Auszeit

Mir ist gerade das Herz schwer.

Bei Nina konnte ich heute einen wundervollen Bericht über einen Kurzurlaub auf Sylt lesen und bei Gretel tolle Fotos vom Liebesurlaub an der Ostsee bestaunen.

Ich gönne es beiden neidlos von ganzem Herzen, wenn auch mit Weh. Denn bei uns werden vermutlich noch einige Jahre ins Land gehen, bis der Bärtige und ich wieder einmal alleine verreisen können. Oder überhaupt länger als ein paar Stunden allein zu zweit sein werden. Das wissen wir. Und wir haben auch gewusst, als uns unser zweites Kind geschenkt wurde, dass sich dieser Zustand um weitere Jahre verlängert.

Es wird immer angenommen und als selbstverständlich angesehen, dass -wenn es denn Großeltern gibt- Oma und Opa liebend gern Zeit mit den Enkeln verbringen und diese am Wochenende oder in den Ferien betreuen wollen. So kenne ich das auch aus meiner eigenen Kindheit. Meine Eltern sind oft ohne mich verreist, ich war dann bei den einen Großeltern. Oder bei den anderen. Und das sehr gern.

Bei unserer eigenen Familiensituation ist das so nicht vorstellbar. Als der Große noch ein Kleiner war, war meine Schwiegermutter mehrmals mit ihm allein im Urlaub. Da hätten wir dann alleine verreisen können. Liebesurlaub machen. Beziehungspflege. Haben wir nicht, vermutlich weil uns das Besondere daran gar nicht bewusst war in diesem Moment!

Mit dem Schuleintritt des Großen häuften sich die Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kind, sodass es unvertretbar erschien, ihn irgendwo allein hinzugeben. Er wollte auch nicht mehr.

Abgesehen davon unterscheidet sich die heutige Situation extrem zu meinem eigenen Erleben von Großelternschaft: Waren meine Omas mit selbst gebackenem Kuchen und Pudding und feuchten Küssen stets tränenverschmiert erfreut, wenn ich zu Besuch kam, so erlebe ich die „neuen“ Omas bei uns doch ganz anders: Sie verreisen, machen Sport, gehen auf Veranstaltungen, haben einen straff gefüllten Terminkalender! Das sei „der Egoismus der neuen Großeltern“, habe ich mal irgendwo gelesen. Die sitzen nicht mehr strickend und stopfend auf der Couch und warten, dass einer der Kinder oder Enkel zu Besuch kommt. Die haben noch ein mit eigenen Interessen gefülltes Leben.

Das dürfen sie. Natürlich! Und trotzdem…

Es ist kein legitimes Recht, anzunehmen, dass die eigenen Eltern unsere Kinder genauso lieben wie wir. Und sich freuen, mit ihnen so viel Zeit wie möglich zu verbringen. Für mich war das ein schmerzlicher Lernprozess. Gerade weil ich in meinem Umfeld auch Großeltern erlebe, die ihre Kinder sehr aktiv unterstützen bei der Kinderbetreuung, im Haushalt. Die anreisen von sonstwo, wenn jemand krank ist, um zu helfen. Die sogar zusammen verreisen. Weil alle Beteiligten das so möchten. Ich finde das toll! Auch wenn ich mir natürlich vorstellen kann, dass das sehr viel Verständnis und Rücksichtnahme auf beiden Seiten erfordert.

Die Eltern begleiten uns bei unserer Entwicklung eine ganze Zeit und dann – mit Glück- noch einmal ein paar Jahre bei der Entwicklung unserer eigenen Kinder. Bis sie dann selbst auf unsere Hilfe angewiesen sind. Und ich frage mich manchmal, was sollen meine Jungs für einen Blick auf mich als alte Oma haben, wenn sie es gar nicht aus eigenem Erleben kenne? Reicht es aus, sie mit Liebe zu überschütten und immer präsent zu sein, wenn sie es denn wünschen? Oder mache ich dann womöglich schon wieder zu viel? Verliere ich vielleicht meine eigenen Interessen dabei?

Letztere Frage treibt mich sowieso immer mal um. Mit einem „besonderen“ Kind ist der Abnabelungsprozess ein ganz anderer. Er ist sehr fixiert auf uns Eltern und macht auch heute als Vierzehnjähriger nichts allein. Er braucht ganz viel Aufmerksamkeit und Präsenz. Und weil er als seltsam wahrgenommen wird, habe ich ein starkes Schutzbedürfnis und noch immer meine Schwingen über ihm ausgebreitet. Auch wenn er mittlerweile in der Mauser ist und kaum noch drunterpasst.

Mein Kleinster wird mit dem Bewusstsein aufwachsen, dass Omas und Opas die Leute sind, welche an Ostern, Weihnachten und zu Geburtstagen hier sind und Geschenke mitbringen. Feiertagsfamilie nenne ich das. Ich habe gelernt, das zu akzeptieren. Eine andere Familie haben wir nicht! Und ich weiß, es gibt auch junge Familien, die vor Elterngräbern stehen und die vermutlich sagen werden: Na, du hast gut reden!

Und doch: Manchmal wäre es schön, wenn es außer uns zwei Eltern noch jemanden gäbe, mit dem wir diese Obhut teilen könnten. Manchmal wäre es schön, wenn ich die mir vollkommen abhanden gekommene Spontaneität wiederfinden könnte und mal für ein Wochenende Hand in Hand alleine mit meinem Mann an einem Strand entlangspazieren dürfte (Kein Berg! Auf gar keinen Fall Berge! Dann bleib ich lieber hier!). Ihr wisst schon, was ich meine… Dass mal jemand stolz mit dem Baby ausfährt um den Block oder mit dem Großen zu Mc-en geht. Der Urlaub ist ja nur ein Platzhalter in dieser Geschichte.

Wenn ich dann diese Bilder und Berichte sehe, dann wünsche ich mir das auch für mich, für uns. Und mehr noch, dass Euch klar ist, dass ihr da etwas habt, das besonders ist. Und kostbar. Und nicht selbstverständlich.