Alter Falter…

Die bloggenden Familienväter vom Familienbetrieb und ichbindeinvater äußerten sich neulich sehr amüsant über Indizien des Älterwerdens und –seins bei Männern.

Nun ist das Altern bei Frauen weit weniger amüsant. Möglicherweise liegt das am spaßbefreiten Verhalten der Betroffenen. Am schockstarren Verdrängungsbemühen oder am Geruch der Verzweiflung, der aus den Schals wabert, die um faltige Frauenhälse geschlungen werden. Oder Loops.

Ich kenne mich da aus. Ich bin betroffen.

Außerdem habe ich in diesem Monat schon wieder Geburtstag. Gefühlt habe ich alle zwei Monate Geburtstag und mein genaues Alter muss ich manchmal anhand meines Geburtsjahres nachrechnen. Und manchmal beschleicht mich der Verdacht, dass dort ein Fehler vorliegen muss. Auch der Beste meinte vor kurzem erschrocken: „Wiiiie alt wirst du?! Fünfundvierzig?! Du wirst doch nicht fünfundvierzig …Oder?“.

In der Rolle als Mutter spielt mein Alter für mich absolut keine Geige. Mein Löwinnenherz bubbert kein bisschen schwächer als vor fuffzehn Jahren. Beruflich nicht, auch wenn es mich stets amüsiert, dass man in der meinigen Branche mit Mitte Vierzig irgendwie Chef ist oder die Branche wechselt (Als würden mit dem Bindegewebe auch die kreativen Ideen flöten gehen.). In meiner Rolle als Partnerin ebenso nicht, diesbezüglich bin ich ein Glückspilz! Aber.

Ich erinnere mich an ein Buch über Marlene Dietrich, in welchem geschrieben stand, dass die Diva die letzten Jahre ihres Lebens auf und in einem Bett verbrachte, umgeben mit den Dingen des täglichen Bedarfes. Sie hat Jahrzehnte das Haus nicht verlassen, damit niemand sie derart gealtert und entstellt sah. Sie ließ sich telefonisch von irgendwelchen Verehrern anflirten und flüchtete so träumerisch in vergangene Zeiten.

Es gab Tage, da erschien mir dieses Verhalten vollkommen logisch.

„Alter“ bekam ich mit neununddreißig. Am allerschlimmsten waren die Tage vorm vierzigsten Geburtstag. Ich habe mir jegliche Feierei zu diesem traurigen Anlass verbeten und musste dann auch noch fluchtartig mein Heim verlassen an diesem beklagenswerten Tag, weil renitente Freunde der Meinung waren, wenn ich schon nicht ans Telefon gehen wöllte, kämen sie eben vorbei und es ginge doch wohl nicht an, dass ich hier klammheimlich vierzig würde ohne Party! Und hier ist der Schampus (Es war morgens um neun!). Ich floh und sah mir mit tränenfeuchten Augen in Anbetracht meines in Bälde zu erwartenden Endes die damals in der Stadt verweilende Plastinatenausstellung an und fand, das sei die passendste Art, diesen Tag rumzubringen.

Wir altern ja unser ganzes Leben, aber das Altern im Alter ist so fies, weil die Hülle überhaupt nicht mehr zum Inhalt passen will. Ich meine, ich bin kein bisschen anders als mit dreißig, sehe aber nicht mehr aus wie dreißig! Was für eine Scheiße. War ich vor fünfzehn Jahren beim Arzt, saß ich einem grauhaarigen Mann mit dicker Brille und weißem Kittel gegenüber. Heute sitzt da ein junges Frollein und erzählt mir irgendwas über meine Blutdruckwerte und ich möchte sie unterbrechen: „Was wissen sie in ihrem Alter denn schon über Blutdruck?! Haben sie überhaupt schon ihr Medizinstudium beendet?!“. Ging ich früher zum Arzt, bekam ich Hustensaft und Vorträge über die Schädlichkeit des Rauchens. Heute bekomme ich Infobroschüren über Mammografie und Darmkrebsvorsorge. Daran ist nichts Würdevolles.

Noch vor einiger Zeit witzelte ich, das einzige, worauf ich mich jetzt noch freuen könne sei der Umstand, dass es ja nicht mehr allzu lange dauern würde, bis mich morgens ein knackiger Zivi weckt mit den Worten: „Guten Morgen meine Teure! Jetzt wolln wir sie mal waschen.“. Geschmacklos? Ach komm, hör doch auf!

Jetzt, wo es keine Zivis mehr gibt, bin ich auf einen neuen Trichter gekommen: Ich stell mich mit einem Stock an die Ampel und wenn ein Pralinchen vorbeikommt, hänge ich mich flugs an seinen muskulösen Arm und lass mich über die Straße geleiten, den Duft der Jugend für einen kurzen Augenblick einatmend (Ich sags euch, wenn ich das nächste Mal eine Omi an der Ampel warten sehe, rempel ich die an und zische: „Ich weiß genau, was du vorhast, SCHWESTER!“).

In Würde altern. Ich habe noch nie begriffen, was das denn nun bedeuten soll. Ich vermute, den Begriff haben Leute geprägt, für die auch früher nie der Spaß im Vordergrund stand. Und man kann sich tierisch über sexuelle Belästigung aufregen, aber es kommt die Zeit, in der man sich dann fragt, was genau das eigentlich noch mal war… Wenn einem früher nie die Bauarbeiter hinterhergepfiffen haben, dann vermisst man das logischerweise auch nicht. Wenn es heute von einem Gerüst pfeift, bin ich sicher, nicht gemeint gewesen zu sein. Ganz sicher. Und es trifft mich, so ungern ich das auch zugebe (Bitte keine professionellen Pfeifer zum Geburtstag!). Wenigstens stehe ich mit diesem Phänomen nicht alleine da, wie sich treffend beschrieben bei Mamaarbeitet nachlesen lässt.

Wenn man nicht Madonna heißt, hat man als Frau irgendwann ein Marketingproblem. Auf dem Flirtmarkt zumindest. Es gibt diesen „Double standard of aging“, auf den Simone de Beauvoir schon in den Siebzigerjahren hingewiesen hat: Alle Altersindizien werden bei Frauen ungleich unattraktiver eingeschätzt. Natürlich hat das alles seine evolutionsbiologische Richtigkeit, fies ist es trotzdem! Zu Fortpflanzungszwecken wird die ältere Frau primär nicht gebraucht und wenn man der Großmutter-Hypothese der biologischen Anthropologie Glauben schenken will, überleben wir Weiber die Menopause nur deshalb, weil wir einen positiven Einfluss auf die Überlebensrate unserer Enkel haben können. Und dafür braucht man kein schmuckes Gefieder. Na, vielen Dank!

All diese Gedanken schlichen durch mein von einer faltendurchzogenen Haut umspanntes Gehirn. So um den vierzigsten Geburtstag rum.

Die gute Nachricht: Es gibt ein Leben danach.

Der fünfundsiebzigjährige Freund meiner Mutter erzählte gestern vom letzten Urlaub und meinte, es sei furchtbar gewesen. Lauter alte Leute, es hätte nur noch ein Bestattungsunternehmer gefehlt! Auf den Einwand meines Sohnes hin, er sei doch selber alt, erboste sich der Jung-Opa: „Ich bin doch nicht alt! Alt bin ich vielleicht in zwanzig Jahren. Aber jetzt auf gar keinen Fall! Ich bin zu jung für Seniorenteller!“. Sehe ich ganz genauso.

Offiziell zähle ich nun zu den „middle agern“ aber für mich heißt das, ich habe gerade mal die Hälfte rumgebracht! Und ich lasse mir nicht einreden, dass die zweite Hälfte spaßbefreit in beigen Gesundheitsschuhen mit ondulierter Kurzhaarfrisur zu absolvieren ist. Ist es angemessen, alle Hotpants wegzuschmeißen am vierzigsten Geburtstag? Oder schon am fünfunddreißigsten? Kiessertraining statt Freeclimbing? Langlauf statt Snowboard. Ab wann? Und warum sollen mir jetzt Männer über fünfzig gefallen? Die sind alt! Und haben in vielen prominenten Männern Scheißvorbilder. Wie alt ist denn die Dingsbums von dem ihr-wisst-schon? Zwanzig, fünfundzwanzig? Das wird schon seine Gründe haben, dass den keine Gleichaltrige wollte…

In diesem Sinne: Hoch die Tassen! Auf eine lustige zweite Halbzeit. Nicht umsonst wachsen uns im Alter Sonnenstrahlen um den Augen, oder?