Liebeserklärung

… an einen bestimmten Ort auf der Welt, wo man „ditte“ sagt und damit keine Frauenbrust meint.

Die Sachsen und die Preußen haben ein schwieriges Verhältnis zueinander. Warum, wieso, weshalb, die Geschichtsbücher sind voll und beim Deutschlandradiokultur kann man dazu auch noch nachlesen, wenn man möchte.

Ich allerdings bin seit Kindheitstagen einer schwärmerischen Verliebtheit gegenüber Berlin aufgesessen. So von weitem zumindest.

„Sind wir schon in Berlin?“, lautet meine Frage bei jeder Autofahrt in Richtung Ostsee. Also ab circa fünf Kilometer hinter Radeberg. „Aber jetzt sind wir in Berlin, oder?“, bin ich spätestens am Senftenberger See sicher.

Berlin, Berlin. Schon zu DDR-Zeiten war dort alles viel wunderbarer als bei uns. Die hatten sogar Kakao im Tetrapack. Das muss man sich mal vorstellen! Und der VEB Jugendmode schickte stets die besten Klamotten ins Centrum-Warenhaus auf den Alexanderplatz. Ich fand alles ganz toll! Die Tiere im Berliner Zoo waren toller als die in Dresden und später, während meiner Sturm-und-Drang-und-keine-Macht-für-niemanden-Zeit in den Achtzigern, wo fanden wohl die besten, coolsten Punkkonzerte der Republik statt? Rüschtüsch.

Meine Cousine hatte sogar eine Cousine in Berlin. Ihr Vater und meine Mutter sind Geschwister und ihre Mutter kam aus Berlin, hatte eine Schwester dort und diese eine Tochter, die dann aufgrund der soeben beschriebenen Umstände zur Berliner Cousine meiner Dresdner Cousine wurde (Es war schwierig für mich zu verstehen, dass das nicht auch meine Verwandte war und ich bedauerte dies sehr.). Durch diese Berliner Cousine kamen Kassetten mit Musik in die sächsische Provinz, von der hier noch niemand was gehört hatte. Oder erst viel später, wie zum Beispiel die NDW. Alles, was aus Berlin kam, war irgendwie cooler. Lässiger. Eben knorke.

Und die Leute sind auch viel cooler, wa?

Vor ein paar Jahren hatte ich im Rahmen eines Projektes mit Berliner Kollegen zu tun. Am Anfang war das anstrengend. Die waren viel kommunikativer als ich. Auch viel jünger (Wahrscheinlich war das der eigentliche Grund und nicht die Verortung in der Hauptstadt.). Ständig poppte irgendein Fenster von Sync, Skype oder WhatsApp auf mit: „Na? Allet schick?“, oder das Telefon piepte, weil sich jemand aus Berlin unterhalten wollte. Ich kam kaum zum Arbeiten! Das war sehr gewöhnungsbedürftig. Die Berliner waren auch ständig in irgendeinem „Call“. Ich hatte ab und zu eine Telefonkonferenz oder kurz: TelKo, aber „Calls“ hatte ich keine. Telefonkonferenz versus Call, man merkt schon an der Begrifflichkeit, dass die wirklich hipper waren.

Aber ich liebte die Tage Vorort in Berlin! Wenn ich auf dem Hauptbahnhof ankam, betrat ich eine andere Welt. Lauter, voller, größer. Dann die Taxifahrt zum Office (Die Berliner arbeiteten in keinem Büro, die hatten ein Office.), ich zitternd auf der Rückbank, beide Hände am Angstgriff, „Ohgottohgottohgott!“-flehend, sicher, die Autofahrt nicht zu überleben. In Berlin Taxi zu fahren ist für mich, als hätte mich einer in ein Computerspiel reingedingst (Ich kenne mich leider gar nicht aus mit sowas, „ The race“ wäre ein passender Name.). Aber von vorn kam ganz bestimmt ein tröstendes: „Keene Angst, kleenet Frollein!“. Taxifahrer müssen in Berlin wahrscheinlich einen speziellen Kurs absolvieren, so kann ganz sicher nicht jeder Auto fahren! Ich könnte mir vorstellen, dass es einen Witz unter Berliner Taxifahrern gibt, der in etwa so gehen könnte: „Du, der Didi, der hat sich zur Ruhe gesetzt. Ick gloobe, der fährt jetzt in Dresden!“.

Ich bin immer gut angekommen. Nur angstschweißtriefend.

Im Berliner Office war auch immer alles viel cooler als im Dresdner Büro. Und die Leute so lässig entspannt! Null gehetzt. Chillig. Mach ma locker, ey. Ich fand das toll. Gut, so richtig zum Arbeiten bin ich da dann auch nicht gekommen, aber zum Staunen. Kaum biste da, geht’s ja auch gleich wieder zum Lunch. Ich geh in Dresden zum Mittagessen, in Berlin gehste eben lunchen. „Wo gehn wa hin? Koreaner, Inder? Magst du Tajine? Lieber thailändisch oder Pizza?“.

Also, ich hab noch nie Tajine gegessen. Ich musste jetzt auch erst mal bei Google nachgucken, wie das geschrieben wird. Berlin macht mich auch kulinarisch zur Provinzschnepfe. Und dann gehen wir los. Nur so die engsten fünfzehn, zwanzig Kollegen. Also nicht direkt gehen, schnurstracks mit Zeitdruck verbunden. Mehr so lässig, schlendernd. Und es ist immer schönes Wetter! Stets Frühling oder angenehm temperierter Sommer. Ich war noch nie bei Scheißwetter in Berlin (Wahrscheinlich ham die gar kein Scheißwetter, wa?! Nur wir! Das ist mal wieder typisch!). Egal, wir schlendern und flanieren durch hippe Gegenden mit hippen Leuten, die große Mützen und Sonnenbrillen und Chinos mit Pofreiheit tragen (oder was eben grad so angesagt ist bei Hauptstädtern unter vierzig) und allet schick. Und wenn in den zwei, drei Stunden, die der Lunch-Spaziergang so dauert, ein „Call“ ansteht, dann wird der eben im Gehen mit den Knöbbeln im Ohr (Weiß nicht, wie das auf preußisch heißt. Kopfhörer?) absolviert. Entspannt. Hände in den Taschen.

Das ist alles so… so arschcool! Ich will das auch. Ich will auch ein bisschen Berlin sein! Tausche sächsische Gemietlischkeet gegen Berliner Coolness. Wa?!

Kommste dann heeme aus der großen Stadt und stapfst in Dresden aus dem Hauptbahnhof, dann ist alles irgendwie slomo. Und keiner auf der Straße! Also nur so ganz wenige Leute. Das Auge ist an die gemietlische Kleenstadt nicht mehr gewöhnt. Und das Beste ist dann immer die Taxifahrt vom Bahnhof nach Hause. Gefühlt fährt der Dresdner Taxifahrer dreißig Km/h und stets rechts (Also, wenn man gerade aus Berlin kommt.). Und wehe, du sagst, du hättest es eilig! „Immer mit dor Ruhe! Isch lasse misch dor hier ni hetzen! Dann gönnse glei loofn!“. Ja, cool können wir auch…

Alles was aus Berlin kommt, ist wunderbar. Auch die Berliner Blogs sind cool. Und die Blogger alle lässig. Machen Bloggertreffen und Events. Da kiekste als Dresdner in die Röhre, wa?! Sowas gibt’s hier nicht.

Also noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht im Sommer 2015? Mit Dresdner Eierschecke und Tajine? Gemietlischkeet meets Coolness?! Das wäre doch nett, oder? Arschcool wäre das!

15 Kommentare zu “Liebeserklärung

  1. Ach und für mich war Dresden immer der Sehnsuchtsort. Die Menschen waren dort viel künstlerischer und intellektueller, die Zeit ging langsamer war dafür bedeutungsvoller. Dresden war für mich schon immer die schönste Stadt und mit ihrem Charme steht sie Wien in nichts nach. Berlin ist auch schön, aber ganz anders, viel schneller, viel sprudeliger, unruhiger. In Ostberlin liebte ich es Currywurst am Plänterwald zu esssen oder einen cocktail im Palast der Republik zu trinken und ich mochte den Prenzelberg sehr. Jetzt hat Pankow noch etwas übrig vom damaligen Charme. LG Xeniana

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  2. Na was soll ich denn da sagen…? Eine gemeinsame Verwandte sagte mal, dass in Schwerin die Bürgersteige tagsüber gar nicht erst runtergeklappt werden…😄 Ich lebe trotzdem sehr gern hier und reise mindestens einmal im Jahr nach Dresden; für mich sowieso die schönste Stadt der Welt😍 Was ist denn schon Berlin…viel zu groß, zu weite Wege, zu hektisch, zu laut, zu………😜 Aber zugegeben…kulturell ist da natürlich viel, viel mehr los. Ein Besuch in der Hauptstadt ist ok, aber dann ganz schnell wieder zurück ins beschauliche Schwerin😊

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    • Also Schwerin… ja, Du, also… pah… hm… sagen wir so: Ich respektiere Deinen AUßERGEWÖHNLICHEN Geschmack! 😛 Beschaulich. Beschaulich isses. Aber beschaulich klingt irgendwie nach Weißkappen mit beiger Einheitstracht… nicht nach Dir!

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  3. Ich lach mich schlapp…Vielleicht können wir Sachsen uns ja gemeinsam zu einer Berlinfahrt zusammenfinden…quasi ein sächsisches Bloggertreffen in Berlin…ich finde, das hat was…;-). LG Lotta.

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    • Das wäre auch „nice“, dazu müsste man ja aber eingeladen werden 😉 Da ich bisher immer erst im Nachhinein Bilder und Berichte von solchen Veranstaltungen zu Gesicht bekam, dachte ich, wir holen Berlin einfach nach Sachsen. 😀 Und die aus Wanne-Eickel und Buxtehude und Bergheim und wo auch immer.

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  4. Also, solche tetrapacks hatten wir als schulmilch – und ich komm von nem kleinen Dorf bei korl-morx-Stodt.
    Und nach über 20 Jahren in Berlin weiß man, dass hier auch alles ganz „normal“ ist.
    Dresden ist halt anders schön.

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    • Wir hatte keine Kakao-H-Milch oder nur selten. Wahrscheinlich war das bei Dir zehn Jahre später 😛 Ich weiß, jedesmal wenn wir nach B fuhren, immer erst so´ne Kakao-Milch kaufen, Ecke abbeißen und dann die Milch aus der pappe zutschen. Die Ecke war dann immer abgelutscht und ausgefranst… Ja, Berlin ist auch „normal“, das weiß ich. Aber zum einen überzeichne ich so ziemlich jeden Artikel 😉 das mach ich eben so und zum anderen ist da mehr als was Wahres dran, dass mit mir irgendwas passiert, wenn ich in B lande. Ich mags dort einfach. Und das hat sicher was zu tun, das es eben NICHT wie DD ist 🙂

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  5. Berlin is supa! 🙂 Find ick ooch.
    Und Tajine musst du mal probieren. Aber bei nem guten Marokkaner. Es gibt einen irgendwo hinter den Sophienhöfen in Berlin. Hab vergessen wie die Straße heißt. Vielleicht gibt´s den Laden auch schon garnicht mehr. Naja egal. Ich kann auch einen Tajine kochen! Ich hatte quasi einen jahrelangen Lehrgang bei einem Marokkaner. Eins der wenigen Sachen, die ich wirklich gut kochen kann sind ein paar marrokansiche Gerichte.

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