Leben und Lassen – im November 2022

Heute ist schon der irgendwelchste Dezember – sogar der jährliche Schuhputztag ist schon vorbei – und ich hänge hinterher. Mal wieder. November?! Vorbei!

Aktuell hänge ich mit FKK in den Seilen. Kennt ihr? Fu**ing Kinderkeime, kurz liebevoll FKK genannt von mir. Der Mann nennt es EMS (Erschießt mich sofort), was auch legitim ist als Name. FKK zeigt sich so, dass dein anbetungswürdiges Fortpflänzchen eines Tages aus der Sozialisierungseinrichtung kommt, mit einer schlonzigen Nase und eventuell ein wenig Husten, vielleicht sogar geröteten Wangen. Energie hat das Kind wie ein Äffchen auf Speed, nach zwei Tagen merkt man gar nichts mehr. Dann, ja dann, hat der FKK-Virus nämlich einen deutlich lohnenswerteren Wirt gefunden: Mich!

Seit ich alt bin, komme ich mit diesen pädiatrischen Viren gar nicht mehr klar. Mich haut das dermaßen aus den Wollsocken, dass ich nur noch mit tränenden Augen röchelnd aus dem Schlafzimmer krächze: „Ich möchte bitte zum Abendbrot einen Kloß mit Rotkraut und Bratensoße! Bitte. Nur ein winziges Klößchen mit Kräutchen und Sößchen, ein klitzekleines! Vielleicht ist es das letzte, das ich je essen werde! Röchelröchelseufz.“.

Niemand hat mir Essen ans Bett gebracht, also lohnte sich das Dahinsiechen auch diesmal nicht, Ich sitze nun wieder aufrecht (nützt ja nichts) und wir erinnern uns jetzt gemeinsam anhand meines Handyfotoalbums an den November.

Wobei, kennt ihr das noch, als ihr klein wart und krank mit Bettruhe im Bett lagt und Bücher gelesen habt und jemand euch Puddingsuppe mit Zwieback brachte? Oder daran, als ihr Single wart, krank auf der Couch lagt – neben euch Pizzakartons – und den lieben langen Tag Talkshows im TV geschaut hat (Vera, Britta, wie hießen sie noch alle), oder später noch ohne Kinder, als der Liebste aus der Apotheke Tränke und Tropfen besorgte und Apothekengummibärchen? Keine Ahnung, geht das nur mir so, oder ist jetzt alles viel scheißer als früher?

Der Mann hat türkisches Nasenspray rausgekramt. Er behauptet, das sei Nasenspray, weil er es selber draufgeschrieben hat und eindeutig eine Nase darauf erkennbar sei. Ich sehe einen dunkelblauen Tannenbaum vor einem hellblauen Himmel. Vermutlich sprühe ich mir also Tannenbaumbeduftungsspray ins Hirn, aber ist ja auch egal. Apothekengummibärchen gab es keine – war ja klar.

So, der November. Schauen wir mal ins Fotoalbum. Der November hatte wohl sein beschissenes Image satt und hat sich bei Mutter Natur beschwert wie ein nörgelnder Erstgeborener: „Immer hacken alle auf mir rum! Grauer November sagen sie zu mir! Immer finden alle den Oktober golden und mich nass! Immer mögen alle den Oktober mehr als mich!“. Vielleicht hat Mutter Natur dem November gesagt, er müsse sich einfach mal anstrengen. Gut gemacht, sag ich da! Denn der November hat alles gegeben, von goldenem Licht und mildem Herbstwetter bis hin zum ersten lieblichen Schnee. Sich da im Wald rumzutreiben, hat nicht nur dem Frollein Graufuß gefallen.

Abends haben der Bärtige und ich als selbsternannte Ganzjahresbiergärtenbesucher auch wieder regelmäßig den Biergartenqualitätstest durchgezogen (einer muss es ja machen) und guckt mal, isses nicht schön? Ohne Filter, ich schwöre (wir wissen gar nicht, wie das geht mit den Betrugsfiltern).

Roibostee für sie, Hopfentee für ihn – und eine Schale Kaffeekekse bitte nicht vergessen!

Wenn ich im Schillergarten bin, wissen die Kellner schon bescheid: Ganz egal, ob ich nur einen Tee will oder eine ganze Ente, ich bestelle prinzipiell immer extra einen Teller Kaffeekekse! Das sind die Mürbchen, die auf der Untertasse liegen neben dem Kaffee. Ich will gar keinen Kaffee, ich will nur Kekse. Bekomme ich auch immer. Das ist wirklich sehr nett, und sehr lecker.

Deswegen, und weil ja nicht jeder von euch – oder jede – einfach mal in meine Lieblingskneipe gehen kann und dort die Kaffeekekse probieren, habe ich rumgefummelt und das Rezept nachgebaut. Pass auf, so gehts:

250g weiche Butter (zimmerwarm) mit

130g Puderzucker (etwa die Hälfte einer Packung)

1 Prise Salz und

350g Mehl verkneten.

Ein bisschen Vanille oder geriebene Tonkabohne ist optional. Der Teig ist weich und das ist richtig so. Jetzt die Hälfte des Teiges aus der Schüssel holen und irgendwohin schmeißen. In die andere Hälfte Teig knetet ihr 2 Esslöffel Backkakao ein. Danach schmeißt ihr den braunen Haufen auf den hellen, einfach draufklatschen! Jetzt die bicolorfarbige Teigmasse beherzt in vier Teile teilen mit einem Messer. Diese vier Teile einzeln auf eine Lage Klarsichtfolie ditschen und in der Folie zu einer Wurst formen, verzurren an den Enden. Es werden also insgesamt vier Würste, für insgesamt vier Backbleche. Ab damit in den Froster für mindestens zehn Minuten.

Wenn ihr Lust habt auf ein Blech Kekse, holt ihr eine Wurst aus dem Froster, lasst die kurz antauen, schneidet sie in dünne Scheibchen und backt sie, bis sie leicht braun sind.

Mit dem Rezept könnt ihr auch Tante Brigitte beeindrucken, die immer mit dem Finger „heimlich“ über eure Bilderrahmen fährt, wenn ihr sie mal wieder einladen müsst und die so Sachen sagt wie: „Hach, ihr jungen Frauen habt es heutzutage so leicht! Als wir damals unsere Kinder aufzogen, hatten wir keine Fertiggerichte und all sowas. Wir mussten noch richtig kochen und backen!“. Ja, Tante Brigitte, ich habe auch richtig gebacken, guck mal hier (*haut ihr eine gefrorene Teigwurst über die Rübe*).

Weil wir gerade beim Essen sind. Laut meinem Handyfotoalbum gab es im November:

Apfeltarte mit Quittengelee und Brot-e
Chicoreesalat mit Äpfeln, Orangen, Rosinen, Zitronensaft und Zucker – Kindheitserinnerung!
Palak Paneer und Naanbrot mit Knoblauchbutter – super einfach, super lecker. Wollt ihr das Rezept?
Onigiri von Tokyo Gohan Streetfood mal anders, mochten wir sehr! Kann man auch liefern lassen

November, das war auch die Zeit, das letzte Laub aufzufegen und danach feierlich mit Feuer die Kehrwochen zu beenden.

Das Laub, das jetzt noch bei uns rumliegt, wird langen liegenbleiben…

Was noch? Ach ja, ich war bei meiner lieben Freundin Anja. Die löst ihr Stofflager auf und ich habe eingekauft. Aus den quietschbunten Stoffen wurden Kissenhüllen (mit Hotelverschluss, ich kann keine Reißverschlüsse einnähen, falls das hier irgendjemanden interessieren sollte)…

…und ein Oberkleid für das Jüngelchen.

Dann war es auch schon Zeit, anzuadventen, der erste Advent war in diesem Jahr ja schon im November. Ich habe Kränze gemacht aus allem, was so rumlag: Dem Rückschnitt vom Olivenbäumchen, aufgefädelten Mandarinenschalen, und sogar Pappschnipseln.

So, das war´s. Wir lesen uns ja bald wieder. Brauch ich mich ja eigentlich gar nicht groß verabschieden hier!

Ich beende den Monatsrückblick heute jahreszeitengemäß mit der Hymne aller Glühweinverkäufer:innen. Den eingängigen Refrain können alle mitgrölen: „One more drink (Glühwein) she said, I think, I´m loosing my head now…“.

Der Song steht im übrigen auf Platz eins der Blondino-Charts November, gefolgt vom ewigen Liebling „Home“ von Klangkarussell. Wenn da der Knopfäugige glockenhell mitsingt: “ Ei faund Schuh!“, dann breche ich vor lauter Liebe innerlich zusammen.

Aber jetzt kommt hier das Glühweinlied und ich wünsche euch allen viel Spaß auf den Weihnachtsmärkten dieser Welt!

Es weihnachtet sehr

Es weihnachtet sehr

In den letzten vier Wochen war alles wie immer im Advent. Die Menschen rannten noch ein wenig schneller, mit gehetztem Blick, um noch mehr Zeug ranzuschaffen, zu kaufen, zu verschenken und verloren unterwegs oft die Nerven.

Diese verflixte Besinnlichkeit, nach der sich alle so sehr sehnen, all das Klingeling und Zimt-Vanille-Tannen-Duftpotpourrie, es scheint so nah und dennoch unerreichbar.

Überall klagen die Menschen um mich herum über „Vorweihnachtsstress“, als sei das eben etwas, was dazugehörig sei.

Wie kann man da ausbrechen? Vielleicht, wenn man den Mann zum Sushiessen einlädt, obwohl man selbst kein Sushi isst. Einfach nur, um ihm einen Freude zu machen im Advent, und seine Hand über das rohe Gemüse und den Fisch hinweg zu halten. Oder damit, dass der Mann beobachtet, wie waghalsige Kletterer einen Baum halbieren und denen die größte Mistelkrone abschwatzt, die ich je sah – für mich!

Zwischen all dem Streit und den Krankheiten und der endlosen noch-zu-besorgen-noch-zu-organisieren-Listen.

Ja, damit kann man versuchen, das Weihnachtsgefühl einzufangen.

Ganz sicher gelingt es, wenn man Freunde und Freundeskinder einlädt zu einer Weihnachtsfeier. 

Und diese dann Gänseschmalz, Plätzchen, Mandarinen und Weihnachtsäpfel auf den Tisch packen.

Und alle dann Weihnachtslieder singend und Laternen schwingend einen Spaziergang durch den dunklen Waldpark machen.

Und wenn dann sogar der Blasewitzer Weihnachtsgeist, der im Waldpark wohnt, vorbeikommt, und alle mit Wunderkerzen in der Hand „Stern über Bethlehem“ singen, dann ist Weihnachten. Ich hab es genau gespürt.

Marshmallows am Spieß, acht Liter Glühwein und dreißig Bratwürste vom Grill später war mir klar, das ist es! „Thats it“, wie Michael Jackson sagen würde.

Was noch? Ich hatte die Tochter meiner Freundin zu Besuch und wir haben Seifen gegossen. Diese habe ich in Tütchen verpackt und jeweils mit einem Salzteiganhänger, den der Blondino und ich gebastelt haben, in Mengen verschenkt. Und jedes Mal an diese beiden schönen Nachmittage gedacht, an denen die Dingen entstanden sind. Sehr hilfreich, um sich anzuweihnachten.

Alle Geschenke sind verpackt. Es ist deutlich weniger als in vergangenen Jahren und ich habe keine einzige Weihnachtskarte geschrieben, keine HOHOHO-eMail mit Familienbild vorm Baum versendet, und das fühlt sich gut an für mich. Vielleicht telefoniere ich eine Stunde am Heiligabend alle Verwandten ab und störe bei deren Festlichkeiten, weil ich mich dann doch schuldig fühle, und danach fühle ich mich dann noch blöde dazu und beschließe, im nächsten Jahr schreibe ich schon im November Weihnachtspost! Vielleicht. 

Wir waren Riesenrad fahren mit dem Kleinsten, und obwohl ich Menschenmassen extrem unangenehm finde und daher Weihnachtsmärkte keine Wohlfühlzonen für mich sind, war das schön. Gut, auch voll und kalt, aber schön. Doch, wirklich. Vielleicht mache ich das jetzt öfter.

Ich habe mit dem Kleinsten zusammen insgesamt sechs Kilo Plätzchen gebacken und drei Kilo Stollen. Ich habe heute noch Eierpunsch gemacht und an Heiligabend gibt es Kartoffelsalat mit dreierlei Würsten, Buletten (die man in Dresden „Bäffis“ nennt), selbst gebackenes Brot und eine Käseplatte.

Wir werden Gans essen an der Frauenkirche und Reste vertilgen mit Familienangehörigen. Wir werden drei Tage lang Besuch haben und ich freue mich wie verrückt darauf. Wenn es nach mir gänge, könnten es an jedem Tag noch mehr liebe Menschen sein, die sich hier rumdrücken. Es ist soweit: Ich habe innerlich Weihnachten!

Ich laufe über den hektischen Schillerplatz und wünsche jedem, der zufällig meinen Blick auffängt, fröhlich: „Fröhliche Weihnachten!“, und vielleicht wird schon in Blasewitz vor mir gewarnt.

Mir ist das ernst. Ich will fröhliche Weihnachten. Ich will Besinnlichkeit, Liebe all around und dass die blöde Bronchitis weggeht und die Magenschmerzen und die Schlaflosigkeit in meiner Familie. Und dass mein Großkind den Schulstress abstreifen kann und gern bei uns ist. Nicht nur zum Handy aufladen und zum Sandwich to go schmieren in der Küche auftaucht.

Dass wir es schön haben am Heiligabend. Dass das Essen reichen wird (natürlich wird es das) und alle Gäste mögen, dass ich diesmal Gedichte und Geschichten ausgedruckt habe und es vor jedem neuen Becher Eierpunsch einen Kulturbeitrag geben muss. Dass wir einen Platz in der Kirche bekommen beim Krippenspiel. Und dass jeder Mensch in meiner Nähe dieses Weihnachten ein wenig länger als bis Neujahr in sich trägt.

Ich wünsche mir, dass sich verschiedene Verschwurbelungen, die mir und denen, die ich liebe, das Leben ein wenig mühsam machen, auflösen im nächsten Jahr. Und Geduld bis dahin.

Ich wünsche euch allen von Herzen ein schönes Weihnachtsfest, ganz gleich, wie und mit wem ihr es verbringt, und dass sich eure Erwartungen erfüllen mögen. Ich wünsche euch Gesundheit und inneren Frieden. Ich wünsche uns, dass wir uns im nächsten Jahr hier wieder lesen und ich danke euch für fünf Jahre Nieselpriem. Ich danke euch für jede eMail, jeden Kommentar bei Facebook, jedes Herz bei Instagram und jedes „Ey, hallo! Bist du nicht die Nieselpriem?!“, auf der Straße. Ihr macht mir damit übers Jahr so viel Freude, das sind auch Geschenke. Ich freu mich wirklich immer darüber, danke schön!

Jetzt ist Weihnachten!

Und weil irgendwer bei Facebook ja immer fragt, “ Ob Chris Rea schon losgefahren sei?!“, ja, isser. Und mit diesem Oberschnulz schicke ich euch jetzt in die Weihnachtsferien.

Habts schön und schüssn bis nächstes Jahr, eure Rike. ❤

 

Tür 9 – ver-Hexhex-te Weihnachtsmarktidylle

Rückblende: Inmitten des trubeligen #blomm 2015 saß eine Frau mit einem ganz kleinen Baby auf dem Arm, einem Wuselkind zwischen den Beinen und einem glücklichen, geduldigen Madonnenlächeln im Gesicht: Vivian von Hexhex 2.0. Und so nett wie dieses erste Bild war, das ich von ihr immer noch vor Augen habe, ist ihr Blog. Ich liebe die Kindermund-Zitate und schüttele ungläubig den Kopf, wenn sie mal wieder irgendwas „schnell Zusammengenähtes“ für ihr großes oder ihr kleines F zeigt (was das bedeutet, werdet ihr beim Lesen wissen). Dabei ist sie völlig unprätentiös und hat einen feinen Sinn für Humor. Ich freue mich schon sehr auf ein Wiedersehen mit Vivi und den beiden F´s in 2016. Und nun: Türchen auf für Vivi!

Ich weiß ja nicht, wie es bei Rike in Pieschen ist. Bei uns in Berlin singt und blinkt im Advent die ganze Stadt rhythmisch im Viervierteltakt und sowohl jeder Einheimische als auch jeder Touri kommt auf seine Weihnachtsmarktkosten. Gendarmenmarkt mit selbstgeklöppelten Feinstrumpfhosen, Nostalgie am Opernpalais mit mundgeblasenen Nussknackern oder Riesenrad und „Wer hat noch kein Los?“ auf dem Alexanderplatz. Da Kinder in aller Regel nicht von Bienenwachskerzen, Blütenkochkurs und Seifenkunst in ruhiger Atmosphäre zwischen einer Handvoll Rentnern und verliebten Pärchen zu begeistern sind, schrumpft die Auswahl der familientauglichen Weihnachtsmärkte bedenklich. Auf einen, um genau zu sein. Der ganz normale fiktive Weihnachtsmarktwahnsinn, wie er also genau so oder so ähnlich stattgefunden haben könnte: (Ähnlichkeiten mit existierenden Personen sind durchaus beabsichtigt und nicht zufällig)

Ich mag keine Menschen.

Wobei, grundsätzlich mag ich Menschen schon, aber nicht, wenn es viele auf einem Haufen sind. Überfüllte Flughäfen, Einkaufscenter an Adventssamstagen oder den Möbelschweden an einem normalen Wochenende versuche ich zu vermeiden, um keine Schnappatmung zu bekommen.

Es versteht sich also von selbst, dass es kaum einen Ort gibt, der mich mehr stresst, als der Weihnachtsmarkt. Aber nicht hingehen kann man ja auch nicht, ist schließlich nur zu einer Zeit im Jahr. Jedenfalls wird aus Wir-gehen-über-den-Weihnachtsmarkt meist ein lauwarmer Glühweinfleck auf dem weißen Wintermantel und ein leeres Brötchen mit Ketchup in der Hand, in dem vor dem Anrempeln eben noch eine Bratwurst steckte.

Mit Kind gewinnt der Weihnachtsmarktbesuch nochmal extrem an Qualität. Mit dem Monatsbudget von 50€ auf den Markt zu gehen, ist ein dringlichst zu vermeidender Anfängerfehler! Man ist noch nicht ganz unter dem Willkommensschild durchgelaufen, schon warten gefüllte Heliumrudolphs auf ihre Adoption. Das schulterngezuckte „Ach komm, ist ja Weihnachten“ kostet im Schnitt 8€. Wenige Meter weiter der Stand mit Zuckerwatte, „Darf ich? Büüütteeee“. Mütterlich-logische Argumentationsketten, die die Wörter „Zucker“, „Karius und Baktus“ und „eklig“ enthalten, werden gekonnt abgewehrt von einem aus Shrek bekannten katergleichen Augenaufschlag. Plinker Plinker. Nach 20min in der Zuckerwattenschlange und 3€ weniger stellt das Kind nach dem ersten Abbeißen fest: Es mag eigentlich gar keine Zuckerwatte. Jackpot!

Auf der Suche nach dem nächsten Mülleimer mit freien Kapazitäten rauscht die „Wilde Maus“ an uns vorbei, direkt dahinter wie von der Tarantel gestochen das Kind. Dann heißt es schnell sein! Weil Anleinen verboten ist, man sein Kind auf einem Weihnachtsmarkt aber besser nicht aus den Augen verlieren sollte, rennt man hinterher, verursacht ein paar Glühweinflecken und fliegende Bratwürste (sorry!), um dann das Kind schon mit den Fahrchips in der Hand am Kartenhäuschen stehen und nur noch auf das Geld warten zu sehen. 1 Fahrt 2,50€, 5 Fahrten 10€. Während sich das Kind die nächste Viertelstunde in der Wilden Maus vergnügt, trete ich frierend auf der Stelle und suche den Markt mit den Augen nach dem nächsten Glühweinstand ab. Ein Auge ist natürlich immer bei der Wilden Maus und winkt.

Glühwein finde ich auf die Schnelle keinen, wohl aber den Stand mit gebrannten Mandeln. Die Weintrauben am Stiel zum Preis von schokolierten Goldkugeln und eine straußeneigroße Marzipankartoffel später, fällt dem Kind ein, es könne ganz dringend so ein buntes Rad am Stock mit Zuckerperlen gebrauchen. Das rolle so lustig und Glöckchen habe es auch. So ein schönes Andenken! Wenige gerollte Meter später bricht der Stiel des lustigen Rades ab. Plinker Plinker. Das Kind kann nach eigener Aussage nun „keinen Schritt mehr laufen“ und muss auf Papas Schultern. Ich frage, ob es von da oben einen Stand mit Glühwein sehen könne. „Brühwein?! Hä?!“.  Während wir uns durch das Gedrängel wursten, hebe ich reisegruppenmäßig einen Arm, damit die Familie hinterkommt. Stelle fest, 168cm sind nicht die ideale Weihnachtsmarktgröße. Das Kind sagt, auf 2m Höhe sei es sehr komfortabel. Papa bestätigt seine Anwesenheit mit einem Grunzen .

Auf dem Weg zum Glühwein kommen wir an einem Kettenkarussell vorbei. „Jaaaa, Juhuuu, das wollte ich schon IMMER mal ausprobieren! Aber ich trau mich nicht alleine. Kommst du bittebitte mit, Mama?“. 6€ später sind wir wieder mittendrin im Weihnachtsmarktgetümmel und lassen uns mit vernachlässigbarem Eigenantrieb vorwärts schieben. Und dann: ein Schild! Wo es einen halben Meter Bratwurst gibt, gibt es mit Sicherheit auch etwas zu trinken. Auf 3 verlassen wir die Menschenmasse und finden uns am Glühweinstand ein. 2 Glühwein und ein Kinderpunsch inklusive Tassenpfand 18€, und da ist noch nicht mal Schuss dabei. Die Ausgaben liegen bei 50 und einem zusammengekratzen Euro aus Restbeständen Hartgeld. In der Hoffnung, keine Parkgebühr bezahlen zu müssen, kämpfen wir uns entgegen der Schieberichtung durch die Lawine aus blinkenden Plastikgeweihen und singenden Weihnachtsmannmützen zurück zum Ausgang an den Ständen vorbei: Jingle Bells Jingle Bells, Ooooo duuuuu fröööööhlicheeehee, Stiihiille Naaacht, Last Christmas I gave you… Boah, draußen!

Am Auto angekommen, setzen wir uns rein, schnallen uns an und bleiben einen Moment lang einfach sitzen und atmen. Zwischen uns der stille Vorsatz, 12 Monate keinen Weihnachtsmarkt mehr zu besuchen… Und nächstes Jahr gibt’s keine Zuckerwatte, dafür aber ein Kind mehr. Hohoho…