Tür 5 – ein Familienbetrieb auf der Wurstwiese

Heute schreibt Christian vom Blog Familienbetrieb über traditionelles Weihnachtsessen. Über den Autor und den Familienbetrieb braucht man eigentlich keine Worte mehr zu verlieren. Es wurde alles schon gesagt, geschrieben und keine noch so blumige Eloge wird ihm wirklich gerecht. Der Typ ist einfach nur der Knaller, oder? Ich wünsche mir und euch viel Spaß!

 

Essenstraditionen spielen an Weihnachten seit jeher eine große Rolle. Die einen mögen es gerne aufwändig und tischen Gans mit Knödeln und Rotkraut auf, andere bevorzugen es eher einfach und begnügen sich mit Kartoffelsalat und Würstchen, die am Weihnachtsbaum verzehrt werden. Als Nachtisch gibt es dann noch Eis oder Pudding und später wollen dann noch der Christstollen und die vier Wochen alten Weihnachtsplätzchen verdrückt werden.

Aber egal, was zum Wiegenfest des Jesuskindes serviert wird, es geschieht in Mengen, die nicht mehr als haushaltsüblich bezeichnet werden können. So kommt ein 4-Personen-Haushalt über die weihnachtlichen Feiertage gerne mal auf eine Kalorienzufuhr eines 9-köpfigen Tour de France-Teams – und zwar während der gesamten 21-tägigen Rundfahrt.

Möglicherweise ist es ein abendländischer Brauch, an Weihnachten durch Sodbrennen, Verstopfung und Magenschmerzen, das Leid und die Beschwerlichkeit nachzuempfinden, die Maria, Josef und das Jesuskind ertragen mussten, als sie im Stall zu Bethlehem vor sich hin darbten. Eventuell ist diese maßlose feiertägliche Völlerei aber auch durch die Innung der Änderungsschneider sowie die Lobby der Diät- und Fitnessindustrie gesteuert, die immer zu Jahresanfang Millionen- wenn nicht gar Milliardengeschäfte machen.

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Auch bei uns Zuhause gab es früher ein traditionelles Weihnachtsessen: Nudelauflauf mit Tomatensauce. Als ich ein kleiner Junge war, gehörte dieses Gericht zu Heiligabend wie der Weihnachtsbaum, das rote Kleid, das meine Mutter jedes Jahr trug, oder die Modelleisenbahn, die mein Vater in mühevoller Kleinarbeit aufbaute und sich dann darüber aufregte, dass mein Bruder und ich nach fünf Minuten, der monoton ständig im Kreis fahrenden Zügen überdrüssig wurden und uns lieber den Weihnachtsgeschenken zuwandten.

Für Außenstehende wirkte unser Weihnachtsmahl oft etwas befremdlich, denn mit Sahnesauce übergossene und mit Edamer überbackene Nudeln haben doch so gar nichts Feierliches und Festliches an sich. Neben den kulinarischen Vorlieben meines Bruders und mir gab es sehr pragmatische Gründe für diese Essenswahl. Zum einen lässt sich Nudelauflauf gut vorbereiten, was meine Mutter immer in den frühen Morgenstunden des 24. Dezembers tat, wenn der Rest der Familie noch schlief – möglicherweise ihre entspanntesten Stunden an Heiligabend. Zum anderen ist so ein Nudelauflauf auch recht einfach fertigzustellen. Für den Fall, dass der elterliche Streit beim Christbaumschmücken – auch so eine frühere Tradition bei uns – einmal vollkommen aus dem Ruder gelaufen wäre und nicht einmal mehr UNO-Blauhelm-Truppen deeskalierend hätten eingreifen können, um die unterschiedlichen Ansichten ob des gerade Stehens des Weihnachtsbaumes sowie der optimalen Anordnung von Kerzen, Kugeln und Schmuck in der Tanne in einen Konsens zu überführen, wäre mein Bruder als der ältere von uns beiden auch als Grundschulkind in der Lage gewesen, die präparierte Auflaufform bei 200 Grad in den Ofen zu schieben und nach 20 Minuten wieder herauszuholen. Aber so weit kam es nie (Anm. der Red.: Die konfliktäre Darstellung unserer Weihnachtsvorbereitungen dient lediglich der literarischen Zuspitzung. Tatsächlich verliefen die Heiligabende bei uns immer in einer absolut friedlichen und beispielhaft harmonischen Atmosphäre, dass Weihnachtsfeiern in Bullerbü dagegen als von brutalstmöglichen Ausschreitungen begleitete Zusammenkünfte gewaltbereiter Hooligans gelten können.).

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Aber für einige Jahre brachen wir mit unserer kulinarischen Weihnachtstradition. Denn es begab sich zu der Zeit, dass der Zweitgeborene der Familie (sprich ich) verlangte, dass er das Weihnachtsmahl zubereitet. In meinem letzten Jahr im Kindergarten hatte ich dort nämlich an einem Kochkurs teilgenommen. Ein Teil meiner Erziehung zu einem modernen Mann, der weder Kelle noch Schürze scheut, womit meine Eltern außerdem sicherstellen wollten, dass ich in späteren Jahren, wenn ich das traute Heim – und die warme Küche – verlassen habe, nicht elendig verhungere.

Nun wollte ich meine neu erworbenen Kompetenzen in der Speisenzubereitung einem realitätsnahen Praxistest unterziehen. Auf der Stirn meiner Mutter bildete sich Angstschweiß von niagarafallartigem Ausmaß und sie fragte sich, warum sie mich unter Schmerzen zur Welt gebracht hatte, damit ich ein paar Jahre später zum Weihnachtsfest die gesamte Familie durch meine nur rudimentär ausgebildeten Kochkünsten mit einer Lebensmittelvergiftung ins Krankhaus schicke. Auch der Blick meines Vaters zeugte von tiefer Skepsis, malte er sich doch in aller Unerfreulichkeit aus, wie er nach einem infernalischen Kochfiasko seines Zweitgeborenen über die Weihnachtsfeiertage die gesamte Küche renovieren muss. Mein Bruder war gegenüber meinem Ansinnen hingegen indifferent, so lange es keine zusätzliche Arbeit für ihn bedeutete.

Meine Eltern beruhigten sich erst ein wenig, als ich verkündete, welches Gericht ich gedachte zu kredenzen: Fliegenpilze auf Wurstwiese. Dabei geht es nicht um die Zubereitung des giftigen Amanita muscarias, sondern um die dekorative Anordnung gekochter Eier und halber Tomaten unter Zuhilfenahme von Mayonnaise.

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Die Herstellung dieser auf der Wurstwiese gebetteten Fliegenpilze ist so einfach, dass sie selbst ein motorisch minderbegabtes Kind im Grundschulalter vor nicht allzu große Probleme stellt. Zunächst werden ein paar Eier hartgekocht, abgeschreckt und gepellt. Für die bessere Standhaftigkeit werden die dicken Enden der Eier gekappt. Anschließend werden Tomaten halbiert und die Kerne und das Fruchtfleisch mit einem Löffel entfernt. Die so ausgehöhlten Tomaten werden auf die Eierspitzen gestülpt. Mittels einer Tube Mayonnaise werden danach die Fliegenpilz-Punkte auf die zu Pilzhüten umfunktionierten Tomatenhälften appliziert. Zum Abschluss werden Wurstscheiben auf einem Teller oder einer Platte verteilt und die Eier-Tomaten-Fliegenpilze darauf drapiert. Für das vollendete Natur-Feeling kann auch noch Petersilie auf der wurstigen Wiese verteilt werden.

Selbstverständlich kann die Wurstwiese auch durch eine Käsewiese ersetzt werden. Oder durch eine vegane Wurstwiese. Aber im Westerwald der frühen 80er Jahre, wo ich aufwuchs, war Vegetarismus noch nicht besonders stark verbreitet. Von Veganismus ganz zu schweigen. Um ehrlich zu sein, ist die Ernährung des gemeinen Westerwälders bis heute stark carnivorisch geprägt.

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Nach ein paar Jahren verlor ich dann die Lust an den wurstwiesigen Fliegenpilzen und beendete meine Kochkarriere, bevor ich größeren Schaden anrichten konnte. Seither gab es bei meinen Eltern an Heiligabend wieder Nudelauflauf. Ganz traditionell. Aber ohne mütterliches rotes Kleid. Und ohne väterliche Modelleisenbahn. Er schmeckte aber trotzdem immer wieder gut.

FamBetrieb_Fliegenpilze auf Wurstwiese

Das spätere Oberhaupt eines erfolgreichen Familienbetriebes bei früher Kinderarbeit und vollem lockigen Haar

 

Fliegenpilze auf Wurstwiese – Zutaten

  • Vier hartgekochte Eier
  • Zwei Tomaten
  • Eine Tube Mayonnaise
  • Wurstaufschnitt (oder Käseaufschnitt)
  • Petersilie (oder anderes Grünzeug)

Neues vom Wollbrecher

Er spricht jetzt, der Blondino. Also nicht deutsch im eigentlichen Sinne. Entweder braucht er bald einen Logopäden oder er ist einfach nur hochbegabt!

Da steht der Knopfäugige also vor mir und bespricht mich eindringlich: „De willo! De willo!“. Mehrmals täglich. Ich erkläre ihm stets, dass es bei uns keinen Wollbrecher gibt und (falls er sich in einer frühen Identitätskrise befinden sollte) er gern ein Wollbrecher sein dürfe oder werden könne, wenn ihm denn der Sinn danach stünde (Wie man das heutzutage eben so macht. Lieber würde ich sagen: „Menschenskind! Nu rede dor ma ordntlisch!“).

Willow (engl.) – der Wollbrecher; to willow (engl.) – krempeln, wolfen

(Quelle: www.leo.org)

Unnötig zu erwähnen, dass ich nicht den geringsten Schimmer habe, was ein Wollbrecher sein soll oder „wolfen“ für eine Tätigkeit.

Wenn wir im Garten sind, gibt er Laute von sich, die sogar von Außenstehenden verstanden werden. Dann nämlich rennt er schnurstracks zu den Beeten, ruft freudig: „Blömmen! Meina Blömmen!“, um dann erst mal ausgiebig Blömmen zu pflücken.

Er hat auch eine neue Freundin, von deren positivem Einfluss aufs Sprachverhalten des Mini-Sohnes ich felsenfest überzeugt bin. Immerhin spricht sie nicht sächsisch. Der Blondino hat mein Handy als Lieblingsspielzeug auserkoren und weiß, wenn er unten auf den Knopf drückt, kommt ein Bild vom Papa und dem Bruder. Er freut sich wie blöde (auch noch beim zwölften Mal) und ruft stets: „Papa!“. Wenn er länger auf den besagten Knopf drückt, geht die Sprachsteuerung an und kein Papa-Bild erscheint. Dann ruft er enttäuscht: „Papa?!“ und die Frau, die in meinem Telefon wohnt, springt sofort hilfreich ein: „Ich weiß nicht, wer dein Vater ist.“. Der Schnullerträger fummelt dann weiter an dem Telefon rum, um den Papa herbeizuzaubern. Angestrengt drückt er überall rum und spricht mit sich selbst: „Ärrölldegöll…“. Auch da kommt die Klugscheißer-Uschi gleich aus der Box und verkündet: „In deinen Kontakten befindet sich niemand mit Namen Erol de Gol.“. Sie haben viel Spaß miteinander. Die zwei.

Ich habe weniger Spaß. Denn das Handy ist meistens verschwunden. Auf dem Festnetz braucht man uns gar nicht mehr anzurufen. Ich höre die Ladestation anklagend klingeln, aber das Mobilteil liegt mit ausgezutschtem Akku unter irgendeinem Schrank. Niemand weiß wo. Ebenso wie der Lülle, sein zweitliebstes Spielzeug. Der Lülle ist eigentlich immer verschwunden! Wir haben Gott sei Dank zwei Lülles, aber ich fürchte schon den Tag, an dem keiner mehr da ist. Dann können wir nämlich das Haus nicht mehr verlassen. „Weißt du, wo der Scheiß-Lülle ist?“, ist die meistgefragtestes Frage in dieser Familie. Keiner weiß es. Ach, doch. Einer weiß es, aber der kann keine dezidierte Auskunft geben.

Meistens gibt er eh nur „Danggg!“ von sich. Mit nach oben gerecktem Arm. „Danggg!“ kann alles heißen und ist vor allem ein Bringebefehl. Er will was und zwar schnell! „Danggg!“. Ich weiß nie, was es ist und rate mich durch. Derweilen dangggt das Kind ohne Unterlass. Ich habe mir schon einen Tinnitus einfgefangen. Der Pubertino weiß zu berichten, dass er eines Tages aus der Schule heimkam und seine Mutter aufgelöst in der Küche vorfand, wo diese hysterisch von sich gab: „Wenn ich heute noch ein einziges DANGGG höre, springe ich schreiend aus dem Fenster!“.

 „Danggg!“

Auch wenn es nicht dangggt, sorgt das Checker-Baby für allerlei Beschäftigung. Die Hälfte des Tages verbringe ich kniend. Wische feuchtes Verschüttetes auf, kehre trockenes Verschüttetes zusammen oder sammle Zerbrochenes vom Boden. Währenddessen findet der Teufel in Babygestalt garantiert den einzigen offenen Schieber oder Schrank und bedient sich derweil selber. Räumt um, aus oder schmeißt mit Puderzucker um sich. Juchhu! Sternenstaub!

Oder spielt mit Senf.IMG_2874

IMG_2875Vor kurzem habe ich zwei von allen Seiten angefressene Brote aus seinem Zimmer geborgen. Selbstverständlich erst nachdem ich bereits jede Menge neues Brot besorgt hatte…

Essen ist generell ein Thema für sich. Er isst eigentlich nichts, was so für Kleinmenschen seines Alters propagiert wird. Aber gern Döner mit Knoblauchsoße. Auch ohne Fleisch. Und ohne Gemüse. Das Brot sowieso nicht. Aber die Knoblauchsauce, die würde gehen! Ansonsten knallt der sich unkontrolliert Physalis in die Rübe. Wenn es nach dem Kinde gänge, gäbe es nur Physalis! Und Gummibärchen als Dessert.

Das mit den Physalissen musste ich einschränken… aus ganz profanen Gründen. Ausgeschiedene Physaloden/ Physalusse/ Physaler (irgendwer muss mich mal erlösen und mir den Plural verraten) werden irgendwann als biochemische Waffe deklariert werden. Da bin ich mir sicher. Ich weiß nicht genau, bei welcher Menge sie ihre tödliche Wirkung entfalten, aber ich war schon oft nah dran (So weit weg kann niemand beim Wickeln den Kopf halten, wie ich in diesen Fällen wöllte!). Also, um mal ein olfaktorisches Gleichnis zu bemühen, der ordinäre Physalschiss verhält sich zu, sagen wir einem gewöhnlichen Bierfurz, wie Klospray zu dem angesagtestem Eau de Sommer 2015. Da kannste nur versuchen, durch die Ohren zu atmen und die Ammoniakdämpfe tapfer wegzublinzeln.

Also, wenn heute Abend jemand vor dir an der Kasse vom Edeka steht und in sein Telefon fragt: „Na, was macht der Willo? Dangggt er noch?“, dann weißte, das ist mein Mann. Die Antwort, die er dann durch sein Telefon bekommt, kannste nicht hören, aber sie lautet: „Ja, er wolft und krempelt vor sich hin. Was so ein Willo eben macht.“.

To be continued 😉

„Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!“

Heute Abend saß ich mit dem Kleinsten beim Abendbrot. Er hatte Hirsebrei mit Apfelmark und einem Schuß Ahornsirup. Ich musste auf einmal grinsen.

„Also das hätte es bei uns früher nicht gegeben!“

Genau. Bei uns gab es nämlich was Ordentliches zu essen! Schnitte zum Abendbrot. Mit Wurst. Oder auch mal ein Rostbrätel auf Brot. Auf jeden Fall tierisches Eiweiß. Grießbrei zum Abendbrot? Mein Vater würde sich im Grab umdrehen… Bei Grießbrei generell, vermute ich.

Überhaupt, was sollte das sein, ein Essen ohne Fleisch?! Eine Vorspeise vielleicht? Bei uns gab es Fleisch. FLEISCH! Schweinebraten, Rindergulasch, Rouladen. Putenrollbraten, ganze Hühner.

Ich hatte es nicht leicht. Ich mochte nämlich kein Fleisch. Mehr noch, es widerte mich an. Der Geruch, der Geschmack, die Fasrigkeit im Mund. Allein schon die Farbe. Ekelhaft.

Mini-Rike vor einem Teller (vermutlich mit Fleisch)

Mein Vater hat die entbehrungsreichen Nachkriegsjahre als Kind erlebt und erzählte oft, dass er damals stets sein kostbares Stück Fleisch beim Sonntagsessen aufsparte bis zum Schluss, um es sich dann ganz langsam und genießerisch mit Wonne einzuverleiben.

Ich ließ das Fleisch auch immer bis zum Schluss auf meinem Teller. Aus anderen Gründen. Aber es gab kein Erbarmen.

„Iss das, das ist gesund!“

Es wäre undenkbar gewesen, mir das verhasste Fleisch zu ersparen. Generell war es nicht üblich, dass auf Sonderkostwünsche eingegangen wurde. Extraessen für die Kinder? Nicht nach dem ersten Geburtstag! Es gab Fleisch mit Kartoffeln und Gemüse und Soße. DAS war ein anständiges Essen!

Ich war ein mickriger Esser. Und das verhasste Fleisch machte alles nur noch schlimmer. Mein Vater musterte mich beim Essen mit einem bohrenden Blick und strafte mich schon für eventuell beabsichtigtes Gesichtverziehen im Vorfeld. Meine Allüren waren für ihn unverständlich. Wie gut ging es uns, jede Woche, ach was, jeden Tag konnten wir Fleisch essen! Das kannte er schließlich noch ganz anders von früher. Undankbar war das von mir. Und die Mutti hatte sich so eine Mühe gemacht mit dem Kochen!

Ich musste am Tisch sitzen, bis das Fleisch weg war. Ich zermahlte und zerkatschte das Gelumpe und parkte den grauen Brei in meinen Backentaschen. Allein, ich wurde immer durchschaut. „Mach mal den Mund auf!“. Einmal saß ich vor meinem Teller, bis meine Mutter bereits den Tisch um mich herum für die Kaffeetafel deckte.

„Wenn du das nicht aufisst, gibts keinen Nachtisch!“

Nachtisch war mein Leben. Ich hatte auch nichts prinzipiell gegen tierisches Fett einzuwenden. In der Variante als Buttercremetorte, Schlagsahne oder Vollmilchschokolade mochte ich es sogar sehr! Aber das olle Fleisch…

„Damit du groß und stark wirst!“

Es ist überliefert, dass ich bereits als Vorschulkind einmal antwortete: „Aber ich will doch klein und zierlich bleiben!“.

Als das erste Kind bei uns unterwegs war, habe ich das wichtigste schon vorab klargestellt: „Meine Kinder werden nicht zum Essen gezwungen!“. Das war schwierig. Vor allem, weil der Beste alles isst außer Grießbrei (und Leber) und nicht verstehen kann, dass es anderen Menschen da anders gehen könnte. Aber da blieb ich fest: Ich zwinge ihn nicht, Grießbrei zu essen und brate seit siebzehn Jahren keine Leber in seiner Gegenwart und er darf im Gegenzug die Kinder nicht zwingen, etwas zu essen, was die nicht mögen.

Klingt alles einfach und machbar. Ha! Wir waren super in der Vorlage. Zwei Sachen aus der Menüauswahl müssen auf jeden Fall gegessen werden. Gekostet wird aber alles, und wenn´s nur ein kleiner Bissen ist. Eine Zeitlang stand noch ein Brotkorb stets auf dem Tisch, damit im Ernstfall wenigstens Brot als Alternative angeboten werden kann.

Scheiße, ist das anstrengend! Ein Heckmeck ist das! Seit Jahren. Dieses schmeckt nicht und jenes schmeckt nicht. Und die Soße schmeckte doch sonst immer, aber heute nicht. Ich will nur Nudeln ohne alles. Und DAS esse ich noch nie!

Es macht keinen Spaß. Also das mit dem Wahlessen. Und dürr wie ein Aal ist das große Kind außerdem. Wie soll er denn mal groß und stark werden? Und der Kleine? Denkste, der freut sich über den Hirsebrei? Ach was. Drei Löffel, dann hat der mir das mit Knurren aus der Hand geschlagen! Dabei ist das doch gesund! Vermutlich will der lieber Fleisch. Ein Steak oder eine Bratwurst. Pommes und Pizza. Da mmmmm-t der schon beim Anblick. Aber das sag ich euch, der isst, was auf den Tisch kommt! Noch so ein verzogenes Blag sitzt mir nicht in der Küche!

Dieser Text ist ein Beitrag zur Blogparade von Frau Mutter, die unter dem Hashtag #Familienalbum zum Geschichten-von-früher-Erzählen aufgerufen hat. Dem bin ich gern gefolgt. Wer mehr davon möchte, der surft schnell zu Frau Mutter auf dem Blog, dort sind sicher bald weitere Familienalbum-Einträge verlinkt. Viel Spaß! 🙂

 

 

Jetlag

Alles beim Alten mit dem Alten. Er ist wieder da. Seit einer Woche, um genau zu sein.

Und seitdem haben wir Jetlag.

Alles begann mit gewohnt euphorischem Chaos. Flüge wurden verpasst, Küsse geküsst, vier Tonnen „Spezialwäsche“ flach atmend durch mich gewaschen, der Andendreck aus den Bergstiefeln geklopft, Geschenke ausgepackt.

„Was soll ich dir mitbringen?“, fragte der Beste vor einigen Wochen und ich höre mich deutlich antworten: „Ein Armband wäre schön! Und es muss wirklich nichts Folkloristisches sein! Ehrlich. Gold, Bronze oder Platin reicht.“. Nun sehe ich aus wie Wolfgang Petri. Jute. Bunt. Anscheinend war ich wohl doch zu subtil. Na, wenigstens ist mir warm um die Handgelenke.

Dann wurde noch der eingeschmuggelte südamerikanische Darmvirus in die Familie eingeführt: „Virus, Familie. Familie, Virus!“. Freut mich überhaupt nicht, dich kennenzulernen! Namentlich ist er uns noch nicht bekannt, das Labor züchtet noch ein paar Tage an nicht näher zu benennenden Proben meines Ehemannes herum. Dieser regiert einstweilen vom Klo aus die Welt.

Anstrengend ist dieser Familien-Jetlag: Hier leben jetzt vier Personen mit vier Tagesrhythmen. Oder wenigstens drei. Ferien und Resturlaub tun ihr übriges.

Wenn ich morgens aufstehe, wird es mit Glück bald hell. Die Familien-Lerchen versuchen sich ruhig zu verhalten, was bedeutet, die eine Lerche trägt die andere Lerche die ganze Zeit herum und stopft das Lerchenmäulchen mit Küssen und Keksen, damit kein Laut herausdringt. Und im ersten fahlen Licht des jungen Morgens schlurft dann die eine Lerche mit der anderen Lerche draußen in der Gegend herum. Gegen halb zehn werden unter großen Anstrengungen die Eulen der Familie geweckt, Frühstück steht auf dem Tisch. Um elf haben sie es dann meistens geschafft zu frühstücken, da stehe ich dann schon wieder am Herd und koche Mittagessen. „Waaaas?! Schon WIEDER essen? Wir haben doch eben erst gefrühstückt!“. „Irrtum, Schatz! Du. Ich habe bereits vor fünf Stunden gefrühstückt. Und das Baby will irgendwas Warmes. Oder auch nicht. Aber von mir wird erwartet, dass ich es wenigstens anbiete!“. Ich koche also und das Baby isst für gewöhnlich nichts. Dafür ich dann die kleinkindgerecht zermöllerte Nahrung.

Kaum habe ich die Küche wieder gesäubert, Auftritt Kind Nummer 1. Steht da und verkündet: „Hunger!“. „Ja, mein Kind. Der Hunger ist eine unangenehme körperliche Empfindung, die Menschen und Tiere dazu veranlasst, Nahrung aufzunehmen. Auch als Familienname ist Hunger weiter verbreitet als du vielleicht annimmst. Dein lieber Vater hieß mit Mädchennamen so. Wobei ich in seinem testosteronstrotzenden Fall gar nicht genau weiß, ob `Mädchenname`der zutreffende Begriff ist.“. Währendessen hole ich wieder die Töpfe hervor und bereite dem Kind was zu essen.

Eine Stunde später, ich bin bereits auf Käsekuchen, Buttercremetorte und Kekse konditioniert, Auftritt des Ehemanns: Er schlendert in die Küche, eine Hand meist leger auf die Magengegend gelegt, schaut unschuldig interessiert auf Tisch und Arbeitsflächen. Öffnet vielleicht als Ablenkungsmanöver den Kühlschrank, um dann freundlichst zu fragen: „Schatz, haben wir was zu essen?“. „Selbstverständlich! Mehrere Sorten Reis, Mehl, Zucker, Kartoffeln, Milchprodukte, Gemüse und sogar solch exorbitante Sachen wie Quinoa und Lavendelsalz.“. Unnötig zu erwähnen, dass ich diejenige bin, die das „irgendwas zu essen“ dann zubereitet.

So geht das weiter. Wenn der erste bereits wieder zum Nachtschlaf sich herniederlegt, wird der letzte endgültig wach. Und ich werde als zweites müde, stehe ich doch auch als erstes auf. „Bist du schon wieder müde?“, „Ich möchte mal wissen, wovon du schon wieder müde bist!“, „Andere Leute machen abends noch was zusammen, ich kann dir beim schlafen zugucken.“ und so weiter. Höre ich jeden Abend. Und fühle mich wie ein Spielverderber.

Jetzt noch die Zeitumstellung. Ich glotze grenzdebil auf alle Uhren und peile mal wieder nicht, welche denn nun die richtige Zeit anzeigt! Bin ich nun 5:50 Uhr aufgestanden oder 4:50 Uhr?

Heute Morgen um acht stand Wolfgang Petri alleine mit einem Baby im Tragesack vorm dunklen Bäckerladen, der doch eigentlich halb acht öffnet. Verdammt, wie spät ist es denn nun?!

Scheiß Jetlag.

 

 

 

Warum ich nur noch Fastfood esse

Warum ich nur noch Fastfood esse

Bei mir ist seit Monaten Schnellimbiss angesagt.

Bedeutet: Morgens Banane im Gehen. Zehn Minuten später die nächste Banane, weil ich vergessen habe, wo ich die angebissene von eben hingelegt habe. Banane beim Spazieren am Morgen. Mittags die Reste vom Babybrei. Nachmittags die Reste vom angebissenen, vertrockneten Schulbrot des Kronsohnes. Eventuell noch eine Packung Kekse im Gehen. Abends, wenn wir alle zusammen am Tisch sitzen und die einzige gemeinsame Mahlzeit des Tages zu uns nehmen, gibt’s was Anständiges zu essen. Also für alle anderen. Ich sitze derweilen neben dem Babybett und singe zum zwölften Mal „LaLeLu“. Wenn ich fertig bin, ist das Abendessen vorüber.

In jeder Schwangerschaft habe ich dreißig Kilo zugenommen. Manchmal habe ich zwischen den Fress-Attacken meinen Körper glücklich grölen gehört: „Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder! Das ist zu schön, um wahr zu sein!“. Kuchen, Torten, Häagen Dasz im 500l-Eimer, Milchreis in Familienpackungsgröße. Und alles am besten auf der Couch. Hinterher noch 300g Milka Vollnuss (wegen der gesunden Nüsse).

Mütter sollen gesund essen. Wegen dem Stillauftrag, der Nachtschichten und der körperlichen Belastung. Nur wie? Und wann? Und wie soll ich mir einarmig was Gesundes zubereiten? Oder einarmig den Babynator beruhigen, der sich in Restaurationen jedweder Art unwohl fühlt, während ich mit der anderen Hand einarmig versuche, einen gesunden, vitaminreichen Döner in den dafür vom Hersteller vorgesehen Körperöffnungsschlitz zu schieben. Klappt nicht.

Ich erwäge manchmal, mir selbst ab und zu eine Glukoselösung intravenös zu verabreichen, habe allerdings Angst vor Spritzen…

Essen auf Rädern wäre auch eine Variante! Da könnte ich mich schon mal an Seniorenportionen mit farb-und geschmacksfreiem Brei rantasten. Aber davor schrecke ich (noch) zurück.

Die Schwangerschaftspfunde purzeln rasant, ich verzehre mich quasi von innen. Mittlerweile sehe ich einem Shar Pei nicht ganz unähnlich (im Übrigen auch im angezogenen Zustand: Dann eben das Gesicht eines Faltenhundes mit einem Stoffüberwurf über dem runzeligen Körper).

Nachts (also wenn ich mal schlafe) träume ich vom Essen und denke manchmal an den Ausspruch meiner Mutter: „Essen ist der Sex des Alters.“. Stimmt. Wenn ich wählen müsste: Ein Wochenende mit Brad Pitt und Joaquin Phoenix nackig im Whirlpool oder eingeschlossen in einer Mc Donalds-Filiale mit einem persönlichem Burgerbrater…ganz einfache Entscheidung!

Ich geh jetzt Pastinakenbrei aufwärmen für das Baby und mich. Na dann, Prost Mahlzeit!

 

Culinaria saxoniae

Wer als Nicht-Ossi in Sachsen in einem Wirtshaus „Beefsteak mit Letscho für €8,50“ liest , fragt sich unter Umständen, was zum Teufel Letscho sei, freut sich aber, ein Rindersteak für unter zehn Euro zu bekommen. Nun gut, nur so lange, bis das Essen auf´m Tisch steht. Denn er bekommt etwas, was anderswo als Frikadelle, Fleischpflanzerl oder Bulette bekannt ist. Beefsteak reimt sich im Sächsischen auf „Besteck“, denn es wird „Bäffsteck“ gesprochen. Selbst kosmopolitische Sachsen essen in der Heimat gern ein „Bäffi“ und kämen nie auf die Idee, das durchgemöllerte und totgebratene Fleischklöpschen anders zu nennen!

Letscho. Was ganz gruseliges. Googelt gar nicht erst, ich meine nicht die selbergekochte Paprikabeilage, die es heutzutage in Kochforen im Angebot gibt. Nein, ich rede von einem gekochten Paprikagemüse in einer süßlichen Ketschupsauce, was es fertig im Glas gab und gibt und als Universalbeilage in DDR-Wintermonaten gerne auf dem Teller landete. Und offensichtlich immer noch Anhänger hat.

Noch heute jieperts mich manchmal nach“ Maccharoni mit Letscho und Reibekäse“, einem meiner Lieblingsgerichte als Kind. Und dann noch zwei Spritzer Maggi Flüssigwürze drüber, ich trau es mir gar nicht zu sagen…

Da kann man mich nachts um drei wecken und zwingen, in der dunklen Küche Penne arrabiata zu kochen und ich bekomme das linkshändisch hin (Vaffanculo!), und trotzdem schütte ich mir einmal im Jahr sowas widerliches auf den Teller wie Maccharoni mit Letscho und Maggi! Das muss genetisch bedingt sein. Mein kulinarischer Ossifingerabdruck quasi.

Beim Bäcker erwartet den Nichtsachsen eine weiter Überraschung: Pfannkuchen. Das, was ihr unter Pfannkuchen kennt, nennen wir Plinsen. Unsere Pfannkuchen kennt ihr unter dem Begriff Berliner. Berliner kennen wir auch, aber das ist in der Regel für uns nichts zum Vernaschen…

Schwierig, oder?

Eine gute Nachricht habe ich: bei Mc Donalds bekommt ihr das zu essen, was ihr erwartet. Auch in Sachsen. Wo Big Mac mit Pommes draufsteht, ist auch ä Bürgor und Bommes drin. Versprochen!