, die auf so´n Scheiß stehen. Ich steh aber auf fünf Sterne Plus und Kellner.

Das „Häuschen“ entpuppte sich als Pappbungalow, stilecht im Chic der späten Siebziger eingerichtet. Ich dachte sofort an Pionierferienlager und Fahnenappell. Der Geruch nach Klostein und Polyesterschweiß erschlug mich bereits beim ersten Eintreten (Und nach zweieinhalb Wochen immer noch, ich hab ihn selbst jetzt noch in der Nase!).

Die Bruchbude maß circa drei Quadratmeter, in denen ein Aufenthaltsraum mit Küche, zwei Schlafräume und ein Klo untergebracht waren. Abgeranzte Möbel und Plasteblumen auf dem Resopaltisch inklusive. Das gerahmte Konterfei von Erich Mielke und die DDR-Fahne hatte man abgenommen, ansonsten: Willkommen zu ihrer Zeitreise!

Ich wollte SOFORT wieder heim! Diesen Fluchtreflex verbalisierte ich in den kommenden Tagen quasi ständig: Als Befehl, als Bitte, als Flehen. Vergeblich.

In das olle Klo passten nur Teile von mir, die Tür konnte ich nicht schließen, Dusche war einen Kilometer weit entfernt und nicht aus eigener Muskelkraft erreichbar. Wie alles andere auch. Überall wurden der Klumpfuß und ich hingerollt. Entwürdigend! Tagsüber saß ich dann bei 38°C am Senftenberger Strand und sah den Leuten beim Baden zu. Dann wurde ich wieder weggerollt.

Nachts kam das Grauen. Also nicht in Form meines Mannes, diese Möglichkeit gab der Pappkarton nicht her (Am ersten Abend wälzte der Beste auf seiner Holzliege ein Stück in die Mitte um mir auf meiner Holzliege einen Gutenachtkuss zu geben, da tönte es vom Kind Nummer 1 von gegenüber der Pappwand: „UNTERSTEHT euch! Ich kann euch hören!“). Nein, es kamen Myriaden von Mücken, Schnaken, Bremsen und alle stürzten sich auf mich. Außerdem kühlte es in „Honeckers Rache“ (so taufte ich das Pappmonstrum) nachts auf unglaublich 35°C ab. Das war´s.

Schlaflos in Senftenberg. Jeden Abend.

Den Besten stört gar nichts. Der Weltenbummler schläft in indischen Zügen genauso gut wie in einem Biwak in sechstausend Metern Höhe. Rumdrehen, schlafen. Nicht ich. Jeden Abend das gleiche Spektakel: Pünktlich um Mitternacht saß ich mit meinem massigen Walkörper nackt auf einem Stuhl in der schwülen Dunkelheit, ein nasses Badetuch um meine Schultern und heulte müde und verzweifelt: „Huhuhuhuhuhu! Huhuhuhuhu!“. Walgesänge in Brandenburg.

Morgens drohte ich als erstes entweder mit Scheidung und dann damit, zu packen und mir ein Taxi gen Heimat zu rufen. Oder umgekehrt!

Ich zog alle Register. Ich simulierte Wehentätigkeit und zwang den Besten, mit mir kilometerweit durch die Pampa in ein Kreiskrankenhaus zu fahren, wo man mich als Simulant sofort per Erstblick entlarvte und dann für Stunden parkte. Ich bekam keinen Brandenburger, durfte aber zuhören, wie es klingt, wenn andere Leute Brandenburger bekommen. Und der Beste auch.

Er wollte trotzdem bleiben.

Ich schrieb verzweifelte SMS an Freunde und Verwandte: „Ihr müsst uns unbedingt besuchen! Es ist so schöööön hier!“, und kaum fuhren die lieben Freunde vor, flüsterte ich verschwörerisch wie ein Anstaltspatient: „Ihr müsst mich unbedingt mitnehmen nach Hause! Ich werde hier gegen meinen Willen festgehalten!“.

Ich musste trotzdem bleiben.

Tagsüber wurde ich mit Unmengen an Torte, Eis und chinesischem Essen versöhnlich gestimmt und so gewann ich unter der brütenden Sonne manchmal meinen Humor zurück und sang aus meinem Rollstuhl Rainald Grebes Brandenburg-Song in eigener Textfassung: „In Brandenburg, in Brandenburg, da habe ich einst meinen Mann erwurgt!“.

Wir haben es überlebt (der Beste nur knapp), wir sind immer noch nicht geschieden und zur Entbindung von Kind Nummer 2 haben wir es auch über die Landesgrenze nach Sachsen geschafft.

Die schönste Zeit des Jahres?! Hau mir bloß ab mit Sommerurlaub!

Und irgendwie beginne ich beim Lesen meines Textes zu begreifen, was der Beste meint, als er verkündete: „Das war´s mit Kinderkriegen! Noch so eine Schwangerschaft halte ich nicht aus!“. 🙂