Eingewöhnungslektüre

Ich liebe die Kita des Blondinos! Alles daran. Die Erzieherinnen, die Location, die anderen kleinen Lümmel, den Garten, echt alles.

Die haben sogar ein Elterncafé dort, wo die tränenfeuchten Muttis und Vatis geparkt werden zum Zwecke der Entwöhnung. Ist nett. Am ersten Tag bereits sagte mir eine der so gemochten Erzieherinnen, wenn ich was zu lesen hätte, was ich dem Café überlassen könnte, wäre das super!

Ich hatte. Und so brachte ich am zweiten Tag meine MOM-Sammlung ins Elterncafé. Die gesamte. Vom ersten Heft an. Nun scheiden sich an diesem Blättchen ja die Geister, aber ich finde das Format nach wie vor unterhaltsam, amüsant, vertraut (wegen der in schöner Regelmäßigkeit auftauchenden bekannten Gesichtern der Blogger-Kolleginnen) und sogar ich selbst durfte dort schon redaktionell tätig werden. Kurzum: Mein Herz hängt da ein wenig dran. Aber ich mag diese Kita sehr und deshalb war klar, alle anderen traurigen Muttis sollen auch mal lachen und sich unterhalten lassen, während sie mit schmerzendem Herzen alleingelassen Kaffee schlürfen. Das Café sah auch gleich nicht mehr so karg aus. Beweis:IMG_3513

Am nächsten Morgen waren sie weg.  Alle. Die MOMs. Ich dachte, ich hätte mit dem „Stoff“ eine andere Frau angefixt und diese hätte sich die Hefte geborgt (das war für mich die naheliegendste Erklärung). Aber nein! Die Lektüre passte einfach nicht zur Kita.

Stattdessen liegen jetzt dort Broschüren und Journale aus, die sich wirklich wichtigeren Themen als der schnönen Unterhaltung widmen. FullSizeRender„Wie Kathi mit Sekt, Chips und Bibel den Neuanfang wagte“, also für diesen Header gibts bestimmt einen journalistischen Sonderpreis! Bin ich sicher. Inwieweit sich derlei Lektüre förderlich auf die Eingewöhnung auswirkt und deshalb unbedingt in jedem Kita-Elterncafé ausliegen sollte, weiß ich zwar nicht, aber ich verlasse mich auf die Expertise des Fachpersonals.

Und ab sofort bringe ich mir meine eigenen Schmierblätter eingewickelt in einer Ausgabe des „Wachturm“-s mit.

Planung ist alles!

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Von wegen.

„Ein Projektplan ist immer der momentane Stand des Irrtums.“, ist ein unter Projektleitern ebensoweit verbreiteter Satz wie: „Wer glaubt, dass Projektleiter Projekte leiten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten!“. Da werden in zig Tools Daten verschwurbelt, Risiken bewertet und einkalkuliert, alle (wirklich alle) erdenklichen Zustände und Umstände und gegebenen Rahmenbedingungen durchgerechnet und in Form gebracht. Und am Ende noch grafisch und schön bunt aufbereitet und ja! Also so wird ein Schuh draus! Bis, ja, bis eben wieder alles umgefummelt werden mus. Weil… weil eben! Weil es eben nie nach Plan läuft! Warum? Tja, Pläne eben. Theorie und Praxis. Der Kern des Pudels.

Ich bin auch so planungsverliebt. Wirklich. Mit Plänen und Analysen habe ich schon viele Jahre mein Geld verdient und so theoretische Praktiker wie ich, die neigen oft dazu, ihr alltagsuntaugliches Verhalten auch im Privaten einzusetzen. Mit zu erwartendem Erfolg…

Für diesen Spätsommer gab es auch einen Plan. Der wurde angepasst, modifiziert und ist Stand heute reif für die Tonne!

Im Juni sollte die Eingewöhnung des Blondinos beginnen. Am ersten September würde ich nämlich wieder in der Fabrik erwartet werden. Im Betrieb. An der Stanze, ihr wisst schon. Juni, Juli, August. Klang super! Drei Monate wurde noch nie ein Kind eingewöhnt. Selbst wenn ich alle Risiken wie Trennungsschmerzen, grippale Infekte, Meteoriteneinschläge und dergleichen mehr einkalkulierte, kam ich auf mindestens einen ganzen Monat Urlaub. Also für mich! Das war auch der Plan.

Hach, wie ich mir das ausmalte. Ich würde mich noch mal mit all meinen Freundinnen treffen, im Marché frühstücken, auf der Prager Straße bei Starbucks in der Sonne sitzen und Leute anglotzen. Ich würde endlich mal alle Museen der Stadt besuchen und allen Shoppingtempeln einen Besuch abstatten. Ich würde nähen und schreiben und die Wohnung umdekorieren. Drei mal in der Wochen laufen gehen! Menschenskinder, einen ganzen Monat Urlaub! So ein Glückspilz. Und in diesen vier Wochen würde auch irgendwann der bärtige Mann eine Woche Urlaub nehmen können und dann, ja dann hätten wir´s ganz besonders schön. Wir führen vielleicht nach Meißen, wo wir dereinst vor zehn Jahren geheiratet hatten und spazierten romantisch wie frisch Verknutschte durch die Gässchen. Wir würden bestimmt auch mal ne Radtour machen oder ein, zwei Museen gemeinsam besuchen. Vielleicht blieben wir auch einfach drei Vormittage hintereinander im Bett wie verantwortungslose Menschen gänzlich ohne irgendwelche Kinder, Jobs und Kegel. Niemand würde kochen, wir speisten auswärts in den allerfeinsten Spelunken. Schließlich ist ja Urlaub!

Soweit der (nüchterne) Plan.

Zuerst erwies sich die Kita, die das wundervolle Rotznäschen mit dem güldenen Haar besuchen sollte, als gänzlich ungeeignet! Das war ein Schock, aber nicht zu änderen. In einer hastigen Nacht-und Nebelaktion und mit viel persönlichem Einsatz meinerseits tat ich eine neue Betreuungsoption auf (und bis zur Zusage sogar noch als Plan B eine Tagesmutter plus eine Kita, die ihn dann im Anschluss 2016 nehmen würde). Meinen internen Projektplan modifizierte ich entsprechend der vorliegenden Änderungen bereits ein wenig.

Aus Gründen, die sich meinem direkten Einflussbereich entzogen, verschob sich die Eingewöhnung des Kindes immer weiter nach hinten, bis klar war: Das Kind kann von Seiten der Kita erst im September eingewöhnt werden. Also dann, wenn ich wieder zur Steigerung des Bruttosozialproduktes anderweitig verplant war. Glücklicherweise verfüge ich über eine Ansammlung an Resturlaubstagen aus vergangenen Jahren, aus Zeiten, in denen ich nur ein Kind und anscheinend weder Erholungsbedarf noch Hobbies hatte. Kurzerhand nahm ich den ganzen September Urlaub.

(Während ich das hier schreibe, bin ich also bereits pro forma eine wiedereingegliederte Vollzeit arbeitende Zweifachmutter. Ohne irgendeine Ahnung, wie sich das anfühlt!)

So. Der Bärtige und ich kratzten uns gegenseitig die Köpfe und beschlossen, die letzte Septemberwoche, also da gehts scharf! Da nimmt der Mann Urlaub und dann – endlich! – dann machen wir das, was wir mal dachten, was wir machen würden. Damals, als wir noch planten. Meine persönlichen Projektziele hatte ich schon längst über den Haufen geschmissen. Drei Tage. Drei Vormittage war die bisherige Freizeitausbeute gewesen (an einem hatte ich geputzt, an einem drei Stunden wie ein Stein geschlafen und an einem hatte ich mich tatsächlich mit einer Freundin verabredet).

Am Montag beginnt also diese Woche. Gestern schon wünschten wir uns gemeinsam einen schönen Urlaub. Heute nun kam ein Anruf. Die Kitagruppe des Wundervollen wird für nächste Woche aufgelöst, weil beide Erzieherinnen krank sind und kein Ersatz zu finden ist. Alle Kinder werden verteilt und die Eltern, die sich das einrichten können, werden gebeten, ihre Kinder zu Hause zu betreuen.

Ich kann mir das für kommende Woche einrichten, ich bin ja noch diese eine Woche offiziell beurlaubt. Und ich werde auch, zumal der Kleinste die meiste Zeit seines Kitaaufenthaltes auf dem Arm seiner Bezugserzieherin zubringt. Mit Nunni im Mund und Tröstetuch in den kleinen Händchen. Trauernd und wartend, dass ich, seine Mami, endlich wiederkomme und ihn abhole. Der Bärtige storniert seinen Urlaub.

Aber Scheiße, ja, ich hätte wirklich gern geglaubt, dass es dieses eine Mal klappt mit der Planerei. Dass es hinhaut. So wie ich ab übernächste Woche dann auch wieder an meine beruflichen Planungen glauben werde.

Und irgendwie, hm, das klingt jetzt schizophren vermutlich, ist es okay. Es wird meine letzte Woche Urlaub sein und die wird anders als geplant. Aber ich werde die genießen, mit dem Kleinsten. Versuchen, das noch einmal ganz bewusst als geschenkte Zeit zu betrachten. Nicht trauern um romantische Meißen-Spaziergänge, die wahrscheinlich sowieso nicht stattgefunden hätten, weil die Bäume im Garten zu verschneiden sind oder Ausweise neu zu beantragen oder anderer Scheiß, den Elternleute so in ihrem Urlaub machen. Nein, ich werde eine schöne Woche Urlaub haben.

Also, ruft mich nicht an und schreibt mir nicht, ob wir uns mal treffen können bei Starbucks. Ich bin schon verplant!

😉

Ansichten einer Kindergärtnerin

Ansichten einer Kindergärtnerin

In der aktuellen „Brigitte MOM“ ist ein Interview mit einer Kita-Leiterin abgedruckt. Ich habe mich sehr über den Artikel gefreut. Gerade, weil ein ehrlicher Austausch darüber, wie die andere Seite verschiedene Dinge sieht, im Alltag so nicht möglich ist. Irgendjemand ist ja immer in seiner „Rolle“.

Nach dem Lesen des Artikels saß ich mit Herzklopfen da.

Ich habe den allergrößten Respekt vor der erzieherischen Tätigkeit, sei es in einer Krippe, als Kindergärtner, Horterzieher oder Tagesmutti. Und bin der Meinung, wer diesen psychisch und physisch anstrengenden Beruf erwählt folgt einer Berufung. Aber ich bin auch der Ansicht, dass den beruflichen Betreuern durch die permanente Konfrontation mit vielen Eltern und vielen Kindern auf Dauer der Blick auf die Individualität jedes Einzelnen verloren geht. Eine „Betriebsblindheit“ entsteht. Meiner Erfahrung nach ist das Verhältnis zwischen Mutter und Erzieherin ein völlig anderes, wenn die Erzieherin selbst auch kleine Kinder hat und nicht längst erwachsene. Mir hat die Erzieherin meines Sohnes in der Grundschule einmal erzählt, seit ihr eigener Sohn die Schule besuchen würde und sie ständig antraben müsste, weil er sich nicht regelkonform verhält, sähe sie die Kinder in ihrer Klasse mit ganz anderen Augen.

In Zeiten, wo Mütter ständig mit dem Vergleichs- und Optimierungswahn konfrontiert werden, von dem wir uns doch ALLE so gern befreien würden, auch noch von professionelle Seite zu hören, dass „normale“ Kinder mit zweieinhalb trocken sind, nicht mit vier Jahren im Buggy sitzen und ihre Hausschuhe selbst anziehen können in der Früh…ja, dann ist Hilflosigkeit und/oder Wut auf Elternseite vorprogrammiert. Denn wir wissen doch alle, wie selten sich Kinder um genormtes Verhalten scheren. Ich erinnere mich an die mehrmals getätigte Aussage: „Wenn ihr Sohn nicht BALD trocken ist, darf er NICHT in den Kindergarten und muss bei den Krippenkindern bleiben!“ Und wer kennt denn nicht die Situation, vor einem trödelnden Kind zu stehen und zu überlegen, ob man die Telefonkonferenz um acht dann im Auto führen will oder schnell das Kind ruckizucki selber umzieht um es noch ins Büro zu schaffen.

Stichwort große Kinder im Buggy. Oft musste ich mir anhören, er sei mit fast vier zu alt um kutschiert zu werden. „Normal“ war es, dass die Kinder im Autositz angeschnallt vor der Kita abgeliefert wurden! Wo da der Unterschied sei, konnte mir die Erzieherin nicht sagen, zumal ich argumentierte, dass mein Kind wenigstens morgens schon zehn Minuten an der frischen Luft gewesen sei. Das Buggyfahren am Morgen hatte den Reiz, dass wir sowohl anhalten konnten um eine Katze zu bestaunen, ich aber die Entscheidung treffen konnte, wann und in welchem Tempo wir uns wieder auf den Weg machen. Und am Nachmittag sind wir zu Fuß nach hause gebummelt… Aber das wurde nicht gern gesehen und ich durfte dann auch den Buggy nicht mehr in der Garage der Kita abstellen, die sei für die Kinderkrippenwägen. Als ich dann später wie alle anderen auch mein Kind im Auto zur entsprechenden Einrichtung fuhr, verhielt ich mich genormt und es gab keine Beanstandung meines elterlichen Verhaltens.

Geschluckt habe ich beim Lesen der Bemerkung, dass die Kindergärtnerin das Zuspätkommen der Eltern als „Respektlosigkeit“ ansieht. Ich unterstelle einmal, dass die Muttis nicht vom Frisör kommen sondern von der Arbeit. Vielleicht vom anderen Ende der Stadt oder sogar aus einer anderen Stadt, einen außerplanmäßigen Stau oder ein Kundentelefonat nicht verhindern konnten und deshalb ihr Kind zu spät abholen. Ich habe jahrelang aus demselben Grund die Kita-Nummer stets im Kurzwahlspeicher gehabt und mehrfach zehn bis fünfzehn Minuten nach Schließzeit mit hängenden Armen und schweren Herzens mein „Bummelkind“ abholen müssen. Respektlos gegenüber der Erzieherin habe ich mich nie gefühlt und hatte wohl auch Glück, dass keine Erzieherin das jemals so gesehen hat (oder zumindest nicht ausgesprochen). Die fühlte Zerrissenheit von berufstätigen Müttern ist regelmäßig Gesprächsthema und gerade in solchen doch sehr unangenehmen Situationen geradezu greifbar! Dahinter ist keine Respektlosigkeit oder Vorsatz zu sehen, auch glaube ich nicht, dass eine Mutter die Zeit „vergisst“ und deshalb zu spät kommt. Oft genug sind die Trennungen am Morgen so schmerzhaft und hallen bis in den Mittag nach, sodass man es kaum erwarten kann, den kleinen Menschen endlich wieder an die Brust drücken zu können.

Die Kindergärtnerin ärgert sich weiter über das Verhalten bestimmter Eltern, die durch seltsame Methoden für ihr Kind einen persönlichen Vorteil generieren wollen. Ja, die gibt es und auch die anderen Eltern ärgern sich darüber! Aber trotzdem, ist das nicht auch verständlich? Wir bekommen immer weniger Kinder und somit haben diese wenigen Kinder einen ganz anderen Stellenwert in unserem Leben. Wir vertrauen der Kindergärtnerin morgens das Liebste an, das wir haben um im schlechtesten Fall von allen mit zerrissenem Gefühl („Muss ich denn wirklich so viel/ so lange/ überhaupt arbeiten?!“) unserem Tagwerk nachzugehen. Möchte ich dann nicht unbedingt und mit allen (wie auch immer) Mitteln sicherstellen, dass mein größter Schatz bestmöglich umsorgt wird bis ich das wieder selber tun kann? Und wird nicht derartig manipulatives Verhalten noch befeuert, indem Eltern schon in der Antrags- und Vergabephase zum Kitaplatz genötigt werden, durch Kuchenbacken, regelmäßige Besuche/ eMails („Schöne Grüße von Emilia! Sie würde sich seeeehr freuen, ab Mai auch ein Kindergartenkind zu sein in ihrer schönen Kita!“) , Präsenz zu jedweder Aktion (Säuberung der Außenanlagen, Streichen irgendwelcher Gerätschaften, etc.) ihre unbedingte Einsatzsatzbereitschaft und somit ihre Tauglichkeit für den Kitaplatz zu signalisieren?

Sollten nicht beide Seiten versuchen, sich respektvoll auf Augenhöhe zu begegnen und mehr Verständnis für die jeweils andere Situation aufzubringen?

Ich für meinen Teil werde das auf jeden Fall versuchen und der Artikel hat mir sehr geholfen die Sichtweise auf der anderen Seite besser zu verstehen. Ich wünsche mir für die Kitazeit des Kleinsten, dass wir einen Erzieher oder eine Erzieherin haben, die nachfragt bevor sie urteilt und sich auch in einer Beratungsrolle sieht. Denn auch eine erfahrene Mutter kann oft genug einen Rat gebrauchen und auch dankbar annehmen. Genauso wie Verständnis und Respekt. Das brauchen wir alle!

 

Die neue MOM ist wie immer lesenswert und jetzt im Handel erhältlich oder hier zu bestellen.