Nachlese zum Welt-Autismus-Tag

Ich habe heute am Universitätsklinikum Dresden im Rahmen des Öffentlichkeitstages einen Vortrag gehalten, es ging um „Schule für alle!“. Begonnen habe ich mit den Worten: „Ich bin aufgeregt, weil ich ihnen in den nächsten Minuten einen wunderbaren Menschen vorstellen darf!“ und endete mit den Worten: „Mein Sohn ist besonders. Und zwar besonders toll!“.

Ganz besonders toll waren die Reaktionen im Anschluss für mich. Der Hörsaal war voll, viele Mediziner und Therapeuten, Pädagogen und ganz viele Eltern. Nicht nur aus Dresden, aus dem Umland, teilweise mehrere Hundert Kilometer angereist. Ganz viele Menschen haben im Vorbeigehen meine Hand gedrückt und „Danke!“ gesagt, „Sie sprechen mir aus der Seele!“. Ein älterer Herr meinte, er hätte geweint. Ich kenne seine Geschichte nicht. Mich hat das tief berührt.

Horst Wehner, selber Rollstuhlfahrer, hat in seiner Eröffnungsansprache sehr deutlich gemacht, wie schwer der Umgang mit „unsichtbaren“ Behinderungen ist. Das ist auch mein Empfinden: Wenn mein Sohn dem Fahrkartenkontrolleur seinen Behindertenausweis hinhält, erntet er stets ein verblüfftes Gesicht!

In Dresden gibt es derzeit sechsundachtzig Schulkinder im Alter von sechs bis neunzehn Jahren, die unter Autismusspektrumsstörungen (ASS) leiden. Das klingt nicht viel. Hinzu kommen die Kinder, die „in der Warteschleife“ hängen, die lange auf einen Termin zur Diagnostik warten, deren Diagnostik noch läuft oder wo der unendlich komplexe Prozess der „Klärung des sonderpädagogischen Förderbedarfs“ noch im Procedere ist. Hinter jedem Kind steht eine Familie. Eine Familie, die Odysseen an Therapeutenbesuchen und Gesprächen hinter sich hat und sich nicht selten jahrelang die Haare rauft und fragt, was nur stimmt nicht mit meinem Kind?

Und selbst wenn die Diagnose steht und Dinge wie „Nachteilsausgleiche“ zum Beispiel geregelt sind, dann hört die Odyssee nicht auf. Nicht, wenn das Kind schulpflichtig ist. Bei geringfügigen (Es tut mir weh, das zu schreiben!) Störungen vermag das Kind vielleicht, durch erlernte Strategien und Kompensationsmechanismen irgendwie seinen Alltag alleine in einer Regelschule zu meistern. Was aber, wenn nicht? Ja, es gibt Förderschulen und das ist auch gut so! Aber was, wenn die Förderschule sagt: „Wir können ein Kind mit den kognitiven Eigenschaften wie ihres nicht adäquat bei uns beschulen! Es müsste auf ein Gymnasium!“ und die Gymnasien sagen: „Wir sind voll! Wir haben keinen Platz für ein Integrationskind! Und seinen Betreuer!“.

Ich habe heute viele Fachvorträge gehört, und sehr viel Gutes und Wünschenswertes und Ausbaufähiges war dabei. Hoffentlich folgen den schönen Worten Taten.

Und heute ging es ja „nur“ um den Schulalltag. Die Familien, die ich kennengelernt habe, sorgen sich ja nicht nur um zehn, zwölf Jahre. Hinzukommen die Fragen wie: Wird er/sie jemals einen Beruf ausüben können? Alleine einen Haushalt führen können? Familie haben? Jemals einen Freund finden? Wer beschützt sie/ihn, wenn ich es nicht mehr kann? Es wäre wirklich wichtig, dass diesen Eltern wenigstens die Sorge um die Schuljahre genommen wird!

Und ja, ich bin eigentlich nur zum Spaß hier und am liebsten bringe ich euch zum Lachen! Aber es ist wichtig, auch mal den Mund aufzumachen, um ernsten Dingen einen Raum zu geben. Morgen können wir wieder Spaß zusammen haben, heute drücke ich in Gedanken die Hände aller Eltern, die sorgenvoll auf die Zukunft ihres besonderen Kindes schauen.

 

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