Winter… auch das noch!

Wie ich das hasse! Gehst du arbeiten, verlässt du im Dunkeln das Haus und kommst im Dunkeln wieder. Schlurfst in sackähnlichen Lagen durch matschige Straßen. Und dieser Schnee! Muss das denn sein? Seit Jahrzehnten wird die globale Erwärmung propagiert, aber Frau Holle ist das wurscht. Irgendwie leckt da die Informationsübermittlung. „Kein Schnee in Deutschland! Wir haben globale Erwärmung!“ Das kann doch nicht so schwer sein.

Doch.

Es kommt runter, das krümelige Scheißzeug. Allen Unkenrufen zum Trotz. Und versaut mir den Tag. Mützen versauen mir außerdem die Frisur und der Schneematsch die italienischen Schuhe. Ich kann dieser Winterromatik nichts abgewinnen. Schneebedeckte, unberührte Natur, von mir aus! Guck ich mir auf einem Bild an. Hier, Bild:IMG_0398

Noch eins? Na gut. Hier. Büsche mit Schnee. Pieschen.

IMG_0401Und mit Kindern ist Winter ja noch doofer! Da stehe ich in Vollmontur im Flur und versuche, ein sich wehrendes Kleinkind in Schneeanzug und Socken, Mütze und Stiefel zu stecken, während sich dieses Kind windet und protestiert. Mir läuft der Schweiß in Strömen zwischen den müden Brüsten runter und ich hab schon die Faxen dicke, da hab ich noch nicht mal das Haus verlassen! Dann kommen noch zwei Treppen. Natürlich will das Kind nicht getragen werden! Aber laufen, also laufen will es aber auch nicht. Es steht so Stufe für Stufe in seinem dicken Anzug rum. Dann wird ihm auch heiß. Dann heult es. Wirft sich auf die Treppe, rutscht drei Stufen bäuchlings herunter. Wird dann zur mütterlichen Tasche unter irgendeinen Arm geklemmt und gegen seinen Willen aus dem überheizten Haus gewuchtet. An der Stelle reicht es mir dann eigentlich schon gänzlich.

Rückzu ist es auch nicht schöner. Ehe man das unkooperative Kleinkind aus der Eskimo-Pelle geschält hat, taut man selbst und die Stoffwulst des Kindes fröhlich vor der Tür. Und immer, aber wirklich immer, trete ich dann mit Strümpfen in so eine scheißnasse Pfütze vor der Scheißtür und habe dann nicht nur nasse Füße, sondern auch Scheißlaune! Und dann hängt überall in der Bude irgendwas Feuchtes zum Trocknen rum. Als ob nicht sowieso schon überall Zeug hinge. Und der durchschnittliche Handschuh- und Mützenverbrauch im Winter ist doch bei Kindern auch nicht mehr mit zwei Gehältern zu bezahlen, oder? Nach maximal zweimaliger Benutzung ist stets ein Handschuh verschwunden. Wohin? Was weiß denn ich!

Ja, früher, als ich selber Kind war, da war das toll. Da hatten wir auch noch richtige Winter. Mit knirschendem Schnee und Sonne, die die weißen Wiesen glitzern und funkeln ließ. Schneemänner bauen. Mit bloßen Händen, natürlich, sonst wird das nicht schön. Bis die Finger rot und steif waren. Und wie das kribbelte, wenn man dann wieder ins Warme kam! Ich kann mich noch an das Geräusch erinnern, das die Schneebälle machen, wenn man sie drehend aufeinandersetzt. So ein leises Knirschen. Und dann mit Schnee die Kanten verschmieren, damit es hält.

Ich war immer draußen, jeden Tag. Stets in „Steghosen“ und einen dicken Norwegerpullover gewandet, die meine Oma aus Drieselwolle der Pullover meines Opas und meiner Onkel herstellte („Gute Shetland-Wolle!“). Ich sauste auf meinen Schlittschuhen über den Carolasee im Großen Garten und übte wochelang rückwärts übersetzen und Piouretten. Wenn es dunkel wurde, schnell noch mal den Rodelberg rauf und runtergesaust auf dem Hörnerschlitten! Nassgeschwitzet, voller Eiskristalle und mit roten Wangen kam ich abends heimgestapft.

Vorbei!

Wenn man heute als erwachsener Mensch mit Familie in die Winterferien fährt, dann muss man ja schon wahnsinnig sein. Oder verschuldet. Oder weiß ich auch nicht. Und dann stehste da mit hundert anderen am Skilift und regst dich über die Preise der Skipässe auf und rechnest kurz durch, dass du für die Kosten des familiären Winterurlaubes auch einen Monat nach Bora Bora hättest fliegen können. Oder ein afrikanisches Dorf ein Jahr lang grundversorgen. Und versuchst trotzdem, nach außen geistige Gesundheit auszustrahlen! Während du das Outfit der anderen Skihasen checkst. Fire and ice, war ja klar. Und nur du stehst hier in der Tschibo-Ski-Kollektion. Und aprés ski, von wegen! Eine Cola für alle und eine Portion Hütten-irgendwas, dreihundertvierundachtig Euro bitte!

Ach, hau mir ab mit Winter.

Ja, und dann ist das Kleinkind krankgeschrieben und der Patient und die Pflegekraft kriegen den Lagerkoller. Und dann kommt eine SMS: „Gehen rodeln, kommt ihr mit?“. Die einzig logische Antowrt wäre gewesen: „Wäh?!“. Aber siehe oben, Lagerkoller.

Und so sah man mich heute das sich windende Kind in Watte packen, während mir der Schweiß zwischen… und ja, auch das mit der Treppe. Und dann Porutscher und Rutscheteller auf den Wagen schnallen und los zum Kindergarten. Die anderen Canaillen treffen. Innerlich hoffend, dass vielleicht kein Schnee liegt auf dem anvisierten Hügel („Ach, schade schade! Wirklich jammerschade!“), dann könnte ich eine Runde lüften fahren mit dem Kinderwagen und danach wieder halbwegs trocken ab nach Hause! Und warten, dass dieser blöde Winter endlich vorbei ist.

Aber irgendwie war es ganz anders. Es lag an der Gesellschaft. Inmitten lauter glücklicher Hosenscheißer mit strahlenden Gesichtern war alles ein Genuss. Dass Schnee auf dem Rodelberg lag, konte ich schon gar nicht mehr negativ bewerten. Und wie die sich freuten! Und wie lieb die waren. Untereinander. Kein Zanken um die Porutscher, kein: „Nänänänä, meiner ist aber schneller/ schöner/ roter!“. Die Großen zeigten schon durch kühnes Zurücklehnen, was mal ein echter Rodelweltmeister werden will und die zukünftigen Klassenclowns waren auch schnell ausgemacht, weil sie sich kullernd den Berg hinunterrollen ließen, um ihre Kollegen zum Lachen zu bringen. IMG_0406 IMG_0408 IMG_0420 IMG_0423 IMG_0426Und lachen. Also lachen. Was soll ich sagen? Ich habe die ganze Zeit gelacht! Gelächelt, gegrinst, gestrahlt. Spaß gehabt! Und bin johlend mit: „Bahne frei, Kartoffelbrei!“ auf dem Teller den Berg runtergefegt, vor mir irgendeinen kleinen, warmen, knubbeligen Hosenscheißer auf dem Schoß. Schnee im Nacken, Schnee in den Schuhen, egal! Ich habs nicht mal gemerkt.IMG_0445Dann sind wir nach Hause gestiefelt, ein paar der kleinen Kumpels fielen unterwegs fast die Augen zu. Dann kam noch die Sonne raus und es fing an zu glitzern…

Hach.

Ich denke, ich baue morgen einen Schneemann. Nur für mich. Einfach, weil es Spaß macht! Natürlich mit bloßen Händen, sonst wird das nicht schön!

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14 Kommentare zu “Winter… auch das noch!

  1. Ach Gott die Bilder. Zum Schmelzen.

    Und ich sitze hier im Voralpenland und es liegt nichts! Kein Krümel. Nur so vermischt mit Nass und Wind von oben. Diese Scheiße!

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  2. Ach wie schön – ich habe herzhaft gelacht! Am allermeisten hasse ich im Winter auch das mit den schönen warmen Socken in die Schneelache treten *bääääh*. Und das Über-die-Straßen-Geschliddere-weil-Regen-auf-vereiste-Straße-trifft erst! Aber tatsächlich entschädigt eine Rodelstunde dafür enorm :-).

    Liebe Grüße
    Danielle

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  3. Boah, Neid! Wir sitzen hier aufm Berch, 10 Minuten von der nächsten Skipiste weg und es schifft, dass die Viecher bei Noah schon Schlange stehen. Und heute Mittag muss ich dem Kurzen mitteilen, dass sein Skikurs schon wieder ausfällt, weil auf der Piste nur das „Rasen betreten verboten“-Schild steht.

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  4. Liebe Rike, als Mama eines ebenso Schneeversessenen Hosenscheißers muss ich mich mal erkundigen, wo dieser Rodelberg ist. Ich steh noch am Anfang meiner Erkundungsreise in DD. 🙂

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  5. Aaaalso, vll sollte ich mich an dieser Stelle einschalten, denn von mir kam die Einladung zum rodeln.
    Wie bin ich froh das du liebe Rike unserer Einladung gefolgt bist. Sehr gern nehme ich es wieder mit der liebenswerten Horde Kinder auf, steck sie in Rekordzeit in Schneesichere Ein,- oder auch Zweiteiler, von mir aus fädel ich sogar jedes kleine Fingerchen extra in einen sogenannten Fingerhandschuhe. (Halloooo – hat vll der Erfinder einen klitze kleinen Moment nachgedacht und sich überlegt wie es wäre im Ernstfall 6 zappelige Handpaare, also 12×10 Fingerchen in die von ihm vorgesehenen kleinen Öffnungen zu fädeln!!?)
    Sobald es wieder leise vom Hommel krümelt kommt sie, die Einladung an dich einmal wieder mit uns Kind zu sein – dem Klimawandel zum Trotz, ein Hoch auf die Winterkinder.

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