Rrrrring…
„WAS?!“
„Was?“
„Ja, was denn?! Du hast doch mich angerufen!“
„Nee, doch nur, weil du mich angerufen hast!“
„Ach so, mach das Balkonlicht aus. Is noch an.“
„Ok.“
„Schüss!“
Tuuuut…
Es muss Liebe sein. ❤
Rrrrring…
„WAS?!“
„Was?“
„Ja, was denn?! Du hast doch mich angerufen!“
„Nee, doch nur, weil du mich angerufen hast!“
„Ach so, mach das Balkonlicht aus. Is noch an.“
„Ok.“
„Schüss!“
Tuuuut…
Es muss Liebe sein. ❤
Wir ziehen um.
Die Unterschriften sind unter Verträge gesetzt, Malerfirma, Umzugsunternehmen, Trockenbau, alles irgendwie schon halb organisiert. Ein Nachmieter für die alte Wohnung gefunden, ein Käufer für unseren Garten… Es stehen größere Veränderungen an.
Vor sechs Jahren sind wir nach Pieschen gezogen. Und ja, ich wusste, es ist laut hier! Es ist dreckig! Aber auch authentisch, ehrlich. „Pieschen hat was.“, das sagen die, die hier leben. „Ja, Glasscherben und Hundekacke!“, sagen die, die woanders leben. Ich mochte es hier. Aber nun zieht es uns weiter.
Uns zieht es immer irgendwann weiter. Also speziell mich! Der Freund meiner Mutter führt Buch über mein Umzugsverhalten, ich muss den mal fragen, wie der aktuelle Stand ist. Ich schätze, das wird mein neunzehnter Umzug. Wenn ich mich nicht verzählt habe…
Andere Leute sparen auf Urlaube, ein Eigenheim, einen Lotus. Ich ziehe regelmäßig um. Deshalb werde ich niemals Reichtümer besitzen. Das betrifft natürlich auch meinen Mann, da hat er wirklich Pech. Augen auf bei der Partnerwahl, sage ich da nur!
Mein Mann. Gutes Stichwort. Ich denke oft an den Bärtigen und an mich, an uns, jetzt, in den stürmischen Zeiten des Listenmachens, Planens, Rumorganisierens. Ich denke daran, durch wieviele Wohnungen, an wievielen Nachbarn vorbei uns unsere Reise bisher geführt hat. Viele unserer ehemaligen Nachbarn sind nach wie vor Freunde. Wenn wir nicht so oft umziehen würden, hätten wir die nie kennengelernt!
Begonnen hat alles vor fast zwanzig Jahren, als der Bärtige (damals sehr jung, sehr schlank und sehr glattrasiert) zu mir zog in meine kleine Dreizimmerwohnung. Ohne Balkon, am Busbahnhof. Dann, wir hatten schon über unsere gemeinsame Zukunft gesprochen und Fortpflanzungspläne, zogen wir in eine größere Dreizimmerwohnung. Genossenschaftswohnung, PVC-Bodenbelag, immerhin mit Balkon. Und das Sozialamt war gleich nebenan, das einen Teil der Miete übernahm. Er war Student, ich gleich darauf in Elternzeit. Jeder hatten wir einen Nebenjob. Vor allem hatten wir immer ein volles Haus und ja, Sorgen auch, aber nur kleine. Das Geld ist schon wieder alle! Wie kann das sein? Äh… weiß ich auch nicht. Es ist ja nicht weg, es hat jetzt nur jemand anderes, also reg dich nicht auf! Solche Sorgen eben.
Dann zogen wir in eine Dreieinhalbzimmerwohnung. Arbeiteten, heirateten, trennten uns. Zogen in zwei Zweizimmerwohnungen. Damals hatten wir wirklich Sorgen… Ich zog dann noch mal alleine mit Kind um (um in Übung zu bleiben), dann zogen wir wieder zusammen. In eine Fünfzimmerwohnung, das ist die hier in Pieschen.
Und schon damals sagten die Leute: „Menschenskinder, was wollt ihr bitte mit fünf Zimmern?!“. Wir wollten einfach Platz! Und wir hatten am Anfang ein leeres Zimmer, unser „Hoffnungszimmer“.
Seit reichlich drei Jahren ist dieses Hoffnungszimmer nun bewohnt. Wir haben keinen Platz mehr.
Das mit dem Platz ist seltsam. Wir haben uns schon quadratmetertechnisch verdoppelt seit Anbeginn unseres Zusammenlebens, aber weil wir immer mehr werden und immer mehr Erinnerungen und Leben und Dinge haben, brauchen wir auch mehr Raum! In Zeiten, wo alle von simplify-dein-irgendwas reden, bin ich eine Bewahrerin. Von Klamotten und Schuhen kann ich mich gut trennen, nicht aber von Kinderzeichnungen, gebastelten Ding-sen, Faschingskostümen (voller Erinnerungen) und so weiter. Erinnerungen an die Kinder, Erinnerungen an unsere Familie. Kistenweise Fotos von Urlauben, Ausflügen, Schuleinführung (Ja, auch die Zuckertüten habe ich noch, natürlich! Und alle Milchzähne.), Weihnachtsfesten. Fotos im Kreissaal, das erste Kind ohne Zähne, mit Milchzähnen, mit Zahnlücken, mit Zahnspange. Schätze.
Okay, eine gewisse Sammelwut lässt sich mir nicht absprechen! Ich kann noch nicht mal getrocknetes Gras aus dem Osternest wegschmeißen. Man kann doch damit irgendwas basteln! Oder dekorieren! Und ist nicht das dieses „nachhaltig“, von dem immer alle reden? Na also.
Wann denn genau der Gedanke aufkam, dass es jetzt ein Haus zur Miete sein soll, weiß ich gar nicht. Seit Anfang des Jahres haben wir erst lose, dann zunehmend mit mehr Engagement und am Ende regelrechter Vehemenz, gesucht. Es gab Wochen, da habe ich mit fünf Hausangeboten und Maklern um Besichtigungstermine jongliert und die versucht, in unsere Kalender zu integrieren.
Wir haben ziemlich kuriose Sachen erlebt. Von verdreckten, abgeranzten Buden mit schimmligen Fenstergummis („Das ist kein Schimmel, das muss nur mal geputzt werden!“), über dreiste Makler („Was wollen sie? Über die Grundmiete reden? Ich wusste gleich, dass sie sich dieses Haus nicht leisten können!“) bis hin zu seltsamen Besitzern („Ich habe sie gegoogelt!“, anstatt eines „Hallo, guten Tag.“, „Sie sind doch die mit dem Blog, oder?“). Bei einem Haus wurde uns mitgeteilt, der Besitzer wünschte nach einem ersten Auswahlverfahren alle Bewerber persönlich kennenzulernen um nach einem Gespräch sich dann für einen Mieter zu entscheiden. Assesment center für Mieter, man glaubt es nicht (Das betreffende Haus steht im übrigen immer noch leer).
Wir haben ein Haus gefunden.
Oder das Haus uns. Denn ehrlich gesagt, hat es wohl auf uns gewartet. Meine Freundin hatte mir schon vor Monaten einen Link zum Exposé geschickt. Es kam damals nicht in Frage. Während der ganzen Zeit der Suche hat sich auch erst herauskristallisiert, was wir suchen! Und unsere Vorstellung von dem Haus, das es dann sein soll, sich auch sehr verändert. Das war spannend zu erleben. Und manchmal schien es, als würden wir niemals ein Haus finden, das uns beiden gefallen könnte. Wir haben gestritten, gefeilscht, argumentiert und manchmal einfach geschwiegen. Und uns am Ende gemeinsam entscheiden.
Vor einigen Tagen war ich zum Messen im zukünftigen Haus.
Ich stand auf dem leeren Dachboden, der irgendwann unser Schlafzimmer sein wird. Achtzig Quadratmeter, so groß waren manche Wohnungen nicht, in denen wir zu dritt gewohnt haben, und habe an uns gedacht.
Ich bin durch das Haus gegangen, voller Vorfreude. Auf den Trubel, auf das Neue, das in diesem Haus passieren wird. Auf uns. Hier drin. Und dass ich mich zum ersten Mal in meinem Leben auf etwas einlasse, das ein „wir“ braucht.
Denn: Für mein persönliches Freiheitsempfinden hatte ich stets im Leben die Maxime, mir nie mehr aufzuhalsen, als ich auch allein würde tragen können. Kinder, Arbeit, Schulden.
„Freedom is just another word for nothing left to lose“ (Janis Joplin)
Nun, die Mietbelastung für dieses Haus wird keiner von uns beiden alleine tragen können! Das ist ein Fakt, das ist nichts, worüber wir sprechen würden. Sprechen müssten. Und so ist unser beider Unterschrift unter dem Mietvertrag für dieses große Haus mit viel Platz für Neues auch ein weiteres Bekenntnis zueinander. Ja, ich will mit dir weiter zusammenleben! Größer, weiter, ohne Netz und doppelten Boden. Nach dem Umzug und den Umbauten pleite vermutlich, aber he, lass uns das machen! Ein neues Nest für unsere Familie. Du und ich. Wir.
Schön.
Am Donnerstag letzter Woche sind der bärtige Mann und ich seit langem mal wieder ausgegangen. So mit vier-Gänge-Menü und Wein und Kerzen und so. Wir mussten gar nicht weit weg, wir konnten laufen! Wir waren schick französisch essen. Und das in Pieschen. Echt jetzt. Über das Restaurant werde ich noch mal gesondert berichten, das hat einen eigenen Beitrag verdient. 😉
Zehn Jahre sind wir jetzt verheiratet. Ich bin ein bisschen rührselig und habe den alten staubigen Koffer mit den Erinnerungen vom Schrank geholt . Und Irgendwie hallt mir das doch schon ein paar Tage nach und deshalb gibt’s jetzt wahre Worte über die Ehe. Und Weisheiten! Oder auch nicht.
Wir haben uns vor achtzehn Jahren unter Umständen kennengelernt, die einer Lüge bedürfen, sollten uns die Kinder irgendwann danach fragen…
Das mit uns bahnte sich nicht stürmisch an, eher behutsam. Aber auf eine ganz und gar besondere, neue Art. Und als ich anderthalb Jahre darauf mit dem Pubertino schwanger war, sagte ich dem Mann (der damals noch kein Bärtiger war), ich hätte es gewusst. Bereits an unserem ersten Date. Damals liefen wir romantisch durch Moritzburg und irgendwie hatte ich eine „Erscheinung“. Ich sah ihn neben mir einen Kinderwagen schieben (Wenn ich ihm das bereits beim ersten Date erzählt hätte, wäre es sicher nicht so weit gekommen. Mir ist klar, wie das klingt!). Aber alles war anders als bisher. Weniger Feuer, Action, dafür mehr… hm… Beständigkeit, Wärme, Selbstverständnis. Und der inniglichen Wunsch bei mir, es bloß nicht zu versauen!
Denn der junge Mann hatte es drauf: Türen aufhalten, Jacke abnehmen, Kofferraum voller Blumen. Alles aus einer liebevollen Selbstverständlichkeit und einem großen Respekt heraus und nicht, weil er mich für bedürftig oder unselbständig hielt. Und Komplimente kann der machen! Ich erinnere mich an einen Vorfall, als er Stunden zu spät und angeschickert von einer Radtour nach Hause kam, beide Arme voller langstieliger Sonnenblumen, und sagte: „Du darfst nicht böse sein, weil ich so spät komme! Ich habe dieses Sonnenblumenfeld gefunden und stundenlang nach einer Blume gesucht, die so schön ist wie du. Ich habe keine gefunden, deshalb musst du jetzt mit denen hier vorliebnehmen.“ (Ja ja ja. Hört auf, Geräusche zu machen! Ist lange her.)
Er ist was Besonderes. Ganz ehrlich.
Die letzten zehn Jahre waren stürmisch. Wir haben viel erlebt gemeinsam. Das ist, was Ehepaare nach so einer Zeit immer sagen. Wir haben wirklich viel erlebt. Viel Kummer, Sorgen, Trennung, Versöhnung. Schlaflose Nächte aus Sorge um unseren Sohn, schlaflose Nächte aus Sorge um den jeweils anderen. All das. Und wir sind immer noch hier.
Es wird ja viel geschrieben darüber, was das Geheimnis langer Partnerschaften ist. Man hört zum Beispiel, viel Zeit miteinander zu verbringen sei wichtig. Nun, ich kenne langjährige Ehepaare, deren Geheimnis des Glückes eher das Gegenteil ist! Oder gemeinsame Hobbies. Meins wäre das nicht. Genauso wenig wie ich Bergsteigen, Abenteuerreisen oder Mountainbiken will, will ich, dass der Mann neben mir an der Nähmaschine sitzt oder einen Blog schreibt. Und selbst das Laufen, das wir ja beide betreiben, tun wir getrennt, wenngleich aus praktischen Gründen. Immerhin haben wir mittlerweile zwei Kinder, die wir nicht einfach so sich selbst überlassen können.
Überhaupt, wenn aus einem Liebespaar ein Elternpaar wird, ändert sich die Qualität der Beziehung. Ob verheiratet oder nicht spielt da keine Rolle. Viele sehen den Verzicht, sehen, was wegfällt für Jahre. Oder unwiederbringlich. Ich habe dem nie hinterhergetrauert und fand, unsere Beziehung hat durch die Elternschaft noch an Tiefgang und Qualität gewonnen. Diesen, meinen Mann, als Vater zu erleben, hat doch meiner Entscheidung für ihn noch mal eine ganz andere Tragweite gegeben.
Liebe. Was macht das aus? Was ist das überhaupt? Warum der „eine“? Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht mit rationalen Gedanken. Es ist ein diffuses Wissen, das von ganz woanders herkommt. Nicht aus dem grauen Klumpen oben in der Birne. Diese Wucht an Jahren, dieses an- einander- gewöhnt-sein, das einander- die- Sätze- vervollständigen. Einer spricht aus, was der andere denkt. Lauter Dinge, die langweilig sein können, banal und unbedeutend, oder eine tiefe warme Vertrautheit darstellen. Etwas ganz Kostbares, das eben nicht austauschbar ist auf die Schnelle. Das Wissen, egal was passiert, hinter dir steht jemand. Und zwar immer und bei jedem Wetter! …Und immer noch nach so vielen Jahren ein Kribbeln, wenn der andere nackt im Flur an einem vorübergeht…
So, genug geschnulzt! Jetzt kommen harte Fakten. Wie ist das also beim alten Nieselpriem-Ehepaar?
Nun, zuerst einmal reicht es nicht, sich gegenseitig zu hassen und zu verabscheuen, wenn der jeweils andere krank ist und inperformant. Das gehört für uns selbstverständlich dazu, aber andere Dinge sind uns auch sehr wichtig. Zum Beispiel:
Tiefsinnige Gespräche führen
„Ich hätte doch Medizin studieren sollen. Also nichts mit röchelnden Menschen, aus denen Zeug rausläuft. Aber Haarforensik. Also Haarforensik hätte ich sehr interessant gefunden!“
Eine konstruktive Streitkultur pflegen
„Du bist so ein Blödmann und damit du´s weißt, den Sex von heute Morgen nehme ich zurück!“. „Da kann man mal sehen, wie blöd du erst bist! Erlebten Sex kann man nicht zurücknehmen!“. „Und du, du bist ja noch viel blöder als ich dachte. Ich kann sehr wohl, habe ich hiermit getan. So!“
Obsessionen teilen
„Du, sag mal, denkst du auch manchmal, du könntest dem Baby vor lauter Liebe einfach in die Speckärmchen oder in die Schenkel beißen?“. „Klar, andauernd.“
Geduld
„Mäusel, sei doch vernünftig. Bitte hör doch nur ein einziges Mal auf mich! Komm, Mäusel, bitte…“. „NEIN! Und höre auf, mich anzumäuseln!“
Der Altersunterschied von acht Jahren war nie ein Thema
„Gib mal den Schwebedeckel.“. „Pfff, den was? Meinst du das Frisbee?“. „Du brauchst gar nicht zu lachen, du Schnösel! Ich bin nicht wie du in der BRD aufgewachsen. Da, wo ich herkomme, hatten wir kein Frisbee. Wir waren froh, wenn wir einen Schwebedeckel hatten. Und jetzt rück das Scheißding raus!“
Außerdem haben wir eine Spezialsprache, Codes, Super-Spitznamen und einen Heidenspaß daran, dem anderen einen Streich zu spielen. Wir sind somit unsterblich! Außer, ich bin alt und röchle und Zeug läuft aus mir raus. Dann muss ich leider weg ins Heim, da war er stets ehrlich zu mir.
Wobei… sicher ist ganz sicher nichts. Die Liebe ist gestorben, eingeschlafen, vorbei, wir haben uns auseinandergelebt. Wir alle haben das schon gehört oder gesagt. Wie passiert sowas? Ich weiß es nicht, habe aber eine Heidenangst davor.
Es ist kostbar, was wir haben. Jedes bisschen Glück ist nur geliehen. Aber ich glaube, mir ist wichtig, das mir immer mal wieder vor Augen zu führen. Bei allem Gerangel um alltägliche Banalitäten, das, worum es geht, ist das „wir“. Und „wir“ sind so in dieser Konstellation etwas ganz Besonderes.
Romantik ist ja nicht so meins, ich bin so romantisch wie eine abgelaufene Parkuhr. Und ich bin anstrengend! Und kompliziert! Und hysterisch! Schmeiße das Geld zum Fenster raus! Permanent müde! Nicht an sience fiction interessiert oder Bergtouren. Und bestimmt keine supertolle Ehefrau. Aber ich versuche es. Also manchmal versuche ich es. Ich denke zumindest darüber nach! Nachdenken ist wichtig. Also darüber, wie wichtig der andere einem ist… ach, jetzt Schluss hier mit der Rührseligkeit! Hoch die Tassen, wir haben die ZEHN geschafft! Schatz, du bist ein Schatz. Mein Bärtiger. Mein Bärentöter, mein Raubtierbezwinger, mein Mann. ❤
Und wage dir bloß nicht, dich vom Acker zu machen mit so´ner Stringtanga tragenden Möchtegern-Latina! Da brennt die Hütte, da haste Enthaarungsmittel im Shampoo. Da streue ich Grassamen in all deine Schuhe und gieße. Lackiere Dein Mountainbike mit Nagellack und koche deine Outdoorklamotten. Also, nur so als Idee. Weißte Bescheid!