Das familienunfreundliche Land

Einen Job hat ja heute kaum noch einer, alle haben Karriere! Und in diesem Land ist es ganz duster mit Karriere, wenn du Mutter oder Vater bist! Zappenduster! Alles ganz, ganz übel…konnte man in einschlägigen Artikeln in der letzten Zeit lesen. Im Intro stets der Ruf nach mehr Ganztagesschulen und Kitas mit angepasster Betreuungszeit, das ist nicht neu.

Aber dann: „Wir sind die erste Generation, die Emanzipation live lebt!“, war da zu lesen. „Daher kommen die Probleme, die wir jetzt haben!“ (Ach, daher kommen die Probleme. Bloß gut, dass das mal einer erkannt hat…).  „Die Arbeitswelt ist nicht mehr zeitgemäß! Büros und Bürozeiten gehören abgeschafft! In der heutigen Zeit muss es doch möglich sein, in Teilzeit bei flexibler Arbeitszeitgestaltung einen Konzern zu leiten!“ (Na klar, mit 20 Stunden pro Woche aus dem Home Office einen Konzern leiten, das ist wirklich ein realistischer Vorschlag und nicht zu viel verlangt. Und die Kommunen, Frau Merkel, die EU und der liebe Gott sollen jetzt gefälligst endlich mal… ja, äh was? Ach ja, Teilzeit bei doppeltem Lohn und gratis Ganztagesbetreuung des Nachwuchses ermöglichen. Das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt! Ich habe schließlich ein Recht auf Karriere!).

Ein Autor meinte unerwartet reflektiert, er glaube, die Kritiker kämen allesamt aus der gutsituierten, bildungsnahen Mittelschicht. Warum, wusste er auch nicht.

[Ich vermute, Ines, Kassiererin im Drogeriemarkt mit Zweitjob als Putzfrau und Udo (Straßenbauer) sind abends einfach mal platt von ihren Jobs und ihrem Kampf ums kleine Glück. Vereinbarkeit von Familie und Karriere ist nicht ihr Thema! Die machen einfach, schließlich wollen sie in zehn Jahren die Anzahlung für ein kleines Häuschen zusammenhaben und Ines würde so gerne mal wieder eine Woche nach Mallorca. Wie in den Flitterwochen. Damals…]

Für alle anderen habe ich da mal ein Konzept erarbeitet.

Okay, das ist gar nicht von mir…aber wenn hier alles so unmöglich ist, warum nicht mal was „Altbewährtes“ probieren?

In der DDR wurde über Emanzipation gar nicht geredet, dort war klar: Alle gleich. Gleiche Arbeit, gleiche Bezahlung, gleiche Rechte, gleiche Pflichten. Und gleiche Klamotten. Okay, Chancengleichheit gab es nicht, aber aus anderen Gründen. Da müsste das Konzept noch mal modifiziert werden.

Kinderbetreuung: Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, wo (normalerweise) der komplette Republiknachwuchs fremderzogen wurde in Ganztageseinrichtungen. Und zwar von morgens um sechs bis nachmittags um fünf. Und das bereits im zarten Alter von sechs Wochen bis zum Eintritt in die Pubertät. Mensch, die Eltern hatten vielleicht Zeit, Karriere zu machen! Und wem das noch nicht reichte, es gab auch Wochenkrippen: da gab man die Kinder (ab sechs Wochen alt) am Montag ab und holte sie am Freitag wieder.

In den Ferien fuhren alle Kinder in Ferienlager und wenn sie alt genug waren, in „Lager für Arbeit und Erholung“. Da konnten sie gleich mal mit auf der Kolchose arbeiten und sich nützlich machen für den Arbeiter-und Bauern-Staat. Und ihre Eltern hatten viel Zeit für Karriere!

Und ob, wie lange und zu welchen Zeiten ein Kind gestillt werden sollte und wann es welchen Brei gibt, das wurde auch alles schön vorgegeben. Vielleicht wäre das ja auch was für euch? Diese ganze Entscheidungsfreiheit scheint ja nicht gut zu bekommen. Immer diese hitzigen Diskussionen in den Foren und Blogs!

Und diese ganzen Vergleiche (meins kann das, und meins kann jenes schon) untereinander werden auch wieder abgeschafft. Die Kinderlein werden alle in der Kinderfabrik (äh Krippe) von Tante Ingeborg erzogen, alle mit acht Monaten zu bestimmten Zeiten auf den Topf gesetzt bis was drin ist, dann sind alle mit zwölf Monaten trocken! So macht man das!

Gut, den Business case habe ich nicht durchgerechnet auf die Schnelle. Aber wenn wir das so machen wie die Ossis kommen wir vierzig Jahre klar mit dem System. Heißt: alle eine Sorte Hose, zwei Modelle an Oberbekleidung. Antrag stellen und zehn Jahre warten auf Luxusgüter wie eigene Wohnung, Schrankwand, Urlaubsreisen in die Slowakei usw.

Brauchst du aber dann sowieso nicht! Bist ja eh nie zu Hause. Die Kinder werden fremdversorgt und du bist im Betrieb und kannst ENDLICH in Ruhe Karriere machen.

Rot Front! Sport frei Genossen!

Ich stell schon mal vorsorglich einen Ausreiseantrag…

Ein Kommentar zu “Das familienunfreundliche Land

  1. Klasse auf den Punkt gebracht. Es nervt einfach dieses angequatsche über Karriere.
    Außerdem können wir ( äh müssen ) mittlerweile eh alle so lange arbeiten, da verstehe ich nicht warum man die kurze Zeit in der unsere Kinder so klein sind und uns brauchen nicht nutzt. Sie geht schnell vorbei
    Liebe Grüße

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