Wo Milch und Tränen fließen

Manchmal passiert es mir, dass ich irgendwo einen Satz lese und ein tiefer Seufzer des Verstandenwerdens meiner faltigen, malträtierten Brust entweicht. So geschehen beim Johnny von Weddingerberg.

»Was zwischen der Brust und dem Baby passiert, bleibt zwischen der Brust und dem Baby.«

Mir geht das alles auf den Sack. Auf den Driss, den Piss, die Eier, die Nerven. Mir tun die Augen weh. Und die Ohren schon lange (die Brust selber mittlerweile nicht mehr).

Mich nerven die „breast feeding selfies“ irgendwelcher Stars beim Frisör. Die von Schundblättchen aus irgendwelchen Ecken hervorgezerrten Mütter, die ihren vier Kindern kurz vor Pubertätseintritt noch als Schlummertrunk die welke Zitze hinreichen. Die abartig pietätsbedachten Mitbürger, die sich an öffentlich Stillenden echauffieren. Alles daran!

Wir sind Säugetiere. Allerdings ist der menschliche Körper auch dazu ausgelegt, täglich kilometerweit barfuß zu laufen. Mit einem selbst erwürgten Wildschwein über den Schultern. Mag sein, dass in Anbetracht dieser Tatsache und der allgemein grassierenden Degeneriertheit der urbanen Gesellschaft der eine oder andere darauf hingewiesen werden muss, wozu nochmal bestimmte Körperteile gedacht sind. Und es ist traurig, dass das Stillen eine Imagekampagne benötigte. Dass es über Jahrzehnte Mythen und Moden gegeben hat, die es aufzuklären gilt (Ich selbst bin ein verwaister Zwilling. Aus diesem Grund galt die Milch meiner Mutter als „vergiftet“ und sie musste sie abpumpen, um das „Gift“ aus ihrem Körper zu schwemmen. Wirklich wahr, also zumindest 1970. Ich bekam Chemiemilch. Aus Sicherheitsgründen.).

Aber nun isses mal wieder gut. Langsam habe ich das Gefühl, je mehr Bohei gemacht wird, umso unnatürlicher gestalten sich diese per se natürlichen Vorgänge (Ist beim Laufen meiner Einschätzung nach auch nicht anders; es gibt schon wissenschaftsnahe Untersuchungen, wie und womit und mit welcher Technik man denn nun zu laufen hätte! Und in welcher Pantalon aus welcher Chemiefaser. Unsere Vorfahren würden vermutlich vor Lachen vom Baum fallen.).

Das Stillen wird ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Und damit Augen und Meinung von Menschen preisgegeben, die das überhaupt nichts angeht.

„Und? Stillst du noch?“

Und bei dir? Der Stuhlgang fest und regelmäßig?

Vor ein paar Jahren habe ich als Zuschauer miterlebt, wie eine Freundin sich furchtbar abgequält hat mit der Stillerei. Es klappte nicht, das Kind saugte nicht stark genug. Viele Faktoren kamen zusammen. Stündlich saß sie an der Melkmaschine, von Glücksgefühlen weiter entfernt als von der Besteigung eines Achttausenders. In meiner grenzenlosen Naivität sagte ich einmal mitfühlend zu ihr: „Was quälst du dich denn so! Gib dem Jungen doch die Flasche und lass es gut sein.“. Wahrheitsgemäß knallte sie mir vor die Füße: „Du hast KEINE Ahnung! Weißt du, wie das ist, wenn die alle nach´m PEKiP ihre Titten rausholen und du als einzige mit Wasser, Pulver und Flasche rumhantierst?! Und die blöden Fragen! Waaas?! Du stillst nicht? Weißt du, wie ausgegrenzt man sich da fühlt?“. Nein, wusste ich nicht.

Zu diesem Zeitpunkt waren meine letzten Stillerinnerungen mit einer jahrelangen Staubschicht überzogen und von romantischen Erinnerungen zartrosa eingefärbt. Und ich wusste auch noch nichts von gesellschaftlicher Inakzeptanz in Mütterkreisen gegenüber allen, die nicht modekonform ernähren/tragen/kleiden/wickeln und so weiter. Und ich hatte keine Ahnung, wie viel Selbstbewusstsein nötig sein muss, um nicht wenigstens ALLES zu versuchen, um dem mütterlichen Normkodex zu entsprechen.

Ich weiß es jetzt besser.

„Stillst du noch?“, „Du stillst doch noch, oder?!“. Wie ich das hasste. Weil ich mich sofort unter Druck gesetzt gefühlt habe. Kontrolliert! Bloß alles schön regelkonform machen. Supermuttimäßig. Je öfter und länger stillen, umso besser (Nur nicht zu lange, dann ist es auch wieder nicht richtig. Am besten immer schön auf dem Laufenden bleiben, was gerade die Mode vorgibt.). Und dann noch erwähnen, dass man ja soooo viel Milch hat, dass man drei Kinder davon nähren könnte! Ja, nach so einem Gespräch fühlt sich die anerkennungssüchtige Mutti wohl.

Ich fühlte mich immer mies bei der Fragerei, das da oben war nie mein Text.

Und wie oft ich das selber fragte: „Stillst du noch?“. Ja, ich habe meine ganz eigenen Anteile an diesem Thema! Wieso rutscht selbst mir diese bekloppte Frage raus? Weil ich hören will, dass mein Gegenüber erklärt, dass es eigentlich Scheiße läuft und ihr die Nippel weh tun und die Milch nicht fließen will? Weil ich mich dann ein bisschen weniger unzulänglich fühlen kann? Ist das armselig? Und wie.

Bevor das Kind Nummer zwei zur Tür raus kam, war schon klar: Der wird gestillt. Selbstverständlich! Der erste hat nur drei Monate an mir gezutzelt, bis eine Kinderärztin erklärte, ich würde ihn an meiner Brust verhungern lassen und ich also pflichtschuldig zufütterte bis… bis die Pulle attraktiver war als mein Angebot (Er trinkt heute noch am liebsten aus Plastikflaschen. 1,5Liter.).

Das Baby kam und dockte fachmännisch an, als hätte er die letzten Monate nur darauf gewartet. Und ich schrie mir die Seele aus dem Leib.

Tagelang.

Gefühle, als würde mir jemand eine Ahle durch den Nippel in die Brust bohren.Tränen. Blut. Angst vorm nächsten Mal.

Zwischendurch Besuch, der fröhlich erklärte, man bräuchte gar nicht nach der Zimmernummer fragen, man höre mich ja schon vorn am Eingang. Und Wöchnerinnenstationspersonal, das auf einer überbelegten Station fast durchdrehte und fünfminütig zu mir reinkam um zu bitten, drohen, anzuweisen, dass ich doch gefälligst aus Rücksichtnahme meinen gebuchten Einzelzimmerstatus aufgeben solle! Die Frauen müssten wegen meines Egoismus bald auf dem Gang untergebracht werden! Unterbrochen von den alltäglichen Geräuschen und Aktivitäten eines Klinikalltages. Und: „Frau Nieselpriem, klappt es denn nun endlich mit dem Stillen?“ (Hände in den Hüften).

Ich hab das nicht verstanden. Da sah ich nun aus, als hätte ich beim Pamela-Anderson-Resteverwertungsroulette den Hauptpreis gewonnen und die Mädels benahmen sich wie Diven und schmollten: „Püh. Nö. Wir dachten, wir sind hier für ne Party gebucht!“.

Ich versuchte alles. Kompressen, Stillzimmer in Gesellschaft zufrieden lächelnder Neumuttis. Ich schrie. Vor Schmerzen. Im Liegen. Im Sitzen, auf allen Vieren knieend mit herunterhängendem Euter. Nichts klappte. Das Baby schrie, ich schrie. Ein Bild des Jammers.

Am Ende des zweiten Tages nahm ich Ibuprofen vor jedem Stillen. Am Ende der zweiten Nacht heulte ich wie ein Schloßhund und verlangte die Abstilltabletten. Und nahm sie.

Am Tag vier verließen wir endlich das Krankenhaus, im Gepäck winzige Babyflaschen, mit denen das neue Baby nun gefüttert werden sollte.

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Tag vier

Zu Hause angekommen fiel alles von mir ab. Und mir taten die Brüste weh. Vor Kummer. Ich wollte doch stillen. So unbedingt! Was stimmte nur nicht mit mir? Wieso geht das nicht?! Und wieso habe ich diese Scheißtabletten genommen? Jetzt ist alles vorbei… Ich heulte schon wieder.

Und googelte. „Relaktation nach Einnahme der Abstilltabletten“. Möglich, aber unwahrscheinlich. Vielleicht bekommt man den Milchfluss wieder in Gang, aber Vollstillen hätte ich mir selbst versaut. Dann kamen noch die vollstillenden Nachbarinnen zum Kaffee um das neue Hausmitglied zu begrüßen. Mit vollgestillten Babies auf den Armen. Ich schämte mich. Und grämte mich. Besorgte mir (es war Freitagnachmittag) ein Rezept für eine Milchpumpe und rannte die Apotheken ab nach einer freien Melkmaschine. Alles im hormonellen Delirium. Und weil auch ich nicht einfach sagen konnte: „Rike, was quälst du dich denn so? Gib ihm die Plastemilch und gut is.“.

Hochdosiertes Bockshornklee und Weizenbier, Schwarzkümmelöl. Warme Schals um die Brust und stündliches Melken im Wechsel mit Anlegen (und schmerzvollem Schreien) über Wochen. Also genaugenommen drei. Laut Stillprotokoll, das ich nebenbei auch noch führte, habe ich ab dem 27. September dann doch noch voll gestillt.

Angeblich das Natürlichste der Welt: Säuglingsernährung. Hier im Bild: die Dokumentation

Angeblich das Natürlichste der Welt: Säuglingsernährung. Hier im Bild die Dokumentation

Die Schmerzen ließen dann um den sechsten Monat nach.  Alles ganz natürlich. Nichts dabei. Keine große Sache. Na klar.

Leute, ehrlich, bin ich froh, dass ich jetzt mit dem zu Mc Donalds gehen kann! Das sag ich euch. Und eins ist klar: Ich sage bestimmt noch oft blöde Sachen zu Frischmüttern (wie zum Beispiel zu fragen, wie die Nächte sind), aber nie, nie wieder mische ich mich in den Still-BH einer anderen Mutter ein!

 

Ein Kaffee für Frau Nieselpriem

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45 Kommentare zu “Wo Milch und Tränen fließen

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag der zeigt das stillen nicht immer schön und rosarot ist. Auch bei uns eher schwierig und mit mehr Frust als Freude. Aber lieber ne entspannte Flaschenmama als frustrierte Stillmutti 🙂
    Liebe Grüße Katharina

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  2. Endlich mal ein ehrlicher Beitrag zum Thema Stillen! Ich hatte schon bei der Großen Probleme mit dem Stillen (Tränen, Blut, Angst, blöde Hebamme, Bevormundung durch KrankenSchwestern, …) und wollte dieses Mal „alles richtig machen“ und mich in puncto Babyernährung auch mal vollwertig fühlen. Denn wenn man auf die Frage „stillst du noch“ wahrheitsgemäß antwortet (ja aber sie bekommt auch eine Flasche, weil die Milch nicht reicht) , erntet man immer skeptische Blicke und kann förmlich hören, wie die Fragende denkt, man hätte noch nicht alles versucht. Von Bockshornkleekapseln, Malzbier, warmen Umschlägen, 3L Wasser täglich und Stilltees in sämtlichen Variationen kann ich ein Lied singen…. Durch diese ganze Brustdebatte ist mir das öffentliche (natürlich abgedeckte!) Stillen so unangenehm, dass ich immer versuche, es zu vermeiden, wenn es irgendwie möglich ist. Nur um keine komischen Blicke meiner Mitbürger zu ernten. Schon eine komische Welt… Liebe Grüße, Vivi

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    • Ja, ich kenne das auch… Kabinen- oder Klostillerin war mir genauso eklig wie in einem Speisesaal, wuscht, ob es das Ikea-Restaurant oder Haute Cuisine war. Ich fühlte mich im warsten Sinne das Wortes stets „entblöst“. Und schutzlos.
      Ich drück dich Vivi, niemand guckt dich komisch an. Ganz sicher! Die denken alle bloß: „WOW!!!! Wie schön ist diese Frau!“. Wirklich. Ich weiß das ❤

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  3. Danke für diesen ehrlichen und guten Artikel. Es trifft den Nagel auf den Kopf. Dennoch frage ich mich, ob Sie vielleicht an dem sog. Raynaud-Syndrom gelitten haben. Aber wahrscheinlich haben Sie das längst damals abgeklärt. Eines dürfen Sie sich auf die Fahne schreiben: Sie haben gekämpft und gewonnen. Hut ab!

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  4. Phu, Du Tapfere, wie ich das kenne!

    Ich konnte diese unsäglichen Schmerzen allerdings nicht mehr hinnehmen.

    Und in der Folge habe ich noch nie eine Frau gefragt, ob sie stillt oder nicht.

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  5. Ich brauche nun nichts mehr zum Thema zu schreiben 😀 Du hast absolut alles gesagt, das ich denke und fühle.
    Und das mit den Schmerzen über Monate kenne ich. Hab ich vier Mal erlebt und fasse mich gerade an den Kopf, wenn ich jetzt aus der Retrospektive darüber nachdenke.
    Danke für Deinen Beitrag! Ich habe wirklich laut lachen müssen und dann nachdenken können – danke für beides 🙂

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  6. Oh. Es freut mich natürlich sehr, dass ich Dir einen kleinen Seufzer abringen durfte.
    Als Mann war mir ja nie wirklich klar, wieviel Tamtam um das Stillen gemacht wird und besonders: wie schwierig es manchmal sein kann. Also bleibe ich dabei, denn es steht mir auch gar nicht zu, anders zu urteilen: Was immer an der Brust passiert, Baby, bleibt an der Brust!
    Johnny, Prost!

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  7. Oh danke danke für deine Ehrlichkeit!
    Habe mich auch 3 von 4,5 Monaten abartig gequält, hatte Gott sei Dank keine Schmerzen, aber mein Kleiner wollte irgendwie nicht mehr. Stillversuch, Baby schreit, Abgepumpte milch reichen, ich heule, nochmals anlegen, pumpen, später zufüttern mit Pre. Im 3 Stunden Takt. Die Älteren Fragen warum man sich so quält, Ärzte, Hebammen, das Internet, die anderen frisch gebackenen Mütter geben einem das Gefühl man sei eine schlechte Mutter, es liege an mir dass es nicht klappt. Zuvor ungewollter Kaiserschnitt. Frau Unperfekt. Habe noch heute dran zu knabbern!

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  8. Es ist wirklich so schrecklich wie sich gerade Mütter das Leben so versauen können – dank der Mitmütter und allen, die ja ach so doll wissen, wie’s geht. Schade, dass du sich so gequält hast, wo du dich doch in dieser Zeit erholen solltest und das Babyprogramm positiv erleben wolltest. Bei mir führten alle angedeuteten Fragen und Tipps zum totalen Rückzug, weil ich es machen wollte, wie ich es für richtig hielt, aber doch befürchtete, mich rechtfertigen zu müssen.
    Und ich lasse auch heute noch keine andere Mutter als meine an mich und meine Kinder ran. Bei uns läuft es super, aber überhaupt nicht nach Buch. Ich sag nicht mal dem Kinderarzt, was wir wie machen.

    Das Schlimme aber ist, sehe ich eine andere Mutter, die irgendwas anders macht, dann denke auch ich jedesmal: Also so würd ich das ja nicht tun! Besser wäre es, …
    Ich bin also keinen Deut besser. Aber ich sage nie etwas und versuche sogar manchmal, zu reflektieren, warum dies und jenes bei anderen funktioniert und ob die wohl damit glücklich sind.
    Dabei bin ich mir fast sicher, dass andere Mütter froh wären, würden sie jemanden kennen, der sie darin bestärkt es einfach frei Schnauze nach Gefühl zu machen. Ich wär jedenfalls froh darüber. Denn ich schätze mal, die meisten Mütter haben 1 bis 100 Themen, bei denen es ihnen geht, wie dir mit dem Stillen.

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  9. Ach Rike, mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. 🙂 Ich habe mich bei beiden Kindern durchgequält, mit Schmerzen bis zum Schluss, wie oft habe ich schon vor dem Anlegen geheult. Sagt einem aber keiner vorher, behaupten sogar alle es wäre ganz toll und wenn man sich da verweigert ist das Kind benachteiligt fürs ganze Leben. Bei der Großen habe ich das ein ganzes Jahr durchgezogen, eigentlich unfassbar. Beim Kleinen war ich schlauer und habe außerdem auch endlich mal auf meinen Mann gehört, der es nicht mehr mit ansehen und -hören konnte, nach 4 Monaten war Schluss. Wenn er halt doch irgendwann auf die schiefe Bahn gerät wissen wir wenigstens wer Schuld hat 😉
    Ich überlege, ob ich deinen Text in Zukunft mit den Neugeborenenglückwünschen verschicke? Ja, ich denke, das mach ich!
    Bis demnächst bei McDonald!

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    • Ach, Nina, ein Schatz 😀 bist du! Und wenn ich das nächste mal bei Mc-en bin, ruf ich laut winkend in die Bude: „Huhu! Nina! Hu-huuuu! Winke ma, wo bist´n du?! Häschen piep einmal.“ (noch ein paar mal gebückt unter jede Bank schauen und die Leute fragen, ob du dich hinter ihren Rücken versteckst). Das mach ich!

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  10. Ein super Artikel… Ich als Zwillingsmama hätte ja so wie viele von denen ich hörte auch voll stillen können. Ich wollte das auch und hatte rosagetünchte Vorstellungen davon. Habe ich aber nicht. Stillfreundliche Frauenklinik schön und gut, aber nicht wenn man bei der Geburt, die ja auch auf natürlichem Weg von statten gehen musste, beinahe verblutet wäre und nach der NotOP -nur noch Haut und Knochen und ein paar Blutkonserven reicher- vollgepumpt mit fünf Antibiotika, Schmerzmitteln und Betablockern (obwohl ich noch nie Blutdruckprobleme hatte???) eine Woche auf Intensiv liegt mit gefühlten 100 Schläuchen in den Armen und einem aufgeblähten Bauch, der dicker ist als der Zwillingsbauch vor der Geburt. Kurz nach dem Aufwachen nach der OP wurde mir das Abpumpen und Stillen nahegelegt, das Stillhütchen lag schon bereit, die Pumpe auch und ich lag rum und wollte eigentlich nur zu meinen Zwillingen, die auf 2 unterschiedlichen Stationen lagen. Ich glaube so alle 2 Stunden kam jemand um zu fragen ob ich abgepumpt hätte oder mir einer der Zwerge gebracht wurde zum Anlegen. Ich konnte mich nicht bewegen, meine Babys hätte ich ohne meinen Partner nicht mal gesehen… und mit der Chemie die ich in mir hatte wollte ich auch nicht unbedingt meine Kinder vergiften… Laut Ärzten, Hebammen und Stillberaterin macht das bisschen Chemie doch nix, hauptsache Mumi. Als mir Zwilling 1 gebracht wurde um Anzulegen kam aber nix, und bei den Abpumpversuchen kam nur ein klaglicher Tropfen. Aber wie sollte mehr kommen wenn die Mutter vom Tropf ernährt wird? Auch als ich nach 1 Woche endlich auf Station durfte war das mit dem kläglichen Tropfen nicht anders und da waren die Hebammen noch penetranter mit dem Stillen. Meine Jungs hingegen wuchsen zufrieden mit Milch aus kleinen Fläschchen und sogar der Papa konnte mitfüttern. Nach 2 Wochen KH endlich die Entlassung und die Hoffnung, dass das mit dem Stillen in ruhiger und gewohnter Umgebung und mit meiner Hebamme langsam anlaufen würde. Als meine Hebamme mich sah, sagte sie mir nur einen Satz: „Jetzt musst erst mal du wieder auf die Beine kommen und was das Stillen betrifft, geh es ruhig an aber sei nicht enttäuscht wenn es nicht klappt“.
    Ich wollte stillen und habe mich 3 Wochen lang täglich mehrmals mit der Pumpe hingesetzt. Mehr als 10 ml kamen da nie. Das einzige was kam war der Schmerz und die Einsicht, dass es dann eben nicht so sein soll.
    Die beiden sind prächtig herangewachsen trotz Fläschchen und ich habe ab und zu ein schlechtes Gewissen weil es nicht geklappt hat und neidisch bin ich auch manchmal auf die glücklich stillenden Frauen, die man plötzlich an jedem Eck sitzen sieht. Aber so abgequält habe ich mich nicht. Der soziale Druck war dann doch nicht so gross und mein Partner und meine Familie ham mich da auch gut gestärkt.

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  11. Ich hätte so gern gestillt. Doch dann kam alles anders als erwartet. Eine nicht erkannte Lippen-Kiefer-Spalte – Stillen unmöglich, da der Kleine kein Vakuum aufbauen konnte. Aus der Traum vom Stillen und unabhängig von Flaschen sein. Stattdessen 6 Monate fast komplettes Pumpstillen. total anstrengend und immerzu abhängig von der Pumpe. Länger als 3 Stunden unterwegs? Sehr schwierig. So hatte ich mir den Start nicht vorgestellt. Letzte Woche ist die Pumpe ausgezogen. Ein toller Tag. Endlich wieder unabhängig. Und dem Baby geht’s auch mit Pre-Milch super. Ihm ist egal was in der Flasche ist. Hauptsache er wird satt und wir kuscheln mit ihm. Ob ich das nochmal so machen würde? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Für den kleinen Mann war es in Hinsicht auf die OP wohl richtig aber für mich war es rückblickend sehr belastend. Alle haben mich unterstützt in dem was ich tat aber sie hätten mich genauso unterstützt wenn ich es nicht gemacht hätte.

    Ein toller Artikel. Stillen ist wohl schön wenn es klappt aber wenn nicht wird das Baby auch groß. Stillen ist nicht alles. Liebevolle Eltern und ein liebevoller Umgang mit dem Kind sind meines Erachtens genauso, wenn nicht noch wichtiger.

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  12. Dein Beitrag hat mich sehr bewegt! Danke für die Einblicke in deine Erlebnisse.

    Mutter sein und vor allem Mutter werden – das ist in unserer Gesellschaft leider ein Thema, das irgendwo zwischen Tabu und Mythos, zwischen Wunschvorstellung und äußeren Zwängen und noch einigen anderen Bereichen eingeklemmt ist. Das Bild der „idealen Mutter“ ist so unterschiedlich, dass man, nein Frau!, sich eigentlich immer – egal, was man macht – so fühlt, als wäre es nicht ganz das Richtige.
    Gesellschaft, Familie, eigene Gedanken – das ist alles nicht unter einen Hut zu bekommen. Man versucht es dennoch und irgendwie scheitert man immer an der einen oder anderen Stelle. 😦

    Ich selbst habe 3 Kinder – von zwei unterschiedlichen Vätern. (Damit fängt’s schon mal an.)
    Wunsch war bei allen eine „natürliche“ Geburt.
    Erste Geburt: Kaiserschnitt in 31. Woche weil er nicht mehr gut genug versorgt wurde (Revers-Flow = Rückfluß des Blutes in der Nabelschnur).
    Zweite Geburt: Eigentlich alles gut, bis Fruchtblase platze und alles grün war… – Geburt mit Unterstützung durch Saugglocke (zum Glück nur wenig).
    Dritte Geburt: Not-Kaiserschnitt, da die Herztöne weg waren und auch mit Notfall-Medikament nicht sofort wieder kamen…
    Hab ich jetzt als Mutter versagt? Weil ich keine „normale“ Geburt hinbekommen habe? Trotz drei Anläufen? Die Geburt und die Enge des Geburtskanals ist doch so wichtig für alles… – Über dieses Für und Wider gäbe es auch noch die eine oder andere Geschichte zu schreiben…
    Na wenigstens nur zum Teil versagt, denn immerhin habe ich bei allen drei Kindern eine schöne (und lange) Stillzeit hinbekommen…

    Aber was ist mit dem PeKip? – Da war ich mit keinem der Kinder.
    Was mit all den anderen Früh-Förder-Programmen? Mist – noch mehr verpasste Chancen… noch mehr „schlechte Mutter“-Gefühle.
    Reicht es da aus, dass meine Kinder so gut wie nie Gläschen-Essen bekamen und ich immer selbst gekocht habe? Oder war das auch verkehrt? Hab ich sie dadurch nicht mit genug Nährstoffen und Vitaminen versorgt?

    Mein „Versagen“ kommt überall und immer wieder zum Vorschein:
    Eines meiner Kinder leidet an einer Konzentrations-Schwäche und hat eine Art LRS. Warum? – keine Ahnung!
    Ein anderes hat eine 3-4 cm lange Narbe am Kinn – weil mein Mann und ich einen Moment nicht aufgepasst haben – wir haben im Garten gearbeitet, während die Kinder spielten! Und weil der Zwerg eine Metallstange (!) mit auf die Rutsche genommen hat… Arnika-Globuli und Notaufnahme waren die Folge… 😦

    Was sagt ihr zu berufstätigen Müttern? Oder dazu, wenn jemand „NUR“ Hausfrau & Mutter ist? Die Liste der Unzulänglichkeiten ist lang – sehr lang! Was ist richtig? Was ist Falsch?
    Und es gibt für jeden nur einen Weg – den eigenen!

    Ihr seht – JEDE zu treffende Entscheidung kann – je nach Blickwinkel – zugleich richtig und falsch sein! Jeder sollte lernen, die eigenen zu vertreten und zugleich die der anderen zu akzeptieren. Es gibt immer Gründe für alles – nachfragen und Interesse zeigen hilft, andre zu verstehen!

    Das wichtigste ist, dass jede Mutter (ja, auch jeder Vater) für sich selbst zu ihren (oder seinen) Entscheidungen stehen kann, weil sie aus ihrer (seiner) Sicht richtig sind!
    Sich wochen- oder gar monatelang zu quälen nur um irgendwelchen Normen zu entsprechen, seh ich als kritisch an… denn es leidet die eigene Gesundheit und eventuell die Beziehung zum Kind oder zum Partner.

    Grüße einer oft versagenden, manchmal verzweifelten und dennoch manchmal glücklichen Mutter.

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  13. Superguter Beitrag, danke! Ich hab’s ja auch öfter mal mit dem Thema Stillen, aber Du hast das in eine viel schlüssigere Form gegossen.

    Aktuell würde ich gern vollständig abstillen, aber das Kiddo akzeptiert das schlichtweg nicht. Alle Versuche im Fiasko geendet: Nachts muss Brust her, sonst bricht die Hölle los. Ich bin also eine irgendwie unfreiwillige (Langzeit-?)Stillerin. In meinem Umkreis haben fast alle mit gleichaltrigen Kindern längst abgestillt. Mir sagt keine ins Gesicht, dass sie mich für freakig hält, aber so ein paar seltsame Bemerkungen kamen doch schon mal, weil ich das Kiddo „seinen Willen durchsetzen lasse“ und nicht einfach ne Woche allein verreise, um Tatsachen zu schaffen. Naja. Wie Du’s machst, machst Du’s verkehrt. Seufz.

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  14. Super Beitrag! Ich bin auch gegen ein Stilldogma. Stillen ist toll, aber auch mit Flaschennahrung kann man ein Kind sehr gut ernähren.
    Bin allerdings beim Lesen vor allem wütend über das Klinikpersonal. Auch bei einer übervollen Station kann es doch nicht sein, dass eine Frau nicht einmal anständige Stillhilfe, sondern im Gegenteil nur Stress bekommt. Und dann schnell ne Pille, damit‘ se nicht mehr nervt: Auch wenn es verlangt wird. Da muss man doch mal Sprechen und helfen! Da haben drei Tage die nächsten 6 Monate versaut. Gratulation an die Wochenbettstation…
    Was allerdings den Satz angeht, denke ich, könnte es ja auch sein, dass diejenige einfach nur interessiert ist. Ich finde nicht, dass das eine no-go-Frage ist.

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    • So unterschiedlich ist das! Aber vielleicht ist das auch Deiner besonderen Rolle geschuldet. Schliesslich bist Du im „inner circle“. Von Dir und Deinesgleichen hätte ich diese Frage zu keinem Zeitpunkt als übergriffig angesehen. Sondern als als Erweiterung eines „Wie geht es dir?“. Und mit dem Angebot einer HIlfestellung gekoppelt, falls das denn gewünscht gewesen wäre.
      Danke Dir ganz besonders, dass Du hier kommentiert hast! ❤

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  15. Pingback: Die scheinheiligen Kühe der digitalen Mamis – Eine Anfänger rastet/rantet aus « Chaos² – Familienwahnsinn im Doppelpack

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  17. Liebe Rike !
    Danke für Deine ehrlichen Texte, so insgesamt im Block. Ich hätte ehrliche Elternblogs vor 25 Jahren gebraucht, dann wären mir meine Probleme und mein Kind nicht so einzigartig erschienen, und ich hätte mich nicht so unfassbar dämlich und als Versagerin gefühlt.
    Zu DDR-Zeiten wurde kaum, wenig oder nicht gestillt. Die Ersatz-Babymilch aus sozialistischer Produktion war nämlich besser als die Muttermilch!

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