Vergangene Woche habe ich meine Prüfung zum „Systemischen Businesscoach“ bestanden. Ich wollte diesen Lehrgang unbedingt machen, das Timing war allerdings ganz großer Mist. An einem Dienstag im September wurde ich mit dem neuen Baby aus dem Krankenhaus entlassen, kurz darauf saß ich schon in der Schulung und verfluchte mich und meine eigene Überheblichkeit („Hey, wie schwer kann das sein?! Stille ich halt zwischendurch! So´n Wurm liegt ja eh nur rum!“).
Nun gut, ich hab das durchgezogen, irgendwie. Denn wer will, findet Wege. Wer nicht will Gründe.
Überhaupt bin ich ja der ganz große Sprücheklopfer. Mein Lebensmotto habe ich dem alten Immanuel abgeluchst: „Ich kann weil ich will was ich muss.“ Heißt in meiner ganz eigenen Interpretation: Ich muss nur das machen, was ich will!
Jedenfalls habe ich am Prüfungssamstag mit zermatschtem Kopf morgens um fünf über meinen Unterlagen gesessen und überlegt, ob ich noch schnell die Vita vom Ausbildungsleiter auswendig lerne oder sonst wie im blinden Aktionismus irgendwas reißen kann um meine überdimensionale Inkompetenz zu verschleiern… Da mir nichts einfiel, habe ich Fleiß vorschützend ein Bild meiner vor mir ausgebreiteten Bücher etc. bei Facebook gepostet.
Wenn ich das geahnt hätte! Ungewollt habe ich den Eindruck erweckt, Baby und Haushalt und nebenbei-Schulung, Blog und kreative Heimarbeit ganz laissez faire aus dem Handgelenk zu schütteln. Ich bin nun offensichtlich in Erklärungsnöten!
Mache ich tatsächlich den Eindruck, dass Alicia Keys jeden Morgen neben meinem Bett steht und für mich „Superwoman“ singt zum Wachwerden?! Und mir die Weste mit dem „S“ auf der Brust reicht?! Bin ich die leibhaftige Persiflage der von mir so abgrundtief verhassten Mutti geworden, die in Seide und Kaschmir gehüllt flötend die Kita betritt und dreierlei vegane, laktose- und glutenfreie Muffins unter dem Arm hat, die sie mal eben schnell zwischen drei und vier Uhr in der Früh noch zubereitet hat und ihr Burberry-Kind mit Seidenschal und Seitenscheitel adrett auf dem Kita-Bänkchen platziert?! Die bei allen anderen Müttern den schalen Geschmack der Unzulänglichkeit hinterlässt?! Eine Cakepop-Prinzessin mit Sechzigerjahre-Superhausfrauen-Image?!
Leute, nun aber mal halblang!
Ich zieh jetzt die Hose runter für euch. Jetzt kommen sie, die ultimativen Geheimnisse der schlampigen Anti-Superwoman-Hausfrau!
Der perfekte Haushalt. So gehts:
1. Feuchte Reinigungstücher
Das absolute must have für mich. Damit feudel ich vom Kaminglas über Toilettensitze, Fensterbänke bis hin zu Baby´s Schnute alles ab, während ich links noch die Kaffeetasse halte! Also, nur das, wo ich bei meiner Körperhöhe von 1,57m so rankomme. Ich weiß natürlich, dass jedes Möbel oberhalb 1,70m eine Fellmütze aus Staub trägt, aber das ist mir wurscht!
2. Bescheißen beim Fensterputzen
Oberlichter putzen? Spar ich mir, indem ich die Jalousie auf Halbmast ziehe. Merkt keine Sau. Bis jetzt.
3. Microfaser-Flauschsocken
Mit diesen Socken an den Füßen immer schön durch die Wohnung rutschen, ruhig auch mal Schlittschuhlaufen simulieren (gut für die Fitness)und verwegen im Vorbeigehen mal mit den bestrumpften Füßen über die Scheuerleisten fahren. Macht Staubsaugen überflüssig. Abends dann die Socken mit den 300g Staubflusen ausschütteln und ab damit in die Wäsche!
4. Wäsche-Management
Irgendwann hatte ich mal begonnen, beim Wäschesortieren für jedes Familienmitglied einen Korb zu bestücken. Nun ist es aber so, dass alle, die zu faul oder noch nicht in der Lage sind, die Klamotten in ihren Schrank zu sortieren (quasi alle Familienmitglieder), ihren Korb einfach so stehen lassen und sich morgens irgendwas Sauberes rausziehen. Praktisch! Ich schmeiß das Gewaschene einfach wieder obendrauf. Gut, an den Anblick von vollen Wäschekörben in der Behausung musste ich mich erst mal gewöhnen, aber das ging relativ schnell. Ich erwäge mittlerweile, unsere Kleiderschränke komplett abzuschaffen…
5. Ordnung
Oft muss ich mir anhören, bei mir wäre es so verdammt ordentlich! Irrtum, ich habe nur gut schließende Schranktüren. Dahinter verbirgt sich das Grauen. Ich vermute, dass ich mittlerweile jedes Kleidungsstück in Form und Farbe viermal besitze, weil ich das immer wieder kaufe mit dem Gedanken: „Ach, das ist ja hübsch! Sowas wollte ich schon immer!“. Ich find es dann nur leider nicht wieder, weil in meinem Chaos alles vor mir Verstecken spielt hinter den Schranktüren.
6. Die Listenschummelei
Ich bin ja auch ein großer Freund von Listen. Sie strukturieren meinen Tagesablauf und identifizieren die Projekte, die ich unbedingt mal angehen müsste. Und ich finde das so beruhigend! Wenn ich mir selber einen todo-Zettel schreibe, auf dem steht: „Gewürzregal auswischen und die einhundertdreißig Töpfchen und Gläschen auf Haltbarkeitsdatum überprüfen“, dann habe ich ja immerhin schon einen Anfang gemacht! Und ehrlich, ob ein Gewürz schlecht ist, merkt man ja, wenn beim Benutzen tote Fliegen aus der Öffnung fallen!
7. Gesund kochen
Ganz wichtig! Ich esse auch sehr gerne. Und sehr gerne gut! Aber momentan wird bei uns jeder, der in der Lage ist, eine Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben, als Koch eingestellt. Na, und? Wer sich beschwert, darf an den Herd!
Und wenn alles wirklich mal selbst für meine Augen schlimm aussieht: Das Haus verlassen! Mit Abstand betrachtet, ist das größte Chaos gar nicht so schlimm! Frische Blumen kaufen und vor den Abwaschberg stellen (lenkt das Auge ab) hilft auch.
Und auch vor mir selbst mache ich nicht Halt, nein, da wird runteroptimiert, wo´s nur geht:
Die perfekte Frisur…ist die Bettina-Wulff-alltime favourite-red carpet-Schnipsgummi-Frise. Muss nicht gefönt werden und hält am zweiten Tag noch mit Trockenshampoo am Ansatz und Wachs in den Seiten. Das perfekte Makeup…besteht aus BB-/CC-Abrakadabra-Teintverjüngungscreme und das aufwendige Augen-Makeup wird durch eine Ganzgesichts-Sonnenbrille obsolet. Und Riesenschals kaschieren Kotzflecken auf der Schulter anmutig. Am besten gleich Klamotten in der Farbe von Babykotze tragen!
Also, wer den Mut zur imperfekten Behausung mit Maggifix-Tüten in der Haute Cuisine-Kombüse hat wie ich, der hat wirklich viel Zeit um allerlei Quatsch nebenbei zu machen.
Apropos nebenbei: Ich war heute Morgen in der Firma, weil ich dort was zu erledigen hatte und kam mit zwei Kolleginnen ins Gespräch. Wie das so ist, Blick in den Kinderwagen und das Erinnerungskino springt an. Die eine, zwei kleine Kinder, einhundert Kilometer Fahrweg jeden Tag zur Arbeit und zurück. Die andere erzählte von den zwei schweren ersten Jahren mit einem chronisch kranken Kind. Und dem Schmerz, morgens ein weinendes Kind in der Kita zurücklassen zu müssen, um seinen Mann zu stehen auf Arbeit. Nicht zu vergessen die Frauen, die das alles alleinerziehend „nebenbei“ wuppen müssen.
Stehen da wie aus dem Ei gepellt, schön und standhaft und Eine sagt bescheiden, es sei ja nicht immer alles Gold was glänzt…Dabei habe ich die Weste gesehen. Die mit dem „S“ auf der Brust. Unsichtbar vielleicht, aber sie alle hatten sie an!
Und während ich im Sonnenschein nach Hause in meinen goldig glänzenden Erziehungsurlaub spazieren durfte, dachte ich nur: Chapeau Mädels, ihr seid für mich die Größten!
Für alle Sindy´s, Nici´s, Andrea´s, Franzi´s, Bea´s und Christine´s dieser Welt: Carpe diem!
Und jetzt alle laut mitsingen: