Der Kronsohn, unser Erstlingswerk, wird in drei Wochen achtzehn. Also ist er dann sowas wie erwachsen, auf dem Papier zumindest.
Ich meine, es war klar, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Genauso, wie immer klar war, someday baby, we´ll be old, oh baby. Und trotzdem guck ich in den Spiegel und denke, ach du Scheiße, wann ist das passiert? Warum? Und: Jetzt schon? So ist das auch mit dem Bubi.
Wie, der ist jetzt erwachsen?!
Komisch.
Wir Alten fragen uns zum Beispiel aktuell, wie wir ihm das seit seiner Geburt angesparte Geld auf dem Sparbuch nun schenken sollen. Ein Diskussionsgegenstand, der regelrecht skurril erscheint, haben wir doch ganze achtzehn Jahre jeden Monat auf das Kinderkonto überwiesen, für später. Nun ist es da, dieses „später“. Was heißt das, wie geht man jetzt damit um? Niemand hat uns vorgewarnt, wie verhält man sich denn entsprechend? Anders? So wie vorher? Was ist mit Rechten? Pflichten? Dürfen wir überhaupt noch Vorschriften machen? In seine Angelegenheiten reinreden, weil wir alt und weise sind und sowieso alles besser wissen?
Niemand bereitet einen darauf vor.
Ich habe noch den Duft seines verschwitzten Kinderkopfes (nach warmem Apfelkuchen) in meiner Nase und wie er eine „Fitzschnute“ zog als Baby, wenn ihm etwas nicht passte. Nichts davon erinnert beim Anblick des langbeinigen Kerls mit den (aktuell) blauen Haaren und der tiefen Bassstimme an dieses kleine Kind.
Wir haben noch Glück. Meine Freundin muss sich im Sommer von ihrem Sohn verabschieden, da dieser (obwohl eine Woche jünger als unser eigener) für ein Jahr nach Amerika geht. Unser Sohn zieht nur von der ersten Etage in den Keller in seine neue „Souterrain-Wohnung“. Also lediglich ein Abschied vom Kinderzimmer.
Wir Eltern gehen unterschiedlich mit der Gesamtsituation um. Während ein Elternteil gefühlsduselig die neue Bleibe hübsch machen möchte (Lichterketten, Schwarzlichlampe, Poster), schnauzt das andere Elternteil, das sei völlig übertrieben und dem Sohn gefalle das gar nicht. Und: Immer musst du was einkaufen! Kaufen, kaufen, kaufen! Da wo unser Geld herkommt, gibts ja unbegrenzt Nachschub, nicht wahr? Und wenn es dann nach drei Wochen nicht mehr gefällt, fliegt es einfach auf den Müll! Nein, sage ich. Also das andere Elternteil.
Ich bin ja mal gespannt, wie das Zeugnis aussieht dieses Jahr, sagt das eine Elternteil. Was soll schon sein, das andere. Zwei Komma fünf im Durchschnitt wird es, hat er mir gesagt. Was?! Zwei Komma fünf?! Dann brennt die Luft. Der ist so stinkenfaul, immer nur zocken hat der im Kopf! Nichts hat er gemacht für die Schule in diesem Jahr! Ja, aber sieh es doch mal anders, sagt das andere Elternteil, er hat also mit Null Lerneinsatz die elfte mit zwei Komma fünf geschafft! Da ist jede Menge Luft nach oben! Ganz genau, sagt das der andere. Jede Menge Luft. Er nutzt seine Potentiale nicht, er hat null Biss! Dieses strunzfaule Rumgedahle, lalala, scheiß doch drauf, wird schon irgendwie, das kotzt mich sowas von an, sagt das eine Elternteil aufgebracht. Mann, du redest uns hier echt Probleme herzu, wo überhaupt keine sind, interveniert das andere Elternteil beim Kisten von oben nach unten tragen. Du meckerst immer nur an dem rum! Der steht jeden Morgen auf und geht in die Schule mit gutem Ergebnis, er säuft nicht, nimmt keine Drogen und wenn er auch nur fünf Minuten später nach Hause kommt als vereinbart, schreibt er mir ne SMS! Ich weiß nicht, was du immer willst von dem?!
Ich will, dass der mal ein ordentlicher Kerl wird! Mir wäre lieber, er würde sich mal besoffen prügeln und die Nächte um die Ohren hauen! Ach so, jetzt verstehe ich, sagt das andere Elternteil. DAS ist es also. Weil er „anders“ ist und anders als du sowieso schon mal. Ja, genau, das ist es! Der ist kein bisschen wie ich! Wie soll ich mich da identifizieren? Weißt du, wie gemein du bist, sagt das eine Elternteil, der joggt mit dir, er stemmt Hanteln, er blickt noch immer zu dir auf, alles nur, um dir nachzueifern und du merkst es nicht mal. Und außerdem, ich will ehrlich gesagt nicht, dass der so wird wie du warst! Den Eltern den Mercedes geklaut und ohne Führerschein besoffen zur Disco über die Dörfer gebrettert! Gekifft, geprügelt! Ach, komm, das gehört doch zum Erwachsenwerden dazu, beschönigt das so angeprangerte Elternteil, und ehrlich gesagt würde mir genau das gefallen! Mir aber nicht, widerspricht das andere Elternteil.
Du würdest ihn ja am liebsten noch an die Zitze legen, höhnt der eine, das war schon immer das Problem! Du hast ihn von Anfang an zu sehr verhätschelt! Und du hast von Anfang an ein völlig übersteigertes Anspruchsdenken an den Jungen gehabt! Ich weiß gar nicht, was mit dir los ist. Warum kannst du den Jungen nicht einfach so annehmen, wie der ist. Weil der kein bisschen wie ich ist!, sagt das andere Elternteil. Weil der sein Leben einfach verdaddelt! Weil der keine Ziele hat! Ach, hör doch auf, nölt das andere. Du hattest mit achtzehn nur das Ziel, ne geile Zeit zu haben! Du warst nicht auf der Penne, du warst auf der Baustelle. Penne und Ziele, das kam alles später, du hast es nur vergessen. Niemand von uns hat auf dem geraden Weg sein Abi gemacht und studiert, bei dem Jungen aber sieht es so aus, als würde genau das passieren. Du aber maulst, er wäre faul und nicht fokussiert.
Mit zwei Komma fünf studiert der gar nichts! Ich sage dir was, wenn der in der zwölften noch zwei Komma fünf hat und ich den nicht mal ne halbe Stunde am Tag pauken sehe, nehme ich den von der Schule! Ja, da guckste! Ich zahle doch nicht das Scheiß Schulgeld für den, wenn der sich nicht mal am Riemen reißt und mir zeigt, dass er das wirklich will!
Du solltest dich hier mal reden hören, sagt das andere Elternteil. Dann sagt sie nichts mehr.
Sie würde ihn gern in den Arm nehmen und ihm sagen, dass er alles, alles richtig gemacht hat, in all den Jahren. Dass er ein toller Vater war und ist. Dass alles gut wird und dieser junge Mann, sein Sohn, seinen Weg gehen wird. Dass sie beide erleben werden, wie er Sonntags mit ihren Enkeln zum Essen kommt. Dass sie beide Gespräche führen werden, erwachsene Gespräche auf Augenhöhe, er und sein Sohn. Dass sie es sehen kann! Sie möchte ihm so gern sagen, dass sie froh ist, dass er in all den Jahren ihr Partner war. In den sorgenvollen Zeiten, in denen sie auf das Kind herabgesehen haben, hielten beide es an der Hand, der eine an der linken, der andere an der rechten. Wie froh sie über diesen Umstand ist. Und dass er stets wissend genickt hat, wenn ihr das Herz weh tat um diesen Jungen. Dass es okay ist, wie es ist. Dass er nachlassen kann, darf. Das möchte sie ihm gerne sagen.
Und während sie darüber nachdenkt und diese Zeilen schreibt, kommt das Blondchen in seinem Superman-Schlafanzug aus seinem Zimmer, legt den Kopf auf ihren Schoß und sagt, er wölle niemals fünf werden! Er wolle für immer klein bleiben und sie denkt: Ach, mein Herz. Es ist, als sei es vorgestern gewesen, als ein Kind mit dunklen Haaren genau dasselbe gesagt hat, mit dem Kopf in ihrem Schoß.
Schatz, danke, dass du mich gefunden hast, damals. Und danke für diese Kinder! Das ist, was sie dir sagen will. ❤
Eine schöne Hommage an alle Beteiligten.
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so schön geschrieben, da bekommt man direkt Pipi in den Augen ♥♥♥
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Na danke, und wie erklär ich der Bande jetzt, wieso Muttern schon wieder am Küchentisch sitztheult? Das ist sososososo schön geschrieben, hach. Was für eine wunderbare Beschreibung dessen, was es ist.
Dieses „vielzuschnellwiekanndasbloß“-Gefühl kenne ich auch. Dabei feiern wir im Juli erst Halbzeit auf dem Weg zur 18. Und trotzdem: die erste Halbzeit hat gefühlt ne Woche gedauert, höchstens zwei. Und das geht einfach immer so weiter.
Habt ein tolles Fest mit dem Kronsohn, und feiert euch selber am besten gleich mit.
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❤
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❤️
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❤
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alles liebe meine gute ;9 drück dich . anja mit sophia und isabella von der ostsee kur ;O)
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Drück Dich zurück! ❤
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Liebe Nieselpriem,
Das ist so herzerweichend schön, was du schreibst!
Ein Liebesbrief an Mann und Kind und das Leben!
Danke!
Ich lese nun schon ein Weilchen deinen Blog und frage jetzt mal:
Wieso zahlt ihr Schulgeld?
Und: Was ist mit Paul???
Von Herzen liebe Grüsse
Sabine
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Huch…
Bauchspeckblog!
Ich dachte ich hätte das geändert in:
„Aber bitte mit Sahne“!
So klingt es als ob ich eine Metzgerei hätte. :))
Dabei bezieht sich das auf meine Außentaille.
Sorry.
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Ich finde, es klingt sehr lustig! 😉
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Danke für Deine Zeilen! Ich freu mich sehr. Und mit Paul hast Du recht, ich schulde euch mal ein update. Kommt pronto… liebe Grüße, Rike
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Hoffentlich liest das der Hochgelobte …. er hat ziemlich viel Glück mit der Frau an seiner Seite.
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Hihi, Du bist ja lieb! Und ich lese dem Mann Deine Zeilen dann gleich mal laut vor, damit der Bescheid weiß 😀
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Ich sitz hier und heule Krokodilstränen! Das hast du schön geschrieben! Ich hab mich und meine andere Hälfte sehr wiedererkannt…
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Hallo Nieselpriem, was für ein toller Blogeintrag! Ich bin noch weit entfernt mit meinen Kindern von der 18 – zumindest glaube ich das. Aber wahrscheinlich kommt dann doch alles schneller, als man meint. Danke, dass du eure unterhaltsamen Streitereien mit festgehalten hast! 😀
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Seufz… Ist das der Text, bei dem man heulen muss? Ich hatte auch grad was im Auge…
LG
Jenny
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Orrrr… Du ❤ Schön, dass Du mich gefunden hast. Ich hoffe, wir lesen usn ab jetzt nicht nur, sondern sehen uns bald in echt wieder. Du bist ne arschcoole Muddi! Aber echt jetzt.
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