Leben und Lassen – im Januar 2023

Heute ist der zehnte Februar und ich wollte euch sagen, dass es schön war mit euch. Und auf Wiedersehen! Denn wahrscheinlich sterbe ich bald. Zumindest denke ich das mal wieder. Weil, das kam so. Ich zum „check up 35“ – oder zum „Schäggubb“, wie meine slawischstämmige Ärztin es ausdrückt- und sie findet ein zartes Strömungsgeräusch über der Halsschlagader. Das war gestern.

Leute! Seitdem habe ich das Google zum Thema ausgelesen. Ich weiß jetzt alles über Arteriosklerose und Carotisstenosen, und dass mein Ende naht! Einem Hypochonder sowas einen Tag vor Abreise auf eine Insel zu erzählen, ist grob fahrlässig! Ich meine, ich drehe jetzt durch bis zum bittren Ende, werde mich vor dem Tode fürchten, bis der Tod eintritt! Das geht doch so nicht! Scheiße.

Dabei war das doch ganz anders geplant! Ich wollte ab sofort nichts Schönes mehr auf die lange Bank schieben, jeder Tag sollte als Geschenk bejubelt werden, und nun das.

Ich war natürlich heute morgen schon ganz früh bei der nächstbesten kardiologischen Praxis um mich als Notfallpatientin auf die Matte zu legen, aber freitags macht hier keiner was. Und ins Herzzentrum zu fahren mit einer Überweisung wegen „Strömungsgeräuschen“, das war selbst für mich etwas to much.

Ich tu also das nächstlogische: Ich backe Kekse! Weil, wenn ich schon vor meiner Zeit abnibbele, sollen alle sagen: „Sie war eine Nervensäge, und ganz richtig in der Rübe war sie auch nicht, aber ihre Kekse! Alter, so bekloppt wie sie war, so abartig gut konnte sie backen!“. So stelle ich mir das vor.

Das Keksteigrezept steht hier schon irgendwo. 350g Mehl, ein Stück Butter, 130g PuZu, eine Prise Salz und etwas Vanille. Die Hälfte davon habe ich schwarz-weiß gemacht, die andere Hälfte mit klein geschnittenen Cranberries, weißen Schokochunks, Nüssen und einer Handvoll Knuspermüsli zu Frühstückskeksen verarbeitet.

Morgen gehts für das kleine Süßilein und mich nach Sankt Peter Ording, oder „Sankt Peeeeeter!“, wie meine Freundin Silke dazu sagt, die aus lauter Verliebtheit in den Ort dort ein Häuschen gekauft hat.

Aber das alles erzähle ich euch dann im Monatsrückblick Februar.

Januar also.

Der Januar begann wie immer am ersten Januar mit einem Neujahrsspaziergang irgendwo oberhalb des Dresdner Talkessels.
Ich war allein im Museum (nicht nachts) und habe mir die Fotoausstellung von Anne Pöhlmann angesehen
Raclettebrot; ein Essen, das den Januar und das lange Warten auf den Frühling nahezu vergessen lässt (war mir offenbar sogar ein Foto wert).
Dem Hund verdanke ich die besten Tagesanbrüche, auch im Januar. Sonnenaufgang an einsamer Elbwiese, quasi das emotionale Raclettebrot des Tages.
Der Blondino verdankt dem Hund regelmäßige Waldeinheiten zum Auslüften und Freiluftturnen.
… und ungezählte Kuscheleinheiten.
Der Mann freut sich, dass ich wegen dem Hund oft im Wald bin und dann immer schöne Sachen mit nach Hause bringe: Hölzer mit Holzwürmern, und außerdem noch Moos und bröckelige Rinden…
Außerdem haben wir beim wöchentlichen Hundetraining neue Hunde- und Menschenkumpel kennengelernt. Darüber freuen wir uns alle.
Noch mehr würde ich mich allerdings freuen, wenn der Frühling endlich da wäre. Komm, Frühling! Ich habs satt, das Grau, ja, sogar das Weimaranergrau! Alle Grautöne.

Im Januar kam endlich die Bescheinigung über die Schwerbehinderung und das Ergebnis der Pflegebegutachtung des Kleinen. Aufgrund des ewigen und dreifachen Begutachtungszirkus hatte sich das ja bis zum sagenhaften Nimmerleinstag hingezogen. Nun, der war dann jetzt wohl im Januar und wir können einen Haken dran machen. Ich bin okay mit dem Ergebnis, werde nichts beeinspruchen, reklamieren, was auch immer, ich bin müde. Das ist jetzt erledigt, fertig, das bleibt jetzt so.

Letzte Aufregung in diesem Zusammenhang war die Schlechtachterin Gutachterin des medizinischen Dienstes, die doch allen Ernstes sagte, es sei kein Wunder, dass mein Sohn dieses oder jenes nicht können würde, wenn ich ihm immerzu Hilfestellung geben würde! Da kamen mir voller Entsetzen kurz die Wuttränen und ich fragte mich, ob sie wohl auch der Mutter eines Rollikindes gesagt hätte, kein Wunder, dass ihr Kind nicht läuft, wenn sie es immer im Rollstuhl herumfahren! Aber das ist eben so, wenn man deinem Kind seine Einschränkung nicht ansieht. Man sollte meinen, ich sei mittlerweile daran gewöhnt. Überraschung für alle: Nein!

Wirklich schön war die Geburtstagsfeier meiner Freundin Annett. Ich kannte eingangs nur vier der sieben geladenen Frauen und dachte ständig an diesem Abend, wow, wie wundervoll! Wie toll sind eigentlich diese wundervollen Frauen? Ein Abend wie ein Geschenk, das müssen wir wirklich bald wiederholen. Ich liebe Frauen, mir war das eigentlich früher gar nicht so bewusst, aber das ist wirklich so. So viel Tiefgang, so viel Schönheit, so viel gelebtes Leben. Alter tut uns gut. Ich wünschte, das Innen würde mehr leuchten als das Außen, sodass das immer und für jedermensch sichtbar wäre.
Januar, das war auch der Zeitpunkt, als mir klar wurde, dass wir als Familie jetzt 200€ pro Woche für Lebensmittel (ohne Kaffee, Bier oder Hundefutter.) brauchen. Sellerie, so ist das Leben. Oder: Salami, so ist das Leben. Je nachdem, ob ihr carnivor seid oder vegan oder flexitarisch oder was auch immer. Ich bin jedenfalls froh, dass wir nicht in Ungarn leben, mit einer Inflation von 40%.
Die Liebe im Januar. Ich geh mit dem Bubi in die Stadt „Biddeln“ (Spazieren, Schaufenster gucken, das Kind brauchte auch eine zweite Jeans zu seiner einen, obwohl er das gar nicht einsehen wollte, egal.). Ich schau so hoch zu ihm und frage, ob das denn nicht peinlich sei, mit seiner Ma hier rumzuspazieren?! Und er: „Warum? Ich hab dich doch schließlich nicht für immer.“ – BÄMM!- mein Herz. ❤ Kein Wunder, dass meine Gefäßwand verdickt.
Und der Süße, der verehrt seine Lieblingserzieherin. Die begrüßt ihn wohl manchmal mit den Worten: „Na, meine Sonne?!“. Ich sag so, die Frau W. sei auch eine Sonne und wie froh ich sei, dass sie seine Betreuerin sei. Und das Kind? „Die Frau W. ist mehr als eine Sonne! Sie ist die Milchstraße für mich, die komplette Galaxie!“. Hörste das, Frau W.?
Basteltipp des Monats: Ein Kranzgehänge aus Styroporrömer und Muffinförmchen.
Anleitung: Muffinförmchen zusammenknüllen und mittels Heißkleber auf dem Römer drandengeln.
Als Aufhängung habe ich eine Büroklammer aufgebogen und in den Römer gesteckt.

Gesehen im Januar

Immer noch kein Oscar für Benedict Cumberbatch, aber ganz ganz große Verehrung für die Leistung in beiden Filmen.
Außen Hui, drinnen Pfui – im Januar war ich gefühlt dreimal die Woche in irgendeiner Arztpraxis oder Klinik, um mich auf meine geplante Operation im Februar (nach dem Urlaub in Sankt Peeeeter!) vorzubereiten. Eigentlich müssen es zwei OPs sein, die zweite dann nach Wundheilung im Sommer. Das ist Mist, wenn du alt wirst, es wird wirklich immer irgendwas gefunden, was es zu reparieren gilt, wenn dir mal jemand die Taschenlampe in irgendeine Körperöffnung hält! Also Obacht.

Ich bin wirklich dankbar, dass ich in einem Land lebe, in dem ich meine Krankenkassenkarte auf die Theke lege, und im Gegenzug dann eine Behandlung bekomme, die der Heilung diverser Erkrankungen zumindest förderlich ist. Ohne Haus und Hof zu verkaufen! Weil, hab ich ja nicht, wäre Pech für mich.

Nur einmal ist mir kurz das Gesicht entgleist, nämlich bei der Proktoskopie (war wohl auch nötig, weil, der Proktologe hatte noch nicht die Taschenlampe reingehalten und alle wollten wohl offensichtlich, wenn ich schon mal da war). Jedenfalls liege ich in würdeloser Haltung auf dem Stuhl, vergleichbar einem gynäkologischen Stuhl, entblößt, es zieht, der nette Arzt kommt rein, und nimmt sich eine Gummischürze vom Haken an der Wand… wirklich so eine Fleischerschürze! Alter! Nieselpriem in the slaughterhouse, ich wäre fast geflohen! War aber alles kein Problem am Ende und die Schürze blieb auch sauber. (Frage: Sagen Proktologen eigentlich auch manchmal, ihr Tag sei beschissen?!)

Ich sags euch, ich erlebe Sachen, wenn mir das jemand prophezeit hätte, dass ich sowas mal im Internet schreib… nee, also würglisch.

Am letzten Tag des Januars hatte ich dann auch noch Geburtstag. Das war schön, was der Beweis ist, dass Dinge nicht per se schlechter werden, wenn man sie öfter macht. Und ich hatte wirklich schon oft Geburtstag!

So, ich packe jetzt meinen Koffer und nehme mit: Noch einen Koffer und noch einen Koffer und mein Süßilein, und morgen gehts erst nach Peine zum Zwischenstopp und dann an die Nordsee! Da war ich noch nie! Ich erzähle euch, wie das war. Im März. Wenn ich dann noch lebe. Wir wollen es hoffen.

Apropos: Ist ein Arzt anwesend? Ein Angiologe womöglich? Einer mit Tagesfreizeit und ohne Reisepläne? Der mit nach Sankt Peeeeter kommt? Und kann mir eigentlich mal einer das Google wegnehmen bitte?! Danke schön.

5 Kommentare zu “Leben und Lassen – im Januar 2023

  1. Hallo,
    hab dank für den Text. So viel Humor und Liebe habe ich gerade gebraucht.
    Ich wünsch dir alles Gute, viel Geburtstag, einen schönen Urlaub, Gesundheit und so‘n Kram 🙂

    Gefällt 1 Person

    • Hach, das ist wieder so ein toller Text … und er geht direkt ins Herzilein, meins braucht das auch gerade sehr.
      Habe eine schöne Zu eit im Norden und berichte bütte bütte unbedingt.

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  2. Nieselpriemchen, ich liebe deine Texte! Und bzgl. deiner yxztxzytl-sklerosen kann ich dich hoffentlich ein wenig beruhigen. Ich hab’s damit schon bis zum 65.ten gebracht und bin guter Dinge, dass noch ein paar Jährchen folgen werden.
    Liebe Grüße vom freilaufenden Rentner

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  3. Hui, das waren aber wieder mehr Baustellen bei euch, als das Jahr am Anfang vertragen kann. Da fühle ich mich mit meinem wehleidigen Schnüpfchen und immerhin nur einem gesundheitlichen Problem, dass ich seit mehr als zwei Jahren „aussitze“ (= Steißbeinbruch) irgendwie gleich besser. Das wünsche ich dir auch sehr. OP’s … ich beginne schon mal mit der Daumendrückerei für wenig Schmerzen danach und gute Besserung.

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