Das Leben mit dem Gutmenschen

Regelmäßig bekommt der Beste Post in grauen, faserigen Ökobriefumschlägen, die er beim Lesen dann meist so kommentiert: „Hm, da müssen wir was machen!“. Ich kenne das, darauf gibt’s nur einen möglichen Kommentar: „Oh nein! Hör auf, das ist nicht dein Kampf!“.

Darauf folgt dann eine ausschweifende und (mich) ermüdende Zusammenfassung über einen dem Untergang geweihten Kartoffelacker in Ostkirgisien oder dem möglicherweise Aussterben einer Fruchtfliege in Nordkorea. Während ich versuche, den mir Angetrauten von der Veruntreuung unseres Familienvermögens abzuhalten, palavert er weiter über Sinn der Atomkraft, den urbanen Menschen als Krebsgeschwür für den blauen Planeten… und mich im Besonderen als eklatante Müllproduzentin und Umweltsau.

Ich glaube, es war unser zweites oder drittes gemeinsames Weihnachten vor tausend Jahren, da hatte der Beste die Idee, das Geld, das wir sonst für Geschenke ausgeben würden zu spenden. Ich fand das unglaublich lieb, umsichtig und verantwortungsvoll. Also spendete ich meinen opulenten Weihnachtsgeschenke-Etat an ein Kinderhilfswerk und er den seinen für eine Umweltschutzorganisation. Wir haben das beibehalten. Jedes Jahr an Weihnachten spenden wir. Ich immer für die Kinder und er für den Umweltschutz. Unnötig zu erwähnen, dass wir jedes Jahr zusätzlich großzügige Geschenkaktionen durchziehen. Die Welt geht vor die Hunde?! Aber dann will ich wenigstens einen schicken Pullover dazu tragen!

Früher bekamen wir im Januar dann meist einen Dankesbrief mit Aufklebern zugeschickt. Heute nicht mehr. Vielleicht gibt’s den nur noch bei Spenden im fünfstelligen Bereich, das ist allerdings Mutmaßung. Heute kommt gefühlt monatlich ein Brief, in dem der Beste aufgefordert wird, eine Bankeinzugsermächtigung zu unterschreiben und anzukreuzen, ob er jetzt monatlich, quartalsweise oder etwa doch nur einmal im Jahr ein Monatsgehalt spenden will. Ich finde das dreist! Ich will wenigstens Aufkleber! Aber davon will der Gutmensch, den ich geheiratet habe, nichts hören.

Andersherum wird er nicht müde, mich zu ermahnen, ressourcenschonender zu leben und dabei meint er leider nicht nur laufende Wasserhähne und Verpackungsmüll. Nein, er kritisiert mein Kaufverhalten!

Aber da bin ich fest. Ich habe eine Mission. Die Wirtschaft schwächelt, das Bruttosozialprodukt sinkt. Mein Einsatz wird benötigt! Die Werbeblättchen und „VIP Shopping“-Einladungen, die ich wöchentlich von Textilherstellern zugeschickt bekomme, sind doch auch nichts anderes als Hilfeschreie. Da muss man was tun! Ich weiß schon, was der Beste sagen würde: „Das ist nicht dein Kampf!“. Oh doch! Jeder an seiner Front. Er rettet die Umwelt, ich den Einzelhandel!

taschen
Leider kann ich meine Kassenbons nicht als Spendenquittung geltend machen…

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