Könnt ihr euch noch an den räudigen Stuhl vom Trödelmarkt erinnern? Nun, dieser Stuhl hat eine unangenehme Eigenschaft: Er neigt zur Cliquenbildung. Binnen kürzester Zeit scharte er noch zwei wurmstichige Halunken um sich, sodass ich in die Bredouille kam. Der Beste drohte regelmäßig damit, ein hübsches Feuerchen zu entfachen. Ich war im Zugzwang! Zur mitternachtsblauen Wand fehlte noch die passende Bestuhlung im Gartenhäuschen und Ikea hatte in der Fundgrube 2x mitternachtsblauen Bezugsstoff… Ich sah die Zeichen!
Wer bislang achtlos an alten Holzstühlen vorüberging in der Annahme, das Aufhübschen sei viel zu kompliziert, dem sei gesagt: mitnichten! Wenn der Stuhl nicht vom Holzwurm durchlöchert ist , ist er zu retten. Und wenn ich das kann, kann das jeder und ich fische hier nicht nach Komplimenten, sondern in ganz trüben Handwerksgewässern (alle, die wirklich etwas von Polsterei verstehen, bitte Augen zuhalten und ganz schnell woanders hinklicken…).
Du brauchst:
- Schaumstoffplatten (Baumarkt, bei den Heimtextilien)
- Bezugsstoff (zB. von hier)
- Holzleim zum evt. Verkleben lockerer Stellen
- Stoffschere, Hammer, Tacker
- Tapezierstifte (das sind Nägel)
- Packdecke (Baumarkt)
- doppelseitiges Teppichklebeband
Als erstes Sitz entfernen. Die meisten sind mit Gurten oder Federn im Unterbau bestückt. Gurte kann man selber spannen, wenn die kaputt sind. Wenn die Federung kaputt ist, bist du ein Glückspilz! Du kannst die Federn ausbauen und als Rankhilfen für Pflanzen einsetzen oder sonstwas dekoratives damit anstellen. Den Unterbau haust du in dem Fall weg und lässt dir im Baumarkt ein Brett mit den passenden Maßen zuschneiden.
Dann musst du den Sitz vom alten Bezug und Polstermaterial befreien. Das ist die einzige Arbeit, die zeitaufwändig ist und keinen Spaß macht.
Danach Bezugsstoff zurechtschneiden und evt. die Schaumstoffplatte in Form schneiden. Diese darf ruhig einen halben Zentimeter über den Holzrahmen ragen, sonst merkt man später das Holz am Ärschel. Aus der Packdecke einen Streifen schneiden, der so lang ist, das du den Schaumstoff einschlagen kannst.
Jetzt wird ein Türmchen gebaut (von unten nach oben): Bezugsstoff, in Packdecke eingeschlagener Schaumstoff, Sitzrahmen. Die Außenkante des Stuhlrahmens (keine Ahnung, wie die reguläre Bezeichnung ist) mit Teppichklebeband umranden. Alles schön zurechtlegen und dann den Bezugsstoff auf dem Klebeband justieren (gegenüberliegende Seiten). Der unschlagbare Vorteil: Du kannst es jetzt drehen und gucken, ob alles sitzt, nicht etwa das Muster verrutscht ist oder ähnliches. Falls doch, lässt sich der Stoff noch vorsichtig lösen und du kannst korrigieren. Ist alles zu deiner Zufriedenheit, schwing den Tacker!
Bei den Ecken wirst du einen Tod sterben müssen. Egal, ob du zieharmonikaartig Fältchen für Fältchen festnagelst oder wie ich einfach die Ecke nach innen einschlägst und ruckizucki festnagelst, das kannst du dir aussuchen.
Den Stuhl (oder die Stühle) hast du eventuell nachgeleimt, angeschmirgelt und gestrichen. Oder (wenn das Holz schön ist) zB. mit Arbeitsplattenöl abgerieben und poliert.
Dann kommt jetzt das Schönste: Zusammensetzen!
Auf zumindest einem meiner neuen, alten Stühle kann man sitzen, wie das Sitzmodel beweist:
Ich sage euch, wenn man einmal anfängt mit Stühlen rumzuexperimentieren, ist man schnell angefixt! Die Beine lassen sich austauschen, ein andersgestaltetes viertes Stuhlbein kann ganz apart aussehen, stylish wie von Designerhand! Auch Experimente mit Polsterstiften sind zu empfehlen. Das sind die Schmucknägel, die sichtbar im Polster sind… fangt einfach mal an!
Oder schreibt mir, ich hole euch die ollen Stühle eurer Oma vom Dachboden 😉 Aber nix dem Besten sagen, der flippt aus!