Geschenke

Disclaimer. Bevor eine(r) auf die Idee kommt, hierbei handelt es sich um eine gefühlsduselige Textkomposition über die immateriellen Geschenke meines Lebens – Kinder, Liebe, Gesundheit, Frieden, jaja, das ist alles sehr schön – nein! Es geht hier wirklich um Zeug! Gekauft! Mit Geld! Verpackt! Überreicht!

Am kommenden Sonntag ist der minus sechste Advent, wenn ich richtig gezählt habe. Höchste Zeit, sich auf die Weihnachtsgeschenke zu konzentrieren.

Bei uns werden in Google Dokumente öffentlich gepflegt, auf denen Wunschzettel beschrieben werden von allen Familienmitgliedern, die denn des Schreibens mächtig sind. Das mit den Wunschzetteln ist leider nötig, denn irgendwie neigen hier alle zu zweckmäßigen Geschenken oder besser gesagt zu ich-weiß-einfach-am-besten-was-du-wirklich-brauchst-Geschenken.

Wir gehen mal ein paar Jahre zurück in der Geschichte. Ich hatte vor dem Bärtigen mal einen Freund (Hört, hört!), der war sehr kultiviert. Er war zehn Jahre älter als ich, weit gereist, eloquent, gebildet, immer todschick gekleidet. Er trug Budapester, ich hatte nur Schuhe. Vom Reno. In dem Jahr, als wir eine gemeinsame Wohnung bezogen, schenkte er mir – dieser oben beschriebene Kerl – einen Eierkocher für zehn Eier! Das wars. Das war mein Weihnachtsgeschenk!

Das Trauma sitzt tief bei mir. Zumindest so tief, dass der „Eierkocher für zehn Eier“ hier sehr wohl als Thema bekannt ist. Allen ist klar: Ich will keine praktischen Geschenke! Und auf gar keinen Fall will ich Haushaltsgeräte und dergleichen mehr! Wer mir sowas schenkt, der liebt mich nicht. Der Mann darf mir Schmuck schenken (nachdem ich ganz genau gezeigt habe, was ich will), Unterwäsche, Parfum, Wochenendtrips, sowas eben. Ich verweigere mich dem in-diesem-Jahr-schenken-wir-uns-nichts-Gedanken ebenso vehement wie der Unart mancher Leute, sich gemeinsam etwas zu kaufen. Etwas praktisches meistens. Ein Küchengerät, ein Fernseher, ein neues Bett. Entsetzlich! Also für meinen Geschmack. Ich schlafe lieber auf einer Matratze auf dem Boden und benutze Omas alte Flotte Lotte, als dass ich auf persönlich für mich ausgesuchte Geschenke verzichte.

Der Mann weiß das, der Mann kennt mich. Dennoch erinnern wir uns mal an letztes Jahr. Heiligabend. Der Rotbemantelte kam zur Tür rein und grabschte übergriffig an seinem Enkel herum, während er seinen Sack entleerte.

Unten in der Mitte des Bildes seht ihr den zukünftigen Stein des Anstoßes meinerseits. Das Paket war für mich! Ich packte eine Pappschachtel aus, auf der gut leserlich stand: „Heizdecke“. Ich frotzelte, dass das eine wirklich originelle Verpackung sei für einen Ring/ ein Armband/ irgendwas von „La Perla“, der Mann sagte nichts. Ich zerrte das Innenleben der Schachtel ans Licht – eine Heizdecke! Mit Stromkabel!- und war fassungslos. Ich schüttelte die leere Verpackung in der sicheren Annahme, da käme noch etwas Güldenes rausgekullert, nichts! Mein Blick glich in etwas diesen Figuren meiner Kurrende:

„Oh! Es ist wirklich eine Heizdecke!“

Oh du fröhliche, jedenfalls nicht für mich. Und auch nicht für den Mann. Mindestens achtundvierzig Mal zischte ich ihm in den nächsten Tagen zu: „Du hast mir ernsthaft eine Heizdecke geschenkt! Ich meine, eine Heizdecke?! Bin ich deine Geliebte oder deine Großmutter?! Wie, du willst Sex? Mit jemandem, dem du eine Heizdecke gekauft hast? Vergiss es!“. Der Mann hatte viel Freude an seinem Geschenk. Ich missachtete jede seiner Erklärungen, mir sei doch immer so kalt und er wöllte nicht, dass mir immer so kalt sei! Geschenkt.

Jedoch, ich gebe es nur ungern zu und auch nur euch gegenüber: Ich liebe sie! Also die Heizdecke. Sie ist unter dem Bettlaken versteckt und keiner sieht sie. Und ich würde den Besitz natürlich sofort abstreiten, wenn ich danach gefragt würde! Sofort! Aber wisst ihr, wie herrlich das ist, an so einem kalten Regentag abends in ein warmes Bett zu steigen? Wunderbar ist das. Kein Wort zu dem Mann darüber! Wir verstehen uns.

Neulich kommt ein größeres Paket an, der Mann kriegt andauernd Pakete. Der Bärtige ruft mich und erklärt, das sei ein Geschenk! Für mich! Und weil es praktisch sei, bekäme ich es nicht zu Weihnachten geschenkt. Ich habe nur vorsichtig gefragt: „Wünsche ich mir es denn?!“, und er so: „Nein, das nicht. Aber du brauchst es!“. Ich frage noch nach, ob es wieder so „schön“ sei wie der Schuhstapler, den ich neulich erst geschenkt bekommen hätte?!

Ich habe ausgepackt:

Geschenk; man kann wippen damit

 

„Hast du gesehen, dass es beweglich ist?“, fragt der Mann. „Du kannst mit den Füßen wippen!“, sagt der Mann. Und: „Weil du so klein bist, kannst du ja nie richtig am Schreibtisch sitzen. Jetzt kannst du deine Füße abstellen!“.

Ich habe mich nicht bedankt. Unerwünschtes Verhalten muss nicht belobt werden. Was kommt nach Heizdecke und Fußbank? Ein praktischer Rollator? Nun muss ich aber leider sagen (also nur euch gegenüber), dass ich mit dieser blöden Fußbank tatsächlich meine Achillessehnen dehne, während ich arbeite. Weil ich als ehemalige Turnerin mit hypermobilen Bändern erhebliche orthopädische Probleme habe, die ich prinzipiell natürlich verschweige, und dazu zählen auch Hohlfüße. Wer niemals gelernt hat, über die Fersen zu laufen (Tänzer kennen das Problem auch), der kriegt dann später Probleme mit den Füßen. Und woanders auch. Ein Stützkorsett für die Lendenwirbelsäule hat der Mann noch nicht angeschafft für mich. (Oh Grundgütiger, hoffentlich liest er das hier nicht!)

Ich bin auch nicht frei davon, unpassende Geschenke zu machen. Wobei man da natürlich sagen muss, dass es der Mann ist, der einen komischen Geschmack hat, nicht ich. Unvergessen ist der Geburtstag, an dem ich ihm einen Tippeditopp Webergrill inklusive allen Zubehörs schenkte und den noch am selben Tag wieder zurückbringen musste mit den Worten: „Mein Mann möchte diesen Grill nicht geschenkt haben. Er grillt nicht so gerne. Er wünscht sich stattdessen einen Squashschläger!“. Dem Verkäufer ist derart das Gesicht entgleist, ihr macht euch kein Bild. Und dabei war ich mir sicher, die (!) Ehefrau des Tages zu sein! Denkste.

Es gibt bei uns nur noch Geschenke auf Bestellung. Deshalb die Google Listen. Keine Experimente! Letztes Jahr Weihnachten hatte ich einen klitzekleinen Vorstoß gewagt und ihm Karten für die Dresdner Humorzone-Gala geschenkt. Die ist dann ausgefallen wegen Corona. Außerdem hat sich der Mann auch nur so dezent nach innen gefreut beim Auspacken.

Ich geh keine Risiken mehr ein, habe ich beschlossen. In diesem Jahr bekommt der Bärtige Sportequipment (Laufhose und Handschuhe zum Joggen) und Bücher von Nele Neuhaus, Jo Nesbo, eine roségoldene Kette mit zwei verschlungenen Ringen, Duftkerzen, das Rosenöl von Weleda, ein Wochenende im Spa und jede Unmenge Häagen Dazs und Blätterkrokant und Minzschokolade. Es ist ganz einfach.

Frohe Vorfreude uns allen!

 

 

 

 

 

2 Kommentare zu “Geschenke

  1. Da es hier drunter sonst keine lobhudelenden Kommentaren gibt: Was für ein toller Text. Ich habe die Formulierung „nach innen freuen“ sofort im Familienwortschatz integriert.

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