Vom Leben mit Schulkind

Der Herbst steht auf der Leiter und wirft von dort oben Eicheln mit Vorhaut nach uns. So benennt der Hauptakteur dieses Posts zumindest die Früchte der Eiche.

Vier Wochen Schule liegen nun bereits hinter und. Höchste Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen.

Eichel mit Vorhaut

Alles fing an, wie sowas immer anfängt. Mit Aufregung nämlich. Vor der Schuleinführung stand der Familienurlaub, bei dem der Bärtige beim Anreisetag aus der Familienkutsche stieg und verkündete, er könne sein linkes Bein nicht mehr bewegen – Fazit: Bandscheibenvorfall S1/L5 und das wäre ein guter Scherz, wenn es denn lustig gewesen wäre. Bandscheibenvorfall aufgrund einer mittellangen Autofahrt in einem bequemen PKW der Komfortklasse. Aber das war nicht lustig, hauptsächlich für den Mann natürlich, aber wir waren alle betroffen von der Krankenstation am Urlaubsort. Ich meine, am ersten Urlaubstag? Echt jetzt, Karma?!

Danach wurde der Kleine notwendigerweise mini-operiert, es galt neben der Schuleinführung auch noch den siebten Geburtstag inklusive Kindergeburtstag zu planen, der in die erste Schulwoche fiel (warum ich nicht vorher (!) auf die Idee gekommen bin, dass das ein bescheuerter Plan sein würde und stressig für alle und aus diesem Grunde in diesem Jahre doch besser ausfallen sollte, das frage ich mich noch heute).

Aber jetzt zum Eigentlichen:

Die Schuleinführung war schön, es wurde viel geheult (von mir) und meine drei Jungs sahen besonders schnieke aus. Vor der Festveranstaltung saß der Delinquent auf den Stufen und blickte mit gefalteten Händen auf seine Schuhe, während die anderen Kinder Blödsinn machten, weinten oder umhertobten. Das war´s dann mit dem schönen Leben, das stand in der Gedankenblase über seinem hübschen Kinderköpfchen. Er rührte mich sehr, ich stellte mich deshalb gleich zu der Gruppe mit den Heulern. ich heulte eigentlich durch, bis es endlich Mittagessen gab. Weil die Veranstaltung so ergreifend war, die Kinder so schön gesungen haben, weil der Blondino so groß aussah auf der Bühne, weil der Blondino so klein aussah auf der Bühne, weil wegen allem!

Die Schultüte für den Blondino habe ich bei Anja bestellt. Es ist eine Rakete mit Astronat. Mittlerweile ist es ein Kuschelkissen. Zugebunden wird die Rakete mit Zackenlitze, an der gesteppt die Buchstaben des Namens hängen.

 

Nun heißt „Schule unter besonderen Bedingungen“, unter anderem, dass man seine Fortpflänzchen an der Schultür abgeben muss. Okay soweit. Bereits in Woche zwei stand dann im Muttiheft: „Könnten sie bitte ihr Kind eher zur Schule bringen, er kommt immer erst beim letzten Klingeln ins Klassenzimmer, danke.“. Moment, dachte ich. Ich gebe ihn halb acht ab und winke durch das Fenster in die Garderobe. Um acht fängt der Unterricht. Frage: Was passiert in der Zwischenzeit?

Die Antwort ergab sich mir dann beim Abholen irgendwie aus der Situation heraus. Also beispielhaft quasi, aber lasst mich berichten: Ich komme und melde mich beim Anmeldebeauftragten des Hortes an, danach suche und finde ich das Produkt meiner ungezügelten Leidenschaft im Lego-Zimmer. „Hallo Kind, blablabla, komm bitte, ich warte vorn am Eingang, denn ich darf hier nicht sein, also komm doch bitte zum Eingang!“. Ich warte. Am Eingang. Irgendwann nach fünf bis zehn Minuten (wer schaut schon auf die Uhr) schlurft das Kind heran. „Kind, geh bitte nach oben und hole deinen Ranzen aus dem Spind!“, Kind trabt ab. Ich warte. Am Eingang. Sehr lange. Nach einer Viertelstunde gehe ich zum Hortbeauftragten und vermelde das Fehlen des erwartenden Kindes. Ich darf ausnahmsweise nach oben zum Suchen. In der zweiten Etage angekommen, lugt ein Ranzengurt des Sohnes aus dem Spind, kein Sohn in Sicht. Ich also wieder runter und vermelde, der Sohn fehle! Ich laufe das ganze Haus und umliegendes Gelände ab und finde ihn dann auf dem Spielplatz, in Hausschuhen und vollkommen schuldunbewusst! Er ist wohl zur Treppe hoch, an seinem Spind („Hole bitte deinen Ranzen aus dem Spind!“) vorbei, an der hinteren Treppe wieder runter und ab auf den Hof. Na klar. Danach wird noch jedes Kleidungsstück einzeln gesucht und dann können wir auch schon. Abholzeit an diesem Tag in Minuten: Fünfundvierzig. Macht ja nichts, ich hab ja Zeit! Ich ahne, wie das morgens so sein könnte. 

Am letzten Freitag regnete es. Ich weise das Kind an, Gummistiefel zu tragen und eine Regenjacke. Nachmittags komme ich, da steht jemand, der aussieht wie mein Kind, in riesengroßen Boxershorts ohne Socken, Hosen, Jacke in Hausschuhen auf dem Hof. Ich erfahre, dass der Blonde exzessiv in die Pfützen gesprungen sei (weil, er hat ja Gummistiefel an), bis das Wasser nicht nur bis zur Oberkante der Gummistiefel stand, sondern die Hose, die Jacke, die Unterhose, einfach alles, voller Wasser war. Man habe ihm notgedrungen ein Hose von irgendwem gegeben und ob wir die bitte morgen wieder mitbringen könnten?

Elternabend war mittlerweile auch schon. Eine Erziehungsperson im Elternverband der Klasse 1c meldete sich auch ganz aufgeregt und berichtete, dass Chiara-Chantal bereits fünfzig Seiten des „Lies mal“-Buches durchgelesen hätte und das halbe Mathebuch auch und ob man ihr das nun verbieten solle zu Hause, was meinen sie, was solle man tun mit so einem hochbegabten Kind?! (Ich meine dazu nur: Die Zeiten, als ich die Augen nur innerlich rollte an Elternabenden, sind endgültig vorbei, so viel kann ich dazu schon mal sagen.)

Als es um die Wahl des Elternsprechers ging, hatte die Erziehungsperson von Chiara-Chantal bereits den Arm oben, da war die Frage noch gar nicht gestellt. Ich war im übrigen dann gegen zweiundzwanzig Uhr die einzige, die sich nach dem Elternabend auf den Heimweg machte. Alle anderen hatten persönliche Fragen an die Lehrerin, die zwar auch vier Kinder hat und deshalb bestimmt gerne nach Hause gegangen wäre an einem Mittwochabend, wo doch am nächsten Morgen wieder früh die Glocke bimmelt, aber man hatte eben noch eine Frage. Oder zehn. Und das Klassenzimmer wöllte man auch noch mal besichtigen.

Schlafen ist auch so ein Thema. Nun hatten wir den Blondino endlich so weit, dass er auch mal bis sieben oder halb acht pennte, muss er nun sechs Uhr fünfzehn aufstehen – ein Drama! Fünf Tage lang zerre ich morgens ein vollkommen verschlafenes Kind in die Küche: „ich bin sooooo müde! Lass mich doch einfach in Ruhe!“, dann ist Wochenende und er hat es dann irgendwie verinnerlicht: Sechs Uhr fünfzehn wird er wach. Kein Scheiß. Ich bin vollkommen runter mit den müden Nerven und erkläre ihm, bis die Uhr um sieben anzeigt, bleibst du liegen! Das üben wir Samstag, das üben wir Sonntag und wann hat er es dann? Genau, Montag! Es ist nicht zum Aushalten. Ich werde nie wieder wach sein…

Aufstehzeit, irgendwann zwischen zu früh und viel zu früh

Hausaufgaben hat das Kind die erste Zeit total verweigert, wie eigentlich das ganze Konzept „Schule“. Nach zwei Wochen teilte er mit, er habe sich jetzt dort abgemeldet für ein Jahr oder so und wölle nun wieder in die Seesterngruppe gehen! Er habe es sich überlegt und so würde es jetzt werden.

Schulkind bei Hausaufgaben; ebenso im Bild: Anreize

Mittlerweile geht es, wenngleich das alles spielerisch und mit Anreizen passieren muss (ob du da als Elternteil nun Bock drauf hast, darum geht es jetzt nicht; also die nächsten – hier zweistellige Zahl ausdenken –  Jahre).

Was gut funktioniert ist, dass wir Nachmittags Scrabble spielen, das Kind und ich. Damit lernen wir Lesen und Schreiben. Gut, „horny“ kann ich nicht legen, auch wenn ich bei optimaler Position bestimmt dreißig Punkte machen würde, aber da will ich jetzt mal nicht kleinlich sein. Wichtig ist, ihn zu motivieren, außerhalb der Schule noch Schule zu machen. Er ist eben nicht wie Chiara-Chantal. Und mir macht es wirklich Spaß, seine Fortschritte zu beobachten, ohne Scheiß, auch wenn mir das den Nachmittag endgültig schrottet. Er wird dann auch bald die Zettel lesen können, die ich überall aufhänge: RÄUM DEIN ZIMMER AUF! ZIEH HAUSSCHHE AN! Das schont mir meine zarten Stimmbänder.

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Ich habe neulich auch eine sich auflösende Banane aus den frühen Septembertagen geborgen – in meiner Tasche! Und als der Familienwandertag anstand, suchte ich verzweifelt die Einladung dazu, denn ich wusste zwar noch wann (nämlich am vergangenen Samstag), aber weder die Uhrzeit noch den Treffpunkt. Und so begab es sich, dass der Bärtige einen Waschbären vermutend, abends aus dem Haus tritt und mich vorfindet, wie ich neben der ausgeschütteten Papiertonne inmitten von Zettelchen und Pappfetzchen hocke um die Einladung zu suchen. Diese verfluchte Einladung! Am nächsten Morgen wiederholte sich das Spektakel in aller Herrgottsfrühe zwischen der Restmülltonne und mir ein zweites Mal. Die Einladung blieb verschwunden. Es war aber neun Uhr, ich sei mir sicher, besprach ich den Mann. Da es nicht soooo viele Treffpunkte an der Dresdner Heide gibt, fuhren wir vor neun sämtliche Treffpunkte ab – keine Klasse 1c!

Vor zwei Tagen fand ich die Einladung. Sie klebte mit einem Magneten beschwert am Kühlschrank. Ich meine, am KÜHLSCHRANK, wer konnte das ahnen. Der Wandertag startete im übrigen zehn Uhr, aber das spielt eine Woche danach nun auch keine Geige mehr.

 

Note to myself: Hausmeister aufsuchen wegen der in den letzten vier Wochen verschwundenen drei Strickjacken, zwei Brotdosen und einer Trinkflasche.