Heile, heile…

Vor einigen Wochen habe ich einen Beitrag über Endometriose geschrieben und auch, dass ich mich dem Thema mal wieder stellen müsste.

Nun war es soweit.

Ich habe es hinter mir. Also die ersten Schritte. Der Befund liegt noch nicht vor, nur ein Kurzprotokoll von der OP, sodass noch offen ist, inwieweit die Behandlung weitergehen wird. Die vergangenen Tage waren eine Achterbahn. Gesundheitlich, gefühlsmäßig, und ich habe jedes beschissene Tal durchschritten. Wut, Verzweiflung, Angst, Zorn, Selbstmitleid und ja, auch Zynismus. Noch bis vor einigen Stunden dachte ich, dieser Beitrag würde „Nahtzugabe“ heißen (ihr werdet noch lesen, warum) und ich würde mal so richtig vom Leder ziehen! Aber so richtig!

Ich habe mich umentschieden. Zum Einen, weil es sein kann, dass hier die eine oder andere Frau mitliest, der möglicherweise eine Befundlaparaskopie bevorsteht oder die mit unklaren Bauchbeschwerden kämpft. Das letzte, das ich will, ist jemanden verunsichern! Außerdem weiß ich nach sechs Narkosen und vier Operationen aufgrund der Endometriose: Es ist unter Umständen jedesmal anders.

Ich will euch von meiner letzten Woche erzählen und lieber für Betroffene Tipps dalassen zwischen den Zeilen.

Die Entscheidung steht, ich begebe mich in Behandlung. Die aktuellen Ausfälle sind zyklusbedingt und meine Gynäkologin ist der Meinung, ein Endometrioserezidiv sei die Ursache. Sie möchte mich gern nach Berlin in die Vivantes-Klinik überweisen. Auf meinen Einwand hin, ich sei zweimal sehr gut behandelt worden im Kreiskrankenhaus Radebeul, meinte sie, eine „Wald-und-Wiesen-Klinik“ sei sicher nicht das richtige für mich. Da ich aber nicht nach Berlin wollte, um nicht tagelang von meiner Familie getrennt zu sein, entschieden wir als zweite Wahl ein großes Dresdner Krankenhaus.

Tipp Nr.1 Wenn es in deiner Stadt ein Krankenhaus mit Spezialisierung auf dein Gesundheitsthema gibt und dein Arzt dich trotzdem lieber in ein Haus in einer anderen Stadt einweisen lassen will, dann ist das Empfehlung genug! Frag gar nicht erst, warum. Ehrlicher kann er nicht werden.

Voruntersuchung in der Spezialambulanz. Sie würden ambulant operieren und wann ich denn Zeit hätte? Die letzte OP fand auch ambulant statt und ja, es ging mir ein paar Tage nicht besonders, aber da wurde auch „groß reinegemacht“. Ich erwähnte meine Bedenken und hörte, bei dieser Befundlaparaskopie würde wirklich nur geschaut, was denn los sei und ganz egal, was man finden würde, an diesem Tag würde ich wieder zugemacht und im Nachgang das weitere Vorgehen besprochen. Keine große Sache. Drei kleine Knopflöcher. In die alten Narben rein, kennen sie ja alles. Also gut. Ob ich noch Fragen hätte? Nein.

Am Tag des Eingriffs war alles etwas turbulent. Sechs Uhr fünfundvierzig sollte ich dran sein. Dann neun Uhr. Ich war um neun da. Da hieß es, elf Uhr dreißig. Ich war seit dem Vorabend „nüchtern“ und entsprechend bei Laune. Da man mir meine Gefühlsregungen auch immer an meinem nicht nur schönen (wunderschönen), sondern auch ausdrucksstarkem Gesicht ansieht, zog ich mir direkt beim Pflegepersonal den Titel „beliebteste Patientin des Tages“ zu. Und bekam eine leidenschaftliche Aufklärung über den straffen OP-Plan des Tages in dieser großen Klinik und was sie alles um die Ohren haben dort! Danke noch mal dafür.

Tipp Nr.2 Geduld mitbringen. Und Lesestoff. Und ein Ladekabel fürs Handy. Niemand parkt dich freiwillig stundenlang irgendwo. Und vergessen wirst du auch nicht.

Ich bekam mein OP-Klamottenpaket und die Beruhigungspille. „Haben sie sich etwas zu trinken mitgebracht zum Runterspülen?“. „Nein?! Gibts hier denn nichts?“. „Sie sind ambulant, da bekommen sie von uns nichts zu essen oder zu trinken!“. „Ich bekomme nach dem Aufwachen keinen Kaffee und keinen Keks von ihnen?“ (Ich war entsetzt. Darauf freute ich mich schon seit Stunden, so hungrig wie ich war und das kannte ich auch von allen anderen ambulanten OPs so. Kaffee und Keks.). „Nein! Da hätten sie sich etwas mitbringen müssen!“.

Tipp Nr.3 Vorher fragen, ob du dir etwas zu essen und zu trinken mitbringen musst. Oder noch schnell (wie ich) vor der Abfahrt in den OP der Freundin SMS-en, dass sie doch bitte ein Rosinenbrötchen und einen Cappuchino bringen möge. Danke noch mal, liebe Gretel!

Im Vorbereitungsraum musste ich mich nackig auf eine OP-Liege umlagern, wurde angeschnallt, an meinem rechten Arm ein Blutdruckmessgerät festgemacht. EKG angeschlossen. Beine auf so Dinger wie beim Frauenarztstuhl, nur liegend. Gegrätscht. Ein grünes Tuch drüber. Flexüle legen in die Hand. Warten. Da lag ich nun festgezurrt und fror. Über mir die Uhr, die unaufhörlich tickte, das Blutdruckmessgerät brummte alle fünf Minuten los. Mir wehte ein kalter Wind zwischen die Beine. Scheiße, fror ich. Und wartete. Niemand kam. Das Gerät brummte wieder los. Zwischendrin hörte ich laute Befehle aus dem Aufwachraum, der vor mir liegen musste: „GUTEN MORGEN, AUFWACHEN! EINATMEN! TIEF EINATMEN!“.

Hinter mir war auf einmal Bewegung. Ohne Ansprache trat ein Anästhesist an meinen linken Arm heran und stöpselte mir eine Pulle in die Flexüle. „Gehts jetzt los?!“. „Na, deswegen sind wir ja hier!“. Aha. Als das Kribbeln im Hals zunahm, bat ich, ob mir die Schwester für einen Augenblick die Hand halten könnte, bis ich in Morpheus´Arme glitt. Das hatte ich mir auch nicht ausgedacht, das kannte ich von früheren OPs so und weiß diese überaus tröstliche Geste jetzt mehr denn je zu schätzen. „Dafür hat jetzt hier keiner Zeit!“, war das letzte, das ich hörte.

Tipp Nr.4 In einem großem Krankenhaus mit straffem und langen OP-Plan und womöglich ressourcentechnisch unteroptimal besetzt, liegt man unter Umständen zwanzig Minuten frierend in der Vorbereitung und möglicherweise hat auch keiner eine Hand frei zum Halten. Das hat nichts mit dir persönlich zu tun und die Ärzte und Schwestern arbeiten sich deshalb auch nicht gleich lieblos an dir ab. Ja, es wäre schöner, wenn man noch Zeit gehabt hätte für einen Händedruck und ein: „Hallo, ich bin der Dr. Sowieso. Schlafen sie gut und schöne Träume. Ich passe auf sie auf!“, aber Klinikalltag sieht eben oft anders aus. Du musst keine Angst haben, sie passen trotzdem auf dich auf und du wirst auch wieder wach! Stell dir einfach vor, ich halte deine Hand. 🙂

Ich wurde wieder wach, fror immer noch erbärmlich und bekam ein Gebläse unter das Laken geschoben, das Geräusche machte wie ein Fön. Und irgendwas zum Beruhigen. Dann hörte das Zittern auch auf. Weh tat mir nichts.

Zurück auf Station kam dann meine Freundin mit dem Kaffee, wir scherzten, ich war noch voll drauf und laberte ohne Unterlass. Nur das Herz raste mir wie verrückt. Das sollte auch noch ein paar Tage so bleiben.

Es kam dann auch eine Ärztin und erzählte meinem vermatschten Kopf irgendwas. Blasendach, Uterus, Eierstock, verödet. Aha. Blasenspiegelung müsste ich machen lassen. Und jetzt husch, aufs Klo, da ich kathetert worden sei müsste geguckt werden, ob ich pullern könnte. Zwei Synapsen machten kurzzeitig „BLING!“ und ließen den aufmüpfigen Gedanken aus meinem Mund poltern, warum zum Henker nicht gleich vor Ort und Stelle die Blasenspiegelung gemacht wurde, wenn ich doch schon mal nacksch und wehrlos dagelegen hätte? Und wo sie doch sowieso Zeug in meine Blase geschoben hätten? Wäre es wirklich zuviel verlangt, wenn das hier DIAGNOSTIK heißt, diese dann auch gleich mal vollumfänglich zu machen? Und ob ich jetzt allen Ernstes noch in die Urologie sollte? Hä?! Sagen sie mal! (Den Titel, „Beliebteste Patientin des Tages“ gab ich so schnell nicht wieder ab).

Tipp Nr.5 Was ich nicht wissen konnte und auch noch nicht ganz verstehe, nein, sie hätten dort keine Blasenspiegelung machen können. Technisch wohl schon. Aber irgendwie eben nicht. Krankenhauskram. Abrechnung. Was weiß ich. Deshalb habe ich auch nach wie vor meinen Blinddarm, obwohl ich den sehr gern gespendet hätte auf dem kalten Altar des OP-Raumes…

Vier Stunden nach „Wach“-Meldung, durfte mich meine Freundin abholen. Der Bärtige wartete mit den Kindern zu Hause, die (natürlich) pünktlich beide krank waren. Rückwirkend wäre ich gern zwei Tage geblieben, weiß aber gar nicht, ob ich die Option gehabt hätte. Und ich hätte mich für das weniger zackige, weniger hektische Wald-und-Wiesen-Krankenhaus entscheiden sollen, weil ich selber schon hektisch genug bin und dieser Trubel und das alles eher anstrengend auf mich wirkte. Ich wurde entlassen, orange von Schulter bis Knie vom Desinfektionsmittel und mit den EKG-Pads auf der Brust. Meine Klobrille und mein Bettzeug sind jetzt orange… färbt wie Sau. Kann man vielleicht für Ostereier verwenden?!

Tipp Nr.7 Ziehe die weiteste Hose an, die du finden kannst. Der Bauch wird geschwollen sein und druckempfindlich. Am besten irgendwas mit elastischem Bund. Und Slips ohne drückende Nähte. Und nicht zu vergessen Schuhe, in die du problemlos im Stehen schlüpfen kannst! Und lass dich zu Hause waschen.

Am OP-Tag hatte ich einen Druck im Brustkorb und Schmerzen in der Schulter, was normal ist und mich nicht weiter ängstigte. Das kannte ich schon und das ging auch innerhalb von zwei Tagen wieder weg. Der Wundschmerz war auszuhalten, nur der Kreislauf machte mir zu schaffen. Und das permanente Herzrasen. So „minimal invasiv“ solch eine OP ist, ist sie doch trotz allem eine OP. Und der Körper arbeitet dann fühlbar.

Es war dann leider auch so, dass gerade für den Kleinsten der Umstand, dass ich im Bett lag und ihn weder hochnehmen konnte noch mit ihm Fanger spielen, das arme Kleinchen sehr verunsichert hat. „Mama auftehn! Mama auftehn!“, rief er immerzu und kam auch nachts aus seinem Zimmer um in der Schlafzimmertüt zu stehen und „Mama auftehn!“ zu rufen. Oder tagsüber: „MAMA ARM! MAMA ARM! AUA! MAMA ARM!“, und sich nur sehr schwer beruhigen ließ durch den bärtigen Pfleger. Der war dann auch erkältungstechnisch wieder voll im Boot und am Wochenende hatten wir drei Rotznasen, einer mit zusätzlich Fieber und eine oben-drauf-Bindehautentzündung. Und mich.

Tipp Nr.7 Die Vorteile einer ambulanten OP liegen auf der Hand. Solltest du kleine Kinder haben, allerdings auch die Nachteile! Möglicherweise ist es für deine Genesung und auch für die Familie besser, du bleibst ein paar Tage stationär. Oder webst ein dichtes Netz an Helferlein um dich. Vielleicht hast du Familie, die unterstützen kann.IMG_1174

Ich leider nicht. Eine gute Mutter hätte Essen gebracht und im Haushalt geholfen. Eine schlechte Mutter hätte vielleicht angerufen um „Viel Kraft!“ zu wünschen. Meine hat nicht angerufen. Ich habe mir ziemlich leid getan und hätte mich nach Zuspruch und einer streichelnden Muttihand gesehnt. Wenn es einem schlecht geht, ist es wurscht, wie alt du bist!

Liebevolle Abhilfe kam aus dem Netz. Facebook, Instagram. So viele Genesungswünsche, die meinem hämmernden Herz gut getan haben. Und ja, da kann sich jemand hinstellen und sagen: Pah! Ist doch alles nur virtuell! Nicht echt! Aber der hat keine Ahnung, wieviel Trost sowas spenden kann. Danke euch allen! Ihr seid Schätze. ❤

Und Trost kam in Form einer Kollegin, die mit chinesischem Essen, Obst, Saft, Keksen und einem Blümchen vor der Tür stand.IMG_1176

Und in Form unzähliger SMS.

Und in Form von Blumen vom Mann.

Tipp Nr. 8 (allgemeingültig) Sich zu ärgern über Dinge, die andere Leute tun oder nicht tun, ist müßig. Hilfe zu erwarten oder einzufordern, wo sie nicht gern gegeben wird, ebenso. Man kann sich dann in Enttäuschung und Gram suhlen und verbittert werden oder neuen Menschen und Überraschungen öffnen. Und vielleicht muss man auch einfach sagen, dass man Hilfe braucht. Also der Welt, nicht den Menschen, die dazu vielleicht aus genetischen oder moralischen Gründen von Haus „zuständig“ wären. Lass dich nicht wiederholt negativ überraschen. Lass dich vom Rest der Welt einfach positiv überraschen!

Wut. Die Wut wurde noch größer. Als der Bärtige nach dem ersten Duschen meine Pflaster wechseln sollte, sagte der: „Sage mal, wie lang ist denn diese… die hört ja gar nicht mehr…“. „Hä?! Was?!“. „Ach, nichts.“. Dann fummelte der ewig mit den neuen Pflastern rum und ich meckerte. Darauf er: „Ich weiß gar nicht, wie ich das kleben soll! Das Pflaster ist nicht groß genug!“.

Gestern dann war ich neugierig. Sechs Zentimeter sind die Pflaster lang, ich habe gemessen. Nicht groß genug? Dann abgezuppelt. Neugierde wird bestraft. Mit Wut. Dreimal hab ich das nun hinter mir. Mit Drainagen, mit großräumigen Gewebsentfernungen, mit allem. Und nun das hier! Bei einer einfach Befundlaparaskopie?!

Tipp Nr. 9 Das verwächst sich. Auch wenn überall steht, Knopflochmethode. Schnittlänge ein bis zwei Zentimeter, kann es sein, dass du aussiehst, als hätte ein transsilvanischer Aushilfsstudent mit dreiacht offm Turm an dir Schnittübungen gemacht. Außerdem sieht der Bauch sowieso grün und blau aus. Nun gut, das geht alles wieder weg. Also alles, bis auf die längeren, eventuell nicht ganz vorteilhaft gesetzten Nähte. Aber da kann man doch dann schön Tattoos drumherum machen! Und außerdem wirst du wieder gesund. Das ist das wichtigste. Und Extratipp: Gehe nie zu deinem Arzt und sage: „Gucken sie sich mal die Scheiße an! Das muss ein Besoffener genäht haben! Und wieso sind die Narben so lang!? Sagen sie mal was dazu!“. Kein Arzt bei Trost wird dir sagen, ja, sieht echt Scheiße aus! Also reg dich nicht auf. Oder reg dich auf und zwar richtig, aber kurz. Dann leg dir warme Tücher auf den Bauch und tu dir was Gutes. Iss Schokolade (außer, du bist verstopft), lies, schau Netflix. Und genese. Du wirst gesund, der Rest ist scheißegal! Und ja, die Karriere als Bauchfrei-Model musst du vermutlich an den Haken hängen. 😀

Die Ärztin sagt heute: „Sie sind der wichtigste Mensch im Moment! Ach, die Kinder sind krank? Und ihr Mann auch? Was hat er denn? Erkältung, soso. Na, da muss ihr Mann jetzt mal durch. Im Moment geht es nur um sie!“. Irrtum. Es geht nie nur um mich. Genausowenig, wie es nur um ihn geht. Wir sind eine Familie. Und keine Krankheit ist wichtiger als die andere und jeder Mensch hat begrenzte Ressourcen. Meinen erkälteten fiebrigen Jungs eine Heile-Heile-Suppe zu kochen, hat nicht nur denen gut getan, sondern auch mir.

Der Winter hat uns alle geschlaucht und bis die Viren und Bakterien endgültig die Weltherrschaft an sich reißen, zeigen wir denen den ausgetreckten… ! Und zwar damit:IMG_1180

  • ein Huhn mit
  • einer halben Sellerieknolle
  • zwei großen Zwiebeln
  • drei Knoblauchzehen
  • einem daumengroßem Stück Ingwer
  • einer halben Fenchelknolle
  • einem Zweig Thymian und
  • einem Lorbeerblatt

drei Stunden auskochen und fein abseihen, würzen. Nudeln und Möhrchen separat kochen und mit Fleisch und Peterli in der Brühe servieren. Und keine Angst, weder Fenchel noch Knoblauch schmecken vor! Die Brühe schmeckt fantastisch und hat das Beste an heilenden Zutaten für erkältete Lieblingsmenschen in sich.

Tipp Nr.10 Dein Bauch. Unter Umständen zickt dein Darm und verhält sich wie eine Diva. Das darf der auch. Reagiert vielleicht mit Verstopfung, krampft an Blähungen, weil Restgas resorbiert wird und auch über den Darm abgegeben wird. Sei lieb zu ihm. Gib ihm Leichtverdauliches. Lein- und Chiasamen kann ich nicht empfehlen. Das „arbeitet“ mir zu stark. Und da der Darm sich eh schon geärgert fühlt und der ganze Bauchraum ja zur Ruhe kommen soll, kann ich davon nur abraten. Irgendwo steht, man soll die Beine auf eine Bank stellen vorm Klo und so versuchen abzuführen. Und auf keinen Fall pressen! Ich kann nicht mit Beine oben und ohne Pressen geht es natürlich auch nicht. Davon geht aber so leicht keine Narbe auf. Versprochen. Ein Glas warmes Wasser morgens auf nüchternen Magen hilft vielleicht sanft. Ich habe an Tag drei eine Handvoll Trockenpflaumen mit Wasser aufgegossen und über Nacht stehen lassen. Am nächsten Morgen als erstes trinken, funktioniert leicht und ohne Schmerzen.

Alles wird wieder gut! Und ich bin so ein Glückspilz. Für vieles. Auch, weil ich eben Endometriose habe und keinen Krebs. Neben mir in dem Zimmer lag eine junge Frau mit Glatze, Schläuchen in der Brustregion für den Chemo-Tropf und einer großen Bauchnarbe. Vor ihr ein Hochzeitsbild, das sie mit langen schwarzen Haaren zeigt. Keine Kinderfotos. Ich denke oft an diese Frau in den letzten Tagen und ich weiß nicht mal ihren Namen. Aber ich bin dankbar, dass ich nicht in ihrer Haut stecke, sondern in meiner. Und ich wünsche ihr von Herzen alles Gute und glückliche Fügungen.

Und das wünsche ich auch euch allen hier. Danke fürs Lesen denjenigen, die es bis hier runter geschafft haben 🙂 Ich denke, das wars erst mal mit Krankheiten. Wir müssen auch mal wieder lachen, oder?!

Machen wir! Bis bald.

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Krokodilen und Spinnweben

Als ich Mira´s Geschichte las, lief es mir heiß und kalt den Rücken hinunter.

Da wir via Facebook befreundet sind durch die Bloggerei, las ich dann noch mehr über sie. Über das „Krokodil“ in ihrem Bauch. Wie es ihr nach der Endometriose-Operation ging, sah ihr strahlendes Gesicht und die Freude darin, dass sie schmerzfrei war. Ist! Dass sie schmerzfrei ist. Ich freue mich sehr, dass ihr Leidensweg einen guten Abschluss gefunden hat und hoffe, in diesen Satz muss nicht irgendwann ein „vorerst“ eingefügt werden… Dass das Krokodil für immer verschwunden ist.

Auch Tage später dachte ich noch an sie und schrieb sie an, denn nie hätte ich einfach so mit einem eigenen Blogpost ihre Geschichte aufgegriffen. Das liegt vielleicht auch daran, dass mir die Sensibilität um das Thema schmerzlich bewusst ist. Sie schrieb, sie freue sich auf meine Zeilen.

(Wer keine Lust hat, bei Wikipedia nachzulesen: Endometriose bedeutet, dass sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter ansiedelt und dort ebenso von Hormonen gesteuert agiert. Dabei stört sie die Funktionalität der befallenen Organe. Etwa jede zehnte Frau ist betroffen. Endometriose ist die häufigste Ursache ungewollter Kinderlosigkeit.)

Es gibt furchtbar viele chronische Krankheiten mit noch schlimmeren Verläufen, mieseren Prognosen. Manche sind nicht mal ansatzweise therapierbar. Und dennoch hat die Endometriose etwas Perfides an sich, etwas, dass zumindest in meinen Augen sehr elementar in das Frausein und oftmals in das ganze Menschsein eingreift. Mediziner haben errechnet, dass Endometriosepatientinnen auf durchschnittlich fünf Jahre Schmerzen in ihrem Leben kommen (sehr optimistisch gerechnet). Die psychische Belastung wird mit der von Krebspatienten gleichgesetzt. Immer wiederkehrende Schmerzen, Sterilität und alle Unannehmlichkeiten, die diese Zellwucherungen und auch die Therapie mit sich bringen, schlagen aufs Gemüt.

Auch mir.

Vor ziemlich genau zwanzig Jahren wurde ich das erste Mal operiert. Schmerzhafte Regelblutungen plagten mich und die Operateure sagten, schauen wir mal! Wir machen drei kleine Schnitte und morgen springen sie schon wieder wie ein junges Reh durch den Park. Ich weiß nicht, wass sie annahmen zu finden. Eine Zyste vielleicht? Die Laparaskopie steckte damals zwar nicht mehr in den Kinderschuhen, aber so ein Allerweltsding war sie auch noch nicht. Ich hatte Glück. Ich kam im Gegensatz zu Mira an Mediziner, die wirklich gründlich arbeiteten. Als ich aus der Narkose erwachte, war mein Unterbauch komplett zugeklebt und links und rechts hingen dicke Schläuche aus mir raus, die irgendwas in Beutel abtransportierten. Ich wurde völlig panisch, denn darauf hatte mich niemand vorbereitet!

Im Nachhinein erfuhr ich, dass ich eine Endometriose im fortgeschrittenen Stadium habe mit, neben akuten Läsionen an den Geschlechtsorganen, massivem Befall des Darms und der Blase. Beide Organe waren großflächig an der Bauchdecke angewachsen. Ebenso wie bei Mira musste auch bei mir ein Stück des Darmes entfernt werden, weil die Endometrioseherde leider die negative Eigenschaft haben, die befallenen Organe in Funktionsfähigkeit und Struktur zu schädigen. Der Operateur zeigte mir Fotos, die ich lieber nicht gesehen hätte und weil ich nicht verstand, was wo war, und was genau Muskelfasern und Bänder und was denn nun das „Böse“ in mir, etablierte sich von da an für mich der Begriff: „Ich habe Spinnweben im Bauch“.

Es heilte gut und ich fühlte mich sehr gut betreut. Nach zwei Wochen wurde ich entlassen mit dem Rat, meinen Kinderwunsch nur nicht allzu lange hinauszuschieben. Bei manchen Patientinnen käme die Endometriose wieder. Da war ich sechsundzwanzig Jahre alt und der Bärtige noch nicht in Sicht.

Anderthalb Jahre später war er dann da und ich machte ziemlich schnell Nägel mit Köpfen. Und der Bärtige machte mit. Ich ging wieder in dieses Krankenhaus, diesmal um die Durchlässigkeit der Eileiter prüfen zu lassen. Wieder Bauspiegelung. Fazit: Eileiter gespült, aber he! Wieder großflächiger Endometriosebefall im kleinen Becken. So schnell? Ja. Und dabei war ich damals sogar beschwerdefrei. Der Rat der Ärzte nach der zweiten Operation: Behandlung in einer Kinderwunschklinik. Die „spontane“ Einnistung eines Ei´s hielten sie für unwahrscheinlich. Wir folgten dem Rat und als wir den Termin für die Insemination hatten, wurde ich schwanger. Spontan. Einfach so wie andere auch!

Die Dauer einer Schwangerschaft ist für Endometriosepatientinnen eine sehr entspannte Zeit, da das bedeuetet, über Monate schmerz- und beschwerdefrei zu leben. Durch die Hormonumstellung trocknen die Herde aus, bilden sich zurück. Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, ob ich das damals besonders genossen habe…

Die Endometriose kam immer wieder. Nach jeder OP war ich eine Weile beschwerdefrei, um dann die Vehemenz der Hormone wieder mit all ihrer Hässlichkeit zu spüren. Ich habe mich an Entspannungsmethoden versucht, habe Kontakt mit meinem Körper aufgenommen. Es wurde nicht besser. Nur anders.

Ich lernte, dass Ibuprofen oder besser noch Diclofenac meine besten Freunde sind. Zusätzlich zu den atemraubenden Schmerzen während der Periode kam noch eine Laktoseintoleranz, die mich viele Jahre begleitete und auch Einschränkungen von mir forderte. Den Zusammenhang zwischen beidem hat mir erst viele Jahre später ein Arzt erklärt.

Die Jahre gingen ins Land und ich lebte mit den Gezeiten meines Körpers. Mal besser, mal schlechter. Ich war abgelenkt durch berufliche und private Herausforderungen. Dann wurde der Wunsch nach einem weiteren Kind immer drängender. Es klappte nicht noch einmal „einfach so“.

In der Kinderwunschklinik musste ich im Rahmen der regulären Bauchspiegelung wieder unters Messer. Die Erlebnisse und ein Einblick in meine damalige Gefühlswelt kann man hier nachlesen. Als ich aus der kleinen Routineuntersuchung viel später als erwartet erwachte, saß der Operateur mit sorgenvollem Blick am Fuße meiner Krankenhausliege. Draußen dunkelte es bereits und alle anderen Patientinnen, die diese so wuselige Tagesklinik morgens noch bevölkerten, waren längst wieder voller Hoffnung zu Hause. Ich lag noch da. Er sagte, dass er erst einmal im Laufe seiner Tätigkeit einen derartig schweren Verlauf bei einer Frau gesehen habe, und diese Frau sei aufgrund des Befundes bereits berentet gewesen. Berentet!

Die Scheiße war also wieder zurück. Und überall. Er sagte, er habe in vielen Stunden die Läsionen verödet – ich habe mir nicht gemerkt, wo überall – und dass er getan habe, was eben im Rahmen dieser Operation möglich gewesen war. Weiter insistierte er, mich dringend von meiner Kinderwunschbehandlung zu verabschieden und mich statt dessen zwingend einer chirurgischen und hormonellen Behandlung zu unterziehen. Aufgrund der massiven Vernarbungen und Schädigung der beteiligten Organe sollte das oberste Priorität haben.

Es gibt mittlerweile viele Varianten, mittels Hormonbehandlung der Endometriose entgenzuwirken. Salopp gesagt wird die Patientin für eine Weile künstlich in die Wechseljahre versetzt, damit die Herde austrocknen. Danach veröden, was noch da ist und im Nachhinein ist bei vielen Frauen eine Fruchtbarkeit wieder hergestellt und ja, es gibt Frauen, bei denen die Endometriose für immer oder sehr lange in einen Dornröschenschlaf fällt. Genauso wie es Frauen gibt, die keinerlei Beschwerden haben mit einer derartigen Diagnose. Ich zähle zu keiner der beiden Gru

Foto: Pixabay

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ppen. Mir wurde aufgrund der Schwere des Befundes und meines Alters geraten, über eine dauerhafte chirurgische Lösung nachzudenken.

Habe ich nicht. Nicht drei Minuten. Ich wollte nicht die Wechseljahre versetzt werden und schon gar nicht wollte ich kastriert werden! Mein ganzes Frausein, das Verständnis meines Seins hat mit meinem Uterus zu tun. Mit Fruchtbarkeit. Ebbe und Flut, Gezeiten. Und ja, irgendwann wird es Zeit, sich davon zu verabschieden, für jede Frau. Und loszulassen. Und ich denke auch nicht, dass eine Frau danach weniger „Frau“ ist, nur ich war nicht an dem Punkt, loszulassen. Das „Kinderzimmer“ zu räumen.

Und die Zeit gab mir recht. Und auch heute, vier Jahre später kann ich das Glück kaum fassen, das mich jeden Morgen anlacht aus seinem Bettchen.

Aber die blöde Scheiße kam wieder. Natürlich kam sie wieder. Etwa um den ersten Geburtstag des Wunderbaren.

Es sind nicht mehr nur fünf Tage im Monat, an denen ich mich quäle. Es geht bereits am Tag des Eisprungs los mit fürchterlichen Schmerzen in der Steißbeingegend, die bis in die Beine ziehen (Aha, sie sitzt also diesmal auch am Steißbein). Eine Woche vor „der Woche“ Blasenschmerzen beim Wasserlassen (Aha, die Blase auch wieder). Dann drei Tage, bei denen ich mich bei wirklich jedem Toilettengang winde vor Schmerzen. Die Laktoseintoleranz ist nach der schwangerschaftsbedingten Ruhephase nicht wieder aufgetreten, aber der Darm macht mir erneut große Probleme und ich bin eingeschränkt mit den Lebensmitteln, die ich vertrage. Dazu kommen Regelschmerzen, die mich an manchen Tagen denken lassen: Jetzt das Fenster öffnen und Anlauf nehmen! Immerzu eine andauernde bleiernde Abgeschlagenheit, die möglicherweise daher rührt, dass selbst unter Schmerzmitteleinfluss der Körper arbeitet, um die Entzündungsherde zu bekämpfen. Dazu kommt, dass ich mich permanent zusammenreißen muss. Stell dir doch mal vor, du lebst oder arbeitest mit jemandem zusammen, der ständig „ein Zipperlein“ hat. Willst du das immerzu hören?! Über Jahre?

Soweit der Ist-Zustand. Wir haben hier jemanden mit Schmerzen, aber ihr kann geholfen werden. Ja, die Therapie ist möglicherweise drastisch, aber he! Es locken Lebensqualität und ein schmerzfreies Leben! Wo also ist mein Problem?

Es liegt in der Natur der Erkrankung. Es geht um elementare Funktionalitäten des weiblichen Körpers und greift auch in die Intimität ein. So schmerzhaft jeder Eisprung ist, so freudig begrüße ich dennoch den Umstand, dass die Säfte noch fließen. Ebbe und Flut einer stürmischen, rauen See. Auch wenn es nahezu unwahrscheinlich ist, dass jemals wieder ein Ei die Einnistungsphase übersteht, begegne ich meinem Körper dennoch liebevoll und tröstend in dieser Zeit. Und ich habe Angst vor dem Gefühl der „Leere“ in mir, sollte ich die Gezeiten irgendwann nicht mehr spüren. So aprupt.

Ich bin einen langen Weg mit dieser Krankheit gegangen. Und ich habe zweimal das Wunder einer natürlichen Empfängnis erlebt und zwei völlig unkomplizierte Schwangerschaften durchlebt. Jetzt, zwanzig Jahre nach meiner ersten Operation habe ich vielleicht bald meine letzte.

Ich denke an Mira´s glückliches Gesicht und daran, dass jede zehnte Frau betroffen ist von dieser Krankheit. Manchmal kommt sie nicht wieder. Manchmal kommt sie lange nicht wieder. Manchmal bekommen auch Frauen mit einer eindeutigen Sterilitätsdiagnose gesunde Kinder. Einfach so! Ich wünsche es allen.

Und manchmal muss man einfach eine vernünftige Entscheidung treffen. Und ein Beratungstermin bedeutet ja noch nicht, dass ich das Kinderzimmer sofort ausräumen lassen muss…

 

*Für Mira, die Krokodilbändigerin*