„Schatz, ich hatte einen Unfall!“

Leute, ich sag euch. Ich erlebe Sachen! Gestern zum Beispiel.

Ein riesiger, leerer Dehner-Parkplatz, wie das so üblich ist dreißig Minuten nach Feierabend. Doch halt! Es gibt Leute, die wider besseren Wissens versuchen, nach neunzehn Uhr Nutzpflanzen zu erwerben.

Ich stelle also das KFZ auf dem menschenleeren Parkplatz ab und versuche danach, durch rhythmisches Vor- und Zurücklaufen der automatischen Tür des Gartenmarktes begreiflich zu machen, dass ich um Einlass bitte. Ein asiatisches Couple nähert sich und scheint zu überlegen, ob es sich lohnt, die Nikon rauszuholen („Das ist ein Pflanzengeschäft und hier vorn seht ihr eine Eingeborene bei der Aufführung eines Regentanzes!“).

Ich verziehe mich, starte den Stadtpanzer, setze elegant zurück in Richtung untergehender Sonne und RUMMMMMS! Es knallt. Auf dem leeren Parkplatz.

Ich war dann doch lieber mal nachsehen. Irgendjemand (die Asiaten kamen bleichgesichtig vor Schreck angerannt) hatte mit mutwilliger Absicht einen winzigen, nahezu unsichtbaren Audi A4 in der Farbe von gleißendem Sonnenlicht direkt in die Parkbuchse hinter mich gestellt. Der war einfach nicht zu verfehlen…

Die Asiaten mussten erst mal alles fotografieren, während ich mich souverän der Klärung des unsäglichen Sachverhalts widmete: „Do you know what to do in a case like this?“, piepste ich unsicher.

(Alles muss man selber machen! Dabei habe ich ja überhaupt keine Erfahrung mit Verkehrsunfällen. Also, ich bin schon als Täter aktenkundig, aber ich beschädige eigentlich nur parkende Autos. Oder ich öffne seelenruhig die Fahrertür um auszusteigen und eine beigegewandete Omi mit völlig überladenem Rad kann nicht ausweichen und fährt mir in die Tür. Und ich bin dann schuld! Sowas eben. Da kommt dann die Polizei und macht Theater. Ach, ja… die Polizei!)

„I think, we should call the police. Do you have an insurance paper like this?”, erkläre ich und wedel mit dem grünen Zettel, den ich zwischen drei Dutzend Handbüchern zum Thema Auto aus dem Handschuhfach gezogen habe.

„ No! No police. Follow! Follow!“. Und – Schwupps!- ist mein insurance paper auf einmal in asiatischer Hand, die springen in ihren winzigen Audi A4. „Follow! Follow!“. Ich followe also einem Auto mit zwei Anderssprachigen, die im Besitz meines Versicherungsscheines sind zu einem unbekannten Ziel. Was hätte ich auch anderes tun sollen!

Unterwegs ruft dann der Bärtige zurück und ich kläre ihn darüber auf, dass ich einen Unfall gehabt hätte. „Sage mir nicht, dass das schon wieder deine Schuld war!“, erbost er sich, und ich sage es ihm nicht. Ich frage mich (und ihn) lediglich, was so schwierig daran ist, den Satz: „Schatz, ich hatte einen Unfall!“, von dem Satz: „Schatz, so ein blöder Arsch ist mir in die Karre geknallt!“, zu unterscheiden. Die Asiaten versuchen inzwischen, die Einfahrt vom Audi-Zentrum zu entern. Während ich noch aussteige, besprechen mich die Asiaten fuchtelnd. Ich kann nicht verstehen was sie sagen und hoffe nur, dass es nicht kultureller Brauch ist, dass ich ihnen jetzt einen Neuwagen spendiere. „Excuse me, wait a minute. There is my raging husband on the cellular Dingsbums. Nein, Schatz, ich bin nicht irre! Die hatten das insurance paper. Was weiß denn ich, warum die no police wollten! Vielleicht schmuggeln die Frühlingsrollen im großen Stil. Was bitte hätte ich denn machen sollen?! Ja, Schatz, ich bin jetzt bei Audi. Keine Ahnung, warum. Nein, Schatz, bitte komm nicht her. Bitte! Ja, Schatz, ich kaufe den Rest des Jahres die Schlübbor für die Kinder bei Primark. Wie, keine Dekokäufe mehr? Du, ich muss Schluss machen, da kommt der Herr Audi.“.

Die Leute bei Audi freuten sich auch sehr. Zehn vor acht träumen die doch von so einer spannenden Abwechslung wie der Aufnahme eines Unfallberichts. Vollkommen entgeistert starrten die mich an und fragten, was zur Hölle sie jetzt hier machen sollten?! Ich konnte nur wahrheitsgemäß erwidern, dass mir nach Entwendung des Versicherungsscheines gar nichts anderes übrig blieb, als der Spur des Scheines und den Asiaten hierher zu folgen. Der Audi-Mann fragte die Asiaten, warum sie nicht die Polizei gerufen hätten. „It´s because she looked so honest.“ (zeigt auf mich). Ist das zu fassen? Da hat man einmal im Leben einen schwachen Tag und guckt ein kleines bisschen honest und schon steckt man mittendrin in einer „Follow“ Follow!“- Verfollowungsjagd.

Die bei Audi haben dann den Unfallbericht ausgefüllt und den Schaden begutachtet („Ist nichts weiter! Nur der Schweller/ Stoßfänger/ irgendwas. Kostet circa…“, und nennt eine vierstellige Zahl, die mich spontan der Tränenblindheit anheimfallen lässt.).

Unfallbericht: Deutsche Frau plus asiatischer Kleinwagen und zwei Asiaten plus deutscher Kleinstwagen – peng!

Warum ich das jetzt erzähle ist sonnenklar. Ich will die Filmrechte vermarkten, weil ich Geld brauche. Jürgen Vogel sollte mich spielen. Oder vielleicht doch lieber Moritz Bleibtreu, der guckt schon von Haus aus so honest. Dann kann Jürgen Vogel mein Auto spielen oder den Audi-Mann. Und die beiden Asiaten. Ich sehe eine witzig-spritzige Komödie vor mir. Eine Leiche im Kofferraum (gespielt von Jürgen Vogel) kann man ja noch einbauen!

 

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32 Kommentare zu “„Schatz, ich hatte einen Unfall!“

  1. Ach Rike, du Arme, so lustig es sich liest, so wenig lustig fandest du es vermutlich in dem Augenblick. Mir passiert leider auch schon mal hin und wieder so ein kleiner Auffahrunfall, wahlweise beim Zurücksetzen als auch gerne mal an der Ampel dem vor mir ordnungsgemäß wartenden Auto hinten drauf 😦 Und so gerne ich von meinem Mann als erstes den Satz hören würde: „Schatz, die Hauptsache ist doch, dir ist nichts passiert“ kommt leider nur der Ausruf: „Nein, nicht schon wieder, was hast du jetzt wieder kaputt gemacht?“
    Mitfühlende Grüße von mir und vielen Dank fürs aufschreiben 🙂

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    • Das kommt davon, wenn man einen Zwerg wie mich in ein Auto mit der Größe eines Traktors setzt, wo der Zwerg kaum mit der Nasenspitze übers Lenkrad reicht! Schuldfrage geklärt. ICH habe das Auto nämlich nicht ausgesucht… 😛

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  2. Heieiei… Und dann nicht mal eine Pflanze im Garten, von der du dann zu Besuchern immer sagen könntest „Das ist die teuerste Pflanze meines Gartens. Habe ich euch schon erzählt, wie ich zu ihr kam?“ 😮

    Ich habe bis jetzt lediglich Pfosten angeknallt, und immer mit alten Karren, die eh weg kamen. Jetzt habe ich ein Auto mit Gepiepse, wenn es eng wird. Allerdings piepst das recht früh und rundrum. Etwas verwirrend ab und zu, aber hilfreich.

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  3. Entschuldige bitte, aber ich musste (beim Stillen) so lachen, dass dem Baby die Milch aus der Nase gekommen ist. Als ich mir Moritz Bleibtreu beim einheimischen Regentanz vorgestellt habe, war es endgültig vorbei. Ich habe noch nie einen witzigeren Unfall gelesen, so ärgerlich wie die Tatsache an sich natürlich trotzdem ist. Die Idee mit den Filmrechten finde ich grandios. Wobei mich auch ein Guido Cantz, der mit versteckter Kamera aus dem Kofferraum gesprungen wäre, jetzt nicht mehr sonderlich überrascht hätte. Grandios!

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  4. Ich habe neulich, mit Kurzem mit gebrochenem Arm auf der Rückbank, vor dem Notfall des Krankenhauses beim Wenden eine Ambulanz gerammt. Jürgen Vogel wird den Ambulanzfahrer spielen 😉

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  5. Oh je, so lustig es klingt (was es bei dir ja fast immer tut ;-)) So leid tut es mir trotzdem. Diese Sonne ist aber auch ein böser Verräter…
    Drücke die Daumen, dass es doch nicht so teuer für euch wird, es gibt ja da so Versicherungen…

    Liebe Grüße
    stephi

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    • …mit tausend Euro Selbstbehalt für unseren eigenen Schaden und Hochstufungen, die Taschengeldverknappungen nach sich ziehen. Ich bin eine ganz arme Wurst! Carepakete werden dankend entgegengenommen… 😉

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  6. AAAAAAAAAAAAAAAAAAAHAHAHAHAHAHAAAAAA! HAHAHAHAHAHA! *kicher*
    Schulligung! Ich kann nicht anders!

    AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHAHAHA! :-*

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  7. Ich habe mit dem Buggy vom Kiddo den neuwertigen 7er-BMW des Drogendealers gerammt, der bei uns gegenüber wohnt (versehentlich! Wer legt sich denn absichtlich mit Drogendealern an!?). Weil ich nebenbei versucht habe, ein lustiges Foto für Instagram zu knipsen.

    Jürgen Vogel wird das Kiddo spielen.

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  8. Ich habe mit meinem ersten (und definitiv letzten) Neuwagen nach einer Woche auf der ersten längerem Tour nach Halle ( wer fährt da auch hin….) 50m von heeme beim umme Ecke fahren mein Auto und einen Renault geschrottet. Und da stand die Sonne nicht tief. „Mir gehts gut, aber dem Auto nicht, dass steht auf dem Acker…“ Auch so ein Satz.

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  9. Wenn mein Mann mir nach einem heißen Tag mit gefühlt 200 Geburtstagsgästen der beiden Thronfolger sagt: Haste gelesen, was die Nieselpriem heute geschrieben hat? Nein? Warum nicht? Achso aber hättest doch trotzdem… immerhin die Nieselpriem… Hmmm ja aber musste unbedingt noch! Mit einem Unfall und kleinen Asiaten! Und so. So. So. Nieselpriem.

    Ja, dann lese ich natürlich. Und was soll ich sagen? Er hatte recht.

    Aber bitte verratet ihm das nicht.

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    • Oh 🙂 Ich bin gerührt. Neben zweihundert… tausend Gästen noch Zeit zum Lesen hier. Also sehr gerührt. Und geehrt. Sehr. Sehr gerührt und sehr geehrt.
      Vielleicht kömmer dem Guten das doch sagen?

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  10. „Ich kann nicht verstehen was sie sagen und hoffe nur, dass es nicht kultureller Brauch ist, dass ich ihnen jetzt einen Neuwagen spendiere.“ HAHAHAHAHA, ich kannimea!!!!! (muss dringend die Beckenbodengymnastik ernster nehmen).

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  11. Pingback: Der Traum vom Vogel – Nieselpriem

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