Das Stollenexperiment

Zweiter Advent, irgendwann vorm Morgengrauen, ist nach meiner bescheidenen Erfahrung die beste Zeit, um einen Mandelstollen zu backen. Denn, höret und staunet, ich habe es hinbekommen! Ohne Rosinen, ohne Rum und gänzlich ohne Ahnung.

Während ich aus diversen Rezepten eine eigene Rezeptur kreiere und später die Zutaten zusammensammle, erbläut der Himmel über unserem Garten und der Blondino, der hier der wochenendliche Küchenprojektleiter ist, weil „Ich bin hier der Backschäff!“, besteigt in der Küche seinen Tritthocker von Ikea und es geht los.

Früher wurde Stollen ja in Kinderbadewannen zusammengerührt und dann auf dem Handwagen zur Bäckerei gefahren zum Backen. Auf riesigen Backblechen wurden die Stollen der einzelnen Familien draufgepappt und durchgebacken. Ich weiß das von meiner Oma.

Nun habe ich zwar eine Kinderbadewanne, dachte aber, für den Prototypen backen wir erst mal einen (!) Stollen und gucken, wie das so anläuft. Pass auf, jetzt gehts los.

Aus

250 ml handwarmer Milch

1 Würfel Hefe

300 g Mehl

80 g Zucker

1 Prise Salz

einen Vorteig rühren und eine Stunde ruhen lassen. Danach

350 g Butter

1 Fläschchen Bittermandelaroma

noch mehr Mehl, nämlich 400 g

200 g gehackte Mandeln (das sind zwei Tüten)

1 Päckchen Zitronat

1 Päckchen geriebene Zitronenschale

1 Päckchen Stollengewürz (gibts schon fertig als Mischung zu kaufen) und

etwas Vanille

einkneten. Das alles kräftig durchkneten in der größten Schüssel die ihr habt und wieder eine Stunde ruhen lassen. Danach den Teigklops rausholen, eine längliche Rolle formen und aufs Backblech hieven. Ich habe eine dicke Wurst aus Alufolie drumrumgelegt, damit der beim Backen die Form nicht verliert. Dann mittig circa zwei Zentimeter tief einschneiden. Das sieht seltsam aus, ergibt aber am Ende dann die typische Stollenform.

Nachdem der Stollen eine Stunde bei 175°C Umluft gebacken wurde, sieht er so aus.

Dann hat das Kind den Stollen gebuttert und gezuckert. Dafür ein reichlich halbes Stück Butter schmelzen und mit einem Backpinsel drauf verstreichen. Ich habe vorher den Stollen ordentlich angepiekst von allen Seiten und der Schlitz oben nimmt auch reichlich Butter auf.

Danach dann ganz fett mit Puderzucker einstäuben. Meine Oma machte diese Prozedur mindestens zweimal. Eine Woche nach dem Backen die  Zuckerschicht runterkratzen, noch mal buttern und neu zuckern. Eventuell nach einer weiteren Woche wiederholen! Zwischendurch hing der Stollen in Tücher gewickelt in einem Dederonbeutel draußen vorm Fenster, weil die Oma keinen Balkon hatte.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum es am Heiligabend in Dresden traditionellerweise „nur“ Kartoffelsalat mit Wienern gibt – nach zwei Stück Stollen kriegt keiner mehr was rein!

Ich habe im Anschluss an das Buttern und Zuckern den Stollen in Alufolie und mehrere Geschirrtücher gewickelt in einem Gänsebräter im Keller verstaut zum „Durchziehen“. Der erste Geschmackstest am Dienstag ergab schon: Erstaunlich lecker! Schmeckt tatsächlich wie Stollen!

(Keiner ist überraschter als ich)

Die Stollenbäckerei ist ja besonders in Dresden und Umland eine verdammte Wissenschaft und die Rezeptur ein übelstes Exklusivgeheimnis! Die Stollenbäcker backen bereits im Spätsommer, damit die Stollen noch bis Weihnachten ordentlich durchgezogen sind. Dann kann man sich in der Adventszeit sein Gehalt in Stollen auszahlen lassen. Ich habe in dieser Woche zwei Dreipfünder Stollen für die Kollegen gekauft und dafür sechsundvierzig Euro hingelegt. Autschi.

Da kommt ihr ab jetzt mit meinem Stollenrezept deutlich günstiger! Als Dresdnerin esse ich im übrigen die im Supermarkt günstig und in einer Industriebäckerei hergestellten Stollen nicht. Dann esse ich lieber Buttersemmeln an Heiligabend. Außerdem ist eigentlich überall Rum drin und das mag ich sowieso nicht.

Kaufen muss ich in jedem Fall noch mindestens einen Mohnstriezel, denn Hefeteig mit Mohn und mit Streuseln und mit Nüssen und mit Puderzucker, da macht die Frau Nieselpriem beim Essen Geräusche wie bei einer Schmutzfilmvertonung! 🙂

 

Eine frohe Adventszeit uns allen. ❤

 

Ein Kaffee für Frau Nieselpriem

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6 Kommentare zu “Das Stollenexperiment

  1. Und jetzt stell dir vor, du würdest als Dresdenerin in einer Gegend ohne Stollentradition wohnen – da MUSS man anfangen mit Selberbacken. Hab es dieses Jahr auch wieder gewagt, allerdings zum ersten Mal einen Quarkstollen – der war aber auch lecker.
    Lasst es euch schmecken!

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  2. Wir haben dieses Jahr gekauften Stollen, einen Bräunsdorfer und einen vom Dresdner Strietzelmarkt – sauteuer, aber sehr gut. Die lustigen Menschen aus der Schaubäckerei haben uns angefüttert.
    Schönen Advent wünsch ich euch

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  3. Ihr habt’s alle dermaßen drauf mit den Stollen! 🤩
    Ich bin küchenseitig tiefbegabt – und das als einzige in der Familie. Mein Cousin hat mir wieder die leckersten Bilder seiner schönsten Kreationen geschickt – hach, da würde ich am liebsten gleich heimfahren und die Zeit zurück drehen! 🤩😻❤️

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